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Nairobi, 9.8.09 Liebe Freunde, die letzten Wochen hatten es wirklich in sich! Wir haben viel gesehen und viel erlebt. Wir haben unsere Pläne mehrmals über den Haufen geworfen und uns jetzt entschieden, den Nordwesten Tanzanias auszulassen. Statt dessen nehmen wir den Weg über Kenia nach Uganda, denn das ist überwiegend Asphalt. Wir haben nämlich mehr als genug Staub geschluckt. Außerdem hat uns unser Auto mehrere Male daran erinnert, dass wir bitteschön pfleglich mit ihm umgehen mögen. Ein paar Teile haben in ziemlich ungünstigen Momenten erfolgreich ihren Dienst verweigert. Doch wir hatten die passenden Streikbrecher immer dabei und waren nach längstens zwei Stunden wieder flott. Am Ende werden uns alle dieser Situationen in positiver Erinnerung bleiben. Sei es, weil es dann doch Spaß gemacht hat. Sei es, weil wir erfolgreich ein Problem geknackt haben. Schöne Grüße, mittlerweile aus Kenia Anette und Wolfgang |
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Tagebuch 13.7. bis 2.8.2009 |
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Montag, 13.7.09 (im Busch auf 2600m Höhe): Gestern Abend beim Dinner hatten wir einen jungen Mann kennen gelernt, der hier als Werkstudent arbeitet. Er hat uns freundlicherweise eine Führung durch die Kaffeeproduktion angeboten. Als wir auf der Plantage eintreffen, werden die Pflückerinnen gerade in ihre Felder eingeteilt. Offensichtlich ist es eine reine Frauenarbeit, die reifen Kaffeekirschen von den Büschen zu holen. Die Kirschen werden nicht alle zur gleichen Zeit reif, deshalb zieht sich die Ernte über mehrere Monate hin. Jede Frau trägt einen großen Eimer auf dem Kopf, den sie mehrmals am Tag füllt. Pro Eimer bekommt sie rund einen halben Euro. Nach der Lese beginnt ein arbeitsintensiver Prozess aus schälen, trocknen und reinigen, an dessen Ende der Rohkaffee in Säcke geschaufelt wird. So bekommen ihn die Röster und machen daraus das, was wir teuer im Supermarkt kaufen. Auf dieser Plantage wird nur der edle Arabica-Kaffee angebaut, der bei Eduscho und Co meist nur zu einem sehr kleinen Teil drin ist und sicher nicht zu einem Preis von 3 Euro pro Pfund zu kriegen ist. Angesichts des Arbeitsaufwandes ist es sowieso unverständlich, dass das Zeug bei uns immer noch so billig ist. Kaffee wächst übrigens nicht auf Sträuchern, sondern auf Bäumen, die immer wieder gestutzt werden. Andernfalls müsste man Giraffen als Pflückerinnen einstellen. Nicht weit weg von der Lodge liegt einer der größten alkalischen Seen Afrikas. Laut Karte sind es keine hundert Kilometer bis dahin, ideal für einen Tagesausflug, so dass wir rechtzeitig zum Dinner zurück sein können. Die Piste ist extrem staubig und felsig. Der Staub spritzt in Fontänen wie Wasser zur Seite und geht bei der Landung in eine große Wolke über. In der Regenzeit ist das ein unpassierbarer Matsch. Glücklicherweise haben wir den Wind von der Seite und nicht von hinten, denn da nicht mehr als 30 Kilometer in der Stunde drin sind, hätten wir dauerhaft alles dicht machen müssen. So reicht es bei Gegenverkehr, der hier allerdings sehr spärlich ist. Leider liegt der See unten im Ostafrikanischen Grabenbruch, 800 m tiefer als die Lodge, was die Fahrerei auch nicht angenehmer macht. Laut Karte kommt nach 80 km ein Abzweig, der über die Steilkante runter an den einzigen Zugang zum See führt. Den Abzweig finden wir, den Steilabfall auch, nur den See nicht. Wir sehen ihn zwar hinten liegen, doch der Weg führt nicht ans Ufer, sondern endet in einigen schmalen Trampelpfaden. Ratlosigkeit! Auch nach längerem Kartenstudium werden wir nicht schlauer. Dann kommt ein älterer Herr vorbei. Etwas atemlos radebrecht er, dass er der Chief des Dorfes hier unten am Steilhang sei und dass er sich schon gewundert hätte, warum wir hierher gefahren wären. Wir kriegen nicht heraus, wie sein Dorf heißt, doch als wir den Namen Saza erwähnen (das ist das Dorf, was wir suchen), zeigt er Hang aufwärts, dahin, wo wir hergekommen sind. Also zurück. Wir nehmen ihn gleich mit und er ist stolz wie Oskar, als wir ihn vor seinem Haus absetzen. Ortsschilder gibt es hier nicht, sondern man muss im Dorf nach einer Schule oder Kirche suchen. Wenn man Glück hat, steht dort ein Name, der auch auf der Karte auftaucht. Wenn nicht, ins nächste Dorf weiterfahren. Fragen ist zwecklos, weil wir die Namen mit Sicherheit völlig falsch aussprechen. Nach längerem Suchen finden wir die vermutlich richtige Piste runter an den See, doch sie liegt weit weg von der Stelle, die auf der Karte eingezeichnet ist. Die Entfernungsangaben sind offensichtlich völlig falsch. Leider ist es schon Nachmittag und wir beschließen, auf den See zu verzichten. Zurück zur Lodge nehmen wir einen anderen Weg, vielleicht ist der besser. Leider auch ein bisschen länger und zudem führt er über einen 2600 m hohen Pass, vorne 1800 m rauf und hinten 1000 m runter. Die Hoffnung auf eine bessere Piste erfüllt sich nur insofern, als dass wir deutlich weniger Staub aufwirbeln. Schneller geht es trotzdem nicht. Manchmal hat Anette seltsame Ahnungen. Diesmal meint sie, der vordere rechte Reifen würde Luft verlieren. Also anhalten und nachschauen. Ist aber nichts. Auf dem Rückweg ums Auto fällt allerdings der hintere rechte Reifen auf. Er ist kurz vor platt. Nach ein paar Minuten ist er gewechselt. Anettes Ahnung hat ihn vermutlich gerettet, denn auf dieser Piste hätten wir einen Plattfuß erst bemerkt, wenn der Reifen bereits zerstört gewesen wäre. Die Strecke zieht sich elend lang hin, die Berge, über die wir drüber müssen, sind noch nicht einmal zu ahnen und die Sonne macht es nicht mehr lang. Endlich, kurz nach Sonnenuntergang, haben wir das Gebirge vor uns. Wir werden quasi als Abendspaziergang einmal von Garmisch auf die Zugspitze fahren und hinten wieder runter. Die Piste wird sehr felsig und manchmal auch sehr schmal, so dass bei Gegenverkehr einer eine Ausweiche finden muss, meist wir, denn das ist sicherer. Über lange Strecken hoppeln wir im ersten Gang über die Steine, doch es geht ganz gut vorwärts. Pole pole, wie man hier sagt, langsam langsam. Kurz vor 20 Uhr, es ist inzwischen stockdunkel, sind wir oben. Auf dem Schild steht zwar 2941 m, doch tatsächlich sind es 2660 m. Man kann tief in der Ebene die Lichter erahnen und wenn man die Hand aus dem Fenster streckt, merkt man sehr schnell, dass man weit oben ist. Da wir ja unser Haus dabei haben, bietet es sich an, jetzt auf den nächtlichen Abstieg zu verzichten, sich statt dessen einen waagerechten Platz zu suchen und für heute Schluss zu machen. Knapp unter dem Gipfel finden wir einen Seitenweg und verkriechen uns nach einem Gläschen Rotwein in unseren Betten. Das wird vermutlich die höchste Nacht auf dieser Tour. Dienstag, 14.7.09 (Utengule Coffee Lodge, Mbeya): Und sie war angenehme kühl, wenngleich die morgendlichen 10° nicht zum Frühstück im Freien einladen. Gerade, als wir uns abmarschbereit machen, um ein sonniges Plätzchen zu suchen, kommt ein Dutzend Kinder auf dem Weg zur Schule vorbei. Ab sofort ist Schule unwichtig, jetzt muss erst einmal ausgiebig bestaunt werden, was die komischen Musungus (Weißen) so alles machen. Um den Schulunterricht nicht unnötig zu stören, machen wir uns bald darauf auf den Weg. Zunächst noch einmal zurück, um den Blick vom Pass, der sich großspurig Worlds End Viewpoint nennt, zu genießen. Der Blick wäre gigantisch, doch die morgendliche Sonne kann den Dunst in der Ebene noch nicht so richtig durchdringen. Trotzdem haben wir ein schönes Frühstück mit Fernsicht. Die Piste ins Tal ist gar nicht so schlecht, denn man hat vor Jahren offensichtlich eine richtig breite und befestigte Straße auf den Berg bauen wollen. Die Arbeiten sind mittendrin eingestellt worden, doch jetzt lässt es sich auf der bereits verbreiterten Trasse recht gut fahren. Kein Vergleich zum Aufstieg. Mbeya am Fuß des Berges erweist sich als ziemlich große Stadt. Mit allem, was wir jetzt brauchen. Bank mit Geldautomat, Supermarkt, Reifenreparatur, Tankstelle. Sogar einen Rohling für ein Notscharnier an unserem Kocher finden wir, denn das originale hat’s zerrissen. Na ja, Anette und die Rüttelpiste haben es gemeinsam geschafft. Am Nachmittag sind wir zurück in der Utengule Coffee Lodge und genießen den Rest des Tages. Das Kocherscharnier tut’s wieder und selbst einen Zugang zum Internet gibt es hier. Jetzt fehlt nur noch ein gutes Abendessen, doch wozu gibt es hier ein Restaurant? Mittwoch, 15.7.09 (Kisolanza Farm): Heute wollen wir 300 km weiter auf das Camp der Kisolanza Farm. Dort waren wir vor 10 Jahren schon mal und es hat uns ausgesprochen gut gefallen. Also los. Der Manager der Coffee Lodge hatte uns den Tipp gegeben, unseren immer noch abgerissenen Träger der Schutzplatte bei einer nahegelegenen Werkstatt schweißen zu lassen. Die Wegbeschreibung lautet: auf die Hauptstraße fahren, rechts rum, dann liegt irgendwann vor einem Haus Reis zum Trocknen, dann noch ein Stück weiter bis zu einem Haus mit zwei Bäumen davor. Da ist es. Tatsächlich finden wir die Werkstatt schon im zweiten Anlauf und sind erstaunt, was dort alles an Maschinen herumsteht. Fast wie bei uns. Der Chef, Sanga, versteht sofort, was wir brauchen und einer seiner Leute schneidet, bohrt und schleift das neue Teil auf Maß. Nach einer halben Stunde ist alles geschweißt und angeschraubt. Jetzt kann der nächste Felsen kommen! Die anschließende Fahrt ist wenig ereignisreich, kaum Verkehr und nur ein halbes Dutzend Straßenkontrollen. Freundliche. Bei Einbruch der Dunkelheit sind wir da und auch ziemlich schnell im Bett. Donnerstag, 16.7.09 (Kisolanza Farm): Heute ist Putz- und Flicktag und auch das Auto bekommt ein paar Streicheleinheiten. Als Belohnung gibt es abends mal wieder ein richtiges Feuer mit ein paar Farmprodukten darauf. Freitag, 17.7.09 (Sunset Mountain Lodge, Tungamalenga): Schon fast drei Wochen unterwegs und noch kein richtiger Nationalpark! Das muss sich ändern. Der Ruaha liegt eine Stunde Asphalt und drei Stunden Piste entfernt. Er ist inzwischen zum größten tanzanischen Nationalpark geworden und bietet (fast) alles, was die viel bekannteren wie Serengeti und Lake Manyara auch bieten. Nur viel abgelegener, was die Zahl der Besucher sehr klein hält. Nach den letzten Einkäufen in Iringa sind wir gewappnet für ein paar Tage in der Wildnis. Die Piste ist zwar schmal, aber an sich ganz gut, wenn nur das viele Wellblech nicht wäre. Bei Tempo 25 geht’s noch, wenn es schneller wird, schüttelt’s das Auto durch, was weder das Auto noch wir lange aushalten. Die Einheimischen und die Leihwagenfahrer stört das nicht, doch wir lassen es lieber langsam angehen, denn die nächste Werkstatt ist weit weg. Wie gesagt: Pole pole. Rechtzeitig vorm Sunset treffen wir in der Sunset Mountain Lodge ein. Wir werden sehr freundlich begrüßt, nicht nur, weil wir die einzigen Gäste sind. Wenn wir mögen, könnten wir auch ein Dinner bekommen. Wir mögen, schmieren schnell noch die Vorderachse ab und sitzen rechtzeitig zum Sundowner auf einer Terrasse mit majestätischem Blick über die Ebene. Kühle Getränke, fein gedeckter Tisch, sehr gutes Beef-Curry, gebackene Bananen zum Dessert. Out-of-Africa-Feeling pur! Samstag, 18.7.09 (Sunset Mountain Lodge, Tungamalenga): Jetzt aber endlich Tiere! Wir brechen ohne Frühstück auf und sind nach einer Stunde am Eingang zum Nationalpark. Unser Ruf nach Tieren wurde offensichtlich missverstanden. Hier gibt’s Tsetse-Fliegen en masse. Ein Einheimischer versichert uns treuherzig, dass sie nichts täten, nur ein bisschen stechen. Er sei schon seit 10 Jahren hier und hätte noch nie die Schlafkrankheit gehabt. Wie tröstlich. Wir hassen die Mistdinger, egal, ob sie die Schlafkrankheit übertragen und nur freundlich Blut saugen wollen. Nach dem Bezahlen (80 US$ pro Tag) hauen wir schnell ab, denn angeblich sind Tsetse nur hier am Eingang besonders häufig, im Park wären sie kein Problem. Stimmt, denn wenige Kilometer weiter finden wir am Ruaha-Fluss ein sehr schönes Plätzchen, frei von Tsetse und mit schönem Blick auf die “richtigen” Tiere. Gemütliches Frühstück mit Nilpferden, Krokodilen, Wasserböcken und vielen Vögeln. Entlang des Flusses halten sich in der trockenen Jahreszeit die meisten Tiere auf, deshalb werden wir ein Stück flussabwärts fahren, mal sehen, was uns über den Weg läuft. Das ist nicht schlecht! Zwar keine Tatzen, aber reichlich Rüssel, lange Hälse und Gestreifte. Dank des Wassers sieht und vor allem hört man hier viele Schreiseeadler, eines der Charaktertiere Afrikas. Wir genießen den Tag und bleiben immer wieder für einige Zeit stehen, um Ausschau zu halten. Zuweilen darf man sogar das Auto verlassen. Hoffentlich wissen auch die Löwen, dass sie an diesen Plätzen nichts zu suchen haben. Wir sehen zwar keinen, aber es gibt sie hier. Reichlich. Im hinteren Teil des Parks sind die Pisten extrem staubig, so dass das Anhalten wenig Spaß macht, weil sich das aufgewirbelte Zeug erst einmal setzen muss. Für heute haben wir genug gesehen und sind rechtzeitig zum Sonnenuntergang in der Sunset Mountain Lodge zurück. Heute Abend bleibt deren Restaurant dunkel, denn wir haben unser eigenes Feuerchen und noch ein gutes Stück Fleisch aus der Kisolanza-Farm. Sonntag, 19.7.09 (Sunset Mountain Lodge, Tungamalenga): Heute ist ein besonderer Tag für Wolfgang. Er erschlägt eine Tsetse-Fliege im Fluge. Das ist normalerweise unmöglich, weil sie zu stabil sind, aber die hier war wohl gebrechlich. Oder schon alt. Apropos alt, heute ist auch Wolfgangs Sechzigster. Zur Einstimmung singen Anette und der Lodge-Manager ein Geburtstagsständchen. Frühstück kriegt er noch nicht, denn vorher muss er den Bus erst in den Nationalpark fahren. Kaum haben wir den Eingang hinter uns und dabei alle Geburtstagsgeschenke der Tsetse erfolgreich abgewehrt, liegt direkt neben der Piste eine dekorative Löwin. Wir hatten sie völlig übersehen, weil wir auf der anderen Seite Bienenfressern hinterhergeschaut haben. Erst beim Weiterfahren fällt sie uns auf. Doch sie singt kein Geburtstagsständchen und trollt sich nach einiger Zeit des gegenseitigen Beobachtens. Ein Stück weiter am Fluss wartet ein fürstliches Frühstück. In einer Löwenverbotszone, deshalb draußen. Tisch und Stühle, Schattendach, Blick auf Hippos und Krokodile, die sich gegenseitig belauern. Geburtstag mit großen Tieren. Eines von den Krokodilen hat sich eine ganz besondere Frühstücksidee einfallen lassen. Es liegt mit offenem Maul in einem kleinen Wasserfall und wartet, bis ihm die Strömung das Fressen ins Maul treibt. So einfach kann das Leben sein. Der Fisch sieht das naturgemäß etwas anders. Und noch eine Frühstücksidee: geh’ in den Bus und klau etwas Essbares. Dachte sich ein kleiner Affe und saß schon in der Schiebetür. Aber wir waren schneller ... Wir kurven den ganzen Tag in der Nähe des Flusses herum. Es ist eine wirklich schöne Landschaft. Hügel, kleine Wälder, Wiesen und viele Stellen, von denen aus wir die Tiere beobachten können. An einem kleinen Hang wird Wolfgang übermütig und meint, dass wir da mit etwas Schwung hochkämen. Wer Geburtstag hat, hat Recht. Es geht auch, aber nur bis kurz vor die Kante. Dann drehen die Hinterräder durch und das ganze Auto rutscht ziemlich unkontrolliert wieder herunter. Leider nicht gerade, sondern schräg, genau auf einen dicken Busch zu. Anette stellt sich auf die Bremse und hält eifrig Ausschau nach Mähnen, während Wolfgang das Beil schwingt. Die Äste sind wie aus Gummi und man kann sie erst durchhacken, wenn sie auf dem Boden liegen. Der Busch wehrt sich eine halbe Stunde lang, doch dann hat die schiere Gewalt gesiegt. Der Busch ist fertig, Wolfgang auch. Eine Zweitkarriere als Holzfäller wird nicht angestrebt. Nach einer kurzen Rekonvaleszenz ist der alte Mann wieder einsatzbereit. Am Abend wartet ein leckeres Dinner in der Lodge. Sonnenuntergang und Blick über die Welt inklusive. Geburtstag ist doch gar nicht so schlimm. Montag, 20.7.09 (Riverside Camp, Iringa): Nach einem faulen Vormittag fahren wir zurück nach Iringa. Dieses Mal brauchen wir deutlich länger, weil neben der Wellblechpiste auch noch 600 Höhenmeter zu überwinden sind. Nach dem Leeren des überquellenden Mailpostkastens in einem recht modernen Internetcafe in Iringa müssen wir noch 10 km bis zu unserem Camp fahren. Leider wird die Straße dorthin gerade ausgebaut und ist streckenweise nur einspurig befahrbar. Alle paar Kilometer müssen wir warten, bis der Gegenverkehr vorbei ist, deshalb sind wir erst im Dunkeln auf dem Platz und wegen der Kälte ziemlich schnell im Bett. Dienstag, 21.7.09 (Riverside Camp, Iringa): Das Camp ist voll mit Dänen, die hier Kisuaheli lernen. Offensichtlich alles Missionare. Einige erzählten uns, dass sie schon seit 20 Jahren in Tanzania lebten. Wir haben nicht gefragt, warum sie erst jetzt Kisuaheli lernen. Neben uns übernachtet eine Gruppe indischstämmiger Tanzanier. Muslime, die hier irgend eine Familienfeier haben. Das klingt nach unruhiger Nacht, deshalb bietet uns die Managerin des Platzes eine ruhigere Ecke an. Am Ende ist es gar nicht so wild. Kaum liegen wir im Bett, kehrt auch bei den Indern Ruhe ein. Mittwoch, 22.7.09 (Riverside Camp, Iringa): Wir kommen mit einem der älteren Inder ins Gespräch. Seine Familie lebt schon seit vielen Generationen in Tanzania und hat erst unter den Deutschen und dann unter den Briten ihre Geschäfte gemacht (alle Inder scheinen “Geschäfte” zu machen und ohne sie läuft hier gar nichts). Er hat in England studiert und wird uns mit einer überraschenden Bemerkung in Erinnerung bleiben: “Es gibt zwei Feinde der Menschheit: die Tradition und die Religion!” Und das aus dem Munde eines Muslims! Am Abend sind wir die ersten im Restaurant. Obwohl wir heute nicht so übermäßig viel getan haben, sind wir ordentlich hungrig. Außerdem wollen wir früh raus, um morgen so weit wie möglich in Richtung Dodoma zu kommen. Donnerstag, 23.7.09 (im Busch vor Dodoma): Wir brauchen fast eine Stunde, um die 10 km zurück nach Iringa zu schaffen. Die einspurigen Baustellen nerven. Zu unserer großen Überraschung können wir unsere Website in einem indischen Internet-Cafe hochladen. Warum es funktioniert, ist uns schleierhaft, denn normalerweise sind vom Betreiber alle afrikanischen Adressen gesperrt. Vielleicht haben die Inder das Ganze trickreich über Indien geschleust. Nach den letzten Einkäufen machen wir uns auf den großen Ritt quer durch Tanzania von Süd nach Nord. Wir könnten außen herum fahren (was wir vor 10 Jahren auch gemacht haben), dann hätten wir fast nur Asphalt, müssten aber 1200 km abspulen, macht rund 20 Stunden Fahrzeit plus einige Stunden durch die Baustellen. Die Alternative: direkt nach Norden mitten durch Tanzania, von der Entfernung her nur halb so lang, aber vermutlich auch nicht schneller, weil es fast nur Piste ist. Landschaftlich ist es sicher die attraktivere Route, zudem kennen wir sie noch nicht. Also, ab durch die Mitte. Das erste Ziel ist Dodoma, die formale Hauptstadt Tanzanias, 250 km entfernt. Die Piste beginnt ganz ordentlich, wird dann aber immer schlechter. Meist schaffen wir zwischen 25 und 30 Kilometern in der Stunde. Wenn man sich innerlich auf dieses Tempo eingestellt hat, dann ist es ein recht entspanntes Fahren. Die Landschaft ist ansehnlich, mal bergig, dann wieder weite Ebenen, ab und zu ein Dorf, aber auch über lange Strecken gar nichts. Viele gewaltige Baobabs und manchmal sogar Blüten. Wenn das Wellblech nicht wäre, wäre es die reine Genussfahrt. Der Gegenverkehr ist spärlich, auf der ganzen Strecke begegnen uns vielleicht 50 Autos. Da sie schon von weitem an der Staubfahne zu erkennen sind, bleibt immer genügend Zeit, die Fenster zu schließen und eine breite Stelle als Ausweiche zu suchen. Trotz des dünnen Verkehrs stehen verhältnismäßig viele Autos mit Pannen am Wege, wir haben mindestens zehn gezählt. Manche offensichtlich schon seit Tagen, andere nur wegen eines Plattfußes (was ohne Reservereifen auch kein Vergnügen ist). Jeder hält genau da an, wo die Panne passiert ist, die übrigen Autos müssen sich halt einen Weg drumherum suchen. Ein großer Bus steht bewegungsunfähig mitten auf die Piste und wir sind die ersten, die daran vorbei müssen. Wir beratschlagen mit den Fahrgästen, an welcher Seite es besser geht. Im Endeffekt ignorieren wir deren Vorschlag, weil sie offensichtlich nur Erfahrungen mit Geländewagen haben und nicht mit hoch beladenen VW-Bussen. Mit etwas Glück schaffen wir es, den seitlichen Straßengraben zwischen die Räder zu bekommen und am liegen gebliebenen Bus entlang zu balancieren. Man muss sich diese Zahlen mal bildlich vorstellen: 50 Autos fahren und zehn haben eine Panne. In Deutschland würden die Straßenwacht-Fahrer zur beliebtesten Berufsgruppe. Als es Abend wird, sind wir immer noch zwei Stunden von Dodoma entfernt. Gerade rechtzeitig taucht neben der Piste eine große ausgebaggerte Fläche vom Straßenbau auf. Ideal für die Übernachtung, weil uns die Dunkelheit eine Viertel Stunde später quasi unsichtbar macht. Die Nacht ist stockdunkel, Neumond, und die Milchstraße ist fast zum Anfassen nah, weil es hier nirgendwo künstliches Licht gibt. Freitag, 24.7.09 (im Busch vor Kolo): Als wir aufstehen, wandern die ersten Leute aus den nahe gelegenen Dörfern auf ihre Felder. Sie grüßen freundlich und wir genießen unser Frühstück bei angenehmen 20°. Die fehlenden 40 km bis Dodoma sind in eineinhalb Stunden geschafft. Wer nun erwartet, dass die Hauptstadt Tanzanias aussieht wie eine Hauptstadt, der irrt. Aus ideologischen Gründen hatte man bei der Unabhängigkeit entschieden, nicht die größte Stadt, Daressalam, zur Hauptstadt zu machen, sondern das zentral gelegene Städtchen Dodoma. Allerdings haben weder die Wirtschaft noch die Politik Dodoma angenommen und alle wichtigen Entscheidungen werden nach wie vor in Dar getroffen. Fast alle Ministerien und alle Botschaften sind ebenfalls dort. Dodoma hat so ein bisschen was von Bonn, nur sehr viel lauter und staubiger. Man hält hier nur, wenn man muss. Zum Beispiel zum Tanken oder Einkaufen. Drei Stunden später haben wir alles erledigt und gehen wieder auf die Piste. Dieses Mal sind es 300 km, dann beginnt die neue Asphaltstraße in die Serengeti. Es ist ganz schön bergig und der Weg an vielen Stellen tief ausgespült, doch wir kommen recht gut vorwärts. Zwar nicht so gut wie gestern, doch wir haben auch nicht mit mehr gerechnet. In vielen Dörfern fallen die Moscheen auf und an einer Kreuzung stehen Hunderte von Menschen und schauen tanzenden Männern zu. Es ist die Zeit des Freitagsgebetes, für die Muslime das wichtigste der Woche. An der Küste Tanzanias ist der Islam aus den Zeiten der arabischen Händler weit verbreitet, doch hier im Landesinneren überrascht es uns. Genau wie gestern kommen wir pünktlich zum Sonnenuntergang an einem geeigneten Plätzchen für die Nacht vorbei. Diesmal ist es ein kleiner Stichweg an einem Hang, so dass wir von der Straße aus nicht mehr einsehbar sind. Wir sind genau zwischen zwei Dörfern, wie man an den entfernten Stimmen erahnen kann, es dürfte also eine ruhige Nacht werden. Aus der Ferne hören wir den Muezzin zum Gebet rufen, man könnte meinen, man wäre in Arabien. Doch über uns leuchtet unverkennbar das Kreuz des Südens. Samstag, 25.7.09 (Panorama Camp, Mto Wa Mbu): Am Morgen weckt uns die Sonne. Wir haben einen weiten Blick ins Tal und sind offensichtlich gar nicht so weit von den Dörfern entfernt, denn immer wieder mal tauchen aus dem Nichts Leute auf und verschwinden wieder irgendwo, vermutlich auf dem Weg zu ihren Feldern. Nach einer Stunde Fahrt kommen wir nach Kolo. In der Nähe dieses Dörfchens hat man viele Felsmalereien von Buschleuten gefunden, die wahrscheinlich mit den Buschleuten im Süden des Kontinents verwandt sind. Die Felsmalereien werden von den Fachleuten als so wertvoll eingestuft, dass sie von der Unesco zum Weltkulturerbe gerechnet werden. Um sie zu schützen, darf man sie nur mit Führer besuchen. Das Büro der Verwaltung ist zwar schnell gefunden, doch leider nicht der Verwalter. Man macht uns klar, dass heute Samstag sei und dass am Wochenende kein Weltkulturerbe stattfindet. Schade, aber irgendwie auch verständlich, denn hier kommen sicher nur extrem wenige Besucher vorbei. Die großen Touristenströme sind weit weg. Wir könnten jetzt auf der eher schlechten Hauptpiste weiterhoppeln oder eine parallele nehmen, die zwar von der Klassifizierung in die unterste Kategorie gehört, dafür aber entlang der Fundorte der Felsmalereien führt. Vielleicht ist die ja interessanter. Insgesamt sind es 70 km. Sollten wir nicht durchkommen, dann hält sich der Umweg in erträglichen Grenzen. Und um es vorweg zu nehmen: es werden spannende und erinnerungsreiche Kilometer. Die Piste wickelt sich gut ausgebaut runter ins Tal. Hin und wieder zeigen verwitterte Betonschilder den Weg zu Felsmalereien an. Einem dieser Hinweise folgen wir und arbeiten uns auf einer schmalen felsigen Spur nach unten an einen sandigen Trockenfluss. Wenn wir müssten, würden wir uns jetzt einen Weg durch den weichen Sand suchen (und uns sicher nicht nur einmal festfahren), doch wir müssen nicht und drehen um. Im nächsten Dorf sind wir ein wenig ratlos und studieren unsere Karten und Reiseführer. Eigentlich müssten wir hier abbiegen, doch der Weg sieht eher wie ein Trampelpfad aus. Einige Einheimische klären uns auf, dass wir dort trotzdem richtig wären. Die Piste sei zwar schmal, wäre aber passierbar. Nun denn. Es geht immer an der Kante zwischen der sehr fruchtbaren Ebene und den Bergen entlang. Ein Dorf reiht sich an das andere und immer wieder mal müssen wir fragen, ob wir hier noch richtig sind. Die Leute schauen uns in bisschen ungläubig an, freuen sich aber offensichtlich über den Besuch. “Hallo Musungu”, “Karibu, welcome” oder “How are you” Ein ganz großes Hallo gibt es immer, wenn wir Schülern begegnen. Sie sind an den Uniformen gut zu erkennen und legen den langen Weg zurück in ihre Dörfer oft gemeinsam zurück. Da wird aufs Heftigste gewunken und gerufen und alle Englischkenntnisse werden abgespult. Hin und wieder können wir andere Reifenspuren entdecken, auch das könnte ein Hinweis sein, dass wir noch richtig sind. In einem Dorf sind wir unschlüssig, weil die Spuren und die Einwohner in eine ganz andere Richtung zeigen als wir eigentlich fahren wollen. Wir folgen den Ratschlägen und kommen nach ein paar Kilometern entlang eines trockenen Flusses an eine lange sandige Furt. Nein, wir haben uns nicht festgefahren (aber viel hat nicht gefehlt), sondern folgen auf der anderen Seite weiter den Spuren. Es geht fast durch die Vorgärten der Hütten und nach ein paar Kilometern flussaufwärts landen wir wieder auf unserer ursprünglichen Piste. Die Dorfbewohner hatten uns über die Ausweichfurt geschickt, weil die normale weggerissen worden war. Danke vielmals, die hätten wir alleine nie gefunden. Mitten im Wald taucht überraschend ein Betonschild mit dem Hinweis zu einer Felsmalerei auf. Die in Frage kommenden Felsen scheinen nicht weit entfernt zu sein, vielleicht haben wir ja Glück und entdecken die Bilder auch ohne einen Führer. Nach zehn Minuten strammen Fußmarsches bergauf sind wir da und klettern zwischen den Felsen herum. Und tatsächlich können wir bunte Farbreste unter einem großen Felsüberhang erkennen. Nichts Spektakuläres, aber immerhin. Viel beeindruckender als die Malereien ist der Blick von hier oben über die endlose Massai-Steppe. Auf dem Rückweg kommen wir an einem merkwürdigen Baum vorbei. Hoch oben in den Ästen hängen Baumstämme. Vermutlich sind es zwei Hälften, die mit Bändern zusammengehalten werden. Zunächst dachten wir, dass seien Bienenstöcke. Doch es lässt sich keine Biene blicken. Möglicherweise sind die Stämme ausgehöhlt und dazu in zwei Hälften geteilt worden. Doch was ist drinnen? Vielleicht Knochen von Verstorbenen? Wir haben gelesen, dass die Felsmalereien bei den Buschleuten auch heute noch rituelle Bedeutung haben. So eine Art Ahnenbaum? Wir wissen es nicht und werden in Deutschland mal auf die Suche nach einer Erklärung gehen. Das nächste größere Dorf hält eine weitere Überraschung bereit. Plötzlich endet die Piste und 10 m unter uns fließt ein größerer Bach. Für Radfahrer und Fußgänger gibt es eine matschige Passage rüber auf die andere Seite. Für uns keine Chance, denn drüben geht es extrem steil auf einem sandigen Hang bergauf, selbst Geländewagen müssen da kapitulieren. Während wir noch rätseln und uns mit dem Rückmarsch anfreunden, kommen einige Einheimische vorbei und sprechen uns auf Deutsch an. Na ja, sprechen ist vielleicht zu viel gesagt, sie können ein paar Worte und haben unser Kennzeichen erkannt. Aber sie erklären uns in Englisch ganz genau, wie wir auf die andere Seite kommen. Ein paar Kilometer flussaufwärts sei eine leichtere Furt, die wäre “hakuna matata” für uns, kein Problem. Wir müssen noch ein paar Mal nach dem Weg fragen, weil die Spur kaum noch zu erkennen ist. Das Fragen gestaltet sich mangels Kisuaheli- bzw. Englisch-Kenntnissen schwierig, weil die Leute auf die Frage oft mit einem Kopfnicken antworten, was wohl eher heißt “Ich habe verstanden, dass Du etwas fragen willst”. Viel Erfolg versprechender ist es, den Namen eines Dorfes zu nennen und in die falsche Richtung zu zeigen. Wenn sie dann in eine andere zeigen, könnte das die richtige sein. Und zur Sicherheit noch nach einem Ort fragen, durch den wir bereits durchgekommen sind. Wir kriegen offensichtlich immer die richtigen Antworten, obwohl wir angesichts der schmalen Pfade einige Male ganz erhebliche Zweifel hatten, und stoßen zehn km später wieder auf die Hauptpiste. Hier hätten uns weder ein Navigationssystem noch gute Karten herausgeholfen, da ging nur Durchfragen und immer den Kompass im Auge behalten, damit man nicht die Grundrichtung verliert. Nach dem nächsten Dorf müssen wir hinter einer Rinderherde herzockeln. Wir wollen die Tiere nicht in Panik versetzen und folgen ihnen langsam. Wir hätten besser auf die Piste achten sollen, denn plötzlich stehen wir auf einem schmalen Damm zwischen zwei Gräben. Für die Rinder kein Problem, für uns schon. Aus den nahegelegenen Hütten kommen Leute und deuten uns an, dass wir hier völlig falsch seien und wieder zurück müssten, da gäbe es eine Abzweigung. Alles im Rückwärtsgang wieder retour und tatsächlich finden wir den Abzweig. Schande über uns, da stand sogar ein Hinweisschild zu einer Schule in dem Ort, der als nächstes kommen müsste. Beim Losfahren verursacht der Tritt auf die Kupplung ein seltsames “Pling” und das Pedal fällt halb herunter. Die Gänge sind nur noch ganz schwer einzulegen, der erste sogar nur bei stehendem Motor. Das verheißt nichts Gutes. Wir haben jetzt etwa die Hälfte der 70 Kilometer hinter uns und der schwierigere Teil kommt noch. Aber so lange das Auto noch mitmacht, werden wir weiterfahren (und der Fahrer darf während der Fahrt darüber nachdenken, was die möglichen Ursachen sein könnten und wie man das Problem behebt). Seit wir nicht mehr richtig schalten können, hat die Piste Mitleid mit uns und benimmt sich sehr ordentlich. Der Untergrund ist nicht mehr so felsig und ausgewaschen wie bisher, sondern sandig und wir kommen recht flott vorwärts. Was dann geschieht, wird uns lebhaft in Erinnerung bleiben. Drei auf einem Streich. Zwar äußerlich ziemlich verdreckt, aber innerlich sehr zufrieden geht es weiter. Die Piste bleibt zwar schmal, aber bereitet keine ernsthaften Probleme. Und das Schalten geht butterweich. Nach den geplanten 70 km sind wir zwar noch lange nicht durch, weil die weggespülten Furten so viele Zusatzkilometer verursacht haben, doch wir landen in einem Dorf, in dem Lkws und Busse stehen. Da sie nicht über die kleine Bergpiste gekommen sein können, muss es auf anderen Seite eine bessere geben. Und tatsächlich fliegen wir kurz darauf über eine neu gebaute, breite und glatte Piste. Mit 70 im vierten Gang, ein tolles Gefühl. Zurück auf der Nord-Süd-Achse durch Tanzania fängt das altbekannte Wellblechgerüttel wieder an, also immer schön langsam. Unseren eigentlichen Plan, noch einen Abstecher durchs Hochland zu machen, können wir knicken. Schon zu spät. Und wir wollen heute auf jeden Fall in die Gegend von Serengeti und Ngorongoro, denn nur dort gibt es ordentliche Campsites. Nach zwei Tagen ohne Dusche hätten wir das mal wieder nötig. Also bleiben wir auf der Haupt”straße” und werden auf jeden Fall durchfahren, egal, wann wir ankommen. Laut Karte sind von den letzen 200 km schon 130 asphaltiert, vielleicht auch schon ein bisschen mehr, denn die Karte ist nicht mehr ganz neu. Und tatsächlich müssen wir ziemlich bald runter auf eine Behelfspiste, denn die Straße wird völlig neu trassiert und geteert. Da die Behelfspisten nicht allwetterfest sein müssen, sind sie sehr viel sandiger und viel besser befahrbar. Leider auch staubiger. Wir kommen gut vorwärts und man sieht, dass die Bagger schwer am Arbeiten sind. Doch irgendwann hört der Eifer auf, die Behelfspiste ist offensichtlich schon ein paar Jahre in Betrieb und inzwischen genau so kaputt wie die Hauptstrecke. Die Staublöcher werden immer tiefer und wir ziehen eine riesige Wolke hinter uns her. Und nicht nur wir. Es ist eine gigantische Menge Dreck, die von den Autos in die Landschaft geblasen wird. Auf hundert Metern Breite ist die Landschaft dunkelrot, egal, ob es Pflanzen oder Häuser sind. Die Anwohner leben im Dauerstaub, doch das scheint niemanden ernsthaft zu stören. Manchmal ist der Staub so tief, dass wir Angst haben, darin stecken zu bleiben. Mit Vollgas kommen wir immer wieder aus den Löchern raus. Ein normaler Pkw hätte hier keine Chance, durchzukommen. Wir sehen auch keinen. Na ja, wir sehen ohnehin nicht viel, denn kaum hat sich die Wolke eines entgegenkommenden Fahrzeugs gelegt, kommt die nächste. Dummerweise fahren wir auf der Seite, zu der der ganze Dreck zieht. Zuweilen müssen wir kurz stehen bleiben, weil wir nicht mehr sehen, wie es weiter geht. Inzwischen ist es dunkel und die Fahrerei macht noch einmal so viel Spaß. Ganz unvermittelt liegen große Haufen auf der Piste. Ein Lkw hat so vor längerer Zeit abgekippt, möglicherweise wollte man damit die Staublöcher ausfüllen. Es ist bei der Absicht geblieben. Ab jetzt also nicht nur auf Autos, Leute und Tiere achten, sondern auch auf Dreckhaufen. Nach einer Polizeikontrolle (“Wo kommst Du her? Wo willst Du hin?” “Zur Dusche!!!”) beginnt Asphalt, wir haben es geschafft und geben noch einmal richtig die Sporen, damit der Staub vom Auto geblasen wird. Um 22 Uhr können wir schließlich den Motor abstellen, wir sind auf einem mittelprächtigen Camp über dem Lake Manyara, eingeklemmt zwischen Handy-Sendemasten und Flughafen. Egal, es gibt eine Dusche und sogar einen Rest warmen Wassers. Sonntag, 26.7.09 (Doffa Camp, Karatu): Da das Camp wirklich nicht der wahre Jakob ist, fahren wir in den nächsten Ort, Karatu, dort ist es vielleicht besser. Karatu ist das Zentrum für Ngorongoro-Krater, Serengeti und einiges mehr. Selbst einen Geldautomaten gibt es hier. Nur kein bleifreies Benzin. Kurz hinter Karatu liegt das Doffa Camp, ruhig und mit schönem Blick, aber auch nicht der ganz große Treffer. Immerhin können wir hier das Auto entstauben, innen und außen. Nachdem wir fertig sind und das Auto wegfahren wollen, hat das Waschwasser den Boden so weit aufgeweicht, dass wir tief im Schlamm einsacken und den Boden durchwühlen. Doch die Leute vom Camp sind gleich zur Stelle, schieben uns raus und füllen die hinterlassenen Furchen wieder auf. Montag, 27.7.09 (Ngorongoro Safari Camp, Karatu): Vormittags fahren wir erst einmal zur Ngorongoro Conservation Area. Dort erfahren wir, dass die Gnu-Wanderung dieses Jahr ganz anders als normal verläuft. Ein Teil der Tiere wäre schon in Kenia, aber eine zweite Gruppe wäre noch am Rande der Serengeti unterwegs. Vielleicht haben wir ja Glück. Wir wollen noch ein drittes Camp am Ort ausprobieren. Und tatsächlich: saubere Duschen, grüner Platz, akzeptabler Preis, sogar elektrischen Strom gibt es. Außerdem gehört zum Camp ein gutes Restaurant. Zwar zwei Kilometer entfernt, doch wir sind froh, ein bisschen laufen zu können. Und für ein gutes Essen allemal. Selbst das Internet funktioniert. Gut, dass wir uns auf dem Hinweg zum Restaurant die Strecke eingeprägt haben, denn nach dem Essen ist es schon dunkel und die Orientierung abseits der Hauptstraße nicht ganz leicht. Kein Licht, rote Wege, rote Häuser, rote Bäume. Dienstag, 28.7.09 (Seronera Campsite, Serengeti): Also auf in die Serengeti. Schon um 7 Uhr stehen wir am Eingang der Ngorongoro Conservation Area, denn durch die müssen wir erst durch, ehe wir in die Serengeti können. Außerdem erfahren wir, dass es völlig egal ist, ob wir nur im Transit sind oder länger bleiben, wir müssen auf jeden Fall 140 US$ berappen, 50 für jeden, 40 fürs Auto. Das hat was von moderner Wegelagerei. Einheimische müssen ein Hundertstel davon zahlen. Es geht auf guter Piste ziemlich flott aufwärts, rein in den Nebelwald, der den Hang des Ngorongoro-Kraters bedeckt. Erst bei deutlich über 2000 m hat man den Rand des Kraters erreicht und kann einen kurzen Blick hineinwerfen. Es ist zwar eine beeindruckende Landschaft, doch viel kann man nicht sehen. Den wahren Reiz machen die Tiere unten im Krater aus, doch da wollen wir dieses Mal gar nicht hin, zudem sind für die Fahrt in den Krater noch mal ein paar hundert US$ fällig. Nachdem die Sonne anfängt zu wärmen, beschließen wir, Frühstück zu machen. Dazu bietet sich ein Aussichtspunkt in den Krater an. Doch das ist leichter gesagt als getan, denn es pfeift ein sehr kräftiger Wind über die Kante, der uns den Kocher ausbläst. Wir bleiben trotzdem hier stehen, denn weiter unten am Hang haben wir große Rinderherden der Massai gesehen, die offensichtlich unseren Aussichtspunkt ansteuern. Sie wollen von dort runter in den Krater, weil da frisches Wasser zu finden ist. Das ist die Besonderheit von Ngorongoro. Mitten im Schutzgebiet leben Massai in kleinen Dörfern und haben das traditionelle Recht, ihre Herden in der Trockenheit in den Krater zu treiben. Der besitzt angeblich die dichteste Löwenpopulation der Welt und die sind nicht gerade Vegetarier. Oder die Massai wissen einfach, wie man sie auf Distanz hält. Leider wissen wir nicht, wie man Massai auf Distanz hält. Jeder, der vorbei kommt, meint, uns irgend welche Armbänder oder Speere verkaufen zu müssen oder er bettelt uns direkt um Geld oder was auch immer an. Wir können ja verstehen, dass sie sehen wollen, was die Fremden da so machen (das gilt ja auch umgekehrt), aber muss das aus einem Meter Entfernung sein? Beeindruckend ist, welche Massen an Rindern in den Krater getrieben werden. Innerhalb weniger Minuten sind Tausende an uns vorbei gezogen und so wird das Frühstück doch noch zum Erlebnis. Der weitere Weg Richtung Serengeti gestaltet sich deutlich langweiliger. Die Piste wird schlecht und schlechter, sie ist völlig kaputt gefahren und besteht nur noch aus Staublöchern und Wellblech. Die Fenster und die Lüftung bleiben zu, Tiere sind natürlich auch nicht zu sehen. Wer stellt sich schon freiwillig in diese Staubglocke. Nach über sieben Stunden sind wir endlich durch Ngorongoro durch. Und mit uns Hunderte von Geländewagen mit Reisegruppen. Die 80 km haben viel länger gedauert als geplant und gesehen haben wir fast nichts, außer ein paar verstaubten Gazellen und Zebras. Und vielen Rindern! Am Eingangstor in die Serengeti dürfen wir weitere 140 US$ zahlen und gleich noch 60 drauf, denn wir schaffen es heute sicher nicht mehr bis zum Ausgang. Wir müssen in einem Camp im Nationalpark übernachten. Doch wir haben die Hoffnung, dass die Serengeti-Verwaltung einen Teil der Beute in die Pflege des Wegenetzes gesteckt hat. Hat sie nicht! Es bleibt schlecht und staubig und wir sind zu spät dran, um die miese Piste weiträumig zu umgehen. Kurz vor Seronera, dem Zentrum des Nationalparks, machen wir doch noch einen Abstecher auf einen Nebenweg. Und siehe da, es geht doch. Auch als Fahrer kann man sich auf die Tiere und die Landschaft konzentrieren. Wir sehen Elefanten, Giraffen, viele Gazellen und Affen. Und die Fahrer eines entgegenkommenden Fahrzeugs erzählen uns, dass ein paar Kilometer weiter viele Löwen lägen. Nun denn, nichts wie hin, doch einer unserer Vorderreifen hat etwas dagegen. Er verlor zwar schon seit zwei Wochen ganz langsam Luft, so dass wir alle paar Tage ein bisschen nachpumpen mussten, doch jetzt hat er es ziemlich eilig und verlangt schon nach wenigen Kilometern Nachschub. Einen Reifen aufzupumpen, ist an sich ja kein Problem, aber mit Löwen als Zuschauern ... Nach einem sehr kurzen Besuch fahren wir ein Stück weiter und entschließen uns, an Ort und Stelle den Reifen zu wechseln. Anette hält Löwenwacht und nach ein paar Minuten ist alles erledigt. Jetzt schnell zum Camp, denn um 18 Uhr wird dicht gemacht. Aber wohin? Wir haben die Orientierung verloren. Glücklicherweise können uns Einheimische den Weg beschreiben und wir sausen los. Mit Volldampf übers Wellblech, eine riesige Staubfahne hinter uns herziehend. Die Tiere werden es uns gedankt haben. Gerade noch rechtzeitig zum Sonnenuntergang treffen wir auf unserem gebuchten Camp ein und müssen feststellen, dass wir heute auf dem Parkplatz übernachten müssen. Nur Zelte dürfen vom Parkplatz runter, wir nicht. Den Weg zur Dusche oder Toilette können wir uns ebenfalls sparen, denn die meisten Installationen sind defekt und es gibt zudem keinen Tropfen Wasser mehr. Na ja, für 60 Dollar kann man das wohl auch nicht erwarten. Trotzdem genießen wir den Sonnenuntergang am Rande des Parkplatzes und sind froh, dass wir noch Wasser in unseren eigenen Tanks haben. Alle anderen Gäste hier müssen sich den Staub des Tages trocken abbürsten. Mittwoch, 29.7.09 (Oloip Camp, Wasso): Unsere Genehmigung für die Serengeti gilt bis heute Nachmittag. 14:40 Uhr müssen wir draußen sein oder für einen weiteren Tag 200 Dollar hinlegen. 100 km entfernt gibt es einen Ausgang, von dem aus wir zum Natronsee und zum Ol Doinyo Lengai weiterfahren wollen. Das dürfte zeitlich kein Problem sein. Falls wir noch ein paar Gnus und Krokodile sehen, wäre es schön, doch wenn nicht, ist es auch kein Beinbruch. Die Landschaft hier im Zentrum der Serengeti ist recht abwechslungsreich. Da es Wasser gibt, ist es grün und das mögen auch die Tiere. Nilpferde, Elefanten, Marabus; es ist wirklich schön hier. Wir fahren zehn Kilometer auf einer sehr schmalen Piste entlang des Grumeti. Das ist einer der Flüsse, an denen sich Gnus und Krokodile begegnen. Tatsächlich sehen wir zwei einsame Gnus im Gras, doch das scheinen die Zurückgebliebenen der Völkerwanderung zu sein. Die Krokodile machen einen merkwürdig zufriedenen Eindruck. Das kann eigentlich nur von den Gnus in ihrem Bauch kommen, denn die aktuellen Lebensumstände sind alles andere als spaßig. Da der Fluss nur noch ein Rinnsal ist, müssen Hippos und Krokodile in den verbliebenen Wasserlöchern zusammenrücken. Wasserlöcher ist vielleicht nicht der richtige Begriff, denn an der Oberfläche schwimmt eine dicke braune Schicht. Shit happens. Also haben wir das große Fressen wohl verpasst und wohnen statt dessen dem großen Verdauen bei. Wir rollen gemütlich in den Norden der Serengeti. An einer Stelle tummeln sich ein paar Fahrzeuge, das heißt immer, dass da etwas sein muss. Drei Geparden liegen unter einem Busch und wundern sich über die vielen Autos. Schade, dass wir nicht näher heran können. Des öfteren ragen Felsinseln aus der Ebene, in denen wir beim letzten Mal viele Löwen und anderes gesehen haben. Heute haben wir weniger Glück. Auf dem Weg um eine dieser Felsgruppen fällt uns ein komisches Geräusch auf. Es kommt von hinten und hört sich nach klapperndem Geschirr an, doch Anette kann die Ursache nicht finden. Dann ist für einige Zeit Ruhe, bevor es richtig laut wird. Ein Blick unter den Wagen zeigt die Bescherung. Einen der hinteren Stoßdämpfer hat es zerrissen. Wir haben einen halben Liter Hydrauliköl versprüht und keine Chance mehr, weiter zu fahren. Wir stellen uns auf eine Wegegabel und Wolfgang hat das Vergnügen, sich in den Kampf mit den wilden Tieren zu stürzen. Nein, nicht mit den Löwen, sondern den Tsetse-Fliegen, die sich schon mächtig auf das ausländische Essen freuen. Anette übernimmt den Rundumblick und reicht die benötigten Werkzeuge durch das spaltbreit geöffnete Fenster, denn wir wollen die Bestien nicht auch noch im Auto haben. Unter dem dicken Baatz aus Öl und Staub kommen die Trümmer des Stoßdämpfers zum Vorschein. Das Gehäuse ist aufgerissen und verbogen. Wir wissen nicht sicher, warum das passiert ist, vermutlich hat es den Dämpfer überhitzt. Die Ngorongoro-Serengeti-Piste hat gewiss ihren Teil dazu beigetragen. Auf dem Dachgepäckträger liegt schon seit 25 Jahren ein Ersatzdämpfer und wir haben uns oft gefragt, warum wir das schwere Ding mit uns herumschleppen. Die gehen ja sowieso nicht kaputt. Ein paar Minuten später ist der Neue verschraubt und Wolfgang um ein Dutzend Tsetse-Stiche reicher. Und um die Erkenntnis, dass man alles irgendwann einmal gebrauchen kann. Wir sind rechtzeitig am Ausgang und haben jetzt eine ziemlich kritische Strecke vor uns. Einheimische hatten uns berichtet, dass die Piste vom Lake Natron in die Serengeti viel zu steil und felsig für uns wäre. Deshalb wollen wir es in umgekehrter Richtung versuchen. Im Reiseführer ist die Rede von “nur mit Allrad möglich, stellt höchste Ansprüche an Fahrer und Fahrzeug und setzt große Off-Road-Erfahrung voraus”. Na, schaun ma ma, denn da wird auch gern übertrieben. Wenn es zu schwierig wird, drehen wir um und fahren durch die Serengeti weiter nach Uganda. Am Ende des Weges wartet neben dem Natronsee mit seinen Millionen Flamingos auch der Ol Doinyo Lengai (“Berg der Götter”), der heilige Berg der Massai. Er ist etwas höher als die Zugspitze, ragt majestätisch aus der Tiefebene und ist der einzige aktive Vulkan im Ostafrikanischen Grabenbruch. Die Piste ist knapp 300 km lang, dann ist die nächste Asphaltstraße erreicht. Da werden wir sicher einige Tage unterwegs sein. Es lässt sich ganz gut an. Sandige und felsige Passagen wechseln einander ab und wir kommen zwar langsam, aber stetig voran. Die Landschaft ist viel grüner als in der Serengeti, sogar ein paar Bäche sind zu durchqueren. In einem Dorf ist eine Reisegruppe mit einer defekten Kardanwelle gestrandet. Sie kommen unten vom See und erzählen uns, dass uns sowohl eine passable Piste erwartet und als auch eine wunderschöne Landschaft. Unsere Hoffnung, durch zu kommen, wächst. Uns fällt auf, dass hier viel mehr gebettelt wird als in anderen Teilen Tanzanias. Die bettelnd ausgestreckte Hand ist quasi der normale Gruß, meist unterstützt durch “Give me”-Rufe, sowohl von Erwachsenen wie von Kindern. Die Ursache dürften wohl wir Touristen sein, obwohl hier nur wenige durchkommen. Vielleicht spielt aber auch der Kampf der Kirchen und Sekten “um die Seelen der Einheimischen” eine Rolle. In den Dörfern sind zahlreiche überdimensionierte Kirchen im Bau. Uns ist schon mehrmals aufgefallen, dass in den Gegenden, in denen der Glaubenskampf am intensivsten ausgetragen wird, deutlich häufiger gebettelt wird. Ganz besonders schlimm war es in einer abgelegenen Region Zambias. Wir haben mal auf 50 km zehn Königreichsäle der Zeugen Jehovas plus ein Dutzend weitere Sekten gezählt. Und ganze zwei Schulen! Die Missionierung erfolgt offensichtlich über Almosen (oder sollte man besser sagen: Bestechung?) und die Leute gewöhnen sich daran, dass sie nur die Hand aufhalten müssen. Die Geldgeber im Ausland wissen vermutlich gar nicht, was sie hier mit ihren sicher gut gemeinten Spenden anrichten. In Afrika gibt es inzwischen viele Kenner der Szene, die sagen, dass sich die Entwicklungshilfe nur noch um Ausbildung, Gesundheit und Katastrophenfälle kümmern solle, alles andere müssen sich die Leute selbst erarbeiten. Ansonsten wächst hier eine Generation von Give-me’s heran. Es ist jedenfalls beschämend, wenn die früher mal stolzen Massai mit ausgestreckter Hand am Wegesrand stehen. Kurz vor Sonnenuntergang treffen wir in Wasso ein, dem ersten größeren Ort. Hier gibt es einen netten kleinen Campingplatz. Wir sind die einzigen Gäste, es wird schnell Wasser für die Dusche hochgepumpt und ein Feuer unter dem Kessel gemacht. Sie haben sogar ein kleines Restaurant. Nach dem anstrengenden Tag haben wir keine Lust mehr, selber zu kochen. Während des Essens kommen uns jedoch leichte Zweifel, ob das eine gute Idee war. Hier ist alles sehr einfach, auch die Hygiene. Doch wir essen tapfer unsere Teller leer, auch den Salat, und hoffen, dass wir uns morgen nicht auf der Toilette einquartieren müssen. Donnerstag, 30.7.09 (Waterfall Campsite, Ngare Sero): Die Nacht war ruhig, auch in unseren Mägen. Mutprobe bestanden. Wir kaufen im Ort noch ein bisschen Obst und Gemüse ein und schauen der dörflichen Wasserversorgung bei der Arbeit zu. Auf zweirädrigen Karren werden 100 Liter Wasser in Kanistern vom Brunnen hoch in das Dorf geschoben. Eine schweißtreibende Arbeit, die aber immerhin einen Dollar pro Fuhre bringt. Unser Job ist heute hoffentlich weniger anstrengend. Wir müssen uns rund 1500 m nach unten wickeln, dann sind wir am Natronsee. Die Strecke ist zwar 100 km lang, doch der Abstieg wird sich vermutlich auf einige wenige sehr steile Passagen konzentrieren, die schwierigsten am Ende. Die Piste ist ganz ordentlich und wir finden alle Abzweigungen wie in unserem Buch beschrieben. Auf der Hälfte des Weges, wir sind immer noch in fast 2000 m Höhe, geht es plötzlich mehrmals sehr steil und sehr felsig nach unten. Davon hatte uns niemand etwas erzählt. Es sind zwar nur ein paar hundert Höhenmeter, doch die haben es in sich. Den Fuß fest auf der Bremse springen wir von Stein zu Stein nach unten. Hier würden wir vermutlich nicht wieder hochkommen, weil es einfach zu steil ist und die Räder durchdrehen. Die Option, einfach umzukehren, wenn es zu schwierig wird, scheidet damit aus. In der Ebene angekommen haben wir ziemliche Zweifel, ob wir noch auf der richtigen Piste sind. Wir fahren in die falsche Himmelsrichtung und es sind keine anderen Fahrzeugspuren zu erkennen. Auch unser Fragen bei ein paar Hirten sind nicht erhellend. Zwar führt der Weg offensichtlich runter an den Natronsee, doch ob es ein Fahrweg oder nur ein Pfad für die Rinder ist, können wir nicht herausfinden. Ein Stück weiter kommt ein Dorf. Als wir den Namen des einzigen Ortes auf unserer Karte erwähnen, hören wir nur “hapa, hapa”. Später erfahren wir, dass das “hier, hier” heißt. Hinter dem Ort wendet sich die Piste nach Osten, diese Richtung gefällt uns schon viel besser. Wir durchqueren eine große staubige Ebene, auch das passt mit unserer Beschreibung überein. Wir sind wohl doch auf dem richtigen Wege. Vielleicht ist unsere Karte nicht ganz korrekt. Um 16 Uhr stehen wir oben an der Grabenbruchwand und schauen auf den 500 m tiefer gelegenen Natronsee. Die Aussicht ist beeindruckend, obwohl nicht viel von dieser Urlandschaft zu sehen ist. Sie verschwindet im flimmernden Dunst. Außerdem hatten wir erwartet, von hier aus den Ol Doinyo Lengai erkennen zu können, doch der versteckt sich ebenfalls im Dunst, obwohl er höchstens 30 km entfernt ist. Vor dem Abstieg gönnen wir uns noch einen Cappuccino, dann geht es los. Gleich die zweite Haarnadelkurve ist kritisch, weil die Piste nicht nur sehr steil, sondern auch noch sehr schräg ist. Für Geländewagen kein Problem, doch wir sind höher beladen. Wir holen sogar unseren Neigungsmesser heraus, um uns nicht auf das Gefühl verlassen zu müssen. Hier umzukippen wäre fatal. Unsere Angst ist größer als die tatsächliche Schieflage und mit ein bisschen Adrenalin kommen wir schließlich rum. Hoffentlich geht das nicht so weiter! Nach zwei Dutzend Serpentinen sind wir fast unten. Es war tatsächlich die einzige extreme Stelle, alle anderen würden wir sogar bergauf schaffen. Den letzen steilen Abstieg hat man sogar betoniert, damit die Räder nicht durchdrehen. Dann sind wir durch. Die nächsten 20 km führen am See entlang (von dem man nichts sieht). Wir dachten, das würde recht flott gehen, doch die Piste quert etliche trockene Zuflüsse, zum Teil sehr steil und immer steinig. Entweder mit Schwung oder gaaaanz langsam kommen wir durch. Dann sehen wir die Hütten von Ngare Sero, dem einzigen Dörfchen hier, und dahinter thront im Dunst ein gewaltiger Kegel. Der Lengai. Hinterm Dorf liegt ein kleiner Campingplatz. Unser Platz. Wir haben das schwierigste Teilstück hinter uns. Die noch fehlenden 100 km bis zum Asphalt sollten vergleichsweise einfach sein. Jetzt ist erst mal Pause angesagt. Freitag, 31.7.09 (Waterfall Campsite, Ngare Sero): Beim Manager des Platzes, Jona, fragen wir nach, ob er einen Führer für die Besteigung des Lengai organisieren könne. Er kann. Inklusive Anfahrt an den Berg (das spart 14 km Laufen und 500 m Höhe) soll der Spaß 180 US$ kosten. Wir handeln ihn runter auf 150, und wenn wir zufrieden sind 160 US$. Anette will nicht mit, da sie sich bei Nacht unsicher fühlt, also wird es nur Wolfgang versuchen. Abends kommt Jona noch mal vorbei und bietet uns an, beim Massai-Tanz zuzuschauen. Zwei andere Gäste hätten das geordert und wenn wir mögen, könnten wir uns ja dazusetzen. Eigentlich mögen wir es nicht, weil so etwas oft zu einem reinen Touristenrummel degeneriert. Andererseits gehen die Amerikaner in Bayern ja auch zum Schuhplatteln und denken, dass sei deutsches Normalverhalten. Wir setzen uns dezent in den Hintergrund und schauen dem Spektakel zu. Vorn thronen die beiden Musungus und vor ihnen tanzen zwanzig Massai um ein großes Lagerfeuer. Aber es scheint den Tänzern ziemlichen Spaß zu machen. Für uns hat es durchaus Ähnlichkeiten mit dem Schuhplatteln, sieht aber deutlich eleganter aus und hört sich an wie die Musik der australischen Aborigines. Der weitere Ablauf des Abends sieht für Wolfgang so aus: ein Stündchen hinlegen, 23:30 Uhr losfahren, Mitternacht loslaufen, 6 Uhr oben sein, 8 Uhr Abstieg, 12 Uhr zurück am Camp. Bis hoch auf den Kraterrand sind rund 1600 Höhenmeter zu überwinden. Das klingt nicht nach Spaziergang, ist aber auch nicht unmöglich. Hier ist Wolfgangs Bericht. Samstag, 1.8.09 (Waterfall Campsite, Ngare Sero): 11 Uhr ist er wieder zurück. Fertig, hungrig, müde. Er hätte ja nicht gehen müssen ... Nach dem Frühstück holt sich der Körper, was er heute Nacht nicht bekommen hat: Schlaf. Ausgestreckt auf dem Gras, mit einem Stuhl als Schattenspender über dem Kopf. Doch die Helligkeit und die Geräusche ringsum verhindern ein Einschlafen, so dass Wolfgang ziemlich gerädert wieder aufsteht und für den Rest des Tages mächtig in den Seilen hängt. Damit er wieder aus der Apathie erwacht, gehen wir hoch zum nahe gelegenen Wasserfall. Unser Buch sagt, es würde 20 Minuten dauern und durch eine sehr schöne Schlucht führen. Nach einer halben Stunde ist immer noch nichts von einem Wasserfall zu sehen und das liegt nicht an Wolfgangs Schlappheit. Außerdem wundern wir uns, dass die Leute, die uns entgegen kommen, ziemlich nass sind. Haben wohl gebadet. Als das Ufer so steil wird, dass wir nicht mehr weiter klettern können, wird uns signalisiert, dass wir durch den Fluss auf die andere Seite müssten. Also Hosenbeine hochkrempeln und durch. Doch das sollte nicht die einzige Querung bleiben. Schon bei der nächsten sind uns die Hosenbeine egal. Dann begreifen wir, dass die Entgegenkommenden gar nicht gebadet haben, wir sind inzwischen genau so nass. Anette hat es bis zum Bauch gereicht. Aber jetzt wollen wir den Wasserfall auch sehen. Am Ende brauchen wir eine Stunde. Es ist schon verrückt, in dieser staubtrockenen Gegend einen richtigen Wasserfall zu sehen, insbesondere, wenn man bedenkt, dass jeder Kubikmeter, der hier zu Tale rauscht, im selben Augenblick aus dem Natronsee verdunstet. Der Rückweg gestaltet sich viel einfacher, weil wir ja eh schon nass sind und ohne Vorsicht durch den Fluss waten können. Es wird kein langer Abend. Sonntag, 2.8.09 (Massai Campsite, Arusha): Am Vormittag zeigt uns Frank, ein junger Mann vom Camp, den Weg zu den Flamingos. Sie kommen zur Zeit aus ganz Ostafrika hier her, um zu brüten. Millionen von ihnen. Und anders als bei den wandernden Gnus bekommen wir sie sogar zu sehen. Nach einer ziemlich matschigen Wanderung über den Rand des Natronsees steigen wir auf einen kleinen Aussichtshügel. Es ist gigantisch. Wohin man auch schaut Flamingos, die das Wasser durch ihre Schnäbel zuzzeln und die Algen rausfiltern. In unserem Buch steht, das sei die kürzeste Nahrungskette der Welt. Kurz nach Mittag brechen wir endgültig vom Natronsee auf. Es sind gut 100 km bis zum Asphalt. An einer Straßensperre müssen wir 50 US$ für uns und das Auto bezahlen. Wofür? Zur Entwicklung dieser Region. Oder vielleicht doch zur Entwicklung des Wohlstandes einiger Lokalfürsten? Wir wissen es nicht genau. Außerdem erfahren wir, dass noch zwei weitere Sperren kommen, wo sie ebenfalls Geld sehen wollen. Der Kassierer drückt uns 10 US$ wieder in die Hand mit der Bemerkung “... damit ihr an den anderen Sperren auch noch etwas bezahlen könnt”. Hä? Kooperieren hier die Wegelagerer miteinander? Einige Kilometer weiter steckt ein Bus in einer Flussdurchfahrt fest. Er hat hinten mit der Karosserie aufgesetzt und die Räder hängen in der Luft. Die Jungs sind dabei, Steine drunter zu packen. Die Fahrgäste sitzen auf den umliegenden Hängen und genießen die Pause. Da die Piste blockiert ist, müssen wir ebenfalls warten. Kurz darauf versuchen sie es. Viele Leute schieben und der Busfahrer gibt Vollgas. Unter dem Applaus der Zuschauer bricht sich der Wagen los und schafft es nach ein paar Anläufen tatsächlich, frei zu kommen. Wir haben durch die Senke kein Problem, da unser Bus kürzer ist. Auch durch die nächsten geht es flott und der Lengai verschwindet langsam aus dem Rückspiegel. Die zweite Straßensperre will Geld für irgend ein “Community-Project”, 20 US$. Man ist hier recht kreativ in der Umschreibung von legalisiertem Straßenraub. Mit der Faust in der Tasche zahlen wir, denn die Leute am Schlagbaum sind eindeutig in der besseren Verhandlungsposition. Das dritte Dorf (und die dritte Sperre) will nur noch 10 US$, die haben wohl schon genug zusammen gesammelt. Auch hier gibt es keinen Hinweis darauf, in wessen Taschen das Geld versickert. Das vierte Dorf fällt völlig aus der Rolle. Die wollen gar nichts, haben nicht mal einen Schlagbaum! Kurz vor Sonnenuntergang stehen wir wieder auf Asphalt. Ein feines Gefühl. Plötzlich hören wir wieder unseren Motor schnurren und nicht nur das Klappern der Karosserie. Oder unserer Zähne. Insgesamt hat uns die 600 km-Rundfahrt von hier durch Ngorongoro und Serengeti und runter zum Natronsee allein an Durchfahrtgebühren 360 US$ gekostet, für die fünf Übernachtungen auf Campingplätzen weitere 140. Tanzania ist dabei, sein Abzockerimage zu festigen. Aber das Schlimmste ist, dass die Einheimischen sukzessive daran gewöhnt werden, dass man einfach nur fordern muss, dann bekommt man schon. Bau eine Straßensperre und kassiere Geld. Wenn Du mehr brauchst, verdoppele die Preise. Halt die Hand auf, die Touristen werden sie füllen. Nimm von den Kirchen und Wohlfahrtseinrichtungen, was Du kriegen kannst. Touristen lassen sich ja gern ausnehmen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie einen Gegenwert dafür bekommen. Doch hier fühlen wir uns nur noch als Melkkuh, denn ganz offensichtlich fließt nur verdammt wenig zurück in Infrastruktur und Entwicklung, wie Pisten und Einrichtungen deutlich machen. Es gibt wohl genügend Politiker, die die Taschen nicht voll genug kriegen können. Andererseits: es ist eine wirklich beeindruckende Landschaft und Tierwelt, die man einfach gesehen haben muss. Wenigstens einmal im Leben. Wir waren jetzt drei Mal hier, das wird wohl reichen. Reichen müssen, denn wir wollen nicht wirklich zuschauen, wie die Massai vollends zu Bettlern degenerieren. Jetzt, da wir hervorragenden Asphalt unter den Rädern haben, wollen wir es noch mal so richtig laufen lassen, um wenigstens ein bisschen Staub vom Auto zu blasen. Der vierte Gang flutscht nur so rein, aber bei 65 km/h ist Schluss. Der Wagen hoppelt, als wolle er sich gegen den Geschwindigkeitsrausch stemmen. Vielleicht ist er es nicht mehr gewohnt? Wir ja auch nicht. Doch es wird nicht besser. Kaum kommt eine klitzekleine Steigung, geht es runter in den ersten Gang; mehr ist einfach nicht drin. Wir sind ratlos. Im Gelände hat der sich glänzend geschlagen und wirklich üble Strecken klaglos weggesteckt. Was soll jetzt das? Nachtanken bringt keine Veränderung, im und unterm Motor ist auch nichts Auffälliges zu sehen. Für eine ausgiebige Diagnose fehlt die Zeit, denn es ist schon dunkel. Obwohl wir die Lichter an haben, ist das keine Garantie, dass nicht ein unbeleuchteter Depp in uns hineinrasselt. Im Laufe der Kilometer wird immer deutlicher, dass es ein Benzinproblem sein muss. Benzinpumpe kaputt? Tank verstopft? Filter dicht? Vergaser defekt? Schlechtes Benzin? Wasser drin? Das alles können wir nicht im Dunkeln auf der Straße klären und stottern statt dessen die 110 km nach Arusha. Wir brauchen dafür geschlagene drei Stunden, weil wir an etlichen Hängen eine Pause einlegen müssen. Der Motor geht einfach aus und kommt erst nach ein paar Minuten wieder. Wir haben uns einige Male schon am Straßenrand übernachten sehen. Glücklicherweise finden wir in Arusha auf Anhieb ein gutes Camp, stellen fest, dass es sogar ein nettes Restaurant gibt und wollen von unserem Schluckauf-Vehikel nichts mehr wissen. Vielleicht morgen wieder.
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