Sonntag, 7.1. bis Freitag, 26.1.24 (München - Kairo - Pretoria): Schon viele Male eingeübt: Wolfgang fliegt voraus, ein paar Reparaturen am Bus, desgleichen in Riverwood, Anette kommt ein paar Wochen später, Bus sauber machen und fertig packen. Und schon kann es losgehen.
Samstag, 27.1.24 (Pretoria - Komatipoort): Wir sind früh wach, denn es ist noch ‘ne Menge zu tun. Um zehn Uhr wollen wir aufbrechen. Halb elf tun wir’s, also extrem pünktlich.
Noch ein kurzer Zwischenstopp bei Alma und Brotstube: deutsche Wurst, deutscher Leberkäs, deutsches Brot. Und dann auf nach Afrika.
Gut 400 km mehr oder weniger geradeaus auf einer Quasi-Autobahn. Ein bisschen langweilig, doch es ist ein schönes Gefühl, endlich mal wieder auf Achse zu sein. Auch der Bus freut sich und schnurrt klaglos. Hoch auf 2000m und am Ende fast auf Meereshöhe. Bergab auch mal mit flotten 112 Stundenkilometern, aber auch in der Ebene können wir mit den Lastern mithalten, jedenfalls den überladenen 40-Tonnern.
Läuft!
Wir sind rechtzeitig auf dem Camp im Grenzort nach Mocambique. Schon 20 km vorher ist die Grenznähe unverkennbar. Auf der linken Spur parkt ein Lkw am nächsten, Grenzstau. Alles Interlinks, also Sattelschlepper mit zwei Anhängern, voll mit Erz oder Kohle.
Das Camp ist nichts Besonderes, eher runtergekommen, aber nettes Personal, ein lauwarmer Swimmingpool und ein kühles Getränk. Und später gibt es sogar Strom.
Sonntag, 28.1.24 (Komatiepoort - Bilene): Heute steht keine lange Etappe an, knapp 300 km, aber die nicht ganz problemlose Grenze wartet auf uns. Diesen Übergang passiert ein erheblicher Teil des südafrikanischen Exports nach Asien, deshalb die Lkws ohne Ende. Der Stau kann schon mal 40 km oder 1000 Laster lang sein und Tage dauern.
In der Gegenrichtung kommen neben den leeren Lkws sonntags Tausende Mocambiquaner zurück zur Arbeit in Südafrika.
Die Grenze ist generell ziemlich unbeliebt, vor allem bei südafrikanischen Touristen, die in ihrer Hauptferienzeit um Weihnachten herum in Massen an die Strände Mocambiques wollen. Auch der weitere Verlauf der Strecke ist eher unangenehm, weil die mocambiquanischen Uniformierten die Touristen seit langem als Einkommensquelle entdeckt haben. Doch nachdem Staatspräsident Nyusi vor ein paar Monaten ein deutliches Machtwort an seine Bediensteten gerichtet hat und eine spezielle und schnelle Grenzabwicklung für Touristen eingerichtet wurde, ist es tatsächlich besser geworden. Die Einreise nach Mocambique dauert zwar trotzdem noch fast eine Stunde, doch es macht alles einen geordneten und wohlwollenden Eindruck.
Früher fingen gleich nach der Grenze die ersten Versuche von Pseudouniformierten an, irgendetwas am Auto oder in den Papieren kontrollieren zu müssen, in der Hoffnung, einen Grund für ein kleines Schmiergeldchen zu finden. Heute nichts mehr davon. Wir hatten ein paar Polizeikontrollen mit korrekten Uniformen. Kaum hatten sie uns als Touristen erkannt, wurden wir freundlich weiter gewunken. Mehrfach wurden wir auch geblitzt, was früher immer eine perfekte Chance für einen Nebenverdienst bot. Diesmal kam nur eine freundliche Ermahnung und nix weiter. Wir haben uns allerdings auch penibel an die Geschwindigkeitsbeschränkungen gehalten. Meistens!
Es hat sich etwas getan in Mocambique. Andererseits: Ende des Jahres sind Präsidentschaftswahlen und die seit Jahrzehnten regierende FRELIMO ist nicht als fanatischer Verfechter freier Wahlen in Erscheinung getreten.
Eine Stunde später erreichen wir den Stadtrand der Hauptstadt Maputo. Eine breite nagelneue Umgehungsstraße macht es unnötig, sich durch den Stadtverkehr zu quälen. In der Mitte der Straße stehen sehr hohe Lichtmasten, jeder mit zwei verdammt großen Solarpaneln ausgerüstet. Das sind die Straßenlampen der Zukunft. Unabhängig vom Stromnetz und die Masten sind so hoch und glatt, dass Diebe keine Chance haben, die Solarpanel zu klauen.
Auch hier hat sich etwas getan. Einige Male mussten wir sogar Straßengebühren bezahlen, eher bescheidene Beträge - meist weniger als ein Euro. Offensichtlich gut investiertes Geld.
Ohne es zu merken, vollenden wir beim Verlassen von Maputo unseren viertelmillionsten Kilometer, seit wir 1993 in Namibia an Land gegangen sind.
Am Nachmittag laufen wir in Bilene an der Küste des Indischen Ozeans ein. Unser Ziel ist ein Feriencamp, eine halbe Stunde Buckelpiste entfernt.
Ein Paradies. Schöne Natur, Blick auf eine Lagune, sauberer Pool und viel Platz. Top in Schuss. Vor wenigen Wochen war hier während der südafrikanischen Hauptreisezeit noch Riesenremmidemmi, heute sind wir die einzigen Gäste.
Fatima, die Chefin, bietet uns an, ein Chicken Peri-Peri zuzubereiten, falls wir nicht selber kochen wollen. Gute Idee, wir haben heute genug getan. Der Chef, Louis, erwähnt noch etwas von „chicken flat“, aber uns ist wurscht, was das bedeutet. Vielleicht eine All-You-Can-Eat-Flatrate oder das Hühnchen ist überfahren worden. Hauptsache, ‘was zu essen, egal wie flach.
Pünktlich um sieben kommt ein Angestellter mit einem großen Tablett auf unseren Platz. Salat, Pommes Frites und eine große Kasserolle. Als er den Deckel öffnet, ist da ein ganzes Huhn drin, kein Hühnchen. Jetzt wissen wir auch, was flat bedeutet. Das Huhn wird so aufgeschnitten, dass man es flach ausbreiten und in einem Stück auf einer Platte braten und zubereiten kann. Danach wird es wieder kunstvoll zusammengefaltet und in die Kasserolle drapiert.
Wir schlagen ordentlich zu, haben ja auch während des Tages nichts gegessen, doch ein halbes Huhn ist noch übrig, als wir mit runden Bäuchen in den Seilen hängen.
Chicken Peri-Peri kann man auch an zwei Tagen essen.
Montag, 29.1. bis Donnerstag, 1.2.24 (Laguna Camp, Bilene): Unsere Tage sind eher gemütlich.
Geweckt werden wir entweder von einem Cashew-Baum, der seine unreifen Kinder auf uns wirft, pflaumengroß und ungenießbar, oder von einem Mistkäfer. Er hat sich tagsüber im Bus versteckt und will jetzt wieder seiner gewohnten Arbeit im Freien nachgehen. Bei uns im Bus findet er nichts in seinem Sinne Nahrhaftes.
Leider ist zwischen innen und außen unser Fliegengitter im Wege, gegen das er immer wieder mit voller Inbrunst anstürmt, bis Schädelweh ihn übermannt. Oder die Einsicht. Wir sind danach jedenfalls wach.
Bis zehn Uhr frühstücken mit Blick auf die Lagune, dann ein paar Kleinigkeiten reparieren, ein paar Sachen neu ordnen, eine Runde im Pool oder der Lagune, Wäsche waschen und ähnlich aufregende Sachen. Die Temperatur hält sich immer zwischen 27° morgens und 31° nachmittags bei leichtem Wind. Wenn man sich nicht allzu heftig bewegt, ist’s sehr angenehm.
Eines Nachmittags fallen plötzlich zwei verbissen miteinander kämpfende Chamäleons aus dem Cashew-Baum und landen im Bus neben dem Beifahrersitz. Beide fauchen sich an, keiner will aufgeben, jeder hat Teile des anderem im Maul. Doch dann können sie sich auf dem glatten Autolack nicht mehr halten und rutschen aus dem Auto.
Das eine verschwindet unterm Bus, das andere kann Wolfgang gerade noch erwischen, als es unter dem Beifahrersitz verschwinden will. Es wehrt sich lautstark, reißt das orangene Maul weit auf, baumelt kurz an Wolfgangs Finger, gibt dann in Ermangelung richtiger Zähne aber auf und verschwindet ebenfalls unterm Bus.
Anfangs war der eine grün, der andere schwarz, am Ende waren beide grün, obwohl sie sich wahrlich nicht grün waren. Warum waren sie eigentlich nicht busgelb? Und was machen sie, wenn sie über die farbigen Streifen außen am Bus laufen? Blinken wie eine bunte Lichterkette?
Seit ein paar Tagen arbeitet unsere Fanfare nur noch, wenn es ihr gefällt. Also meistens nicht. Und ohne die Krawallmaschine hat man im Verkehr einen klaren Nachteil. Nach einigen Stunden des Suchens sind die Übertäter gefasst: zwei schlechte Kontakte und ein halbdefektes Relais. Jetzt gehorcht alles wieder auf Kommando und wir können uns bei den Lkws, die uns zum Überholen Platz gemacht haben, standesgemäß bedanken.
Freitag, 2.2.24 (Bilene - Chidenguele): Es wird mal wieder Zeit. Rumhängen kann ganz schön ermüdend sein. Ein paar Stunden nördlich liegt ein anderes Camp direkt am Indischen Ozean. Wir waren schon mal dort und die Erinnerungen sind recht positiv.
Heute ist der Tag, an dem uns das Geld die Laune verdirbt. Und zwar gründlich.
Es fängt mit dem Bezahlen im Camp an. Die Kreditkartenmaschine funktioniert nicht. Kein Problem, fahren wir halt in den Nachbarort an den Geldautomaten. Dort will uns ein Bekannter des Campchefs treffen, der das Geld zurück ins Camp mitnimmt, so dass wir nicht selber zurückfahren müssen.
Der Geldautomat ist knauserig, mehr als 70 Euro sind ihm nicht zu entlocken. Also mehrfach abheben, aber jedes Mal sind die vollen - und saftigen - Gebühren der Postbank fällig. Eine verdammt geschickte Abzockmasche, doch wir haben aktuell keine Wahl.
Während des Wartens auf den Boten fragen uns zwei junge Leute, ob sie ein Video mit dem Auto und uns machen dürfen. Warum nicht? Wir dachten, es geht um ein paar kurze Szenen von allen Seiten. Aber nein! Der eine baut sich vorm Auto auf und fängt heftig an zu rappen oder zu hip hoppen, mit großer Gestik und dezentem Stimmchen. Der andere verfolgt ihn mit der Kamera ums Auto rum. Die beiden drehen quasi ein Musikvideo. Schnell improvisiert und mit viel Spaß.
„TikTok or YouTube“ fragen wir. YouTube natürlich, sie wollen da ihren eigenen Kanal aufmachen. Na dann viel Erfolg. Mit dem Bus im Hintergrund muss das ja ein Quotenhit werden. Wir werden später mal schauen, ob wir etwas im Netz finden. Anmerkung: haben nichts gefunden.
Nach längerem Warten auf den Boten entschließen wir uns, zurück zum Camp zu fahren, doch auf halbem Weg überholt er uns. Zeit und Termine sind in Afrika etwas sehr Relatives.
In Xai-Xai, der einzigen größeren Stadt am Wege, versuchen wir noch einmal, Bargeld zu bekommen. Erfolglos. An den Automaten gibt es höchstens 70 Euro bei vollen Gebühren. Einer der Automaten nimmt zwar die Abbuchungen an, zahlt dann aber keinen Cent aus. Er stellt sich zweimal einfach tot. Da werden wir sehr aufmerksam beobachten müssen, was auf unseren Konten passiert. Nach mehr als einer Stunde bei vier Banken haben wir 140 Euro zusammen. Zum Einkaufen und Tanken zu wenig. Hoffentlich können wir hin und wieder mit unseren Kreditkarten bezahlen. Das klappt zwar erst nach mehreren Anläufen, doch am Ende haben wir einen vollen Tank und genug zu essen.
Viele Stunden später als geplant kommen wir schließlich im Chidenguele-Camp an. Fantastischer Blick auf den Inder, schöner Pool, tolles Restaurant und ein schattiges und grünes Plätzchen haben wir in Erinnerung.
Die sechs Kilometer lange Zugangspiste, die uns beim letzten Mal viele Probleme bereitet hat, ist wunderbar zu befahren. Am Eingangstor teilt uns der Nachtwächter mit, dass alles geschlossen sei. Renovierung!
Zufälligerweise kommt einer der Manager vorbei, der zwar die Renovierung bestätigt, aber wir könnten selbstverständlich hier übernachten. Als einzige Gäste, bestens bewacht. Strom und Internet würden funktionieren, auch der Inder und der Pool wären nutzbar, doch Restaurant gäbe es leider keines.
No Problem. Wir haben ja alles Nötige eingekauft. Und können hier sogar mit Kreditkarte bezahlen. Also alles bestens.
Samstag, 3.2.24 (Chidenguele): Die erste Woche seit Pretoria ist rum. War eher gemütlich und stressfrei. Da hält sich auch der heutige Tag dran. Bis zum späten Nachmittag. Dann meint unser Laptop plötzlich, nach jedem Hochfahren gleich wieder runter fahren zu müssen. Ein ziemlich albernes Spiel, wenn man es zehnmal gemacht hat. Hin und wieder hält er für ein paar Minuten durch, dann spielt er wieder sein Spielchen.
Irgendetwas von Windows 10 scheint nicht zu funktionieren. Sagt er. Und er meint, wir sollten jemanden fragen, der Ahnung hat. Mmmmh!
Dann erwischt uns auch noch ein Stromausfall (sind wir hier in Südafrika?), auch das Internet geht in die Knie. Und wir ins Bett.
Sonntag, 4.2.24 (Chidenguele - Zavora): Auf Dauer ist Chidenguele ein bisschen langweilig. Ein paar Stunden weiter nördlich liegt eine Lodge direkt am Meer. Zavora. Wir waren schon ein paarmal da und es war immer gut.
An den beiden letzten Fahrttagen hatten wir im Schnitt alle 30km eine Polizeikontrolle. Bei den meisten wurden wir freundlich durchgewinkt und alle waren korrekt. So wird man regelmäßig daran erinnert, sich besser an die Geschwindigkeitsbeschränkungen zu halten, denn die Weißhemden haben Radar. Vor vielen Jahren haben wir mal ein ganz offizielles Strafmandat wegen unerlaubten Überholens über eine Million Meticais bezahlt. Das war seinerzeit eine Spende von 20 oder 30 US$ an den Staatshaushalt. Kein Schmiergeld, sondern mit amtlicher Quittung! Heute wäre eine Million Meticais rund 14.000 Euro wert, doch man hat freundlicherweise bei der mocambiquanischen Währung etliche Nullen abgestrichen.
Heute ist alles kein Problem, wenngleich die Polizei auch sonntags fleißig ist, wie üblich alle 30 km.
Nach genau 1000 km ab Pretoria macht einer der Reifen pffft. No problem.
Die 17 km Sand- und Matschpiste zur Lodge sind da schon unangenehmer. Jetzt ist unser Bus untenherum durch eine feste rote Dreckschicht bestens geschützt. Bis zum nächsten Regen auf Asphalt.
Im Camp gibt es ein paar Plätze oben auf den Dünen mit freiem Blick auf den Inder und sehr viele Plätze hinter den Dünen. Es ist ein riesiges Camp. Gähnend leer!
In der Vergangenheit haben wir uns wegen des tiefen und weichen Sandes nicht auf die Dünen getraut und deshalb immer dahinter übernachtet. Die Wahl des Platzes dort fällt schwer. Entweder unter einem schattigen Baum, der aber mit größeren Früchten um sich wirft, oder in der prallen Sonne.
Anette entdeckt, dass wir vielleicht doch auf die Düne fahren könnten. Wir wühlen den schmalen Weg bergauf kräftig durch und unter Einsatz aller 50 PS schaffen wir es schließlich.
Ein perfekter Platz. Schattig ohne Wurfgeschosse. Freier Blick zum Horizont. Und freie Beschallung. Wellen sind ganz schön laut.
Montag, 5. bis Mittwoch, 7.2.24 (Zavora): Die Wellen des Indischen Ozeans sind wirklich heftig und walken uns ganz schön durch. Der Strand ist blitzsauber (weil die Strömung alles wegtreibt) und menschenleer. Die Einheimischen erzählen uns, dass das Meer so langsam die Dünen anknabbern würde und der Strand schmaler geworden sei. Steigt der Meeresspiegel oder ist das der normale Lauf der Dinge? Ein Paradies auf Zeit?
An sich ist das Meer hier ein Taucheldorado. Wir hatten auch schon mal Anlauf genommen, mit Walhaien zu tauchen, doch damals mussten wir überstürzt wegen eines herannahenden Zyklons das Weite suchen. Jetzt droht kein Zyklon, aber alle anderen Taucher haben das Weite gesucht und die Tauchbasis ist mangels Kunden für einige Monate zu. Wieder nix.
Ansonsten sind wir ganz schön faul.
Donnerstag, 8. bis Montag, 12.2.24 (Zavora - Vilanculo): Heute steht ein längerer Ritt an der Küste nach Norden an. 350 km. Bis auf die ersten und letzten 20 km alles Nationalstraße 1. Das hört sich besser an, als es ist, denn man muss permanent auf der Hut vor Schlaglöchern sein. Und vor Radar. Heute schaffen wir ein Dutzend Polizeikontrollen, alle korrekt und ausgesprochen freundlich.
In Maxixe versuchen wir, unseren platten Reifen flicken zu lassen. Das klappt auch recht schnell und kostet satte 2 Euro, inklusive Flicken. Was wir noch nicht wissen: der Reifen wird nach einem Tag wieder platt sein, weil der Mechaniker ein zweites Loch übersehen hat. Und, was wir erst viel später herausfinden werden: der Reifen ist das Problem, nicht der Mechaniker.
Am späten Nachmittag hoppeln wir auf einer früheren Teerstraße und heutigen Lochstickerei nach Vilanculo herein, einer Kleinstadt, die vor 24 Jahren von einem Zyklon praktisch ausradiert worden ist. Vieles ist neu, auch der bestens sortierte Spar-Supermarkt. Nur die Teerstraße ist wohl historisch wertvoll.
Zur Lodge geht es extrem steil bergab und dann noch kurz durchs Wasser.
Es ist eine moderne Anlage mit einem Dutzend auf Stelzen stehenden großen und vor allem hohen Holzhäusern und einem pickegrünen Platz zum Campen unter Kokospalmen. Die spenden zwar Schatten, aber zuweilen auch Kokosnüsse. Wir suchen uns besser einen Platz in der Sonne zwischen den Palmen. Zwar ist ein Palmenfriseur gerade dabei, alles Lockere in den Kronen mit der Machete zu entfernen, dennoch wird es in den nächsten Tagen etliche Male um uns herum krachen, wenn ganze Nüsse oder Palmwedel einschlagen.
Nachdem die Angestellten sie verzehrfertig zubereitet haben, landen zwei Nüsse bei uns auf dem Tisch. Als wir das vor Jahrzehnten mal selber machen wollten, musste Wolfgang danach in einem Buschkrankenhaus genäht werden. Heute wird nicht genäht, sondern nur genossen. Eine richtig reife frische Kokosnuss ist echt lecker.
Der inkontinente Reifen ist auch geflickt, diesmal in einer Profi-Werkstatt mit top-Maschinen. Zudem kriegt der Reifen noch eine zusätzliche Einlage zum Schutz des Schlauches. Das sollte länger halten, trotzdem hat es wieder nur zwei Euro gekostet. Anmerkung: es hält trotzdem nicht. Nach 200km ist der Reifen wieder platt.
Die Lodge ist zwar ein kleines Paradies, doch der Strand ist ausgesprochen mittelprächtig. Vor der Küste liegen Inseln und zwischen den Inseln und dem Festland ist es matschig, sandig und mangrovig. Kein Badeparadies, sondern eher deutsche Nordseeküste in warm und grün. Bei Ebbe zieht sich das Wasser kilometerweit zurück, bei Flut muss man zwischen den Mangroven baden.
Es sind entspannte Tage im magischen Dreieck von Pool, Bus und Campingstuhl. Immer mit dem achtsamen Blick nach oben.
Eines Tages kommen Angestellte mit einigen Makrelen und Doraden, die sie filetieren wollen. Makrele klingt nach bayerischer Steckerlfischgröße, hier hat die längste 1,20m. Die frisst unsere Steckerlfische zum Frühstück.
Dienstag, 13.2.24 (Vilanculo - Mabote): Immer nur Indischer Ozean wird auf Dauer fad. Landeinwärts liegt der Zinave Nationalpark. Er ist noch im Entstehen, denn nach dem Bürgerkrieg war hier alles leer geschossen und es gab Wichtigeres für das Land als Nationalparks. Heute ist man dabei, Zinave zusammen mit einem Dutzend anderer Nationalparks, u.a. Kruger, zu einem 100.000 km² großen Schutzgebiet zu verbinden, verteilt auf drei Länder. Das wär’ ein Drittel Deutschlands.
Der Haken am Zinave: man muss erst 200km über teilweise ziemlich miese Pisten fahren. Deshalb gibt es auch kaum Besucher und nur wenig Infrastruktur im Park.
In der Regenzeit geht gar nichts – und wir haben gerade Regenzeit. Doch im Gegensatz zum letzten Jahr, wo die Leute quasi wochenlang auf Inseln lebten, hat es jetzt seit Tagen nicht mehr geregnet und es soll auch in der kommenden Woche trocken bleiben. Also versuchen wir es. Wenn es nicht geht, drehen wir halt um.
Nach einer Stunde sind wir am Ende des Asphalts und können ab jetzt den vierten Gang einmotten. Tempo 30 ist Spitze. Bei manchen Schlammlöchern warten wir, bis ein anderes Auto durchgefahren ist, um zu sehen, wie tief es ist. Und wir kommen gut voran. Genau 11km weit. Dann macht die Hinterachse ein schmerzhaftes Geräusch, als ob es sie gleich zerreißen würde. Wolfgang kriecht mit Begeisterung unter das schlammige Auto und kann die Schmerzen lokalisieren. Die rechte Antriebswelle will nicht mehr.
Weiterfahren geht nicht, umkehren auch nicht. Also abschleppen oder hier reparieren. Wir versuchen Letzteres. Die Welle hängt an 12 Schrauben, die wir nach dem Freikratzen problemlos herauskriegen. Nach einer Stunde liegt das Problem vor uns. Eines der beiden Gelenke ist am Ende. Da muss vor langer Zeit mal Wasser eingedrungen sein und jetzt ist alles fettfrei und völlig verschlissen. Die zweite Seite ist noch gut.
Auf dem Dachträger fahren wir seit mehr als 10 Jahren ein Ersatzgelenk nutzlos umher, jetzt sind wir äußerst dankbar. Nach zwei Stunden ist die Welle wieder eingebaut und nach einer kurzen Testfahrt für gut befunden. Jetzt nur noch alles zusammenpacken und Wolfgangs Hände wieder auf Naturfarbe kriegen.
Um 15 Uhr geht es schließlich weiter. Das neue Gelenk wird noch ein wenig heiß, doch das nächste Schlammloch kühlt es runter. Irgendwann wird es sich eingelaufen haben.
Uns ist klar, dass wir den Nationalpark heute nicht mehr erreichen werden. Auch ohne die drei Stunden Reparatur wäre das nichts geworden. Wir werden unterwegs im Busch übernachten.
An einem Schlammloch müssen wir warten, weil ein anderer Kleinbus feststeckt und aus eigener Kraft nicht mehr herauskommt. Der Schlamm ist wie Klebstoff und hängt in dicken Klumpen an den Schuhen. Seltsam ist, dass sich ausschließlich die weiblichen Fahrgäste am Schieben beteiligen, die Männer verkrümeln sich in den Busch und warten.
Wir sind drauf und dran, den Herren der Schöpfung etwas Dampf zu machen (was wohl nichts nutzen würde), doch glücklicherweise kommt ein Geländewagen aus der Gegenrichtung und nimmt den Bus auf den Haken. Er würde uns auch durchziehen, aber der Fahrer erklärt uns, dass es viel leichter sei, durch das daneben liegende große Loch mit dem dünnflüssigen Schlamm zu fahren, nicht durch den trocknen klebrigen Schlamm.
Er fährt voran und es sieht tatsächlich machbar aus. Man muss sich nur überwinden, mit Schwung in die Pampe reinzufahren. Die Leute warten freundlicherweise, bis wir heil durch sind und wir bedanken uns lautstark. Unserer (wieder funktionierenden) Kompressorfanfare hat der Schlamm wohl nichts ausgemacht.
Nach Einbruch der Dunkelheit macht das Fahren keinen Spaß mehr. Wir biegen in eine andere Regionalstraße ab und finden auch gleich einen freien Platz neben der Straße. Wobei „Straße“ zu viel verspricht, es sind zwei sandige Spuren durchs Gebüsch.
Wir sitzen noch bei einem verspäteten Sundowner draußen. Es ist eine tiefschwarze, absolut stille Nacht. Wir werden gut schlafen und sind auch ganz schön geschafft
Mittwoch, 14.2.24 (Mabote - Zinave Nationalpark): Die Nacht war wie erwartet extrem ruhig. Vor dem Aufstehen hören wir zwei Leute tuscheln, die sich wohl über das komische Blechding im Busch wundern, aber dann ihres Weges gehen.
Nach dem Frühstück, noch vor 8 Uhr, geht es zurück auf die Hauptpiste. Eine Stunde später sind wir in der Bezirkshauptstadt, die eher ein großes Dorf ist, mit ein paar Läden für Getränke und Gemüse. Und natürlich etlichen Schulen, bei denen es jedes Mal ein vielstimmiges Hallo gibt, wenn wir vorbeifahren.
Die Piste wird besser, weil hier kaum noch jemand fährt. Der Matsch ist weg und es wird angenehm sandig. Nur der linke Vorderreifen kann mal wieder nicht an sich halten.
Kaum ist der gewechselt und wir starten durch, kommt uns ein Geländewagen entgegen und man signalisiert uns, dass wir anhalten mögen. Der Beifahrer fragt uns, ob wir in den Zinave-Nationalpark wollen. „Na klar“ (die Piste führt ja nirgendwo anders hin). „Da ist ein kleines Problem.“ Er sei der Parkranger vom Eingang und hätte gerade abgeschlossen, weil er in die Bezirkshauptstadt müsse. Doch wenn wir ihn mit zurücknähmen, würde er das Tor wieder aufmachen.
Machen wir, die 30 km schaffen wir auch mit Extra-Passagier. Er erzählt uns ein bisschen über den Park und die Pistensituation. Wir sind erst die dritten Gäste dieses Jahr und seit sechs Wochen war keiner mehr da. Man kann verstehen, dass er nicht immer wartend am Tor stehen will. Wir bezahlen unseren Obolus (ca. 45 Euro für beliebig langen Aufenthalt) und machen uns auf die letzten 30 km.
Nach kurzer Zeit sind wir in der inneren Zone des Nationalparks. Hier läuft alles an Tieren herum, was man in Afrika erwarten darf. Die 150 km2 sind von einem Elektrozaun umschlossen, der die Tiere drinnen und die Wilderer draußen halten soll.
Am späten Nachmittag sind wir schließlich im Tondo Camp am Hochufer des Save. Der Koch führt uns herum und zeigt uns alles. Die Sanitäranlagen sind piekfein und neu. Wir dürfen uns hinstellen, wo wir wollen, es ist ja außer uns niemand da. Von einem der fest installierten Luxuszelte hat man einen sehr schönen Blick auf den Fluss und die Hippos. Das ist unser Platz.
In den letzten beiden Tagen haben wir 210 km Feldweg abgespult, das schlaucht ganz ordentlich. Und wir merken es.
Donnerstag, 15. bis Freitag, 16.2.24 (Zinave Nationalpark): Im Hauptquartier des Nationalparks freut man sich, dass mal wieder Gäste da sind. Wir dürfen hier auf eigene Faust herumfahren, es gibt zahlreiche Pfade, aber leider keine Karte und im Navi gibt es auch nichts außer den Hauptstrecken. Man bietet uns an, einen Ranger zu uns ins Auto zu setzen. 20 Euro für drei bis vier Stunden. Perfekt!
Jason heißt er und bringt gleich noch seinen Kumpel mit, so dass wir zu viert Tiere suchen. Wir sind heilfroh darüber, denn alleine hätten wir uns nicht auf die extrem zugewachsenen Wege gewagt. Vor allem, da wir ja nicht wissen, wohin die Wege führen. Und an eine Panne mag man überhaupt nicht denken. Oder ans Steckenbleiben, denn es ist zuweilen sehr sandig, steil oder matschig.
Doch mit Jason haben wir jetzt ein Funkgerät dabei und er weiß auch, wo die Tiere stehen. Elefanten, Löwen und Leoparden sind zurzeit seltene Glücksfälle, weil das Buschwerk sehr grün und sehr dicht ist. Dafür sehen wir überraschend viele Breitmaul-Nashörner, die sich ohne Angst vor uns zum Gruppenfoto aufstellen.
Auch ein - wie immer aggressives - Spitzmaul-Nashorn ist dabei. Wir halten Abstand. Ebenso wie bei einem einzelnen Elefantenbullen. Auch eine große Büffelherde bleibt friedlich und beobachtet uns. Und wir sie.
Tiere im Zinave zu beobachten, ist in der Regenzeit nicht ganz leicht, weil sie nicht aus der Deckung kommen müssen. Aber wir sehen genug.
Anstatt vor dem Luxuszelt schlafen wir in der nächsten Nacht direkt an einer weiten grünen Pfanne. Man hatte uns empfohlen, ein größeres Feuer zu machen, damit wir nicht aus dem Hintergrund von Besuchern überrascht werden.
Am nächsten Tag fahren wir nochmal mit den Rangern, jedoch nicht um die Mittagszeit, sondern ganz früh morgens bei Sonnenaufgang. Der Unterschied ist allerdings nur gering, weil sich die typischen Nachttiere wegen der Hitze schnell verstecken.
Zur Nacht bleiben wir an einer anderen Pfanne stehen. Dort erzählen uns die Einheimischen, dass sie nachts zwei Löwen gehört hätten. Und Anette hört am Abend eine Hyäne. Aber gesehen haben wir nichts.
An sich sind Pfannen große abendliche Sammelstellen von Tieren, doch jetzt in der Regenzeit gibt es dazu keine Notwendigkeit. Es gibt überall genug Wasser und Futter.
Samstag, 17.2.24 (Zinave - Inhassoro): Zurück an die Küste. Ein Ranger hatte uns erklärt, dass die südliche Strecke, über die wir in den Park gekommen sind, die bessere wäre, wenn es regnet. Da es in den letzten Tagen trocken war, sollten wir lieber die nördliche Strecke fahren. Die ist 50 km kürzer und sie wäre viel leichter zu bewältigen. Er sei sie erst vor einer Woche gefahren. Lediglich an einer Flussdurchfahrt und an einigen sandigen Passagen sei es schwierig.
Mmh, was tun? Die längere Strecke schaffen wir nicht an einem Tag, bei der kürzeren könnte es klappen. Also versuchen wir es.
Was wir noch nicht ahnen, die Pistenschwierigkeiten werden völlig harmlos sein, aber wir werden einige andere Waterloos erleben.
Kurz vor 8 Uhr haben wir uns von allen verabschiedet. 40 km bis zum Matata-Gate und dann auf öffentlichen Pisten gut 100 km bis zur Nationalstraße 1. Wir folgen dem Navi, weil es keinerlei Hinweisschilder gibt und laut Karte nur eine einzige Route aus dem Nationalpark heraus führt.
Wir kommen gut vorwärts, auch wenn es zuweilen ganz schön matschig ist. In einer langen weichen Passage will Wolfgang auf dem Damm zwischen den beiden tiefen Spuren balancieren. Das geht gründlich schief. Plötzlich rutscht das linke Hinterrad in die linke Rille, das linke Vorderrad in die rechte. Wir stehen quer auf der Piste und nichts geht mehr. Genau am Ende des Schlammes. Nach kurzem Augenschein ist klar: hier hilft nur noch das ganz große Besteck … und viel Zeit. Seilwinde, Sandbleche und buddeln. Es sind 34°, wenn Schatten wäre.
Stabile Bäume gibt es genug, wir sind ja in einem Wald-Nationalpark, doch der Wagen sitzt mit dem Unterboden auf dem Mitteldamm auf. Da hilft nur noch buddeln, buddeln, buddeln bis der weiche Schlamm weg ist und wir festen Grund unter den Rädern haben. Sandbleche drunter, Seilwinde maximal spannen, Motor starten und mit Schwung ein bisschen vorwärts kommen.
Nach eineinhalb Stunden stehen wir wieder geradeaus, aber nicht auf der Piste, sondern daneben im Gebüsch. Wir versuchen, mit Vollgas zurück auf den Mitteldamm zu kommen. Das geht ebenfalls schief. Wir stehen wieder quer auf der Piste, diesmal anders herum. Und liegen wieder mit dem Fahrzeugbauch auf.
Same procedure as last time. Neuer Baum, alte Seilwinde, wieder buddeln. Wir merken allmählich, dass die Hitze unsere Energie frisst. Das T-Shirt ist so nass, dass der Schweiß außen herunterläuft. Wir schütten uns ordentlich Wasser in den Kopf. Die Pausen im Schatten werden länger und die Bewegungen langsamer. Es geht wirklich an die Substanz. Eine Stunde später steht der Wagen wieder auf festem Boden und alles ist eingepackt. Nur das kurze Stahlseil um den Baum versteckt sich und wird den Rest seines Lebens wohl hier verbringen. Vielleicht wird auch der Nächste dankbar sein, der hier versackt …
Wir sind kaum fünf Minuten gefahren (Fahrtwind ist ein Hochgenuss), da müssen wir eine Notbremsung hinlegen. In einer unübersichtlichen Kurve kommt uns ein Geländewagen entgegen. Hätten die Leute nicht drei Stunden früher aufstehen können?
Man bestätigt uns die Flussdurchfahrt und die sandigen Stellen, beide würden aber keine Probleme machen.
Ein paar Kilometer vor dem Nationalpark-Ausgang wird die Piste immer schmaler und ist schließlich komplett mit größeren Büschen zugewachsen. Hier ist sehr lange niemand mehr gefahren. Das Navi will unbedingt auf dieser Piste weiterfahren, aber das geht ganz gewiss nicht.
Es sind Luftlinie nur noch 5 km bis zur Parkgrenze und außerhalb gibt es eine öffentliche Piste. Leider wissen wir nicht, wie wir da hinkommen sollen.
An der zugewachsenen Stelle zweigt eine sehr schmale Spur ab, leider in die falsche Richtung. Mangels Alternativen folgen wir ihr ein Stück, finden aber nirgendwo einen Weg zur Parkgrenze. Was nun? Alles komplett zurückfahren und die Zufahrt nehmen, über die wir vor drei Tagen gekommen sind? Nicht prickelnd.
In der Hoffnung, dass die Nebenpiste sich doch noch Richtung Parkgrenze wendet, fahren wir einfach weiter. Wahrscheinlich ist das ein Inspektionsweg für die Ranger, die wohl lange nicht mehr inspiziert haben. Manchmal ist der Weg gut zu erkennen und manchmal erkennen wir nur an umgeknickten Grashalmen, dass hier einmal jemand gefahren ist.
Nach 10 km wendet sich der Weg langsam Richtung Parkgrenze und nach weiteren 10 km sind wir tatsächlich draußen. Auf dem Navi gibt es hier weit und breit keine Piste. Ein großer weißer Fleck auf der Karte.
Da wir keine Alternativen haben, fahren wir einfach weiter, irgendwo muss der Weg ja hinführen. Kurze Zeit später kreuzt uns eine breite, gut ausgebaute Piste. Bingo. Sie geht genau in die Richtung, die wir brauchen. In 100 km Entfernung müssten wir auf die Nationalstraße treffen. Laut Navi fahren wir stundenlang querfeldein, aber die Richtung stimmt.
Später sehen wir vor uns eine große teilweise weggespülte Betonbrücke und einen kleinen Weg, der sich seitlich ins Gebüsch schlägt. Das muss die Wasserdurchfahrt sein. Ein entgegenkommender Fahrer bestätigt uns das. Es holpert zwar ordentlich auf dem Weg runter zum Fluss, doch die 100 m durchs Wasser sind harmlos. Wir müssen nicht einmal anhalten.
Hätten nicht alle Schwierigkeiten so angenehm sein können?
Noch ein paar Stunden über eine staubige, trotzdem gut fahrbare Piste und wir haben die Nationalstraße erreicht. Nach 450 km zum ersten Mal in den vierten Gang zu schalten, ist schon wieder so ein Hochgenuss, den man nicht beschreiben kann. Jetzt purzeln die letzten Kilometer im Minutentakt.
Trotzdem ist es bereits stockdunkel, ehe wir im Seta-Hotel in Inhassoro ankommen. Die Dame am Eingang meint, dass die Anlage nicht gut sei und wir uns besser etwas anderes suchen sollten, doch wir sind zu müde zum Suchen. Das Gelände ist riesig, aber völlig runtergekommen und das meiste funktioniert nicht mehr, nur die Toiletten sind ok. Egal! Wir brauchen heute nur noch ein paar Eimer Wasser zum Duschen, eine schnelle Kleinigkeit zu essen und dann ist der Tag gelaufen.
Sonntag, 18. bis Donnerstag, 22.2.24 (Inhassoro): Bei Lichte besehen ist der Platz zwar ein bisschen freundlicher als gestern Nacht, aber trotzdem runtergekommen. Während wir noch frühstücken kommt ein Angestellter mit einem Rechen und harkt in einer Stunde alles um unseren Platz herum sauber. Äste, Blätter, Früchte, Müll. Er hat mindestens einen Kubikmeter zusammengeschoben, den er dann in Eimern wegträgt.
Unsere Entscheidung, nicht hier zu bleiben, wird das nicht ändern. Immerhin haben sie sich bemüht.
Einige Kilometer außerhalb der Stadt liegt eine, wenn man der Beschreibung glauben will, sehr schöne Anlage direkt am Strand. Der Haken: ein lange sandige Zufahrt. Darf uns das nach den letzten Tagen noch schrecken?
Die Sandpiste entpuppt sich als angenehmer Feldweg und plötzlich stehen wir in einem Paradies. Riesige Grasfläche mit vielen Schattenbäumen (ohne Früchte!), Blick auf den Indischen Ozean, direkter Zugang zum einsamen Strand, großer Swimmingpool, blitzsaubere Sanitäranlagen, 200 m weiter ein gutes Restaurant. Mit Abstand das Beste, was wir bisher hatten. Und wir hatten ja einige sehr schöne Camps. Perfekt für ein paar Tage. Hier können wir das Auto und uns wieder auf Vordermann bringen. Wir müssen den hart gewordenen Schlamm unterm Fahrzeug und aus den Hohlräumen rausspülen. Das ganze Fahrzeug muss technisch durchgesehen werden. Und viel Wäsche muss gewaschen werden. Auch wollen Inder, Pool und Restaurant ausgiebig getestet werden.
Außer unserem sind noch zwei andere Fahrzeuge da. Eine Niederländerin im Rollstuhl, die allein mit ihrem Geländefahrzeug unterwegs ist. Wir sind schwer beeindruckt, wie sie das alles bewerkstelligt. Sie schläft in einem Dachzelt und hat Tricks gefunden, wie sie sich nur mit den Armen da oben hoch hangelt. Sie schwimmt jeden Morgen im Ozean und schafft es, mit dem Rollstuhl durch den Sand und über Stufen zu kommen.
Sie ist jetzt 56 und war Teilnehmerin der Paralympics von London 2012 im Dressurreiten. Viertplatzierte mit der niederländischen Nationalmannschaft. Sie erzählte, dass sie schon immer sehr sportlich gewesen sei und dass ihre Querschnittlähmung beim Fallschirmspringen passiert sei.
Auf jeden Fall eine außergewöhnliche Frau.
Das andere Fahrzeug gehört Kölnern, die es so ähnlich machen wie wir. Sie waren in Zimbabwe, sind aber von dort geflohen, weil es ihnen überhaupt nicht gefallen hat. Jetzt fahren sie die Strecke am Ozean nach Süden, die wir von Süden gekommen sind. Obwohl sie einen neuen Super-Geländewagen mit wirklich allem Drum und Dran haben, wollen sie ihn wohl nicht artgerecht nutzen und lieber auf Asphalt bleiben. Na ja.
Unser eigener Wagen hat durch die Nutzung jedenfalls keinen größeren Schaden erlitten und sieht unten und oben bald wieder normal aus.
Wir genießen die Tage ausgiebig. Wir finden, das haben wir uns verdient.
Freitag, 23. bis Samstag, 24.2.24 (Ndzou-Lodge): Irgendwann merken wir, dass der Ablauf unseres Visums näher rückt. Von hier aus nach Zimbabwe gibt es einen klitzekleinen und einen sehr großen Grenzübergang. Egal, welchen wir nehmen, auf dem Weg dahin gibt es nur eine einzige ordentliche Übernachtungsmöglichkeit. Dort waren wir vor Jahren schon einmal und sie existiert noch. Touristen kommen nur äußerst sparsam in diese Gegend, obwohl es eine attraktive Mischung aus Bergen und Urwald ist. Doch die Straßen und Wege dahin sind legendär schlecht.
Es sind nur 350 km und davon auch noch das meiste auf der Nationalstraße 1. Nach dem letzten Einkauf geht es los, aber es ist keineswegs sicher, dass wir nicht unterwegs im Busch übernachten müssen.
Wir kommen recht flott vorwärts, haben allerdings an mehreren Tankstellen kein Glück. Entweder kein Benzin oder keinen Strom oder kein Internet (für die Kasse).
Dann kommt nach ca. 100 km die berühmte Brücke über den Save Fluss. Bis hierher ist die Welt noch in Ordnung, ab hier tun sich Abgründe auf.
Menschliche, denn vor einigen Jahren hat man in dieser Region aus politischen Gründen auf alles geschossen, was sich bewegte. Mit vielen toten Zivilisten und Transit nur im bewaffneten Militärkonvoi. Dieser Abgrund ist offensichtlich beseitigt. Die heutigen Abgründe sind profaner und heißen Schlaglöcher. Die Nationalstraße 1 ist im gesamten südlichen Afrika die kaputteste Hauptverkehrsstraße. Immerhin ist sie das Rückgrat des Landes, denn es gibt keine andere Straße, die den Süden und den Norden des Landes verbindet. Hier muss also auch all der Schwerverkehr entlang. Die Einheimischen reden nicht mehr von Schlaglöchern, auch nicht von Badewannen, sondern von Gräbern. Wir hatten Löcher, die eineinhalb Meter tief waren. Wer da mal reinfährt, kommt nicht wieder raus. Deshalb gibt es rechts und links der Rest-Straße tief ausgefahrene Spuren, die je nach Wetter sandig oder matschig sind. Die Lkws gehen im Fußgängertempo durch, wir ein bisschen schneller. In Summe sind es vielleicht 100 km, die uns viel Zeit kosten.
Apropos Schlaglöcher. Wir sind ziemlich sicher, dass in den meisten afrikanischen Ländern ein geheimes Schlaglochministerium existiert. MPM, Ministery of Pothole Management. Mit Generaldirektionen in allen Provinzen. Mit Schlaglöchern kann man nämlich auf viele Weise ordentlich Geld verdienen. Und einer muss den ganzen Industriezweig ja koordinieren. MPM!
Es fängt beim Bau an, wo man am Untergrund und an der Dicke der Asphaltschicht deutlich sparen kann, wenn man die Ministeriumsführung dezent am Ersparten beteiligt. Win-Win. Die dünne Asphaltschicht geht freundlicherweise schnell kaputt, so dass die Unternehmen ein zweites Mal zum Zuge kommen, diesmal aber nicht mit ihrer Neubau-Abteilung, sondern mit der Eckigmach-Abteilung. Die macht ruckzuck aus einem kochtopfgroßen runden Loch ein gulligroßes eckiges Loch. Eckige Flächen lassen sich wohl leichter abrechnen. Manchmal kommt danach der Nummerierer, der neben jedes Schlagloch eine amtliche Registrierungsnummer auf die Fahrbahn malt. Später wird das Schlagloch mit Schlamm gefüllt, getrocknet und mit einer dünnen Asphaltschicht abgedeckt, was durchaus funktionieren kann. Meist fängt der Zyklus direkt neben dem alten Loch von Neuem an.
Oft aber ist für das Füllen kein Geld mehr da, dann werden aus den Gullideckeln Badewannen und schließlich Gräber.
Nach ein paar Zyklen wird erkannt, dass man komplett neu bauen muss, natürlich unter der Federführung des MPM.
Wenn die Schlaglöcher noch am Wachsen sind, kommt eine neue Berufsgruppe ins Spiel: die Sandman. Meist kräftige junge Männer, die sich am Beginn einer Schlaglochstrecke positionieren und darauf warten, dass sich ein Auto nähert. Dann schaufeln sie wie verrückt Sand vom Straßenrand in die Löcher. Kurz bevor man sie erreicht, beenden sie ihre Arbeit und geben Zeichen, dass sie für ihre schwere Arbeit belohnt werden möchten. Den Hinweis, dass sie sich dazu bitte ans Ministerium wenden mögen, unterlässt man besser.
Vermutlich schaufeln sie, wenn kein Auto mehr zu sehen ist, den Sand wieder aus den Löchern an den Straßenrand. Wenn es nicht so traurig wäre, könnte man sagen: das Schaufeln ist das perfekte Geschäftsmodell. Keine Investitionen, unendliche Geschäftsmöglichkeiten, kein Ressourcenverbrauch, keine Verwaltungskosten. Doch leider haben die meisten Autofahrer das Spiel inzwischen durchschaut.
Mittlerweile scheint auch die Regierung begriffen zu haben, welchen wirtschaftlichen Aderlass die kaputten Straßen verursachen. Sie hat zwar kein Geld, aber sie hat genug Sand. Jetzt wird auf den schlimmsten Kilometern der N1 eine Mischung aus Sand und Matsch in die Gräber geschüttet. Manche Löcher brauchen mehrere Lkw-Ladungen, eher sie aufgefüllt sind. Das Zeug trocknet und bildet einen recht festen Untergrund. Leider nur bis zur nächsten Regenzeit.
Irgendwann werden die Chinesen kommen und eine neue Straße bauen und sich damit das Recht erkaufen, die letzten Urwaldriesen aus den Schutzgebieten zu plündern. Das tun sie ohnehin schon weiter nördlich, da wird das Land gerade endgültig kahlgesägt. Unzählige Schiffsladungen geschützter Bäume verschwinden gen China. Die Mocambiquaner regen sich zwar mächtig drüber auf, doch was zählt, sind volle Taschen der Politiker. Und China weiß, wie man Politiker zu klugen Handlungen ermuntert.
Nach ein paar Stunden sind wir durch das furchtbarste Stück der N1 durch und haben sogar Glück mit einer Tankstelle. Sie hat Benzin, sie hat Strom und sie nimmt Kreditkarten.
Am Nachmittag biegen wir Richtung Westen/Zimbabwe ab. Eigentlich ist es eine höherklassige Straße, aber tatsächlich eine miese Wellblechpiste. Entweder mit Vollgas über die Wellenberge fliegen (was die Einheimischen machen und deren Autos hören sich entsprechend an) oder vorsichtig jede Welle ausreitend und kaum schneller als 20 fahren, was wir bevorzugen.
Für die letzten 40 km gibt es dann eine positive Überraschung. Nagelneuer Asphalt! Wir sausen regelrecht in die Abenddämmerung. An sich wollten wir noch im Hellen ankommen, doch leider müssen wir noch einige hundert Meter klettern. Da sind wir auch auf feinem Asphalt nicht schneller.
So ist es bereits dunkel, als wir auf die steile Bergpiste einbiegen und erst nach längerem Suchen das Camp finden. Wir fallen nach zehn Stunden ohne Pause wie gerädert aus dem Auto.
Die Begrüßung ist sehr freundlich - wir sind die einzigen Gäste - und man hat etwas Kaltes zu trinken. Es riecht nach Essen und die Leute bieten uns an, etwas für uns zuzubereiten. Perfekt.
Die bestellten Biere entpuppen sich als doppelt so groß wie normal, aber da müssen wir jetzt durch. Anette schaufelt sich einen ganzen Teller Spaghetti in den Bauch und Wolfgang eine Kürbissuppe.
Der volle Magen zusammen mit den großen Bieren und unserer Müdigkeit zwingen uns in die Knie. Wir machen das Bett im Bus fertig und schon beim Hineinfallen schlafen wir ein. Ende Gelände.
Am nächsten Tag ist Rekonvaleszenz angesagt! Spät aufstehen, lange frühstücken und am Abend die Köchin arbeiten lassen.
Wir stehen hier zwischen sehr hohen Bäumen, es ist angenehm kühl und wir haben beschlossen, am morgigen Sonntag über die nahegelegene Grenze zu fahren. Dann wird wohl nicht viel los sein.
Sonntag, 25. bis Montag, 26.2.24 (Ndzou - Chirinda): Wir müssen auf der Asphaltstraße wieder zurück ins Tal, um dann zur Grenze abzubiegen. 150 km, alles guter Asphalt.
Kurz vor der Grenze liegt das Dörfchen Espungabera, die letzte Chance, unser restliches mocambiquanisches Geld los zu werden. Es sind noch rund 10 Euro und Wolfgang klappert den Straßenmarkt rauf und runter ab. Bananen, Kartoffeln, Tomaten, Mangos, Zwiebeln, aber das Geld wird kaum weniger. Vier kleine Mangos kosten 10 Meticais, 15 Eurocent. Vier Tomaten, Kartoffeln oder Zwiebeln 25 Eurocent.
Auf der Zufahrt zur Grenze haben wir schließlich unsere 52. Polizeikontrolle seit der Einreise nach Mocambique, also seit 2000 km. Korrekt und freundlich wie alle anderen. Wir hatten daran gedacht, bei der 50. dem Polizisten die Jubiläumsnummer zu verkünden und haben es dann doch gelassen. Findet er vielleicht nicht so lustig.
Den Grenzposten darf man getrost als einsam bezeichnen. Ein paar Beamte, verfallene Gebäude, ein Bürocontainer, sonst nichts. Einer der Beamten erzählt uns, dass hier an den meisten Tagen niemand über die Grenze fährt. Es ist vermutlich der abgelegenste Dienstort, den man sich vorstellen kann.
In Mocambique sind wir schnell fertig, Zimbabwe dauert etwas länger. Wir müssen Formulare ausfüllen, unsere mitgebrachten Devisen deklarieren, Visa beantragen, eine Versicherung fürs Auto abschließen und eine Kohlenstoffsteuer bezahlen. Alles in allem sind wir 110 US$ los. Den offiziellen Aushängen nach ist das alles korrekt und die Leute sind auch ausgesprochen freundlich. Der Mann vom Zoll sitzt lieber in seinem eigenen Auto als in dem Blechcontainer, denn im Auto unter Bäumen ist es nicht so warm.
Die Prozedur dauert eine Stunde, dann werden wir mit Winken und guten Wünschen verabschiedet.
Der augenfälligste Unterschied zwischen den beiden Ländern ist die Straße. In Mocambique guter Asphalt, in Zimbabwe eine ausgewaschene schmale Piste durch den Wald. Für null Autos am Tag sicher völlig ausreichend.
Wir wollen im nahegelegenen Chelinda-Forest übernachten. Es ist der südlichste Ausläufer des Regenwaldes auf der ganzen Erde und mitten drin befindet sich ein Camp.
Unser Navi meint, wir sollten in eine kleine Piste abbiegen, aber wir sehen keinen Seitenweg. Nur eine grüne Wand aus Bäumen und einen schmalen Wanderpfad. Ein paar Kilometer weiter finden wir tatsächlich eine breitere Spur in die Berge, die auf einer Lichtung mit ein paar Hütten endet. Das Camp.
Im Wald haben wir kaum etwas gesehen, weil die Bäume fast alles Licht verschlucken. Auf der sonnenbeschienenen Lichtung des Camps merken wir erst, wie dick und dicht der Bewuchs ist. Viele Pflanzenschichten übereinander, die höchsten Kronen sicher über 30 m. Sobald man auf einem Pfad in den Wald hineingeht, wird es dunkel und es riecht moderig. Urwald halt.
Die Sanitäranlagen sind, vorsichtig gesagt, sehr einfach, aber die Leute haben einen Kessel angeheizt, so dass wir bei Taschenlampenlicht warm duschen können.
Dienstag, 27.2.24 (Chirinda - Chimanimani): Am Abend hat es angefangen zu regnen. Anfangs nur ein wenig und kurz, doch im Laufe der Nacht wird es immer heftiger. So heftig, dass wir darüber nachdenken, wie wir hier wohl wieder herauskommen. Die Wege bestehen ja nur aus zwei ausgefahrenen Spurrillen, die bei Trockenheit gut funktionieren. Aber jetzt fließt in den Rillen das Wasser bergab und der Boden ist völlig aufgeweicht.
Der Weg, den wir gekommen sind, können wir nicht nehmen, denn der führt vom Camp zunächst ein ganzes Stück bergauf. Bei dem Schlamm bräuchte man Schneeketten (die in Windhoek im Container liegen). Einer der Ranger erklärt uns, dass der einzige Weg zurück auf die Asphaltstraße der ist, den wir auf dem Hinweg nicht gefunden haben. Und er versichert uns, dass das tatsächlich ein Fahrweg und kein Fußweg sei.
Wir haben tiefe Zweifel, aber andererseits auch keine Wahl. Bergauf geht es sicher nicht, hier ist auch niemand, der uns heraufziehen könnte.
Wir warten noch ein wenig, denn der Regen wird schwächer. Irgendwann muss es halt sein. Die ersten Meter gehen auch recht gut, der Wagen rutscht nach eigenem Gutdünken hin und her, bleibt aber in der Spur. Anette verkrallt sich in ihrem Sitz und wirkt ein wenig unentspannt. Wolfgang geht es genauso, aber er muss heftig am Lenkrad rühren, um die Richtung zu halten.
Nach zwei Kilometern geht es leicht bergauf. Die Hinterräder drehen dauerhaft durch und ein paar Mal sind wir kurz vorm Steckenbleiben. Glücklicherweise findet sich im Untergrund immer wieder ein Stein oder eine Wurzel, die dem Reifen Halt geben.
Plötzlich wird es hell vor uns und wir sind tatsächlich auf der Asphaltstraße. Allgemeines Grinsen und Durchatmen. Das waren die glitschigsten und anstrengendsten Kilometer seit Jahren.
Auf der anderen Seite der Straße geht ein Weg zum Big Tree, einem Baum, für den man angeblich zwanzig Leute braucht, um ihn zu umfassen. Ein Blick auf die schlammige Zufahrt reicht, um auf den Besuch zu verzichten. Außerdem regnet es wieder stärker.
Der weitere Straßenverlauf nennt sich nominell „Asphalt“, doch das ist seit Jahrzehnten reine Phantasie. Loch an Loch. Wegen des Wassers kann man die Tiefe der Löcher nicht mehr abschätzen. Also gaaaanz langsam durch. Wir haben es immer noch deutlich besser als die Honda-Kleinwagen, die hier als Taxis fungieren. Sie sind stets überladen und mit ziemlich kleinen Räderchen ausgestattet. Aber die Fahrer haben auch kein Problem damit, wenn sie krachend aufsetzen.
Wenn die Taxis anhalten, hängt als erstes ein Bein unten aus der Heckklappe, nach dem Öffnen entfaltet sich allmählich ein Mensch, dann drei oder fünf weitere. Meist mit reichlich Gepäck. Wenn sie sich intelligent zusammenfalten, dürften an die acht Leute in so ein Autochen passen. Samt Gepäck.
In Chipinge, der nächsten Kleinstadt, finden wir eine recht gute Werkstatt, die unseren Reifen flickt. Und einen Supermarkt, der beim Abbuchen von der Kreditkarte leider einen Zahlendreher macht und uns 54 US$ zu viel abbucht. Zurückbuchen dürfen sie nicht, hat die Zentrale verboten, aber wie das Problem gelöst werden soll, dazu äußert sich die Zentrale nicht.
Ob wir noch länger in der Stadt sind, werden wir gefragt, vielleicht antwortet die Zentrale ja morgen. Nein, wir wollen sofort weiter. Und wir wollen uns auch nicht darauf einlassen, dass das irgendwann zurückgebucht wird. Schließlich findet die Geschäftsleitung eine zutiefst afrikanische Lösung. Da kaum Bargeld in der Kasse ist (hier zahlt man aus Sicherheitsgründen praktisch immer elektronisch), wird einer der Angestellten losgeschickt, um von seinem eigenen Konto 54 US$ abzuheben. Das passt uns gut, da wir ohnehin einige Bardollars gebrauchen können. Es hat zwei Stunden gedauert und wir werden fast herzlich mit Handschlag verabschiedet. Alle sind zufrieden.
Am Nachmittag erreichen wir unser nächstes Paradies: das Farmhouse Chimanimani. Eine kleine Farm mit einem kleinen Campingplatz, einer phantastischen Aussicht auf die Chimanimani-Berge und null Gästen. Außer uns. Der einzige Haken: die Berge vom Kaliber “Zugspitze ohne Schnee” sind unsichtbar. Tiefhängende Wolken, Regen, Nebel.
Mittwoch, 28.2. bis Samstag, 2.3.24 (Chimanimani): Wir hoffen, dass das schlechte Wetter nur von kurzer Dauer ist. Das Gegenteil ist der Fall, es wird zum Regen auch kalt, morgens bis runter auf 12°C. Wir ziehen in Ermangelung von Daunenjacken unser Regenzeug an, allerdings brauchen wir das nicht gegen den Regen (wir haben eine große überdachte Terrasse), sondern gegen den Wind, denn der lässt die Kälte langsam durch jeden Pullover kriechen. Nach vier Tagen klart es ein wenig auf und wir sehen das Gebirge.
Nach 15 km Fahrt sind wir am Fuß der Berge. In einer Schule fragen wir nach Tessas Pool und einer der Angestellten bringt uns zu einem Pfad, der dorthin führt. Der Teich ist urwaldgrün umwuchert und das Wasser sieht aus wie Coca Cola. In den Pool fällt ein sehr schöner Wasserfall. Das alles zusammen hat etwas Verwunschenes.
Sonntag, 3. bis Dienstag, 5.3.24 (Chimanimani - Mutare): Wir kaufen noch einen Liter kuhwarme Milch (frischer geht es nicht) und machen uns dann auf den Weg nach Mutare, der mit Abstand größten Stadt in dieser Gegend. Die Stadt liegt sehr schön zwischen den Bergen. Wir finden einen gut sortierten Supermarkt und eine Bleifrei-Tankstelle (bleifrei ist hier die große Ausnahme).
Aber das Allerbeste ist das Camp in den Bergen hinter Mutare. Es heißt „La Rochelle“ und ist das ehemalige herrschaftliche Anwesen der Courtaulds, der wohl bekanntesten Kulturförderer im südlichen Afrika in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Sie haben viele Millionen in Nationalgalerien, Schulen und Museen gesteckt und alles, was damals Rang und Namen hatte, ging bei ihnen ein und aus. Selbst Queen Mom.
Die Courtaulds haben bei Mutare ein ganzes, sehr schön gelegenes, Tal gekauft, sich ein nettes Anwesen nach französischem Vorbild hingesetzt, mit einem britisch angehauchten Park voller exotischer Bäume. Auch ein ausgedehnter botanischer Garten mit Pflanzen aus aller Welt musste sein. Und was ebenfalls sein musste: ein Bowling Green vor der Terrasse. Eine ebene, fein manikürte Rasenfläche, auf der die älteren, stets weiß gekleideten Britinnen am Sonntagnachmittag Kugeln durch kleine Tore geschoben haben. Zuweilen tun sie das heute noch.
Auf der Terrasse kann man dinieren (essen klingt zu profan), den Five o’Clock Tea nehmen oder einfach nur die Aussicht bewundern.
Die Courtaulds haben sich hier wirklich ein kleines Paradies geschaffen. Und in dem stehen wir mit dem Bus. Um uns uralte Bäume, die höchsten von ihnen werden 100 m hoch, und vor uns breitet sich der Park aus. Herrschaftlicher haben wir nie gestanden. In Deutschland müsste man für diesen Ausblick Eintritt bezahlen und wir hatten ihn jeden Morgen zum Frühstück.
Inzwischen gibt es auf La Rochelle einen zweiten sehr erfolgreichen Wirtschaftszweig. Sie exportieren in großem Stil Kräuter nach Deutschland, vor allem Brennnesseln. Jedes Jahr viele Container voll, davon kann man Millionen Tassen Tee kochen.
Wir bleiben drei Tage, genießen die Diners und die Sundowner und es stellt sich so ein King Charles Gefühl ein.
Mittwoch, 6.3.24 (Mutare - Nyanga Nationalpark - Mutare): Genug des Königlichen.
Ein paar Stunden weiter nördlich liegt ein sehr schöner Nationalpark, zumindest sagen das die Einheimischen. Die Nyanga-Berge sind ein Wander-Eldorado. Wandern werden wir sicher nicht. Vielleicht ist es eine schöne Landschaft.
Der Weg dahin führt vorbei an etlichen Zama Zamas. Das sind illegale Goldgrabungen, die einen ganzen Hang durchlöchert haben. Die schmale Bergstraße ist wenig befahren und deshalb auch gut in Schuss. Und leider bald zu Ende. Die anschließende Piste ist weniger schön, aber trotzdem kein Problem.
Nach ein paar Stunden sind wir am Nyanga Nationalpark.
Die Fahrt durch den Park ist nett, jedoch für alpennahe Mitteleuropäer keine Offenbarung. Mittelgebirge mit Wald. Für uns stellt sich die Frage: weiterfahren oder gut sein lassen und den Rückweg antreten.
Letzteres!
Kaum sind wir aus dem Park heraus, taucht am Straßenrand so eine Art Imbissbude mit Ausblick auf. Unten im Tal liegt eine Forellenfarm. Vielleicht liefert die ja auch hierher? Wir hätten Hunger.
Von wegen Imbissbude! Als wir fragen, was sie denn haben, sagt die Dame: „Alles was sie mögen“. Hier wird alles frisch nach Bedarf zubereitet. Anette bestellt ein Forellenfilet, Wolfgang die Müllerin, die im englischsprachigen Zimbabwe seltsamerweise „de la meunière“ heißt.
Natürlich dauert die Zubereitung ein bisschen länger. Währenddessen kommen wir mit anderen Gästen ins Gespräch. Sie empfehlen uns ganz dringend einen Abstecher in das Hondevalley, das Hundetal, zu machen. Superschöne Landschaft, Teeplantagen, Berge und am Ende eine hervorragende Lodge. Eigentlich wollten wir nach La Rochelle zurück, aber das wär’ doch eine Alternative. Bis dahin sind es 80 km auf einer kleinen Straße, später einer Piste. Das wird ein paar Stunden dauern.
Nach dem wirklich hervorragenden Mittagessen machen wir uns auf den Weg. Es geht flott bergab, die Vegetation wird immer üppiger und am Ende des Tales sehen wir die ersten Teeplantagen, die wie große grüne Tücher über der Landschaft liegen. Ein fast unwirkliches Grün.
Auf einem Hügel ist plötzlich eine Schranke im Weg. Uniformierte daneben. Wir werden einigermaßen unfreundlich gefragt, wo wir denn hin wollen. Zur Aberfoyle-Lodge. „Haben Sie reserviert“ „Nein, muss man das auf dem Camp“. „Hier gibt es kein Camp“. „Oh“. Allgemeine Ratlosigkeit. Schließlich ruft einer beim Lodge-Manager an und gibt Wolfgang das Telefon. Der Manager ist eher unwirsch und spricht eine Mischung aus einheimischer Sprache und Englisch. Wolfgang versteht nur Bahnhof. Der Wächter versucht zu übersetzen. Ergebnis: das Camp gibt es nicht mehr, doch wir könnten irgendwo auf einem Parkplatz stehen und die Toilettenbenutzung würde uns 100 $ pro Nacht kosten.
Wir müssen nicht lange beratschlagen. In der Hosentasche zuckt der Mittelfinger. Arroganz hat einen Namen: Aberfoyle-Lodge.
Wir lehnen dankend ab und werden ins Hochland zurückfahren. Notfalls stellen wir uns nach Einbruch der Dunkelheit irgendwo vor eine Polizeiwache, denn die Gegend macht keinen gefährlichen Eindruck.
Eine blöde Situation. Wir müssen 1000 m klettern und werden deshalb erst im Dunkeln wieder oben sein. Dann noch einmal zwei bis drei Stunden bis La Rochelle. Vermutlich werden wir auch kein anderes Camp finden, denn das wäre uns bei der Herfahrt aufgefallen. Wir sind halt in keiner Touristengegend.
Ein Wächter der Lodge fragt uns beim Losfahren, ob wir ihn in die nächste Stadt mitnehmen könnten. Wir lehnen ebenfalls dankend ab. Formal haben wir nur zwei Sitze. An sich nehmen wir prinzipiell jeden mit, solange er nicht männlich und zwischen sieben und siebzig ist. Hier hätten wir unter freundlicheren Umständen vermutlich eine Ausnahme gemacht.
Eine halbe Stunde später meldet sich der Reifendruck. Schon wieder vorne links. Aber wir können auf der kurvigen und schmalen Straße nicht anhalten. Deshalb Vollgas bis ins nächste Dorf.
Das klappt gut und wir können in der Dorfmitte stehen bleiben. Direkt vor der Schule. Fragende Blicke, was wir da wohl tun, und großes Wohlwollen, als sie sehen, was unser Problem ist.
Reifenwechsel ist bei uns eine oft geübte Prozedur, das geht fast ohne Worte. Doch da vorn links die Wagenheberaufnahme kaputt ist, müssen wir mit zwei Wagenhebern arbeiten, um das Vorderrad hoch zu kriegen. Und das dauert halt. Nach knapp einer halben Stunde ist das neue Rad drauf. Es ist unser Jubiläumsreifen, den wir seit drei Jahren unbenutzt auf dem Dach haben. Der 50. seit 1978, im Schnitt alle 8000 km ein neuer Reifen. Afrika frisst Reifen.
Nach ein wenig Smalltalk mit den Einheimischen und ein bisschen Luftpumpen, dann nimmt Nr. 50 seinen Dienst auf.
Die 1000 m hochzukriechen dauert seine Zeit. Wir werden oben aber nicht den Hinweg über die Piste und an den wilden Goldgräbern vorbei nehmen, sondern lieber den kleinen Umweg über breite Fernverkehrsstraßen fahren. Das ist sicherer.
Kurz nach 21 Uhr sind wir endlich zurück in La Rochelle. Ist alles gut gelaufen. Da wir wegen der späten Stunde durch den Hintereingang aufs Camp gefahren sind, kriegt keiner mit, dass die einzigen Gäste wieder zurück sind. Die Toiletten sind abgeschlossen und es ist auch kein Strom da, doch das ist uns heute relativ egal. Hauptsache schlafen ...
Donnerstag, 7.3.24 (Mutare): ... und morgens bei herrlichem Sonnenschein ein königliches Frühstück. Mit Toilettenzugang und Strom.
Wir müssen heute in die Stadt und den Reifen flicken lassen. Ein bisschen Einkaufen wäre auch nicht schlecht.
Auf der Fahrt dorthin gibt es auf der Gegenfahrbahn eine Verkehrskontrolle. Hier haben wir vor drei Tagen ein bisschen Small Talk gehabt, dann hat man uns gute Fahrt gewünscht. Dieses Mal steht das halbe Polizeirevier an der Straße und winkt uns. Schon wieder so ein King Charles-Gefühl.
Wir brauchen zwei kleine Batterien für das Thermometer. Sie kosten schlichte 3 bis 4 US-Dollar pro Stück. Ein neues Thermometer inklusive Batterien ist billiger. In einem anderen Supermarkt kosten die Batterien über 50.000. Aber welche Währung? Die Verkäuferin erklärt uns, dass das sogenannte Bonds sind, eine Micky-Maus-Währung der zimbabwischen Regierung. Umgerechnet sind es auch über drei Dollar.
Wir wollen ab jetzt nicht mehr wissen, wie warm es ist.
Die Reifenreparatur klappt bestens. Unser Dauerpatient, der hier nun schon zum vierten Male geflickt wird, ist zwar wieder in Ordnung, aber wir werden ihn ohne Not nicht mehr einsetzen.
Eddy, so heißt der Chef der Werkstatt, bietet uns einen neuen Reifen an. Bekannte Reifenmarken hat er nicht, sondern nur Chinazeug. Früher hat Zimbabwe Reifen der großen Hersteller selber hergestellt und exportiert, doch die letzte Fabrik hat vergangenes Jahr dicht gemacht. Jetzt also nur noch China.
Wir brauchen unbedingt eine Reserve und kaufen zähneknirschend einen Reifen von Linglong. Klingt irgendwie niedlich. Angeblich sei es der Beste. Was soll er auch sonst sein, es gibt ja nichts anderes. „Long“ heißt vermutlich „lange“. Und was heißt „Ling“? „Hält nicht“?
Auf jeden Fall haben die Chinesen am Profil gespart, es ist deutlich flacher als alle anderen Reifen. Wir werden sehen.
Freitag, 8.3.24 (Mutare - Lake Mutirikwi): Wir haben eine Mail aus Pretoria bekommen. Peter hat sich die Hüfte gebrochen, nach einem Freiflug vom Pferd. Noch ist nicht klar, ob er operiert werden muss. Auf jeden Fall fällt er für längere Zeit aus. Wir werden abwarten, was sich ergibt, aber bewegen uns vorsichtshalber mal langsam in Richtung Heimatbasis. Auf schnellstem Wege wären das gut 1000 Kilometer. Wir haben allerdings viel Gutes von einem Camp bei Bulawayo gehört. Wenn wir da noch vorbeischauen würden, wären es eher 1500 Kilometer. Auch die Frage, über welche Grenze wir nach Südafrika fahren, ist noch offen. Der direkte Weg geht über Beitbridge, doch das ist eine der furchtbarsten Grenzen hier in der Region. Die angenehmere - und längere - Alternative führt über Botswana.
Die endgültige Entscheidung hat noch ein paar Tage Zeit.
Zeit zum Aufbruch. Wir verlassen das grüne La Rochelle und die Berge um Mutare und es wird allmählich immer trockener. Und auch ein bisschen langweiliger.
Wir wissen leider nicht genau, wo das Camp liegt, was wir heute ansteuern wollen. Das Navi gibt nichts her und die Internet-Beschreibung der Zufahrt ist auch eher luftig.
Nach knapp 300 km biegen wir testweise von der Asphaltstraße auf eine harte, aber völlig zerfurchte Piste ab. Hier muss es kürzlich noch ziemlich matschig gewesen sein. Es gibt kein Hinweisschild. Nach ein paar Kilometern treffen wir auf eine Einfahrt in ein umzäuntes Gelände. Leider alles verschlossen.
Nach einigen Minuten und mehrfachem Hupen kommt jemand. Hier sind wir richtig.
Die Fahrt endet auf einer Wiese über einem See mit - Überraschung! - anderen Gästen. Einige Autos mit Diplomaten (es ist Wochenende) und ein deutsches Pärchen. So ein Gedränge hatten wir seit Wochen nicht mehr.
Die Anlage ist top in Schuss, fast alles ist neu, schöner Blick auf einen See, aber auch irgendwie reizlos. Ein bisschen unafrikanisch.
Von den Diplomaten erfahren wir, dass der gefürchtete Grenzübergang bei Beitbridge seit Kurzem gar nicht mehr so furchtbar ist. Es ist die einzige Straßenverbindung zwischen Südafrika und Zimbabwe und hierdurch geht auch viel Ladung Richtung Kongo und Co. Man hat ordentlich investiert. Vielleicht versuchen wir es doch noch einmal mit dieser Grenze, seit Mitte der 90er haben wir sie erfolgreich vermieden.
Den ursprünglichen Plan, auf dem Camp am See ein paar Tage zu bleiben, kippen wir und werden morgen weiter nach Bulawayo fahren.
Samstag, 9.3.24 (Lake Mutirikwi - Bulawayo): 400 eher langweilige Kilometer erwarten uns. Leider müssen wir einen großen Umweg fahren, weil der Matobo-Nationalpark im Wege liegt. Der ist zwar ganz nett, doch wir hörten von anderen Reisenden, dass man auf dem Gelände des Camps mehr Tiere sieht als im Park. Der einzige Unterschied wären die Nashörner, aber die hatten wir dieses Jahr schon reichlich.
Bulawayo, die zweitgrößte Stadt Zimbabwes gilt als recht gefährlich. Deshalb durchqueren wir sie nur am wohlhabenden Rande und landen kurz vorm Sonnenuntergang am Farmhouse Matobo, wo wir ein paar Tage bleiben wollen. Wir sind - oh Wunder - die einzigen Gäste auf dem Camp und der Chef beschreibt uns auch gleich, wie wir zum besten aller Stellplätze kommen. Dieser Platz heißt nicht zufällig „View of the world“. Er liegt oben auf einer Felskuppe und man hat einen weiten Blick über den angrenzenden Nationalpark bis zum Horizont. Es geht nach drei Seiten bergab und wir haben leichtes Bauchgrummeln, der Handbremse uneingeschränkt zu vertrauen. Ein paar Steine beruhigen, sicher ist sicher.
Wir hatten dieses Jahr etliche Camps, die auf ihre ganz eigene Art beeindruckend waren. Farmhouse Matobo gehört sicher dazu. Zum Sundowner im Stuhl lümmeln, etwas Kühles in der Hand und im Tal den Zebras, Gnus und Pavianen zu zuschauen. Sogar Giraffen stehen herum, die ersten, die wir dieses Jahr sehen. Das hat was. Auch Leoparden streifen hier ab und zu durch, für uns unsichtbar.
Die eigentliche Farm ist viele Quadratkilometer groß und gut markierte Wege führen in alle Ecken. Das werden wir morgen erkunden.
Dass wir hier mitten in der Wildnis sind, wird Anette schlagartig auf dem Weg zur Dusche bewusst. Da ist noch jemand anders unterwegs. Hellgrau, 70 cm lang, recht agil und ganz leise. Anettes Schrei ist umso lauter.
Das Tierchen schlängelt sich und wir haben keine Ahnung, wie es heißt. Die meisten Schlangen sind ja harmlos. Doch als Wolfgang sie mit einem Ast ein wenig ärgert, nimmt sie die typische Kobra-Haltung ein. Wie im Bilderbuch. Sie lässt sich auch geduldig fotografieren.
Dann passiert etwas Unerwartetes. Sie kriecht in eine Wandecke und schlängelt sich dann senkrecht nach oben. Wie geht das ohne Füße oder Krallen? Saugnäpfe? Sie erreicht tatsächlich das Dach und verschwindet oberhalb der Damendusche im Gebälk.
Anhand der Fotos können wir sie nicht identifizieren. Wahrscheinlich irgendwas mit Kobra.
Kurz darauf kommt der Farmer vorbei und wir zeigen ihm die Fotos. „... und was ist das?“ „Mmmh. Die ist nicht ohne. Eine schwarze Mamba“. Schluck! Die Grüne Mamba ist giftgrün, doch die Schwarze ist hellgrau? Wenn sie das Maul aufmacht, begreift man den Namen. Es ist innen schwarz. Mit 70 cm ist sie schon erwachsen, aber noch lange nicht ausgewachsen. Es können auch mehrere Meter werden. In der Nähe des Wassertanks lebt ein 4m-Exemplar.
Nach einem Biss macht es keinen Sinn, ins 40 km entfernte Krankenhaus nach Bulawayo zu fahren. Man bräuchte sofort ein Beatmungsgerät, weil das Gift die Nerven lähmt. Oder man braucht gar nichts mehr.
Das alles klingt dramatischer als es ist. Die Mamba greift nicht von sich aus an, sondern verteidigt sich nur. Also immer fest auf den Boden auftreten, besonders abends, wenn sie sich wie alle ihrer Gattung gerne auf die warmen Felsen legt. Doch den Felsen, auf dem wir stehen, wird sie ganz bestimmt meiden. Oder? Genauso, wie Anette die Damendusche. Jedem das Seine.
Sonntag, 10. bis Montag, 11.3.24 (Bulawayo): Der Haken an der exponierten Stelle oben auf dem Felsen ist, dass die Sonne am Morgen gnadenlos draufleuchtet und auch Langschläfer aus dem Auto scheucht. 7 Uhr!
Nach einem üppigen Frühstück wollen wir ein bisschen in der Gegend herumfahren. Wir treffen über viele Stunden keinen Menschen, dafür immer wieder Gruppen von Antilopen Giraffen oder Pavianen. Die sind völlig angstfrei. So ist es auch kein Problem, hin und wieder mal auszusteigen und herumzulaufen oder auf einen Hügel zu klettern. In den Nationalparks ein absolutes No-Go.
Für heute Abend haben wir Dinner im Farmhouse geordert. Wahrscheinlich das letzte gemütliche Dinner vor der Rückreise.
Es wird ein sehr entspannter Abend mit den Farmern, die natürlich tausend Geschichten erzählen können. Von Mambas und Touristen, von durchwandernden Raubtieren und, da wird’s für uns interessant, von schlechten Pisten. Wir wollten von hier aus nämlich auf direktem Wege Richtung Südafrika fahren, über eine laut Karte höherklassige ungeteerte Straße. Die Farmer raten uns dringend davon ab, das zu versuchen, die Piste wäre in einem grauenhaften Zustand. Wenn sie selbst mal zur Grenze müssen, fahren sie immer einen asphaltierten Umweg von rund 100 km und sind sowohl schneller als auch stressfreier unterwegs. Wir sind sicher nicht ganz so schnell wie sie, aber wir sind auch nicht wild auf Buckelpiste. Klingt nach einem guten Plan. Werden wir übermorgen machen.
Noch einen letzten Tag nix tun. Anette duscht nicht (wegen Mamba), Wolfgang repariert nix (wegen nix kaputt).
Dienstag, 12.3.24 (Bulawayo - Tshipise): Früh raus, um 5:40 Uhr (!), damit wir heute noch die Grenze schaffen. Zwei Stunden später läuft der Motor.
Die knapp 400 km bis zur Grenze sind zäh und mit Pausen und einkaufen werden es dann doch acht Stunden.
Die Grenzstadt – Beitbridge – gibt es vermutlich nur wegen des Flussüberganges nach Südafrika.
Bisher waren wir mehr oder weniger allein auf der Straße, jetzt nicht mehr. Alles beginnt mit einem großen Kreisel, der den Verkehr zur Fracht-, Pkw- oder Personenabwicklung verteilen soll. Es stehen zwar überall Schilder, aber wir finden keine passende Ausfahrt aus dem Kreisel. Das kriegen natürlich auch die vielen Schlepper mit, die früher hier eine echte Seuche waren. Und das sind sie auch heute noch. Gegen Geld wollen sie dich durch die Grenzformalitäten bringen. Unser Bus ist sofort von jungen, wild gestikulierenden und schreienden Männern umringt. Die Türen sind verriegelt und wir drehen eine Ehrenrunde durch den Kreisel mit einigen Ausdauersportlern rechts und links. Ehe wir einen neuen Menschenauflauf verursachen, biegen wir kurzerhand in eine Ausfahrt mit einem Pkw-Symbol ab. Ab hier müssen die Schlepper zurückbleiben. Betretungsverbot innerhalb der Grenzabfertigung, das hatten uns die Diplomaten vor ein paar Tagen schon erzählt.
Sie bleiben auch zurück, aber sie verteilen sich nicht, sondern bleiben alle an der Einfahrt stehen. Sie haben nämlich einen Informationsvorsprung vor uns, denn sie wissen, dass wir hier falsch sind. Dies ist die Fahrzeugwaage, eher für Autos mit Gütern. Und die freundliche junge Dame darf uns nicht durchlassen.
Umdrehen geht nicht, zu schmal, also den ganzen Weg rückwärts, wo wir schon von strahlenden Gesichtern empfangen werden. „Haben wir Dir doch gleich gesagt“ „Wir können Dir helfen, denn wir wissen, wo es lang geht“.
Was sie nicht wissen: die Waagendame hat uns die richtige Einfahrt gezeigt. Also eine weitere Ehrenrunde unter Gejohle um den Kreisel. Als wir in die richtige Ausfahrt einschwenken, wissen sie, dass sie mit uns kein Geschäft mehr machen können und suchen sich neue Kunden. Uff.
Die Grenze ist ab jetzt recht gut organisiert. Wir müssen an ein halbes Dutzend Schalter. Mal wird der Pass kontrolliert, mal die Fahrzeugpapiere, dann die Zollpapiere gestempelt, Ausreisegebühr ist zu bezahlen (hatten wir noch nie), die Überfahrt über den Fluss kostet ebenfalls Geld und noch ein Schalter mit einer Art Laufzettel. Die anderen Wartenden haben uns immer wieder erklärt, dass das alles korrekt ist. Na gut, aber es dauert …
Schon nach einer dreiviertel Stunde sind wir durch. An sich nicht schlecht. Jetzt noch über die Brücke, dann sind wir in Südafrika.
An der Brückenzufahrt stehen große Verbotsschilder für Fußgänger. Für die gibt es eine andere Brücke. Aber wir sind in Afrika …
Immerhin machen uns die Fußgänger genug Platz, so dass wir über die Brücke fahren können.
Die Grenzabfertigung wird gerade umgebaut und wir rennen ziemlich viel hin und her, bis wir am richtigen Schalter sind. Hier sind es nur die üblichen zwei: Einreisevisum und Zollpapiere.
Wenn wir unsere gestempelten Pässe zurückbekommen, schauen wir aus Sicherheitsgründen immer nach, wie lange wir im Lande bleiben dürfen. Normal sind das 90 Tage. Doch wenn dort aus Versehen etwas Falsches steht und man die rechtzeitige Ausreise verpasst, kriegt man richtig Ärger. Illegaler Aufenthalt! Dafür sind Touristen sogar ins Gefängnis gewandert.
Wir sind verblüfft, dass wir nur zwei Wochen bleiben dürfen, obwohl wir unser altes Visum von drei Monaten gar nicht ausgenutzt haben. Üblicherweise war die Wiedereinreise auch nie ein Problem.
Zurück am Schalter fragen wir den Beamten, warum es nur so kurz ist. Wir erläutern ihm, dass wir Freunden nach einem Unfall auf der Farm helfen wollen und deshalb unseren Urlaub abgebrochen haben. Er versteht das alles und erklärt uns dann, dass wir nach der Ausreise formal wieder in unser Heimatland reisen müssen, um ein neues Dreimonatsvisum zu bekommen. Damit hat er juristisch völlig recht, wie wir später nachlesen. Aber wir sind in Afrika …
Er schaut uns an, wiegt dann den Kopf und erklärt, dass das, was er jetzt tut, illegal ist. Wir kriegen zwei Monate aufgrund unseres Alters. Ob das reichen würde?
Wir bedanken uns sehr. Auch im Namen unserer Freunde.
Jau, wir sind hier in Afrika!
Das ist schon das zweite Mal, dass wir eine kritische Situation mit Offiziellen wegen unseres Alters auflösen konnten. Läuft!
Die Visa-Bedingungen sind so streng, weil immer wieder Leute ins Land kommen, die hier schwarzarbeiten oder sich dauerhaft niederlassen wollen. Da waren wir wohl keine Hochrisikopatienten.
Der Rest der Grenze ist unspektakulär.
Schlagartig merkt man den Unterschied zwischen Zimbabwe und Südafrika. Es ist sauberer, besser organisiert, irgendwie wohlhabender. Wenn man das den Südafrikanern sagt, dann schauen die nur entgeistert. „Was? Südafrika ist sauber, organisiert und wohlhabend? Von welchem Land redest Du“. Ist wohl alles relativ.
Eine Stunde später sind wir auf einem unbegreiflich großen Campingplatz. Viele hundert Stellplätze, Haupt- und Nebenstraßen, zwei Kirchen, mehrere Restaurants, zahlreiche Swimmingpools, aber Null Menschen. Eine Kleinstadt im Leerlauf, vor zwei Monaten noch wegen Überfüllung geschlossen. Jetzt verlaufen sich ein paar dauercampende Südafrikaner und zwei Touristen aus Deutschland auf der riesigen Fläche.
Für eine Nacht ist’s ok. Was für ein Kontrast zu den letzten Monaten. Es riecht nach Urlaubsende!
Mittwoch, 13.3.24 (Tshipise - Pretoria): Die erste Tankstelle ist unsere, denn alle Tanks sind leer. Kein Herumfragen wegen Bleifreiheit oder Kreditkartenzahlung. Halt Südafrika.
Kilometer machen kann ganz schön langweilig sein, doch wir kommen gut vorwärts. Bis die Reifendrucküberwachung wieder mal Theater macht. Diesmal nicht vorn links, sondern hinten. Das letzte - schlechte - Ersatzrad muss ran! Auf den nächsten 200 km bis Pretoria sollte es tunlichst keinen Plattfuß mehr geben. Ansonsten müssten wir unseren zimbabwisch-chinesischen Klingeling-Reifen von Hand aufziehen.
Es geht alles gut und wir sind, wie es sich gehört, rechtzeitig zum wichtigsten Tagestermin zurück in Riverwood: Sundowner. Der Kreis hat sich geschlossen, nach knapp zwei Monaten tropischer Einsamkeit wartet jetzt „normales“ Leben. Ein paar Reparaturen am Bus, auf der Farm ist einiges zu tun wegen mehrerer Diebstähle und Überfälle und der hüftlahme Peter braucht hin und wieder einen Fahrer.
Normales Leben ist auch nicht soooo schlecht!
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