Tagebuch 4

 

Liebe Freunde,

wir sind wohlbehalten wieder im Frost angekommen.

Ein Resümee?

Afrika ist breiter als man denkt. Windhoek-Beira-Windhoek waren 11.000 km. Mit Abstechern. Wir haben viel erlebt. Einige “alte Bekannte” besucht, doch auch viel Neues oder Überraschendes gefunden. Eigentlich nur Gutes, denn die kleinen Lästigkeiten von einigen “Offiziellen” oder den weit verbreiteten Straßenkaries haben wir schon wieder verdrängt. In der Rückschau waren auch die Tsetse-Attacke, der gespaltene Backenzahn und die vielen Versuche von Mücken, uns Malaria nahe zu legen, nicht der Rede wert.

Der Bus ist bestens gelaufen, nicht nur schnell (108 km/h !!!), sondern mit gut 11 Litern auch sparsam. Fünf Plattfüße, damit liegen wir unter dem Durchschnitt, zumal zwei aus fehlerhaften Reparaturen resultierten. Keine weiteren Defekte und praktisch kein richtiger Schraubertag. OK, die Bremsen waren am Ende an selbigem und die Stoßdämpfer ebenfalls, doch beides hätten wir auch unterwegs problemlos reparieren können.

Es war unser bisher heißester Aufenthalt (temperaturmäßig). An jedem zweiten Tag mehr als 35°C, doch wir empfanden das als ziemlich angenehm. Meistens jedenfalls, denn bei 42° hört der Spaß auf. Die Regenzeit hat sich freundlicherweise sehr zurück-gehalten, anders als in den letzten Jahren. Trotzdem war alles überraschend grün, was andererseits auch zu ungezügeltem Bevölkerungswachstum bei jeder Art von Insekten geführt hat. Doch wozu gibt es Moskitonetze? Unseres war im Dauereinsatz.

Jetzt sind wir zur Kältetherapie in Deutschland, die wird bis Mitte 2009 dauern, dann sollten alle Zipperlein auskuriert sein und wir können uns neue holen.

Bis dahin frostige Grüße

von Anette & Wolfgang

Tagebuch   7.12. bis 27.12.2008

Sonntag, 7.12.08, 2. Advent (Vilanculos):  Um sechs Uhr dreht sich der Anlasser und wir verlassen unseren Platz unter dem wohl gewaltigsten Baum, unter dem wir je geschlafen haben.

Kaum sind wir auf der Straße, werden wir schon von einer Verkehrskontrolle gestoppt. Morgens um sechs!!! Der Polizist ist uhrzeitgemäß muffig und will alles ganz genau wissen. Papiere, Beleuchtung, Hupe. Dummerweise findet er nichts und muss uns gute Fahrt wünschen.

Auf der Tankstelle kriegen wir zwar kein Benzin, denn sie nehmen keine Kreditkarten, doch uns werden alle Scheiben mit großer Gründlichkeit geputzt. Das Trinkgeld ist entsprechend. Die nächste Tankstelle nimmt Kreditkarten und die Scheiben werden abermals mit großer Gründlichkeit geputzt, wir haben jetzt die saubersten Scheiben Afrikas. Das Trinkgeld ist entsprechend, auch wenn es die Jungs geringfügig leichter hatten.

Außerdem kommt eine fliegende Bananenverkäuferin ans Auto und ihr Tag fängt gut an. Wir kaufen ihr alles ab. Auch der Junge mit den Lychees ist zufrieden, wir nehmen ihm nur zwei seiner zwanzig Kilo ab.

Dann reicht’s, wir haben ‘was zu Essen, Benzin und saubere Fenster. Der Urwald kann kommen. Die nächsten 200 km geht es, auf hoffentlich guter Piste, durch ein paar beeindruckende Reste des alten Bergurwaldes.

Der “Wald” beschränkt sich zunächst auf ein paar von den Kettensägen übersehene Reste. Trotzdem sieht die Landschaft hier bei weitem nicht so tot aus wie weiter nördlich. Dank Regen hat allerlei Grünzeug die Wunden gnädig zugedeckt.db_DSC04188

Früher haben hier portugiesische Kolonialherren in bombastischen Villen residiert, heute db_DSC04195sind es nur noch einfache Bauern und Flüchtlinge, die auf den brandgerodeten Flächen für ein paar Jahre überleben können und dann weiterziehen müssen.

Trotz der immensen Kahlschläge ist an einigen Hängen noch ein be-
eindruckender Urwald stehen geblieben. Schade, dass diese Gegend so weit abgelegen ist, doch wir werden hier sicher noch mal herkommen. Wenn dann noch Urwald übrig ist ...

Wir finden eine Schneise neben der Piste, wo wir in aller Ruhe frühstücken können, mit all den typischen Urwaldgeräuschen und Gerüchen. Während dieser Stunde kommt nicht ein einziges Fahrzeug vorbei.

Wir müssen immer wieder die große Hochspannungsleitung kreuzen, die den Strom von Cahora Bassa nach Südafrika transportiert. Normalerweise ist das ja nichts Besonderes, doch hier ist es eine Gleichstromleitung. Deren Magnetfeld ist so extrem stark und stabil, dass unser Kompass immer wieder den Dienst quittiert. Bei normalem Wechselstrom zuckt er ja auch wie ein Lämmerschwanz, berappelt sich dann aber gleich wieder. Jetzt müssten wir ihn jedes Mal neu justieren. Müssten, denn eigentlich brauchen wir ihn hier nicht, wir können uns im Wald ohnehin nicht verfahren.

Die Chimanimani-Berge gehen bis fast 2500 m hoch und sind der höchste Punkt in Mocambique. Auf dem Kamm verläuft die Grenze nach Zimbabwe. Auf der anderen Seite liegt der Chimanimani Nationalpark, wo die gleiche Landschaft wie hier unter Schutz gestellt ist. Das wäre sicher lohnend zu besuchen. Leider wird Zimbabwe gerade von Mugabe zu Grunde gerichtet, doch wenn in hoffentlich naher Zukunft der Verbrecher erst einmal beseitigt ist, werden wir uns sicher auch die andere Seite anschauen.db_DSC04214db_DSC04206db_DSC04209

An einer Wegegabelung geht es steil runter zum Rio Lucite, der mit einem handbetriebenen Ponton überquert werden kann. Beim nächsten Mal werden wir auf dieser Strecke weiterfahren, doch dazu fehlt uns jetzt die Zeit, denn für die gut 300 km muss man sicher zwei bis drei Tage rechnen.

Wir bewundern noch die einzigartigen “Einbäume”, die man hier - und nur hier - baut. Sie bestehen nicht wie gewöhnlich aus einem ausgehöhlten Baumstamm, sondern aus einem großen Stück Baumrinde, das über ein Gestell aus Ästen gezogen wird. Erstaunlich, dass das dicht hält. Damit betreiben die Fischer einen richtigen Taxiservice über das Flüsschen.

Gegen 14 Uhr rollen wir wieder auf den Asphalt der Nationalstraße 1. Für die 170 wirklich schönen Kilometer haben wir sieben Stunden reine Fahrzeit gebraucht. Da wir heute ja schon sehr früh aufgebrochen sind, wollen wir es noch bis ins 300 km entfernte Vilanculos schaffen, denn zwischendurch wird es vermutlich keine vernünftige Übernachtungsmöglichkeit geben.

Feinster Asphalt, keine Berge, kein Verkehr (es ist Sonntag), wir fliegen regelrecht durch die Palmenhaine. Kurz vor Sonnenuntergang sehen wir ein Schild zum Blue Waters Beach Resort. Wir sind da. Fast. Denn wir haben nicht damit gerechnet, dass wir nach der vielen Fahrerei heute noch eine sandige Sonderprüfung aufgebrummt kriegen. Die Zufahrt zum Camp zieht sich und zieht sich und der Sand wird immer tiefer. Einige Male sind wir kurz vorm Steckenbleiben, können uns aber mit durchdrehenden Rädern immer wieder auf festeren Boden retten. Am liebsten würden wir umkehren, aber das geht definitiv nicht. Bloß nicht stehen bleiben.

Nach sechs Kilometern im Sandkasten sind wir durch und stehen auf einem sehr schönen Platz mit Blick auf den Indischen Ozean. Der Manager will gar nicht glauben, dass wir auf dieser Piste ohne Allrad durchgekommen sind. Es gäbe doch eine viel bessere Zufahrt vom Ort aus. UND WARUM SCHREIBEN SIE DAS NICHT AUF DAS SCHILD???

Übermorgen werden wir allerdings feststellen, dass die angeblich viel bessere Zufahrt um keinen Deut weniger Sand hat. Ganz im Gegenteil, sie geht mitten durchs Dorf und ist kreuz und quer durchgewühlt. Immerhin hätten wir schnell ein paar Helfer zum Schieben gehabt.

Anfang 2007 wurde der ganze Ort Vilanculos von einem Zyklon regelrecht weggeweht. 90% der Häuser waren unbrauchbar, nur um das Camp hat der Wind einen Bogen gemacht. Und jetzt bleiben die Touristen aus, vor allem die südafrikanischen, weil sie wegen der Wirtschaftskrise ihr Geld lieber beieinander halten.

Obwohl wir die einzigen Gäste sind, machen sie für uns extra das Restaurant auf und wir genießen den Luxus und das erste Steak seit langem.

Montag, 8.12.08 (Vilanculos):  Nach den rekordverdächtigen 500 km von gestern gibt’s heute nicht einen einzigen. Statt dessen laufen wir am Strand herum, lümmeln im Swimmingpool und genießen echt italienische Holzofenpizza. Die Pizza gibt’s bei Rudi, einem Deutschen, der in Italien Pizza backen gelernt hat und hier ein kleines feines Hotel betreibt.

Wolfgang entdeckt am Oberschenkel über zwanzig kleine Stiche, die ekelig jucken. Könnten da Tsetse-Fliegen dahinter stecken? Bei zwanzig Stichen wäre das ja fast eine Blutspende gewesen. Tsetse hinterlässt gerne Schlafkrankheit, mal sehen, ob wir in der nächsten Zeit davon etwas merken.

Dienstag, 9.12.08 (hinter einer Tankstelle, Xai Xai):  Wir haben unsere Website fertig und finden im Ort ein modernes Internet-Cafe zum schnellen Hochladen.

Der Sand war kein Problem, doch ein paar Kilometer weiter rasen wir in eine Radarfalle. Mit 68 km/h statt 60. Da hilft kein Lamentieren, die Jungs haben ja Recht. Wir haben halt ein schnelles Auto. Mit 1000 Meticais sind wir dabei, 30 Euro. Die Polizisten geben uns wie vorgeschrieben ihren Namen, die Dienststelle und eine amtliche Quittung und wir fahren mit dem guten Gefühl weiter, etwas gegen das mocambiquanische Staatsdefizit getan zu haben.

Nach zwei Stunden Fahrt ändert sich schlag(loch)artig die Straße. Ein Lodgemanager hatte uns schon angekündigt, dass auf diesem Abschnitt die Baufirma das Geld lieber in die Häuser der Chefs gesteckt hat und dann pleite gegangen ist. So konnte sich die Straßenkaries hemmungslos ausbreiten. Eine Krankheit, die vermutlich durch Reifen übertragen wird. Jetzt ist es nicht mehr mit Reparieren getan. Neubau, wenn wieder Geld da ist. Für die nächsten Chefs. So lange quälen wir uns mit allen anderen über den Schlaglochslalom.

Unseren Plan, heute bis in das Camp des Great Limpopo Transfrontier Parks zu kommen, können wir uns wohl abschminken. Polizisten und Schlaglöcher sind gegen uns.

Kurz nach Sonnenuntergang biegen wir zu einer Lodge ab und merken schon nach kurzer Zeit, dass da mindestens zwanzig Kilometer Sand auf uns warten. Darauf haben wir nicht die geringste Lust, schon gar nicht im Dunkeln. Statt dessen landen wir auf einer 24h-Tankstelle, die hinter dem Gebäude einen großen beleuchteten Parkplatz für Fernfahrer hat. Und irgendwie sind wir ja auch fern gefahren. Der Nachtwächter zeigt uns, wo wir am sichersten stehen und kriegt einen kleinen Obolus, damit er heute Nacht ein wenig auf uns aufpasst.

Mittwoch, 10.12.08 (Aguia Pesqueira Camp, Great Limpopo Transfrontier Park):  War eine gute Nacht und wir hätten ja als Dankeschön auch noch getankt, doch die Kreditkartenlesegeräte funktionieren nicht.

In Xai Xai, dem Haupt(touristen)ort dieser Region, müssen wir Geld wechseln. Das Benzin reicht nicht bis nach Südafrika. Die Barclays Bank, sicher eine der besten Banken in Afrika, liefert hier ihr Meisterstück ab.

Nach zwei Stunden sind wir endlich aus Xai Xai raus, mit Geld im Portemonnaie und Benzin im Tank. Viel brauchen wir ja nicht mehr, weder an Geld noch an Benzin, denn morgen wollen wir über die Grenze.

Auf den Straßen in Mocambique fallen uns immer wieder zwei Dinge auf.

Hier fahren fast nur riesige amerikanische Trucks, die in technisch wirklich gutem Zustand sind. Die USA scheinen große Mengen gebrauchter Fahrzeuge hergeschickt zu haben. Deshalb sieht man hier im Gegensatz zu Zambia nur relativ wenige Pannenfahrzeuge an den Straßen stehen oder liegen. In Zambia musste man hinter jeder Kurve mit einem Wrack rechnen.

Das andere, was immer wieder auffällt, sind zwei Dinge, die gerade mal 10 cm groß sind. Jeder Mocambiquaner hat mindestens eines davon in der Hand oder am Kopf, meistens beide. Die Rede ist von Mangos und Handys. Mangos fallen zur Zeit an jeder Ecke von den Bäumen und werden gerne gegessen. Handys werden offensichtlich schon bei der Geburt in die Hand getackert. Jeder, wirklich jeder, hat so ein Ding. Hoffentlich beißt nicht mal jemand aus Versehen ins Handy. Vielleicht gibt es ja auch Handys in Mangoform.

In einem kleinen Dorf ist Markt und wir versorgen uns mit Obst und Gemüse. Auf jedem Stand sind kleine Häufchen aufgebaut. Tomaten, Kartoffeln, Mangos, Zwiebeln, Paprika, Gurken, Bananen. Trotz nicht vorhandener Sprachkenntnisse geht Einkaufen erstaunlich gut. Wenn man fragt, was es kostet, kommt immer so etwas wie “Beintsche”, klingt verdächtig nach dem spanischen veinte, also 20 Meticais, 70 Eurocent. Es scheint nur einen Preis zu geben, lediglich die Häufchen unterscheiden sich ein wenig. Wir suchen uns ein paar gute Früchte heraus. “Was kostet’s?” “Beintsche”. Wahrscheinlich hätten wir unser Häufchen noch viel größer machen können. Doch was soll’s, die Zwiebeln werden ohnehin bis Namibia reichen.

Wir wollen mit leeren Tanks nach Südafrika kommen, da hier das Benzin weniger als die Hälfte kostet. 40 Kilometer vor der Grenze müssen wir über einen fünf Kilometer langen Staudamm. Hier ist Anhalten strengstens untersagt, doch ein - verspäteter - Blick auf die Tankuhr lässt Schlimmes ahnen. Zurück geht nicht, wenden ist auch verboten. Wir haben zwar noch 40 Liter dabei, doch die liegen auf dem Dach.

Wir zittern uns über den Damm, immer Gewehr bei Fuß, um schnell ein paar Liter vom Dach zu holen. Fünf Kilometer können verdammt lang sein!

Aber nicht lang genug, denn erst drei Kilometer später ist der Tank wirklich trocken. Inzwischen sind wir im Great Limpopo Transfrontier Park, einem ganz neuen Nationalpark, der mit dem Krugerpark in Südafrika zu einem großen Schutzgebiet vereinigt worden ist. Die Politiker haben es mit Pauken und Trompeten gefeiert, doch die nach Mocambique geschickten Tiere flüchten immer wieder zurück nach Südafrika. Früher gab es hier eine DDR-mäßig gesicherte Grenze, um die Menschen aus Südafrika draußen zu halten, dann hat man den Zaun feierlich abgerissen und jetzt bräuchte man ihn wieder, um die Tiere in Mocambique zu halten. Doch dort haben sich Bürgerkrieg und Wilderei tief im Gedächtnis, vor allem der Elefanten, festgesetzt.

Scherzbolde sagen, wenn du wilde Tiere sehen willst, dann fahr’ in den Krugerpark, wenn du Rinder und Hirten sehen willst, in den Limpopopark. Da ist was dran. Hier ist man erst ganz am Anfang, aber das wird schon werden. Jedenfalls machen wir die freudige Entdeckung, dass unsere hochgelobte Kreditanstalt für Wiederaufbau KfW nicht nur Hunderte von Millionen Dollar auf der bereits pleite gegangenen Lehman-Bank verheizen kann, sondern auch mal was ganz Vernünftiges macht. Hier hat sie den Bau eines Camps finanziert. Wir werden dort übernachten.

Nach 30 ziemlich sandigen und steinigen Kilometern sind wir da. Aguia Pesqueira, Seeadler, heißt das Camp und liegt wunderschön hoch oben über dem See (dessen Staumauer wir ja schon kennen). Liebevoll angelegt, fast alles funktioniert, nur eines fehlt: Gäste. Wir sind wieder mal die einzigen und kriegen den besten Platz. Leider sorgt die geringe Zahl an Gästen dafür, dass das Geld für die Instandhaltung langsam knapp wird. Man kann nur hoffen, dass es bald besser bevölkert wird, sowohl von Tieren wie auch von Menschen.

Donnerstag, 11.12.08 (Balule Camp, Krugerpark):  Im Krugerpark würden wir jetzt auf den “Morningdrive” gehen, um uns ein paar Tiere anzuschauen. Das macht hier (noch) keinen Sinn, also fahren wir weiter nach Giriyondo, dem neuen Grenzübergang zwischen den beiden Parks. Danach gibt’s Tiere satt.

Die Piste zur Grenze ist sehr gut, zu gut für manche. Hier sind nur 40 km/h erlaubt und damit sich auch die Unvernünftigen daran halten, gibt es in unregelmäßigen Abständen künstliche Bodenwellen. Selbst mit 20 Stundenkilometern ist man da noch zu schnell und hebt ab. Das musste auch ein VW-Touareg-Fahrer feststellen, der wohl zu dicht hinter einem anderen her fuhr. Als der vor der Bodenwelle bremste, ist er vermutlich voll in ihn reingekachelt. Jedenfalls hat er seine Einzelteile vor dem Auto verstreut. Den anderen Wagen haben sie wohl schon beseitigt, der nagelneue Touareg steht herrenlos auf der Piste herum. Normalerweise bleibt in Afrika immer jemand am Fahrzeug, denn sonst machen sich die Einzelteile ganz schnell aus dem Staub. Warum nicht bei so einem teuren Auto. Sehr mysteriös ...

Die Grenze geht gewohnt schnell, in zwanzig Minuten sind wir durch. Wir sind ja auch, oh Wunder, die einzigen.db_DSC04239adb_DSC04257adb_DSC04242a

Kruger beeindruckt uns wieder mal. Als hätte man ein Empfangskomitee aufgestellt. Nicht nur die üblichen Verdächtigen mit Mähnen, Rüsseln oder Streifen, sondern sogar etwas ganz Seltenes: ein Leopard am helllichten Tage. Zwar eindb_DSC04267 db_DSC04278aganzes Stück weit weg am gegenüber liegenden Flussufer, trotzdem sehr schön anzuschauen.

Am Nachmittag buchen wir unseren Übernachtungsplatz im Balule-Camp, einem kleinen abgelegenen Platz am Ufer des Elefanten-flusses. Hier gehen wir recht gerne hin, weil hier nicht so viel Trubel wie auf den großen Camps herrscht.

Auf dem Weg dorthin beobachten wir eine kleine Elefantenherde mit einigen Babys beim Baden im Fluss. Als wir weiterfahren wollen, weil die Tiere zu uns auf den Hang hoch kommen, bemerken wir mit Schrecken, dass wir einen Plattfuß haben. Um den Elefanten nicht im Wege zu stehen, mit Kindern können sie unberechenbar sei, muss es jetzt ganz schnell gehen. Normalerweise brauchen wir für einen Radwechsel 10 bis 15 Minuten, diesmal schaffen wir es in Rekordzeit, werfen alles schnell wieder ins Auto und machen uns gerade noch rechtzeitig aus dem Staube. Erst vor ein paar Monaten hatten wir einen Radwechsel unter Löwenbeobachtung. Was kommt als nächstes?

Was wir jetzt noch nicht wissen: der fünfte war der letzte Plattfuß für dieses Jahr.db_DSC04250db_DSC02232

Die Weiterfahrt zum Balule Camp gestaltet sich problemlos und die Furt, an der wir Anfang des Jahres wegen Hochwasser gescheitert sind, ist bequem passierbar. Linkes Bild Januar 2008, rechts heute.

Das Camp ist gut belegt, aber nicht voll. Es gehört zur eher rustikalen Sorte, hat weder Pool, noch Strom, auch keinen Shop und was Touristen sonst noch glauben zu brauchen. Dafür ist es gemütlich, die Duschen und Toiletten sind bestens in Schuss und pikobello sauber, obwohl die Anlage für afrikanische Verhältnisse schon uralt ist. Das Wasser zum Duschen wird in einem alten Holzofen angeheizt und als Beleuchtung stehen überall Petroleumlampen, die selbst Duschen und Toiletten richtig gemütlich machen.

Neben uns zeltet ein schwarzes Pärchen. Noch vor einigen Jahren war das undenkbar, denn die südafrikanischen Nationalparks sind nach wie vor de facto rassengetrennt. Früher durften die Schwarzen nicht rein, heute können sie nicht, weil der Eintritt zu hoch ist. Aber die ehemals klaren Trennlinien brechen allmählich auf.

Anette sammelt kleine Hölzchen und trockenes Gras, um damit Feuer zu machen. Als sie alles fein säuberlich aufgeschichtet hat und anzünden will, kommt die Südafrikanerin von nebenan mit einer kleinen Schaufel mit Glut vorbei und innerhalb von einer Minute haben wir lodernde Flammen. So schnell haben wir das noch nie hinbekommen. Die Einheimischen wissen einfach, wie man Feuer macht.

Wir fanden die Geste so nett, dass wir die beiden nach dem Essen zu einem Bier einladen. Bier mögen sie zwar nicht, doch ein Wasser würden sie gern nehmen. Leider spricht die Frau fast kein Englisch, doch ihr Mann kann es recht gut. Sie sind vom Stamme der Shangaan, die hier in Südafrika, aber auch in Mocambique leben und bei ihnen wäre es eine feste Tradition, dass man sein Feuer, wenn man es nicht mehr braucht, an den Nachbarn weitergibt.

Sie wohnen gar nicht weit weg vom Krugerpark und sind zum ersten Mal hier. Und begeistert. Es ist im übrigen eine Schande, dass die meisten Schwarzen keine Chance haben, ihre eigene Tierwelt einmal selbst zu erleben.

Wie üblich kommt in der Abenddämmerung eine Hyäne an den Zaun und hofft, etwas abzukriegen. Kommt aber nicht in Frage, so sehr wir Hyänen auch mögen. Füttern heißt im Endeffekt, sie umzubringen.

Freitag, 12.12.08 (Magoebaskloof Getaway, Tzaneen):  Wir kreuzen heute früh noch ein bisschen im Nationalpark herum und entdecken, dass man seit kurzem Pisten für Fahrzeuge mit höherer Bodenfreiheit durch den Busch geschlagen hat. Wir probieren gleich mal einen aus und stellen fest, dass man dort wieder ein richtiges Naturgefühl bekommt, ganz anders als auf den breiten Asphaltstraßen. Diese Wege werden wir beim nächsten Mal gezielt in Angriff nehmen.

Um zwei Uhr sind wir raus aus dem Park. Ab hier haben wir noch 2.000 km bis nach Windhoek und wollen am kommenden Mittwoch dort sein.

Vorher steht noch eine Reifenreparatur an, bei der wir feststellen, dass hier die Reifen, die wir am liebsten fahren, ein ganzes Stück günstiger sind als in Namibia. Also lassen wir uns gleich noch drei einpacken, das reicht hoffentlich für die nächsten Jahre. Selbst passende Schläuche, nach denen wir seit 4.000 km suchen, gibt’s in Hülle und Fülle. Wir sind halt wieder in Südafrika.

Auf der Weiterfahrt bemerken wir das noch an anderen Indizien. Auf den Straßen fallen die gepflegten Autos der europäischen Nobelmarken auf, allen voran VW ;-) und Audi, aber auch viele BMW und ein paar Mercedes. Selbst Volvo ist überraschend oft vertreten, vielleicht taugen die robusten Schweden ja sogar für Afrika. Auch alles andere wirkt europäischer, organisierter, übersichtlicher, aber auch ein bisschen unafrikanischer.

db_DSC04283aDie Gegend wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. An den Straßen haben die Farmen kleine Stände aufgebaut und verkaufen, was sie produzieren. Mangos, Äpfel, Bananen, Lychees. Wir decken uns für die Reise ein (die letzten Lychees reichen bis München).

Am späten Nachmittag treffen wir in Tzaneen ein. Vor ein paar Jahren haben wir hier schon mal vergeblich nach einem Camp gesucht und mussten dann zwangsweise im Dunkeln noch 100 km weiter bis zum Krugerpark fahren.

Diesmal haben wir erheblich mehr Glück. Wir sehen auf einem Schild, dass es hier in der Nähe in den Bergen ein Camp gibt, offensichtlich nahe des Passes, über den wir morgen ohnehin wollten.db_DSC04287

Und tatsächlich geht hoch oben in den Bergen ganz unvermittelt ein schmaler Feldweg wieder runter ins Tal. Extrem steil (den wären wir damals bei Nacht sicher nicht herunter gefahren), an den steilsten Stellen sogar asphaltiert. Unten entpuppt sich das “Magoe-baskloof Getaway” als wahres Schätzchen. Eine Lichtung mitten im Wald an einem See mit wunderbarer Aussicht auf die Berge. Ringsum üppige Vegetation. Dazu terrassierte Stellplätze und hervorragende sanitären Einrichtungen. Wirklich Top. Erstaunlicherweise sind wir auch hier die einzigen Gäste.

Glück - oder der Zufall - wollen es, dass genau jetzt, wo es gutes Trinkwasser gibt, unser letzter Wassertank zur Neige geht. Bis hierher hat das Windhoeker Wasser gereicht. Wir haben es allerdings nur getrunken, wenn wir kein anderes sauberes Wasser bekommen konnten.

Samstag, 13.12.08 (neben Veterinärkontrolle, Mopipi):  Morgens beim Frühstück hören wir langsame getragene Blasmusik von oben aus den Bergen. Mit dem Feldstecher können wir sehen, dass sich auf dem Feldweg zum Camp eine größere Anzahl festlich gekleideter Leute sammelt und die zahlreichen Autos jegliches Durchkommen verhindern. Offensichtlich ist es eine Beerdigung. So nach und nach setzt sich die Menschenmenge im Gänsemarsch in Bewegung und krabbelt auf einem kleinen Trampelpfad hoch in den Wald. Die Musik immer voran.

Wir beschließen, noch ein wenig zu warten, denn wenn wir wegen der vielen Leute auf dem steilsten Stück anhalten müssen, kriegen wir Probleme beim Anfahren. Uns fehlt ein Berggang.

Nach einer Stunde wagen wir es, nachdem es ein anderes Fahrzeug vorgemacht hat. Wir kommen ohne weiteres durch.

Fünf Stunden später stehen wir an der Grenze nach Botswana. Hier ist es meistens ein bisschen chaotisch, denn die vielen Lkws blockieren sich gegenseitig. Zudem ist die Grenzbrücke nur einspurig, da führt das Recht des Stärkeren schnell zum Stillstand.

Eigentlich ist die Grenzprozedur schon nach einer halben Stunde gegessen, doch dann müssen wir noch über eine Stunde in einer langen Schlange warten, um irgend eine ominöse Gebühr zu bezahlen. Der Kassierer ist wohl noch in der Ausbildung. Jedes Mal, wenn er jemanden erfolgreich abgefertigt hat, gibt es großen Jubel in der Schlange.

Heute ist wieder mal Peter-Schlemihl-Tag (“der Mann ohne Schatten”). Als wir an der Grenze zu unserem Auto gehen, fällt uns nämlich auf, dass die Sonne genau senkrecht über uns steht. Na ja, genau genommen steht sie 1/2 Grad südlich, wie wir später nachgerechnet haben, doch das tut der Hitze auf dem Hirn keinen Abbruch. In den nächsten zwei Wochen bleibt sie praktisch über uns und tritt dann langsam wieder die Reise nach Norden an.

Am Abend wollen wir auf einem Lkw-Rastplatz, wo wir schon mal vor ein paar Jahren waren, übernachten. Doch der Platz ist nicht zu finden. Offensichtlich hat da die Erinnerung Lücken. Dann versuchen wir es in der nächsten Stadt, Lethlakane. Es ist inzwischen schon lange dunkel. Hier gibt es zwar kein Camp, aber es stehen ein paar Lkws auf einem Platz. Leider ist ringsum mächtig Trubel. Samstagabend ist auch in Afrika Samstagabend.

Wir machen uns schleunigst aus dem Staub, denn nach Disko steht uns nicht der Sinn. Aber es kommt nichts mehr, kein Camp, kein Dorf, nur Busch rechts und links. Stundenlang.

Schließlich kommen wir kurz vor 22 Uhr an eine Veterinärkontrolle. Hier kreuzt man einen der Tausende Kilometer langen Rinderzäune, die Botswana zerteilen. Mit diesen Zäunen will man die Ausbreitung von Tierseuchen verhindern. Jedes Auto, was durch den Zaun will, wird angehalten und meist gleich weitergewinkt, es sei denn, man hat ein Rind dabei. Wir haben keines, aber da es hier ruhig und gut bewacht ist, stellen wir uns gleich nach der Kontrolle an die Seite und eine Viertelstunde später ist das Licht aus.

Heute war unser mit Abstand längster Tag, sowohl wegen der 681 km als auch wegen der 11 Stunden reiner Fahrerei. Wir sind redlich platt ...

Sonntag, 14.12.08, 3. Advent (Maun):  ... und früh auf Achse. An der nächsten Veterinärkontrolle fährt Wolfgang wohl ein bisschen zu dicht an die Schranke heran, jedenfalls hüpft die Kontrolleuse theatralisch zur Seite. Sofort kommt ihr uniformierter Kollege angewetzt, baut sich neben Anette auf und hält ihr eine lange Standpauke. Es gäbe doch Verkehrsregeln und die müsse man auch einhalten. Und man müsse doch vor dem Stoppschild stehen bleiben und nicht dahinter. Anette nickt schwer beeindruckt und reumütig. Nach der Predigt will er den Führerschein sehen. Wolfgang gibt ihn seinen. Nein, er will den von Madame haben. “Aber die ist doch gar nicht gefahren!”. Ratlosigkeit in seinen Augen, als er vergeblich nach einem Lenkrad vor Anette sucht. Leicht verdattert kommt er ums Auto rum, drückt Wolfgang seinen Führerschein wieder in die Hand und wünscht uns verlegen eine gute Fahrt.

In den anderen afrikanischen Staaten sind wir auf Asphaltstraßen immer sehr aufmerksam auf der Suche nach braunen Flecken. Üblicherweise sind das Schlaglöcher, durch die der Untergrund hindurch kommt und es gibt nur eines: heftig bremsen. Botswana hat viele braune Flecken auf der Straße, sehr viele sogar. Und auch hier gibt’s nur eines: nicht bremsen, sofern man nicht ins Schleudern kommen will. Denn mangels Zäunen treiben sich hier die Rinder in großer Zahl auf der Straße herum und sind zu faul, auf die Toilette zu gehen. Sch...spiel.

db_DSC04311100 km weiter gibt es dafür reichlich Wasserspülung. Zum ersten Mal seit vielen, vielen Jahren führt der Boteti River Wasser. Das passiert nur, wenn das Okavango Delta kräftigdb_DSC04316a db_DSC04303Hochwasser führt. In den vergangenen zwanzig Jahren hat es sich Schritt für Schritt zurück gezogen und weite Bereiche trocken fallen lassen, doch die großen Regen der letzten drei Jahre haben eine gegenteilige Entwicklung bewirkt. Das Delta dehnt sich wieder aus und versorgt den Boteti mit Wasser. Kinder und Rinder freuen sich.

Mittags treffen wir in Maun ein, wo wir morgen mal versuchen wollen, mit einem Kleinflugzeug über das Delta zu fliegen.

Auf dem Camp im Sedia Hotel steht wie üblich kein anderer Gast. Fast keiner, nur ein 60 Jahre alter Lkw mit Anhänger aus Passau. Die Besitzer sind laut Gästebuch Tom & Jerry. Was zunächst wie ein Witz klingt, ist keiner. Er heißt Tom und sein inzwischen verstorbener Hund Jerry. Tom und Freundin sind seit vielen Jahren im Winter in Afrika unterwegs. Sommers ist er Fiakerfahrer in Salzburg. Oder heißt das Fiakerkutscher?

Im Nachhinein stellen wir fest, dass wir die beiden schon mal vor sieben Jahren hier gesehen haben, aber damals war der Platz voll und wir hatten nicht mit ihnen gesprochen.

Montag, 15.12.08 (Ghanzi):  Das Wetter ist mittelprächtig. Zwar kein Regen, aber ziemlich dunkle Andeutungen am Himmel. Wir beschließen, nicht auf besseres Wetter zu warten und uns auf den Weg zu machen. Es sei denn, wir kriegen auf die Schnelle noch einen Rundflug über das Okavango-Delta organisiert, sofern es nicht gerade regnet.

Die erste Fluggesellschaft will knapp 3000 Pula für uns zwei haben. Leider gibt es zur Zeit keine anderen Fluggäste, so dass wir den Dreisitzer komplett bezahlen müssten. Bei der zweiten Fluggesellschaft hört sich das schon besser an, 2000 Pula, also 190 Euro. Das wäre es uns wert, zumal wir bei denen in einer Stunde starten könnten. Also ok, denn der Pilot sagt uns auch, dass sich das Wetter bis zum Mittag noch einigermaßen ordentlich benehmen wird, am Nachmittag wird’s wahrscheinlich regnen.

Wir fahren noch kurz in die Stadt, Anette besorgt sich ein Mittel gegen Seekrankheit und wir stehen pünktlich auf dem Rollfeld. Nicht, ohne vorher einen Wachmann der Firma gebeten zu haben, auf dem Parkplatz auf unser Auto aufzupassen. Man weiß ja nie. Er setzt sich daneben und wird da noch sitzen, wenn wir wieder zurück sind.

Anette hat leichte Schlafaugen, das Mittel ist wohl ziemlich stark.

Beim Anlassen der Maschine hört sich das Motorgeräusch sehr vertraut für uns an. Es stellt sich heraus, dass es ein Dieselmotor von der Firma Thielert aus Deutschland ist. Kleinflugzeuge haben normalerweise Benzinmotoren und nur Jets fliegen mit Diesel. Doch hier hat man einen normalen VW-Turbodiesel, wie er auch in Anettes Golf werkelt, zum Flugmotor umgebaut. Anette muss sich mit 90 PS begnügen, der Flieger hat 130 und schafft 250 km/h, ganz schön flott für so ein kleines Kolbenstrampelchen. Und laut ...

Kaum sind wir in der Luft, fängt es an zu regnen. Doch da hier Regenwolken im Gegensatz zu Deutschland meisten sehr eng begrenzt sind, können wir sie gut umkurven. Nach ein paar Minuten überfliegen wir einen großen Zaun, das Delta-Schutzgebiet hat begonnen. Der Zaun soll die Tiere des Deltas vom Farmland fern halten. Und umgekehrt.

db_DSC04379db_DSC04356Jetzt fängt eine grandiose Landschaft an, in der offenes Wasser, schwimmende Inseln, Sumpf und Festland ständig ineinander übergehen. Die Grenzen sind fließend. Wirdb_DSC04348a dürfen zwar nicht tiefer als 150 m fliegen, doch auch von hier oben sind viele Tiere zu erkennen. Sumpfantilopen fliehen ins Wasser, Giraffen schauen hoch, Elefanten werden unruhig, nur die Nilpferde grasen in aller Gemütsruhe weiter. Sie wissen, dass die Krawallmacher gleich wieder verschwunden sein werden.

Vor vielen Jahren sind wir da unten mal für zwei Tage zu Fuß und mit demdb_DSC04326a Einbaum herumgezogen, natürlich unter sachkundiger Führung von Einheimischen. Doch vom Boden aus kann man die gewaltige Ausdehnung und Vielgestaltigkeit des Deltas bestenfalls erahnen.

Es regnet im Augenblick zwdb_DSC04358ar nicht, aber wenn die Sonne scheinen würde, wäre es unbeschreiblich.

Immer, wenn einer von uns dreien Tiere entdeckt, legt der Pilot die Maschine in eine Steilkurve und wir können aus dem Seitenfenster direkt nach unten schauen. Mit der Zeit wird Anette etwas schmallippig, denn die Schräglage kommt bei ihr gar nicht gut an. Das Mittel war wohl doch zu schwach. Also muss Wolfgang viel fotografieren, damit Anette nachher auch etwas davon hat. Außerdem ist das Flugzeug sowieso viel zu schnell, um in aller Ruhe die Details zu erkennen. Das werden wir später auf den Bildern nachholen

Obwohl das Wetter nicht das Beste war, wird uns der Flug in Erinnerung bleiben.

Da das Wetter eher schlechter wird, gibt es keinen Grund mehr, länger in Maun zu bleiben. Noch einmal alles voll tanken, dann geht es auf den Weg nach Namibia.

200 Kilometer weiter liegt ein neues Camp, das können wir sicher noch vor Einbruch der Dunkelheit erreichen. Unterwegs kommen wir in eine “Fuß- und Mundkontrolle”. Was wie die abendlichen Reinlichkeits-überprüfung in einer Jugendherberge klingt, ist in Wirklichkeit ein dramatisches Problem. Wir sind in einem Gebiet, in dem vor einiger Zeit die Maul- und Klauenseuche ausgebrochen ist. Deshalb darf kein Tier oder Tierprodukt das Gebiet verlassen. Wir werden nicht nur gefragt, ob wir Fleisch dabei haben, sondern das Auto wird auch systematisch durchsucht. Darüber hinaus müssen wir über eine mit Desinfektionsmittel getränkte Matratze laufen und auch alle anderen Schuhe haben wir auf diese Weise zu desinfizieren. Mit dem Auto müssen wir durch eine große Desinfektionswanne fahren und zusätzlich werden von Hand alle Radkästen ausgesprüht. Überall läuft die weiße Giftbrühe herunter.

Na ja, man kann diesen Aufwand verstehen, denn neben Diamanten und Touristen ist die Rindfleisch-produktion das dritte Standbein des Staates. Da die Rinder nicht auf eingezäunten Weiden stehen, stecken sie sich schnell gegenseitig an.

Nach zehn Kilometern noch einmal die gleiche Prozedur, wieder eingehend befragt, wieder durchsucht, wieder die Schuhe getränkt, wieder eingesprüht. Auf der Strecke zwischen den Kontrollen gab es weder ein Dorf zum Fleisch einkaufen, noch eine Abzweigung!

Und, aller guten Dinge sind drei, kaum zwanzig Kilometer weiter die nächste. Erstaunlicherweise werden unsere drei Reserveräder bei keiner Kontrolle desinfiziert.

Weiß bekleckert kommen wir schließlich am El-Fadi Camp an. Es wirbt auf einem großen Schild mit “luxury ablution”, luxuriöse Sanitäranlagen. Wie gewohnt sind wir die einzigen Gäste auf einem wirklich schön und geräumig angelegten Platz. Richtiges Kalahari-Feeling kommt auf. Und erst die Toiletten und Duschen! Extrem neu und extrem gut. Die Reklame war nicht übertrieben.

Der Farmer erzählt uns, dass er auf ein Ende des Exportverbots wegen der Maul- und Klauenseuche zum Ende nächsten Monats hofft. Na, dann waren die Desinfektionen ja wenigstens nicht unnütz.

Wir genießen den Abend in der Kalahari mit einem schönen Feuer, einem guten Essen und ein paar guten Drinks. Und ein paar Jagdspinnen, die über den Boden sausen, aber von Anette nicht entdeckt werden.

Dienstag, 16.12.08 (Gobabis):  Nach dem Frühstück hat Wolfgang plötzlich so ein seltsames Gefühl an einem der Backenzähne. Er tut zwar nicht weh, doch irgend etwas stimmt nicht. Nach einer Weile dämmert’s dann: ein Backenzahn ist gespalten. Es scheint genau der Zahn zu sein, der vor dem Urlaub gerade renoviert worden ist. Damit sind soeben 1300 Euro den Bach ‘runter. Na, da werden wir dem Zahnarzt wohl mal auf den Zahn fühlen müssen, denn das riecht nicht nach Wertarbeit. Hoffentlich gibt es unterwegs keine Komplikationen ...

PS: Ein paar Wochen später stellt sich heraus, dass es nicht derselbe Zahn war, die Reputation des Zahnarztes ist also wieder hergestellt.

Von hier sind es noch 600 km bis Windhoek, zu viel für einen Tag. Außerdem hatten uns andere Reisende Gutes von der Zelda Guest Farm erzählt, die genau passend für uns auf halbem Wege liegt.

Zwischen hier und der Farm müssen wir noch durch die Grenzkontrolle, was wie immer zügig und problemlos geht.

Auf der Gästefarm erwartet uns ein sehr schönes Camp, überhaupt eine sehr schöne und grüne Anlage und ein nettes Restaurant. Das wird allerdings erst auf unseren Wunsch hin geöffnet, denn wir sind wieder mal, man hätte es kaum gedacht, die einzigen Gäste.

Direkt neben dem Camp liegen viele Gehege mit Tieren,db_DSC04409 wiedb_DSC04425a mdb_DSC04434an sie auch hier in der Umgebung antreffen könnte. Geparden, Leoparden, Antilopen, Erdmännchen, Ginsterkatzen (kleine Raubkatzen). Die Gehege sind so groß, dass sich die Tiere weit zurückziehen können, doch wenn es etwas zu fressen gibt, stehen sie alle am Zaun. Zwar begegnen wir speziell Geparden und Leoparden viel lieber in freier Wildbahn, doch hier ist die Wildbahn wegen der Landwirtschaft nicht mehr ganz so frei. Zudem hat es auch seinen Reiz, wenn man ihnen Auge in Auge gegenüber steht, trotz des Zaunes dazwischen.

Mittwoch, 17.12.08 (Windhoek):  Die letzten 300 km lassen wir gemütlich angehen. Jedenfalls am Anfang, denn unterwegs fällt uns ein, dass unser neuer Motor jetzt nach 20.000 km richtig eingefahren sein dürfte und wir gern wissen würden, was er denn so bringt. Schließlich haben wir in Mocambique ja schon für zu schnelles Fahren bezahlt. Also testweise mal Bleifuß für ein paar Kilometer. Als das Fahrzeug neu war, hat es laut Papieren eine Höchstgeschwindigkeit von 105 km/h gehabt. Jetzt ist es voll beladen, hat allerhand Gemüse auf dem Dach und wir wären mit 95 km/h schon sehr zufrieden.

Der Anlauf dauert zwar etliche Kilometer, aber am Ende gibt die Tachonadel erst bei 108 km/h Ruhe. Wir sind begeistert. Und die 108 sind echt, nicht nur auf der Anzeige.

Am frühen Nachmittag sind wir zurück in unserer zweiten Heimat. Großes Hallo und Austausch der Neuigkeiten. Ein paar Stunden später rollen wir mit dem Bakkie von Anettes Verwandten und unserem Bus im Konvoi in die Berge. Dort gibt es in 2000 m Höhe ein nettes kleines Camp. Doch das stellt sich als zu klein heraus, jedenfalls ist es ausgebucht. Eine ganz neue Erfahrung für uns. Auch in der Arebbusch Lodge, unserem Stammplatz, ist ziemlich viel los. Der Grund: die Südafrikaner haben Weihnachtsurlaub und fahren in großen Scharen an Namibias Küste zum Angeln. Sie machen hier Zwischenstation und düsen am nächsten Morgen weiter.

Donnerstag, 18.12.08 und Freitag, 19.12.08 (Windhoek):  Anette fliegt am Samstag früh, also volles Programm bis dahin. Die letzten Einkäufe machen, mitzunehmende Sachen aussortieren, Koffer packen, verabschieden. Wir sehen zu, dass Anette so viel wie möglich mitnimmt, damit Wolfgang noch Reserven hat, um im Notfall defekte Teile vom Auto einzupacken. Am Ende hat sie die erlaubten 30 kg im Koffer und ein bisschen was im Handgepäck. Nicht mal 17 kg!

Samstag, 20.12.08 (Windhoek):  Früh raus, Viertel vor sechs, und die 50 km zum Flughafen gefahren. Die Maschine ist halb leer, die Prozedur entsprechend schnell. Anette wird heute Abend in der Kälte zurück sein, während Wolfgang in der nächsten Woche das Auto durchschauen und wieder fit machen wird.

Die Maschine geht pünktlich raus und Wolfgang steht am Nachmittag in der Werkstatt von Transworld Cargo. Er hat mit denen verabredet, dass er sich hier am Wochenende breit machen kann.

Die vorderen Federn vom Bus hängen ein bisschen zu weit durch (und es liegt nicht daran, dass wir zugenommen haben!), außerdem ist die Bremse fix und fertig und die Stoßdämpfer klappern, weil sie an den Befestigungen ausgeschlagen sind. Alles nichts Schlimmes, doch es wird ein bis zwei Tage kosten.

Nach vier Stunden liegen alle Übeltäter fein säuberlich neben dem Auto. Überraschenderweise sind alle 18 Federblätter in Ordnung, keins gebrochen, keins zu sehr verbogen. Oder waren wir doch zu schwer? Also alle Blätter neu gefettet und wieder rein.

Die Bremsen sehen da schon übler aus. Die Beläge sind bis auf wenige Zehntel Millimeter abgenutzt, das war wirklich höchste Eisenbahn.

Der Rest der Reparatur und einige andere Dinge werden morgen folgen, denn nachts um zwei reicht es für heute.

Das Schlafen ist gewöhnungsbedürftig, da der Bus vorn ziemlich hoch aufgebockt ist und natürlich erst morgen wieder auf die eigenen Beine kommt.

Sonntag, 21.12.08, 4. Advent (Windhoek):  Kurz nach sechs geht es weiter. Die Bremsen sind ruck zuck fertig, doch die Federbeine mit neuen Stoßdämpfern auszustatten, dauert seine Zeit, weil an mehreren Stellen erst angepasst werden muss. Doch wir brauchen die zusätzlichen Federn um die Dämpfer, weil der Wagen sonst vorn noch mehr durchhängen würde.

Dann noch der Ölwechsel und ein paar andere Kleinigkeiten. Leider auch eine unangenehme. Wir haben schon wieder einen Riss im Längsträger, da muss Wolfgang vor der nächsten Fahrt eine grundlegende Lösung finden.

Das Essen besteht heute nur aus sauer gewordener Milch, angereichert mit sauer gewordener Sahne und Zucker. Erstens muss das Zeug weg, denn morgen ist es völlig hinüber, zweitens muss man dazu die Arbeit nicht groß unterbrechen und drittens schmeckt es ausgesprochen gut. Jedenfalls die ersten drei Schüsseln ...

Erst nach Einbruch der Dunkelheit ist Wolfgang wieder zurück in der Lodge und genießt sowohl die Dusche als auch ein paar Scheiben Butterbrot. Das ist der wahre Luxus.

Montag, 22.12.08 und Dienstag, 23.12.08 (Windhoek):  Die Tage sind voll mit ein paar kleineren Reparaturen, dem Zusammensuchen der Sachen zum Mitnehmen und dem Kauf einiger Ersatzteile. So hatte man Wolfgang in einem der Geschäfte gesagt, dass sie vermutlich noch Bremsbeläge für die Hinterachse hätten, die lägen jedoch irgendwo in einer großen Kiste im Lager. Wenn er mag, könne er ja danach suchen.

Das tut er und findet nach zwei Stunden nicht nur neue Beläge, sondern auch noch ein paar andere Teile, die in Kürze fällig werden. Als Bezahlung möge er doch bitte beim nächsten Mal ein Stück Schwarzgeräuchertes aus München mitbringen. Na, wenn das kein Angebot ist.

Leider lässt sich seit einiger Zeit der Anlasser nur mit Mühe überreden, seiner Aufgabe gerecht zu werden. Deshalb fliegt er kurzerhand raus und wird zerlegt, doch die Heilungsversuche sind nur bedingtdb_DSC04486adb_DSC04463a erfolgreich. Da ist beim nächsten Mal noch etwas zu tun.

Während unsere Reise allmählich zu Ende geht, haben Webers von nebenan, wie jedes Jahr, gerade damit begonnen, sich ein neues Eigenheim zu bauen. Und schon an nächsten Abend ist Einweihung, wenn, ja wenn sie wollen würde. Aber sie will nicht ...

Mittwoch, 24.12.08, Heiligabend (Windhoek):  Heute hat Wolfgang noch einen Termin bei einer VW-Werkstatt. Zimmermann Garage ist die vermutlich beste Werkstatt in Namibia. Jedenfalls war es die einzige, die auf die Frage nach einem CO-Tester schlicht und einfach sagte: “Ja, kein Problem”. Auf diese Antwort haben wir seit fast 8.000 km gewartet. Um 7:30 Uhr macht sich ein wirklicher Kenner dieses Autos ans Werk, misst nach und stellt fest, dass alles richtig eingestellt ist. Dann gibt’s noch ein paar gute Tipps und 30 Minuten später ist alles gegessen. Auf die Frage nach der Bezahlung kommt die nächste verblüffende Antwort: “Das kostet nichts, heute ist ja Weihnachten”. Vielleicht sollte man heute noch einen Großeinkauf machen, die Supermärkte haben ja offen.

Obwohl es heute morgen mit 19° C schweinekalt war und wir das erste Mal seit Monaten weniger als 20° hatten, ist heute allerschönstes Weihnachtswetter. Blauer Himmel, einige wenige Wölkchen und 36 °C. Über Null! Genau das Richtige für einen gemütlichen und lauen Heiligabend auf der Terrasse bei Anettes Verwandten.

Donnerstag, 25.12.08, Weihnachten (Windhoek):  Heute wird es noch ‘mal so richtig schmutzig. Erst in die Werkstatt zu Transworld Cargo, um den Unterbodenschutz vom Bus wieder auf Vordermann zu bringen, dann gleich noch einen Ölwechsel beim Bakkie und ein paar kleinere Reparaturen.

Nach einer ausgiebigen (und nötigen!) Dusche in der Lodge und dem Herausschneiden von teerverklebten Haarbüscheln muss nur noch etwas zum Essen aufgetrieben werden. Im Vorrat finden sich noch ein paar Zwiebeln aus Mocambique und ein paar Scheiben Graubrot. Es ist ein unglaublicher Genuss: gebratene Zwiebeln auf Brot. Ja, ganz ehrlich ...

Freitag, 26.12.08, Weihnachten (Windhoek):  Zum Frühstück Müsli und frische (!) Milch, denn leider haben sich die Eier nach dem Kochen als Stinkbomben herausgestellt.

Dagegen klappt das Organisieren einer Taxe für morgen früh zum Flughafen problemlos.

Direkt neben dem Taxistand wird auf einer großen Tafel Reklame für Kondome mit Geschmack gemacht, von der Kreditanstalt für Wiederaufbau unterstützt! Es ist wirklich unglaublich, wo die überall ihre Finger drin haben, nicht nur in Campingplätzen in Mocambique und Pleitebanken in Amerika.

Jetzt ist alles erledigt und der Rückmarsch nach München kann beginnen. In mehreren Etappen.

Die erste: den Bus von der Lodge zur Spedition in den Container fahren. Zweite Etappe: mit dem Taxi zurück in die Lodge, doch leider lässt sich auf den ganzen fünf Kilometern kein einziges Taxi blicken. Also bei senkrechter Sonne eine Stunde marschieren. In der Lodge angekommen erlebt Wolfgang einen typischen Coca-Cola-Augenblick wie aus der Werbung. Völlig ausgetrocknet sieht er das Hinweisschild zum Restaurant, setzt sich in deren Garten, bestellt eine riesengroße Cola mit einem Eisberg und geniiiiießt. “Enjoy every last drop”, wie es hier in der Cola-Reklame immer heißt.

db_DSC04497Dann ein letztes Mal in der Lodge zum Duschen. Diesmal mit der überraschenden Feststellung, dass die sonst blitzsauberen Waschbecken als Toilette missbraucht werden. Zahlreiche Graubülbüls (nein, die sind nicht aus der Türkei, sondern hier zu Hause) sitzen vorm Spiegel über dem Waschbecken und starren ihr Bild an. Und machen offensichtlich auch noch was anderes.

Dritte Etappe: Fahrt mit dem Bakkie von der Lodge zum Container, um dort die letzten Sachen zu packen und den Bus für die Standzeit im Container fertig zu machen.

Samstag, 27.12.08 (München):  Die Nacht ist nur drei Stunden lang, kurz vor fünf, noch im Dunkeln klingelt, der Wecker.

Letzte Handgriffe, ein kurzer Klaps auf den Bus und der Container ist zu. Die vierte Etappe führt mit dem Bakkie vom Container zu Anettes Tante und Onkel. Dort Rückgabe des Autos und große Verabschiedung. Überpünktlich kommt das Taxi für die fünfte Etappe um die Ecke. Standesgemäß ein VW-Bus. Der Fahrer ist bei deutschen Farmern aufgewachsen, deshalb die preußischen Tugenden, wie er selber sagt.

Nach Check-In und Kontrolle geht es zur siebten Etappe in die Luft. Mit ein paar Minuten Verspätung, die jedoch nach neun Stunden bei der Landung in München wieder aufgeholt sind.

Suza, die vierjährige Tochter unserer Nachbarn, hört man schon vom Gepäckband her. “Woooolfgang!”. Sie weiß trotz ihres Alters genau, wo wir waren und will alles über afrikanische Tiere wissen. Sie hat Anette und Martin für die achte Etappe nach Obermenzing mitgebracht. Die endet um 18:30 Uhr und das normale Leben beginnt wieder. Oder war das andere Leben das normale?

Nachtrag: die dauerjuckenden Insektenstiche aus Mocambique haben sich beim Tropenarzt in München als harmlos herausgestellt, von Schlafkrankheit also keine Spur.