Geschicht(ch)en, die in Erinnerung bleiben

12.1.05, Ostnamibia/Kalahari

Unfreiwillige Nacht in der Kalahari

Wir hatten es uns so schön vorgestellt: ein lauwarmer Abend, am Swimmingpool sitzen, einen Drink in der Hand, ein gutes Essen im Bauch, den Tieren beim Spielen zuschauen. So schön könnte es auf der Farm Harnas sein.

Wir sind allerdings noch zweihundert Kilometer südlich davon, aber in vier Stunden sollten wir es schaffen. Die Pisten sind gut. Doch es zieht sich und zieht sich, viel Wellblech und Schlamm von vorangegangenen Gewittern. Immer schön langsam. Drei Stunden später als geplant stehen wir schließlich vor dem Eingang. Aber es ist abgeschlossen, zwei dicke Schlösser mit Ketten. Keine Chance reinzukommen. So ein Mist.

Mal kurz übers Tor klettern und zum Farmhaus rüberlaufen geht nicht, es ist noch 9 km weg. Namibianische Farmen sind groß.

Es ist kurz vor Acht und bald wird es dunkel. Was also tun? Uns bleibt nichts anderes übrig, als die Nacht im Busch zu verbringen. Zur nächsten Asphaltstraße sind es gut 100 km, zum nächsten Ort noch weiter. Wir beschließen, uns irgendwo neben der Piste in die Büsche zu schlagen. Der Tag hatte so schön begonnen, aber irgendwie läuft's jetzt schief. Anette orakelt: "Wer weiß, was uns heute noch alles bevorsteht?".

Wir nehmen bewusst kleinere Pisten, da gibt es eher Chancen für einen guten Übernachtungsplatz.

Inzwischen ist es dunkel. Stockdunkel. Die Piste ist extrem sandig und so tief ausgefahren, das man aus der Spur seitlich nicht herauskommt. Als der Sand weniger wird, ist es rechts und links dicht bewachsen. Also auch nichts zum Übernachten. Inzwischen haben wir neun Uhr.

Plötzlich wird es matschig, weil Regen die Piste aufgeweicht hat. Der Bus kommt immer wieder ins Rutschen. Jetzt bloß nicht stehenbleiben! Gut, dass wir noch ein ordentliches Reifenprofil haben. Nach einer Stunde ist der Matsch endlich vorbei. Jetzt müssen wir Slalom fahren zwischen den vielen Tieren, die sich auf der Piste niedergelassen haben. Eulen, zahlreiche andere Vögel, zigarrengroße Tausendfüßler, Springhasen (hüpfen wie kleine Känguruhs), ein Stachelschwein, Springböcke und Etliches mehr. Ist wirklich schön anzuschauen, was sich hier nachts alles tummelt, aber wir sind müde.

Als der Bewuchs weniger dicht wird, machen wir einen Versuch, uns in den Busch zu schlagen. Wolfgang sondiert das Gelände vorher zu Fuß mit der Taschenlampe, es scheint ein tragfähiger Boden zu sein. Doch der Bus bricht durch die dünne harte Kruste und wir können uns nur mit Mühe und Vollgas auf die Piste zurück retten. Beim nächsten Versuch stecken wir sogar richtig fest. Glücklicherweise ist der Sand feucht, so dass wir nach ein wenig Buddeln und dank Anettes Schieben bald wieder flott sind.

Als wir auf eine neue Piste abzweigen, stecken wir auf einmal in einer schmalen tiefsandigen Spur. Anhalten völlig unmöglich. Rückwärtsfahren oder Umdrehen schon gar nicht. Also Gas geben und durch. Leider ist die Stecke laut Karte über 30 km lang. Doch schon nach zwei Kilometern ist Feierabend. Der Wagen bewegt sich nicht mehr. Also Sand schaufeln, wie früher als Kind. Nachdem wir die Räder wieder freigelegt haben, reduzieren wir den Reifendruck auf fast ein Drittel, dadurch haben sie eine größere Standfläche. Das malträtiert die Reifen zwar beim Fahren, doch es wirkt. Anette schiebt, ich gebe Vollgas und als wir nach einigen Versuchen aus dem Loch raus sind, wirft sich Anette während der Fahrt ins Auto. Anhalten wäre ohne erneutes Steckenbleiben nicht gegangen.

Über viele Kilometer geht's nur im ersten Gang und mit Gaspedal auf dem Bodenblech. Der Wagen springt wie ein Derwisch in den Sandrillen hin und her, aber wir kommen vorwärts. Von Müdigkeit keine Spur mehr. Noch einmal stecken wir richtig fest, sind aber nach ein paar Minuten wieder in Fahrt. Kurz danach erwischen wir aus Versehen eine Nebenpiste, finden jedoch wieder zurück.

Gegen Mitternacht und nach knapp zwei Stunden Vollgas haben wir's geschafft. Auto unter einen Baum gefahren, kurz gewaschen und ab ins Bett.

Das müssen wir wirklich nicht jede Nacht haben.

 

PS1: Die Nacht sollte ziemlich unangenehme Folgen haben, doch davon ahnen wir jetzt noch nichts.

PS2: Und so sieht die Piste bei Tage aus.
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