Tagebuch 1

Tagebuch  3.6. bis 10.9.2022

Freitag, 3.6. bis Montag, 4.7.22 (München - Kairo - Pretoria):

Corona kann uns mal!

So war unsere Einstellung Ende 2021. Wir waren durchgeimpft, die Welle flaute weltweit ab und es wurde kälter in Deutschland. Also nichts wie weg nach Afrika. Außerdem hatten wir für zwei Wochen im Dezember/Januar Suza und Timo, die Kinder unserer Nachbarn, nach Südafrika eingeladen. Wolfgang ist im November vorgeflogen, um den Bus fertig zu machen, Anette und die Kinder wollten kurz vor Weihnachten nachkommen.

Soweit die Planung. Aber denkste! Corona war noch nicht überstanden und hatte eine miese neue Variante ins Rennen geschickt. Die Konsequenz: alle Flüge gestrichen. Wolfgang saß in Pretoria fest und die drei anderen im kalten München.

Fröhliche Weihnachten.

Jetzt ist Juni 2022 und wir wollen einen neuen Versuch starten. Anette hat inzwischen ein neues Knie und ist noch in der Reha, die Kinder haben noch Schule und Wolfgang fliegt für vier Wochen zum Arbeiten nach Kairo. Eine Stadt, in der man es gut aushalten kann, selbst die 45° sind noch ganz gut zu ertragen. Viel Arbeit, viel Kultur, viel laut, viel heiß, viel staubig. Und angenehme Leute. Was will man mehr!

Am 3.7. abends geht es von Kairo direkt nach Johannesburg. Am Nachmittag noch 40°, am nächsten Morgen keine 10° mehr. Das muss man mögen. Weil Wolfgang beim Abflug aus München vor einem Monat nicht an wärmere Kleidung gedacht hat, muss er im Flugzeug die Schlafdecke klauen (Sorry, Egypt Air).

Großes Hallo und Wiedersehensfreude bei Peter und Elizabeth und trotz der Kälte kommt so ein ganz klein wenig Urlaubsstimmung auf. Aber: nachts mit dicker Decke und zwei Wärmflaschen im Bett.

Dienstag, 5.7. bis Sonntag, 14.8.22 (Pretoria-Grenze Mocambique-Pretoria): Es sind noch ein paar größere Dinge am Bus zu machen, doch Wolfgang hat auch noch sechs Wochen Zeit. Der stellenweise aufgeplatzte Lack an der linken Seite muss komplett runter, weil es darunter rostet. Da auch die farbigen Streifen betroffen sind, muss auch ein Stück erneuert werden. Wir wollten ohnehin auf eine andere – hoffentlich langlebigere – Farbe umsteigen. Wäre das die Gelegenheit, damit zu beginnen? Nur an einer Stelle? Der Bus muss dazu sowieso komplett abgeklebt werden, da ist es nicht viel Mehraufwand, die Streifen nicht nur an einer Stelle, sondern gleich ringsum zu erneuern.

Mit allem Drumherum waren es dann doch ein paar Tage Arbeit, die sich aber gelohnt haben. Es sieht richtig gut aus. Und hält hoffentlich länger …

Dummerweise laufen Ende Juli unsere Zollpapiere für den Bus ab. Das heißt für Wolfgang: an die Grenze fahren, oder sogar über die Grenze, alte Papiere ausstempeln und neue einstempeln lassen. Der nächste Grenzübergang ist der nach Mocambique und 400 km entfernt. Mehr oder weniger nur Autobahn. Quasi eine 1000 km Testfahrt.

Es klappt bestens. 20 Minuten nach der Ankunft an der Grenze ist alles erledigt, ohne selber über die Grenze gehen zu müssen. Da bleiben noch ein paar Tage, um ein wenig im Kruger-Park herumzufahren.

Der Park ist für internationale Gäste nicht gerade eine billige Angelegenheit. 25 Euro pro Tag und Person allein für den Eintritt. Da kommt dann noch die Übernachtung dazu. Für Südafrikaner ist es deutlich billiger, denn solche Preise können sich hier nicht viele leisten. Der Park ist nach wie vor sauber nach Hautfarbe getrennt, schwarze Angestellte und weiße Gäste. Das hat sich in den letzten 30 Jahren seit dem Fall der Apartheid nur wenig geändert.

Uns sind die Eintrittspreise an sich egal, denn wir haben für knapp 400 Euro eine Jahreskarte gekauft. Für zwei Erwachsene und fünf Kinder. Suza zählt noch nicht als Erwachsene, weil sie zumdb_22-008- Zeitpunkt des Kartenkaufes erst 17,99 Jahre alt war ;-).

Im Kruger kann man gar nicht verhindern, dass einem Tiere vor die Kamera ladb_22-016-ufdb_22-023-en.

Ein ganz besonders beliebtes Tier ist ein großes gelbes Arbeitstier, denn ab dann weiß man, dass die Piste kein Waschbrett mehr ist, sondern butterweich und eben.

Nach der Rückkehr steht noch ein weiteres dickes Thema an. Die beiden neuen Solarmodule auf dem Dach funktionieren nicht richtig. Wolfgang hat deren Wasserempfindlichkeit völlig unterschätzt. Sie sind einfach nicht dicht zu kriegen. Also weiter Zeit und Geld investieren fürs Abkleben oder Abdichten mit zweifelhaftem Erfolg? Oder aufgeben und eine neue Lösung suchen? Da nur noch begrenzt Zeit bleibt, läuft’s auf ein Ende mit Schrecken hinaus.

Die neue Zelle ist zwar nicht ganz billig, dafür ist sie ein bisschen größer, liefert deutlich mehr Leistung und ist garantiert regenfest. Lehrgeld!

Arno, ein südafrikanischer Bekannter von uns, ist Goggo-Liebhaber und lädt Wolfgang auf ein Alteisen-Festival auf einer Autorennstrecke beidb_22-032- Pretoria ein. Nachdem wir eine zwei Kilometer lange Warteschlange auf der Autobahn durchgestanden haben, sind wir drinnen. Und mit uns viele tausend alte Autos und wahre Menschenmassen. Wer im Alteisen angefahren kommt, darf im Inneren parken anstatt auf einem der umliegenden Parkplätze.

Auf der Rennstrecke liefern sich der Goggo und unser Bus ein erbittertes Wettrennen bei Tempo 10. Bergauf gewinnt der Goggo, bergab wir. Aber wir qualmen weniger.

Entlang der Strecke stehen einige aufs Allerfeinste db_22-027-aufbereitete Oldtimer herum. Kein Alteisen, sondern Edelmetall.

In Südafrika gibt es eine sehr lebendige Oldtimer-Szene und dank handwerklicher Fähigkeiten und niedriger Löhne sind die meisten Oldtimer in bestem Zustand.

Das kann man von unserem noch nicht behaupten. Damit wir mit den Kindern im Nationalpark vorn auch mal zu dritt fahren können, muss noch ein zusätzlicher herausnehmbarer Sitz gebaut werden. Wenn das und ein paar weitere Kleinigkeiten erledigt sind, könnte es losgehen. Jetzt fehlen nur noch die Mitfahrer, doch die sind im Anmarsch.

Montag, 15.8.22 (München-Pretoria): Aus Frankfurt kommt vor db_22-046-dem Abflug die SMS „Krücken sind geil“. Da Anette wegen Ihres neuen Knies Krücken dabei hat, werden alle drei im Flughafen wie VIPs zum Flugzeug gefahren. Dasselbe beim Umsteigen in Kairo und bei der Landung in Johannesburg, sogar bis in die Wartehalle. 

Sie sind zwar eine Stunde zu spät, dafür aber vollzählig und mit allem Gepäck.

Ganz große Freude auf allen Seiten. Der erste Schritt hat deutlich besser geklappt als letztes Jahr.

Das war für Suza und Timo der erste lange Flug, die erste größere Reise ohne Eltern und das erste Mal außerhalb Europas. Ziemlich viel „erstes Mal“. Wir hoffen, dass sie den VIP-Status wegen Anettes Knies nicht für normal halten. Normal ist Schlange stehen und warten. Der Rückflug in vier Wochen wird einiges relativieren.

Leider konnte Wolfgang nicht mit dem Bus zum Flughafen kommen, denn der muss noch ausgeräumt, gereinigt und gepackt werden. Außerdem geht es mit dem Jetta schneller.

Timo und Suza sind ein wenig überrascht von ihrem ersten Eindruck Afrikas. Die Autobahnen sind deutlich breiter als in Europa, die Kreuzungen zweier achtspuriger Straßen sind imposante Bauwerke und die Autos sind auch nicht viel anders als bei uns. Der größte Unterschied, alle fahren konsequent auf der linken Seite, fast wie auf unseren Autobahnen. Ist das wirklich Afrika? Ja, das ist das eine Afrika. Hauptstadt, Wirtschaftsmetropole, Millionen Menschen. In den nächsten Wochen werden wir noch andere Afrikas erleben.

Nur ein Versprechen können wir nicht einhalten: Afrika ist heiß. Das war das Versprechen für Weihnachten letzten Jahres, aber jetzt ist es ein halbes Jahr später. Es ist nicht gerade winterlich nach unserer Lesart, aber nachts trotzdem verdammt kalt. Auch mal unter null. Doch tagsüber immer angenehme 20° bis 25°.

Vom Winter merken Suza und Timo zunächst nichts, denn die ersten drei Nächte schlafen sie in einem komfortablen reetgedeckten Häuschen, mit warmer Dusche und dicken Bettdecken.

Dienstag, 16.8.22 und Mittwoch, 17.8.22 (Pretoria):  Timo und Wolfgang montieren den letzten Rest der Solaranlage. Funktioniert! Dann noch alles auspacken und das Auto sauber machen. Es hat sich in den letzten drei Jahren reichlich Dreck angesammelt.

Timo lacht sich gleich am zweiten Tag einedb_22-052- neue Freundin an. Es ist eine kleine Schwarze, die seit ein paar Jahren bei Elizabeth und Peter angestellt ist. Sie heißt Adea, den Nachnamen kennen wir nicht. Die Zuneigung scheint auf Gegenseitigkeit zu beruhen. Jedenfalls vernachlässigt Adea ihre Aufgaben.

Abends wollen wir in einem nahegelegenen Restaurant am Kamin sitzen und es uns gut gehen lassen. Das mit dem Kamin klappt leider nicht, doch das Essen ist gut. Leider auch ziemlich schnell kalt.

Am nächsten Tag haben wir noch einen db_22-040-dramatischen Abgang zu verzeichnen. Pickles, die Katze, die Wolfgang in den letzten Wochen erlaubt hat, in ihrem Chalet zu wohnen und sich dafür auch jeden Abend ihre Belohnung geholt hat, hat es sich in unserem versammelten Gepäckchaos gemütlich gemacht. Dabei hat sie sich in einer Plastiktüte verfangen und wird sie nicht mehr los. In Panik rast sie orientierungslos durch die Wohnung und verschwindet durchs Küchenfenster - und ward nicht mehr gesehen. Die Tüte finden wir später auf einem Baum, aber Pickles ist zutiefst eingeschnappt. Schade.

Die Puten sind da ganz anders. Die lieben jeden, derdb_22-050- Futter herbeischafft. Puten sind hier keine Nutztiere, sondern ganz normale Einwohner. Ok, ab und zu verschwindet mal eine Pute und landet im Kochtopf der Mitarbeiter. Ihr Fleisch ist ganz schön zäh, weil sie wie Wildtiere aufwachsen. Man muss halt länger kochen. Ansonsten ist ihre Aufgabe, das Gelände frei von Insekten zu halten, denn sie fressen alles, was sich bewegt. Der Preis für diese Dienstleistung: man muss immer aufpassen, wo man hin tritt. Insects-to-shit-converter.

Donnerstag, 18.8.22 (Pretoria-Tzaneen):  Es soll endlich auf die Piste gehen. Der Bus ist sauber und gepackt. Erstaunlicherweise passt alles, was wir mitnehmen müssen, ganz kultiviert rein. Wobei die kultivierte Ordnung sich im Laufe der Zeit in Richtung kultiviertes Durcheinander entwickeln dürfte. Das ist immer so. Wir werden es aushalten.

Zunächst einmal wollen wir runter ins Tiefland, da ist es ein paar Grad wärmer als hier in 1500 m Höhe. Zudem liegt dort der Kruger-Nationalpark, der einfach sein muss.

Wir wollen nach Phalaborwa und von dort in den Kruger-Park. Der ist von Nord nach Süd fast 400 km lang und Phalaborwa liegt etwa in der Mitte. Von dort soll es südwärts durch den Park Richtung Küste des Indischen Ozeans gehen.

Die 500 km bis zum Parkeingang werden wir heute nicht schaffen, aber das meiste. Also rauf auf die Autobahn und laufen lassen. Flotte 80, bergab auch mal 100.

An einer Tankstelle stellt der Tankwart fest, dass wir vor drei Jahren schon mal hier waren. Recht hat er. Und ein verdammt gutes Gedächtnis.

Hier erfahren wir Älteren etwas, was wir in den nächsten Wochen täglich erleben werden. Junge Leute sind keine Energiesparer. Ganz im Gegenteil, sie brauchen ordentlich Energie in Form von Kalorien. Viel und häufig. Wenn wir mal Kilometer machen müssen, dann werden wir sicher etliche Burger-Buden entern. Auch morgens und abends geht kräftig ‘was über den Tisch. Timo meint, Opa müsse mehr essen. Während Timo sechs Scheiben Toast am Morgen verdrückt, müsse Wolfgang mindesten vier schaffen (was manchmal sogar klappt). Auf diese Weise geht jeden Morgen fast ein ganzes Brot durch den Toaster. Der ältere Teil unserer Reisegruppe schaut sich verwundert an und ändert fortan drastisch sein Einkaufsverhalten. An diese Dimension hatten wir im Vorfeld überhaupt nicht gedacht. Wir hatten Platz für zusätzliche Bekleidung und Ausrüstung frei gemacht, doch in dieser Hinsicht waren Timo und Suza recht sparsam. Stattdessen bunkern wir ab jetzt mehr Futter.

Auf dem Tankstellenparkplatz stehend und Burger verdrückend kommt ein Konvoi an uns vorbei, wie wir ihn auch noch nicht gesehen haben. Vorweg ein edler weißer Sargwagen mit großen Fenstern, den Sarg regelrecht präsentierend wie in einer Verkaufsausstellung. An der Seite große Aufkleber mit dem Konterfei des Toten und viel Text. Der Tote war sicher ein Chief oder mehr. Hinter dem Sargwagen folgt ein Dutzend edler weißer SUVs, voll mit Leuten. Alle Autos mit den gleichen Aufklebern. Eine regelrechte Prozession. Oder eine Demonstration.

Vier Stunden später verlassen wir die Autobahn. Ab jetzt ist über viele Kilometer alles dicht besiedelt, es sieht aus wie eine auseinandergeflossene Großstadt, ohne Mittelpunkt, ohne Struktur, nur Häuser. Viele.

Am späten Nachmittag erreichen wir den Pass, der runter ins Tiefland führt. Dort oben wäre ein schönes Camp, doch leider ist es voll ausgebucht. Das nächste Camp liegt schon unten im Tal, doch dessen Tor ist verschlossen. Hupen und Telefon sind erfolglos. Im Ort gibt es noch ein anderes Camp, von dem wir eine Telefonnummer haben. Die Verbindung ist zwar technisch und sprachlich höchst grenzwertig, doch es hört sich so an, als könnten wir dort übernachten.

Dank Navi finden wir die Zufahrt (oder das, was wir dafür halten) und biegen von der Straße auf eine steile Piste ins Tal ab. Es ist schon dunkel und das Navi ist überzeugt, dass wir hier richtig sind. Wir haben große Zweifel. Naja, eigentlich sind wir sicher, dass wir falsch sind. Leider können wir nicht so ohne weiteres umdrehen ohne umzukippen. Dann kommen ein paar ärmliche Hütten, wo wir drehen könnten. Eine Taschenlampe leuchtet uns an und bedeutet uns, dass wir weiter bergab fahren sollten. Hier wären wir richtig.

Und tatsächlich kommen weitere Häuschen ins Scheinwerferlicht und eine ebene Fläche, wo wir einigermaßen waagerecht stehen und das Zelt aufbauen können. Die Taschenlampe hat uns mittlerweile eingeholt. Sie gehört dem Campchef, der Licht anmacht und uns die Toiletten und die warme Dusche zeigt.

Die Anlage hat eher etwas Jugendherbergsartiges und ist bei Lichte besehen ziemlich heruntergekommen. Wir sind die einzigen Gäste und wohl seit längerer Zeit auch die ersten. Die Dusche ist nach oben offen und in ihr wächst reichlich tropisches Grünzeug. Aber: ein Gasboiler liefert heißes Wasser.

Das ist Afrika Nummer zwei. Nicht mehr ganz so hauptstädtisch, doch die essentiellen Dinge sind vorhanden und funktionieren.

Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen: Anette und Wolfgang feiern hier ihren 150. Geburtstag. Das fällt uns jedoch erst einige Wochen später auf.

Als „Geburtstagsessen“ gibt es Spaghetti Bolognaise. Wirklich gut. Und dies nicht nur, weil wir alle ziemlich hungrig sind.

Die hochziehende Kälte treibt uns recht schnell in die Betten. Vorher müssen Timo und Suza aber erst einmal ihr Zelt aufstellen. Gleich der erste Versuch klappt, direkt neben dem Auto. Die Streitereien der Affen, die man hier hin und wieder hört, mögen auch dazu beigetragen haben, näher zusammen zu rücken.

Offensichtlich ist zwischen dem Beschaffen des Zeltes und dem ersten Aufbau einiges an Zeit verstrichen. Jedenfalls ist Timo in der Zwischenzeit ordentlich gewachsen und stößt nun oben und unten ans Zelt an. Naja, die beiden werden sich arrangieren.

Freitag, 19.8.22 (Tzaneen-Punda Maria):  Die erste Nacht im Zelt in Afrika. Es sind morgens 7°. Über Null! Alle sind ein wenig verschlafen, aber wohlauf. Und, wie nicht anders zu erwarten, hungrig.

Die steile Piste, die gestern Nacht ein wenig abenteuerlich anmutete, ist bei Sonnenschein problemlos zu befahren. Kruger ruft.

Kurz vorm Park kommen wir in eine ungewöhnlich große Verkehrskontrolle. Mindestens zwanzig Beamte. Alle Papiere werden gewissenhaft kontrolliert. Dann fragt die Polizistin, wo unsere Disk sei. Diese kleine Papierscheibe am Fenster ist in Südafrika der Beweis, dass das Fahrzeug legal zugelassen ist. Ohne Disk dürfen wir nicht weiterfahren. Wenn wir keine hätten, müsse sie ein Gerichtsverfahren wegen dieser Ordnungswidrigkeit eröffnen. Unser Einwand, dass temporär eingeführte Fahrzeuge keine Disk brauchen, überzeugt sie nicht.

Bald steht die ganze Mannschaft um uns herum und schaut zu, wie es wohl weitergeht. Alle sind sehr freundlich und korrekt, aber ohne Disk läuft halt nichts. Als Wolfgang der Polizistin, die hier wohl so etwas wie die Chefin ist, unsere ordnungsgemäß vom Finanzministerium abgestempelten Zollunterlagen zeigt, wird sie nachdenklich und beschließt, jemanden anzurufen. Wir verstehen zwar nichts, doch die Antwort war scheinbar nicht so, wie sie sie haben wollte. Einer ihrer Kollegen erklärt uns, dass sie jetzt ihren obersten Chef anrufen wird. Das musste man uns nicht erklären, denn allein an ihrer Körperhaltung merkte man, dass sie mit Chefitäten redete.

Das Ergebnis war wohl wieder nicht wie erhofft. Nachdem Wolfgang ihr geschildert hatte, dass wir schon viele Dutzend solcher Verkehrskontrollen gehabt und nie eine Disk gebraucht hätten, kam sie auf eine nette Idee. Wir wären bei den bisherigen Kontrollen wohl nur durchgekommen, weil wir alte Leute seien. Das war überhaupt nicht despektierlich gemeint, man wird hier in Geschäften durchaus mit Oum oder Oupa, Oma oder Opa, angesprochen.

Ein genialer Ausweg. Die Polizistin musste ihren Fehler nicht vor ihren Mitarbeitern korrigieren (aber wird sich hoffentlich heimlich schlau machen für die Zukunft) und wir durften mit den besten Wünschen der Polizei weiterfahren.

Dann Kruger. Doch vorher, wegen der hungrigen Meute, erst einmal Großeinkauf und tanken.

Die nächste Überraschung wartet am Eingang des Parks. Es sind keine Campingplätze mehr frei. Es ist Wochenende und alles komplett ausgebucht. Es hat nichts damit zu tun, ob die Plätze wirklich voll sind, aber sie sind gebucht und deswegen kann auch kein anderer drauf. Das ist ein gesamtafrikanisches Problem, denn meistens muss man bei der Reservierung nichts anzahlen. Und weil man ja nichts bezahlt hat, wird eine nicht mehr benötigte Reservierung auch nicht storniert.

Nach langem Suchen im Computer in allen Camps des Parks findet die Dame an der Rezeption dann doch noch etwas. In Punda Maria ist übers Wochenende noch etwas frei. Auf Deutschland übertragen heißt das, wir suchen einen Schlafplatz in München und die Rezeption bietet uns einen in Stuttgart an. Wir wollten an sich von hier aus langsam Richtung Süden fahren, doch Punda Maria ist 200 km nach Norden.

Trotzdem nehmen wir den Platz und ändern unsere Pläne. Wir haben sechs Stunden Zeit für die Strecke, es ist alles Asphalt und wir dürfen maximal 50 fahren. Müsste zu machen sein, wenn nicht allzu viele Löwen auf dem Weg herumliegen.

Doch erst einmal müssen unsere eigenen hungrigen Löwen etwas zu essen haben. Auf einem Picknickplatz im Park dürfen wir das Auto verlassen, müssen aber immer aufpassen, ob Tiere kommen. Nicht, dass es hier besonders gefährlich wäre, der Platz ist bewacht und so gewählt, dass man wohl keine Löwen trifft. Aber manche Tiere haben ebenfalls Hunger auf Toast und Co.

Oupa muss schon wieder vier Scheiben Toast essen, damit er beim Fahren nicht schlapp macht.

Das war jedenfalls ein guter Anfang. Die Vorstellung, draußen zu sitzen und zu frühstücken, während irgendwo im Hintergrund Löwen, Leoparden, Elefanten und Nashörner herumlaufen, hat für Neuankömmlinge durchaus etwas Befremdliches. Selbst bei den Springböcken, die in unmittelbarer Nähe standen, fragt man sich unwillkürlich: Sind die wirklich so harmlos? Sie haben ja ordentliche Hörner. Was tun, wenn sie näher kommen?

Ignorieren und weiter frühstücken, aber immer aufpassen, dass Affen verdammt schnell sein können.

Kurz vor Toresschluss sind wir in Punda Maria. Wir haben allerhand Tiere gesehen, die Kinder haben sich als wirklich gute Späher erwiesen. Die letzten zwei Stunden mussten wir allerdings zügiger fahren als die Polizei erlaubt. Ja, hier gibt es Radarkontrollen.

Das Zelt ist schnell aufgebaut und im Restaurant gibt es einen würdigen Abschluss des Tages - eines Tages, der nicht zu knapp an Überraschungen war.

Und er ist noch nicht zu Ende. Das Camp hat ein beleuchtetes db_22-056a-Wasserloch mit einer Beobachtungsplattform. Hier wimmelt es in der Nacht von Elefanten. Etliche Gruppen kommen, zanken sich, saufen, trompeten und verschwinden wieder in der Nacht. In der Schwarz-Weiß-Welt der Scheinwerfer wirken die grauen Elefanten besonders groß und bedrohlich.

Wir schauen dem Treiben viele Stunden zu. Es wird nicht nur eine lange, sondern auch eine kalte Nacht. Die Kinder kriegen eine Wärmflasche und unsere Überdecke. Kuschelig warm ist es trotzdem nicht.

Samstag, 20.8.22 (Punda Maria):  Die Kälte treibt uns schon vor 7 Uhr raus. Die Sonne wärmt und wir zelebrieren ein äußerst gemütliches Frühstück. In den letzten beiden Tagen haben wir 700 anstrengende Kilometer abgespult, deshalb lassen wir es heute langsam angehen.

Am Nachmittag drehen wir zwei Runden auf den Pisten um das Camp. Da kommen dann schnell ein paar dutzend Kilometer zusammen, auf denen wir aber nichts Spektakuläres sehen. Die Gegend hier oben im Norden des Parks ist einfach zu trocken.

Sonntag, 21.8.22 (Punda Maria-Satara):  Für heute Abend haben wir in Satara einen Platz bekommen, eines der südlicher gelegenen Camps. Das Wochenende ist vorbei und die Leute müssen wieder arbeiten.

Bis Satara sind es an die 250 km. Da wir den ganzen Tag Zeit haben, können wir es gemächlich angehen lassen und einige Schleifen links und rechts des Weges fahren.

Wir wollten irgendwo unterwegs auf einem Picknickplatz frühstücken, doch wir finden keinen. Am Ende landen wir in Shingwedzi. Kein Picknickplatz, sondern ein richtiges Camp mit Restaurant. Vielen anderen Fahrzeugen scheint es genau so ergangen zu sein. Das Camp liegt schön am Hochufer eines wasserführenden Flusses und wir haben einen Tisch mit bester Aussicht. Der Haken an der Sache: die Affen finden den Platz ebenfalls sehr schön, zumindest das, was auf den Tischen steht.

Wir gehen es strategisch an. Einer bleibt immer am Auto zur Absicherung des Toasts, die anderen verteidigen den Tisch nach allen Seiten. Doch am Ende gewinnen immer die Affen. Bei uns sind sie zwar - heute - erfolglos, doch bei einer unbedarften Reisegruppe erbeuten sie gleich eine ganze Plastiktüte voll Brötchen. Brötchen im Kruger-Park! Gegen professionelle Diebe ist halt kein Kraut gewachsen.

Wir bummeln ein wenig in der Gegend herum, zickzack in Richtung Satara. Besonders in der Nähe der Flüsse sind durchaus Tiere anzutreffen. Elefanten, Büffel, Giraffen, sogar Sträuße, die man weiter unten im grünen Süden nicht mehr sieht.

Auf den großen Hochbrücken über die Flüsse darf man in der Mitte anhalten und aussteigen. Und trifft auch andere Touristen. Einer aus der Gegenrichtung erzählt uns, dass wenige Kilometer zurück Wildhunde und Hyänen gemeinsam auf der Jagd sind. Mitten auf der Straße, weil sie da bequemer laufen können.

Nix wie hin. Tatsächlich finden wir sie und können ihnen über eine längere Strecke folgen. Vier Wildhunde und zwei Hyänen. Es ist extrem ungewöhnlich, dass sich die beiden zusammentun. Wildhunde allein sind schon selten. Sie gelten als die grausamsten Raubtiere Afrikas, weil sie als Rudel auch große Tiere erfolgreich erlegen können, aber nicht die Kraft haben, sie zu töten. Sie fressen schon, bevor die Beute an Schock oder Blutverlust stirbt.

Nachdem sie in den Busch abgebogen sind, müssen wir ein bisschen Dampf machen. Wenige Minuten vor Toresschluss trudeln wir schließlich in Satara ein.

Wir haben schon im Voraus einen Night-Drive gebucht und erfahrungsgemäß läuft dabei eine ganze Menge Tiere in den Scheinwerferkegel.

Anette ist es viel zu kalt – und es wird wirklich saukalt. Trotz Decken und Jacken. Die Seitenwände des Autos müssen ja offen sein, um etwas zu sehen, und der Fahrwind tut ein Übriges.

Früher hatte auf solchen Fahrten der Beifahrer - der Spotter - die Aufgabe, mit einem dicken Halogenscheinwerfer die Tiere zu suchen. Heute sind die Touristen besser ausgerüstet als die Park-Ranger. Mit weitreichenden Laserpointern, extremen LED-Scheinwerfern und offensichtlich auch mit einem guten Auge. Da hat sich teilweise nur ein Ohr im Gras gezeigt und schon kam von mehreren Leuten der Hinweis, dass da ein Schakal läge. Inzwischen hat man seitens der Parkverwaltung auf den Spotter verzichtet und der Fahrer benutzt den Bordscheinwerfer nebenbei mit, doch die meisten Beobachtungen kommen von den Fahrgästen. Und wir hatten offensichtlich eine bestens ausgerüstete und informierte Gruppe.

In der Vergangenheit konnte es durchaus vorkommen, dass ein Night-Drive quasi ohne Beute war. Das ist heute unmöglich. Es bleibt nichts unentdeckt. Es wirkt ein bisschen wie ein Ballerspiel am Computer. Einer trifft immer. Mit dem Laser-Pointer auf die Zwölf.

Doch spätestens, wenn der Leopard neben dem Auto steht, wird aus dem Ballerspiel wieder richtiges Leben. Nur noch Flüstern, langsame Bewegungen und verhaltene Oohs und Aahs.

Wir haben Glück. Zwei Leoparden ganz nah, Hyänen, sogar Nilpferde und einen Haufen Augen, die wir nicht zuordnen können.

Montag, 22.8.22 (Satara-Pretoriuskop):  Heute frühstücken wir im Camp, da müssen wir nichts gegen Affen verteidigen.

An sich wollten wir von hier nur die 100 km bis nach Skukuza, dem Hauptcamp im Krugerpark, fahren. Das ist zwar das mit Abstand größte Camp, aber wohl auch das mit Abstand beliebteste. Leider alles ausgebucht, wir müssen 50 km weiter nach Pretoriuskop.

Auf dem Weg wollen wir an einem sehr netten - und bewachten - Picknickplätzchen Halt machen, doch kurz davor stoppt ein anderes Auto neben uns und die Leute erzählen uns, wo Löwen herumliegen. Picknick ade.

Der Löwe hat sich mit seiner Dame ins Gebüsch zurückgezogen und wir können die beiden nicht wirklich gut sehen. Unsere ersten Löwen!

Aus der Großwildjägerzeit stammt der Begriff der „Big Five“, die man als echter Großwildjäger erlegt haben muss. Elefant, Büffel, Nashorn, Löwe und Leopard. Jetzt haben wir bereits die Big Four „erlegt“. Es fehlen nur noch die Nashörner.

Da das Picknick wegen der Löwen nicht geklappt hat, müssen wir unsere mitreisenden Löwen irgendwo anders sättigen.

Ein perfekter Ort dafür ist Tshokwane. Dort kann man zwar picknicken, doch sie haben auch ein Freiluft-Restaurant und einen Souvenirshop. Und wie alle guten Picknickplätze viel tierisches Leben auf dem Platz.

Ein Teil der Parkplätze ist gerade db_22-070a-nicht db_22-066-benutzbar, da hat es sich ein Dutzend Elefanten gemütlich gemacht. Auch der Toilettenbesuch ist im Augenblick eher unangebracht.

Es ist etwas ganz anderes, einem Elefanten Aug‘ in Aug‘ ohne Zaun auf 20m gegenüber zu stehen als ihm aus dem Auto heraus zuzuschauen und jederzeit wegfahren zu können.

Sie haben viele Kleine dabei, doch sie fühlen sich durch uns ganz und gar nicht gestört. Sie wissen, wer hier der Boss ist. Außerdem sind sie nur an Grünem interessiert und unser Bus hat – wohlweislich – nicht mal einen grünen Streifen.

Elefanten kommen hier nur gelegentlich vorbei. Die wirklichen Chefs in Tshokwane sind Vervet Monkeys - auf Deutsch Grüne Meerkatzen - und Paviane. Sie sind der Überzeugung, dass die Tische nur für sie gedeckt sind. Als sich die Köchin in der Küche nur mal kurz umdreht, haben sie die Finger im Salat.

Affen scheinen amerikanische Küche zu bevorzugen. In Shingwedzi haben sie die Semmeln geangelt, hier den Salat und jetzt brauchen sie nur noch die Burger-Klöpse. Doch die haben wir auf dem Teller. Und da bleiben sie auch, wir verteidigen sie mit Messer und Gabel.

Als die Burger weg sind, sind auch die Elefanten weg und wir können weiter fahren.

Ein kurzer Abstecher in den Skukuza-Supermarkt ist noch drin, dann müssen wir weiter nach Pretoriuskop. . Mal sehen, was uns noch über den Weg läuft.

Laufen ist zu viel db_22-081-gesagt, db_22-077-direkt neben dem Weg liegt eine ganze Gruppe von jüngeren Hyänen. Wohl eine Großfamilie. Überhaupt nicht ängstlich, sondern ganz im Gegenteil: neugierig. Sie kommedb_22-084-n dicht ans Auto und schauen uns an. Und wir sie.

Kurz darauf liegt eine Hyänenmama mit ihren Säuglingen neben uns. Ebenfalls entspannt. Nicht nur für Suza und Timo etwas Neues, auch für Anette und Wolfgang. Ihrem schlechten Ruf zum Trotz sehen sie einfach niedlich aus.

Auf der Weiterfahrt haben wir db_22-096-plötzlich db_22-085-links und rechts Elefanten und müssen aufpassen, dass wir nicht mitten in die Herde kommen.

Mütter sind da manchmal nicht sehr duldsam. Wir sichern aufmerksam nach allen Seiten und finden den richtigen Moment, zwischen ihnen hindurch zu huschen. Gegen eine ärgerliche Sechs-Tonnen-Matriarchin möchten wir nicht antreten.

Bei einem kurzendb_22-095- Stopp db_22-093a-an der Piste bekommen wir zwei neue Fahrgäste. Die beiden Buschhörnchen freuen sich über den Schatten und wir über ein paar schöne Fotos.

Hier wären wir gern noch länger geblieben, doch Pretoriuskop ruft und der Mann am Tor macht pünktlich zu.

In der Küche des Camps kommen wir mit einer Gruppe von Italienern ins Gespräch. Die machen eine ähnliche Rundreise, wie wir sie vorhaben, aber in der halben Zeit. So wie wir, schnell mal 200 km hoch nach Punda Maria fahren, geht da natürlich nicht. Alles muss vorgebucht und streng terminiert sein, dafür haben sie aber auch die Garantie, immer einen Platz zu bekommen.

Dienstag, 23.8.22 (Pretoriuskop-Malelane):  Als wir um 8 Uhr aufstehen, sind die Italiener schon lange auf der Piste.

Unser Programm für heute: da wir keinen Platz auf den Camps mehr bekommen haben, wollen wir den Park nach Süden verlassen. Knapp außerhalb gibt es einen Golfclub, der auch einen kleinen Campingplatz hat. Wolfgang war dort vor einigen Wochen. Nachdenklich stimmte nur das eindringliche Warnschild auf dem Zufahrtsweg. Man solle sich vor fliegenden Golfbällen in Acht nehmen. Aber wie? Soll sich das Auto ducken? Oder den Ball zurückschießen? Seltsam!

Wir fahren gemütlich zurück nach Skukuza. Diesmal sind die Tiere nicht so zahlreich wie gestern Abend.

In Skukuza ist Power-Shopping angesagt. Hier gibt es alle erdenklichen Souvenirs und zudem steht für Suza noch ein Geburtstagsgeschenk aus. Sie wird in wenigen Tagen 18 Jahre und einen Monat alt.

Sicherheitshalber fragen wir in Skukuza noch mal nach einem freien Platz für heute, doch es hat sich über Nacht nichts ergeben, so dass wir nun endgültig beschließen, den Park zu verlassen.

Auf den 80 km zum Malelane-Ausgang machen wir die Big Five voll. In einer Gegend, wo eigentlich immer Nashörner herumstehen, sind wir erfolgreich. Vier dicke Exemplare, friedlich neben der Piste, jedes so schwer wie unser Auto. Während unser Bus zuweilen wegen der vorderen Reserverades „Nasenbär“ genannt wird, kann man das von den Nashörnern nicht behaupten. Deren Hörner wurden wegen des Wilderei-Risikos kurzerhand abgesägt. Das rettet ihr Leben, ist aber eigentlich eine furchtbare Kapitulation vor Verbrechern. Doch weil einige Ostasiaten immer noch glauben wollen, dass Nashornpulver Fieber senkt, ist das wohl unvermeidlich. Die Zwischenhändler und Schmuggler verdienen sich an den Hörnern goldene Nasen und man schafft es offensichtlich nicht, diese Nasen abzusägen.

Big Five in Five Days. Not too bad!

Am Ausgang müssen wir unser Permit abzeichnen lassen und zufällig sitzt hinterm Tresen der Ranger, der Wolfgang vor einigen Wochen die Wildcard verkauft hat, unsere Jahreskarte für die Nationalparks.

Beim Plaudern deutet Wolfgang an, dass wir ja gern noch länger geblieben wären, doch leider seien alle Camps voll. Er wiegt den Kopf, greift zum Telefon und kurz darauf haben wir einen Platz in einem der schönsten Camps des Nationalparks. Sehr klein und nur fünf Kilometer entfernt. Perfekt. Er hat uns wohl auf einen bereits besetzten Platz noch dazu gebucht.

Wir finden im Camp tatsächlich ein freies Plätzchen, doch dann kommt einer der Nachbarn rüber und erzählt uns, dass unten am Zaun ein viel schönerer Platz wäre. Wir gehen runter. Und tatsächlich: Elefanten fressen hinterm Zaun einen Baum kahl, Hyänen kommen vorbei und wir haben viel Platz. Perfekt!

Aus dem Augenwinkel sieht Wolfgang, dass der abgestellte Bus wegrollt. Mist, Handbremse vergessen! Noch in der Schrecksekunde werden plötzlich die Räder eingeschlagen und der Bus rollt mit einer grinsenden Anette auf unseren Platz. Ihre erste Autofahrt mit dem neuen Knie.

Der Abend hat ein anständiges Lagerfeuer und etwas Essbares auf dem Grill verdient. Wir haben uns das verdient. Und auch ein paar nette Drinksdb_22-101-.

Im Laufe des Abends kommen immer wieder mal Hyänen dicht am Zaun vorbei. Es ist für Timo und Suza sicher eine seltsame Vorstellung, dass zwei Meter neben ihnen die Hyänen patrouillieren.

Abends am Feuer kommt von irgendjemandem die Idee, ob wir nicht mal für eine Nacht die Schlafplätze tauschen wollen. Timo und Suza im Bus und Anette und Wolfgang im Zelt. Mmmmh! Ok, für eine Nacht wird es sicher gehen.

Beim Umräumen stellen wir fest, dass nicht nur Timo zu groß für das Zelt ist, sondern auch Wolfgang. Und zu groß für den Schlafsack. Na, das wird eine heitere Nacht.

Mittwoch, 24.8.22 (Malelane):  Heiter ist nicht das richtige Wort. Oma und Opa haben seit Jahrzehnten nicht mehr im Zelt geschlafen und nach dieser Nacht sind sie auch nicht süchtig danach. Man muss wohl ein bisschen stabiler und jünger sein, um das zu genießen. Ein echtes Problem war es aber auch nicht. Nennen wir es eine Herausforderung.

Zumindest eine Hälfte von uns Vieren hat super geschlafen und würde das wohl auch noch länger tun. Verständlicherweise sind die Alten schon früh auf den Beinen – ihre Rücken wieder gerade biegen.

Nach einem ausgiebigen Frühstück fahren wir zum Ausgang. Wolfgang bedankt sich bei dem Ranger, der gestern den freien Platz organisiert hatte und erzählt nebenbei, dass wir ja gern noch länger …

Das ist das dritte Afrika. Alles, was nicht geht, geht trotzdem und umgekehrt. Wir haben einen Platz für die nächste Nacht. Ganz unabhängig davon müssen wir kurz in die nahegelegene Stadt zum Einkaufen.

Wir sind mittags zurück, aber werden den Rest des Tages nicht auf Tierpirsch gehen, sondern es ruhig angehen lassen. Die vergangenen Tage waren übervoll. Heute Abend gibt’s nochmal ein ordentliches Lagerfeuer, bevor wir morgen gen Süden nach KwaZulu-Natal aufbrechen.

Zum Abendessen machen wir Wraps. Suza hat es organisiert. Nachdem alles geschnippelt und vorbereitet ist, beginnt die Sauerei. Manche Wraps sind einigermaßen gelungen und dicht, aber aus den meisten quillt der Inhalt der Schwerkraft folgend heraus. Also vorn über beugen und kleckern lassen. Die Ameisen wollen auch etwas davon haben. Am Ende sind wir pappsatt und es ist nichts übrig geblieben.

Es wird ein langer Abend, wieder mit Elefanten und Hyänen.

Als wir schon längst schlafen, hören wir ein ängstliches Stimmchen vor der Tür. Es ist Timo, der uns erzählt, dass es Suza ziemlich dreckig geht. Sie hat sich gerade heftig übergeben und es scheint noch lange nicht vorbei zu sein. Immerhin hat sie es noch vors Zelt geschafft, wir müssen nur das Zelt ein wenig umsetzen, um das Ergebnis nicht breitzutreten.

Wir holen Suza in den Bus. Ihr geht es wirklich mies. An den Wraps kann es eigentlich nicht gelegen haben, denn sonst meldet niemand Beschwerden.

Da nicht abzusehen ist, dass es für Suza besser wird, werden Timo und Wolfgang im Zelt schlafen und den Damen den Bus überlassen. In dieser Nacht wird Suza noch etliche Male versuchen, etwas herauszuwürgen, was schon lange draußen ist.

Donnerstag, 25.8.22 (Malelane-Mkhondo):  Wir alle schlafen heute nicht besonders gut und kommen erst raus, als die Sonne schon hoch am Himmel steht. Suza geht es besser, aber an Essen oder andere Aktivitäten ist nicht zu denken.

Beim Frühstück beratschlagen wir, wie es weitergehen soll. An sich war geplant, dass wir ein Stündchen nach Barberton fahren. Dort gibt es eine interessante Geologie und eine sehr sehenswerte Piste durch die Berge entlang der Grenze zu Eswatini – früher Swaziland. Hier ist eine der ganz wenigen Stellen auf der Erde, wo man noch über das Urgestein laufen kann, aus der Zeit, als die Erde entstand, vor 3,5 Milliarden Jahren. Aber nach dieser Nacht steht niemandem der Sinn danach.

Wir beschließen, das alles zu streichen, um stattdessen auf dem schnellsten Weg nach Mkhondo zu fahren, 300 km Asphalt außen um die Berge herum. Dort auf dem Camp kann man sich gut ausruhen. Und ein sehr schönes Restaurant gibt es auch, wobei Suza beim Wort Restaurant nur die Augen verdreht.

Ein VW-Bus kann ja auch als Krankenwagen genutzt werden. Liegendtransport. Wir falten das Bett zwar zusammen, weil wir sonst nicht genug Sitzplätze haben, doch überm Motorraum bleibt ein angenehm gewärmtes Plätzchen zum Schlafen. Unser Motor flüstert nicht gerade, doch wenn man entsprechend müde ist, dann brüllt er einem ein Schlaflied ins Ohr.

Es ist ein Irrtum, dass wir um die Berge herum fahren können. Die stehen mitten im Weg und wir müssen über 2000 m hoch klettern. Doch es ist ein großer Unterschied, das auf einer schmalen Piste zu tun oder auf einer sehr breiten Asphaltstraße. Bergauf sind wir zwar gleich schnell, halt 1. Gang, aber bergab können wir es fliegen lassen. Gang raus und der Tacho geht auf über 110 km/h. Das wird von der Durchschnittsgeschwindigkeit her der schnellste Tag in diesen vier Wochen.

Die guten Straßen hier sind nicht für uns Touristen oder für Einheimische gebaut. Die haben Sappi und Mondi, zwei große Papierkonzerne, angelegt, weil sie diese Region nach ihren Zwecken geformt haben. Endlose Holzwüsten, nur von Kahlschlägen unterbrochen. Hier wächst das Klopapier Afrikas. Oder der Milchkarton. Auch der Baustoff für die Wellpappe-Hütten in den „Informal Settlements“, wie die ärmlichsten Slums hier heißen.

Unterwegs passieren wir Amsterdam, was außer dem Namen nichts, gar nichts, mit Amsterdam gemein hat.

Am frühen Abend sind wir in Mkhondo. Das Camp ist noch da und gut wie immer, doch das schöne Restaurant ist den Coronatod gestorben. Sehr schade.

Da es Suza jetzt wesentlich besser geht - sie hat tatsächlich die meiste Zeit geschlafen -, beschließen wir, in das neue Restaurant zu gehen. Das ist innerlich wie äußerlich eher schlicht. Das Essen ebenfalls, doch es ist warm und wir werden satt.

Für heute Nacht ist heftige Kälte angesagt. Deshalb buchen wir für Suza und Timo eine Hütte, was sich im Nachhinein als richtig erweist.

Freitag, 26.8.22 (Mkhondo):  Heute gibt es keinen db_22-103a-Krankentdb_22-104-ransport und auch sonst bleibt der Motor aus. Es ist blauer Himmel und man kann es hier gut aushalten.

Statt Fahrtag ist Waschtag. Und Putztag. Und Aufräumtag. Und Internettag. Und Timo stellt die Welt auf den Kopf.

Samstag, 27.8.22 (Mkhondo-Mkuze):  200 km entfernt wartet der Mkuze Nationalpark auf uns. Keiner der ganz großen Parks, aber wenn man Glück hat, kann man auch hier Interessantes sehen.

Es geht stramm bergab, aber die Straße ist trotz Wochenende ziemlich voll, im Gegensatz zu vorgestern durch den Industriewald. Vor allen Dingen sind es Kohlelaster, die uns bergab reihenweise überholen, doch bergauf rächen wir uns dann unerbittlich. Dies ist die Hauptachse zwischen den Kohlenminen und der Küste.

Das Camp im Mkuze ist riesig und weitgehend leer. Und ein bisschen heruntergekommen, der Pool ist zu einem Tümpel geworden. Vielleicht auch ein Corona-Opfer. No tourists, no money.

In den vergangenen Jahren hatte man im Park viel investiert, selbst kleine Straßen wurden asphaltiert und die Eingänge komplett neu gebaut. Trotz der feinen Straßen verbietet es sich, schnell zu fahren. Große Teile des Parks sind dicht bewaldet, da muss man ganz besonders vorsichtig um die Kurven fahren, damit sich nicht plötzlich eine graue Wand vor einem aufbaut. Wenn die Elefanten auch nur fünf Meter abseits des Weges stehen, sind sie nicht mehr zu sehen. Dafür sind ihre Hinterlassenschaften umso sichtbarer auf den Straßen. Für die Elefanten ist es nämlich viel bequemer, entlang der Straßen zu laufen als durchs Unterholz zu brechen. Deshalb entweder Slalom fahren oder die Kotflügel müssen ihrer Aufgabe nachkommen.

Sonntag, 28.8.22 (Mkuze-Hluhluwe):  Wir merken alle, dass die letzten Tage nicht ohne Anstrengungen waren. Die Lust, jetzt intensiv nach Tieren zu suchen, hält sich in Grenzen.

Stattdessen erklimmen wir drei im Park einen Aussichtsturm. Anette bleibt unten, denn das macht ihr neues Knie noch nicht mit. Oben angekommen haben wir eine wunderbare Sicht auf ein tierloses Afrika. Stattdessen kommt ein Kleinflugzeug zu uns herüber, dreht eine Schleife über unseren Köpfen und wackelt zum Gruß heftig mit den Flügeln. Vermutlich ein Tourist, der sich den Park von oben anschaut. Vielleicht hatte er uns schon einmal gesehen.

Vor vielen Jahren hatte mal ein Zug mit Dampflok neben uns gehalten db_22-108-und der Lokführer hat uns stolz seine Lok vorgeführt, doch ein Flugzeug hat uns bisher noch nicht gegrüßt.

Und wir wissen jetzt, wie unser Auto von oben aussieht.

Im Nationalpark gibt es einen großen See mit etlichen Picknickplätzen und Aussichtsplattformen.db_22-111- Im db_22-112-Park wird zwar auf Schildern deutlich vor den Big Five gewarnt, aber so richtig fürchten tut man sich nicht.

Das ändert sich ein wenig, als uns eine südafrikanische Familie erzählt, dass im Schilf vor den Picknick-Tischen Krokodile wären. Wir halten Abstand, was im Ernstfall aber kein wirklicher Schutz wäre. Wenn die Beißerchen wollen, laufen sie viel schneller als wir. Den Letzten beißen die Krokodile …

Am frühen Nachmittag brechen wir auf und sind zwei Stunden später in Hluhluwe. Das „H“ wird hier wie „Sch“ gesprochen, Schluschluwi. Ganz in der Nähe liegt der gleichnamige Nationalpark. Ein Muss, doch leider gibt es in ihm kein Camp.

Das außerhalb gelegene Bushbaby-Camp, wo wir zwei Tage bleiben wollen, hat seinen Namen zu Recht. Abends kommen Bushbabys zum Fressen. Nicht die ganz kleinen, faustgroßen Knäuel mit den Kulleraugen, sondern die mittelgroßen Nachtäffchen. Sie heißen Bushbabys, weil sich einige von ihnen nachts wie ein schreiendes Baby anhören.

Montag, 29.8.22 (Hluhluwe):  Faultag. Keine Tiere, kein Sightseeing, dafür einkaufen und ein paar kleinere Reparaturen, unter anderem lässt sich die Schiebetür ungewöhnlich schwer schließen. Timo und Wolfgang und ein bisschen Fett schaffen Abhilfe.

Dienstag, 30.8.22 (Hluhluwe-St. Lucia):  Heute geht es in den Hluhluwe-Nationalpark. Normalerweise eine sichere Bank für Nashörner, doch wir sehen kein einziges. Es ist eine schöne Berglandschaft, die Straßen sind einwandfrei, doch die Tiere sind nicht im Dienst.

Auf einem Picknickplatz findet die wohl zurzeit größte Versammlung von Münchnern in Südafrika statt. Wir treffen unabhängig voneinander zwei Familien, die hier mit Leihwagen unterwegs sind. Auch sie haben noch keine Nashörner gesehen.

Auf dem Weg zum Ausgang liegen im Gebüsch ein paar Löwen herum. Faul im Schatten. Doch nach einiger Zeit tut sich etwas. Auf der anderen Straßenseite sind Springböcke unterwegs, die nichts von ihren Nachbarn wissen. Eine Löwin geht auf die Pirsch, kommt aber nicht nah genug an die Springböcke heran. Wir folgen ihr langsam.

Nach einiger Zeit gibt sie auf, schließlich ist an einem Springbock nicht db_22-117-genug dran, um das Rudel satt zu kriegen. Sie dreht um und läuft unmittelbar an unserem Vorderrad vorbei. Kurz Atem anhalten, aber sie weiß ja nicht, dass im Auto wehrlose Beute sitzt. Gut so. Vielleicht hat sie auch über das Funkgerät an ihrem Hals den Hinweis gekriegt, mal ein paar Touristen zu erschrecken.

Am Abend treffen wir in St. Lucia ein, einem der Tourismusschwerpunkte an der Küste des Indischen Ozeans. Hier gibt es mehrere Nationalparks und natürlich eine phantastische Unterwasserwelt. Vor vielen Jahren waren wir hier mal tauchen, doch dazu ist es jetzt viel zu kalt.

Unser Hauptgrund, nach St. Lucia zu fahren, sind die Big Six, also die Big Five und noch einer, der Wal. Im Augenblick ist Walsaison und sie ziehen zu Tausenden an der Küste hoch nach Mocambique zum Kinderkriegen. Walbabys mögen keinedb_22-120- Kälte.

Aber von den Walen haben wir den Kindern noch nichts gesagt, es soll eine Überraschung werden. Sie kriegen nur mit, dass Wolfgang in der Stadt herumläuft, wissen aber nicht warum. Unser Mund ist zugenäht. Doch bei aufmerksamem Lesen der Werbetafeln ahnen sie es.

Es ist zurzeit nur ein Walbeobachtungs-Boot unterwegs, für das wir übermorgen drei Tickets kriegen. Anette will sich das nicht antun, damit es ihr nicht so ergeht wie Suza im Kruger-Park. Der zweite Grund für Anette: sie weiß, wie das Boot ins Wasser kommt.

Hier gibt es nämlich keinen Hafen oder Anleger, sondern nur einen breiten Sandstrand. Als Wolfgang damals zum Tauchen fuhr, musste er in das am Strand auf der Seite liegende Boot klettern, seine Flasche verstauen und sich anschnallen. Ein Traktor kam und schob das Boot mit einer langen Stange vor sich her ins Wasser. Dann wurde die nächste große Welle abgewartet, auf der es mit Vollgas ins tiefe Wasser reiten konnte.

Der Rückweg war vergleichsweise schlicht: Welle abwarten, Vollgas geben, auf den Strand rasen, umkippen.

Das Camp in St. Lucia ist riesig und wohl nur zur südafrikanischen Ferienzeit voll, also Weihnachten. Es ist recht kühl und wir werden heute nicht kochen, sondern den Koch eines Restaurants arbeiten lassen.

Mittwoch, 31.8.22 (St. Lucia):  Wir müssen heute nochmals in die Stadt, um die bisher nur mündlich vereinbarten Tickets zu bezahlen.

Als mittags die Sonne angenehm wärmt, marschieren wir vom Camp ein paar Kilometer Richtung Inder. Der Wind pfeift ganz ordentlich und es ist mühsam, durch den Sand zu laufen. Doch dann sind wir da.

Dicke Wellen rollen auf den menschenleeren Strand und Suza lässt es sich nicht nehmen, bis zu den Knien ins kalte Wasser zu gehen. So fühlt sich also der Indische Ozean an. Suza ist zwar halb erfroren, aber total glücklich. Andererseits ist die Nordsee auch nicht viel anders, nur matschiger. Einsamkeit herrscht allerdings nur jetzt im Winter. Im Sommer sieht das ganz anders aus. Wärmer und voller.

Wale sind nicht zu sehen, obwohl sie definitiv da sind.

Nach ein paar Stunden sind wir wieder zurück, Anette mit leicht schmerzendem Knie.

Donnerstag, 1.9.22 (St. Lucia-Durban):  Heute ist frühes Aufstehen angesagt (5:45 Uhr!), denn wir müssen schon um 7 Uhr am Treffpunkt sein. Man hatte uns dringend geraten, vor der Bootsfahrt auf ein Frühstück zu verzichten. Bei der Kälte wäre draußen zu frühstücken auch kein Spaß gewesen.

Am Treffpunkt dann die schlechte Nachricht: die Dünung ist zu stark. Der Kapitän fürchtet, dass das Boot beim Ins-Wasser-Schieben umkippt.

Mist! Wir kriegen zwar unser Geld zurück überwiesen, doch die Wale hätten wir gern gesehen. Auch in den nächsten Tagen ist keine Wetterbesserung in Sicht.

Dieselbe Firma betreibt ein weiteres Walschiff im nahe gelegenen Richards Bay, wo es einen richtigen Hafen gibt. Ein Anruf klärt auf, dass das keine Alternative ist. Auch dort sind die Wellen einfach zu hoch.

Abhaken und umplanen. Haben wir ja schon öfters gemacht.

Wir entscheiden uns, in einem Rutsch bis nach Durban zu fahren. Dort kann man Fische bewundern, ohne auf einem Boot durchgeschüttelt zu werden. In einem Aquarium. Vielleicht geht auch eine Hafenrundfahrt, schließlich hat Durban den größten Hafen weit und breit, angeblich sogar den größten Afrikas.

Doch jetzt ist erst einmal Frühstück angesagt. Und mittlerweile auch dringend nötig.

Die 300 km bis Durban schaffen wir in wenigen Stunden und machen gleich noch einen Abstecher zum Aquarium, damit wir wissen, wo wir morgen hin müssen.

Zum Camp geht es mitten durch den Berufsverkehr. Endlich mal wieder eine richtige Stadt, die erste Großstadt seit unserer Abfahrt. Es ist laut, unsere Hupe trägt ihren Teil dazu bei, es ist voll, es ist hektisch, doch es ist nicht aggressiv. Hupen und hupen lassen.

Wir finden unseren Weg zum Camp, das leider ganz am anderen Ende der Stadt liegt.

Schon den ganzen Nachmittag hängt Anette ein wenig in den Seilen. Trotz 23° friert sie und fühlt sich schlapp. Suza lernt ja, wie man mit Kranken umgehen muss, macht das Bett fertig und packt Anette unter zwei Decken. Dann Augen zu und gesundschlafen.

Währenddessen machen sich die gesunden drei auf den Weg in ein Einkaufszentrum, wir brauchen Nachschub für die nächsten Tage.

Freitag, 2.9.22 (Durban):  Am Morgen ist Anette wieder wohlauf. Nach dem Frühstück, also kurz vor Mittag, brechen wir zur uShaka Marine World auf. Shaka war der berühmteste Zulu-König und hier wird alles Mögliche mit seinem Namen verbunden. So wie Mozart in Salzburg oder Ludwig in Bayern. Ob Shaka jemals etwas mit Fischen hatte, ist zweifelhaft, er war ein Kriegerkönig.

Die Parkplätze sind riesig und gut bewacht.

Um in das eigentliche Aquarium zu kommen, muss man erst durch zwei Shopping-Center hindurch. uShaka Marine World ist ein Vergnügungspark. Das wichtigste Vergnügen ist das Einkaufsvergnügen, danach kann man sich am Sandstrand vergnügen. Auch das sehr schön gemachte Aquarium ist ein Vergnügen und am Ende die Delphin-Show.

Das Aquarium ist wirklich Spitze. Egal, ob es um Haie in riesigen Becken oder Anemonen und Seepferdchen unter der Lupe geht. Alles ist hdb_22-128-ervorragenddb_22-125- zu sehen und gut erklärt. Auch die Life-Präsentationen sind professionell.

Manche Glaswände sind 20 cm dick, damit sie freitragend ohne Stützen über die ganze Breite reichen. Außerdem sind nur angenehm wenige Besucher unterwegs. Das dürfte am Wochenende ganz anders aussehen.

Zum Abschluss schauen wir uns noch die Delphin-Show an. Auch hier sind die Zuschauerrängedb_22-133- weitgehend leer. Solche Shows haben ja in den letzten Jahren einen durchaus zweifelhaften Ruf bekommen. Die Frage, ob solche Dressuren für intelligente Tiere wie Delphine eine Quälerei oder purer Spieltrieb sind, kann niemand wirklich beantworten. Wir genießen es jedenfalls, sitzen zu dürfen und keine langen Texte lesen zu müssen.

Auf dem Rückweg muss man wieder durch das Shopping-Paradies. Unddb_22-134- dieses Mal wird zugeschlagen. Suza lässt sich ein typisch indisches Henna-Motiv auf den Oberarm malen, denn wir sind hier in der indischsten Stadt Afrikas. Auch Ghandi hat hier seinen politischen Weg begonnen. Und Timo ersteht eine Mütze. Oder heißt das, eine coole Cap? Suza wird jedenfalls heute Nacht auf dem anderen Arm schlafen. Und Timo mit Mütze.

Die Rückfahrt durch Durbans Berufsverkehr macht auch dieses Mal Spaß.

Samstag 3.9.22 (Durban-Ladysmith):  Heute ist eine Entscheidung fällig. Wie wollen wir weiterfahren? Ursprünglich war geplant, von Durban aus quer durch Südafrika in die Kalahari zu fahren. Ein bisschen Wüste muss sein. Leider ist Südafrika nicht so handlich wie Deutschland. Die Kalahari ist 1500 km von hier entfernt. Nochmal fast die gleiche Entfernung zurück nach Pretoria. Und dies alles in gut einer Woche.

Unter den gegebenen Randbedingungen fällt die Entscheidung dann doch relativ leicht. Das nennt man wohl die Macht des Faktischen. Eine Woche rasen ist kein Urlaub.

Der Endpunkt steht fest und das Zwischenziel Sun City wegen des Bades und des Nationalparks auch. Auf dem Weg dahin könnte man durch das an der Grenze nach Lesotho gelegene Hochgebirge fahren. Und ein Schlenker zum Big Hole in Kimberley wäre auch drin. Die Kalahari wird gestrichen, dann sind es nur noch halb so viele Kilometer. Mit einem schnellen Auto wie unserem kein Problem.

Wenn schon keine Wale, dann wenigstens aufs Wasser. Hafenrundfahrt in Durban.

Auf die Idee sind auch viele andere gekommen.db_22-136- Viele db_22-151-Schwarze in Weiß. Warum in Weiß, weiß keiner. Jedenfalls konnte uns das niemand erklären. Ist wohl eine Wochenend-Tradition in Durban. Und Volumen ist angesagt, damit man vom Wind nicht so schnell weggeblasen wird. Während man in Deutschland die Pfunde, die man zu viel zu habendb_22-141- gladb_22-143-ubtdb_22-144-, gern versteckt, werden sie hier lachend und selbstbewusst präsentiert.

Seekrank wird niemand, nur ein wenig nass. Wale gibt’s auch keine.

Also auf nach Norden. Der direkte Weg nach Kimberley ist uns durch Lesotho versperrt. Der Staat hat sich auf einem großen Bergmassiv niedergelassen und ist komplett umgeben von Südafrika. Wir werden ihn im Norden umfahren, mitten durch die Berge, die natürlich ein Nationalpark sind. Giants Castle.

Doch das schaffen wir heute noch nicht, denn wir sind erst nach dem Mittag aus Durban draußen. Und es geht kräftig bergauf. Wir sind zwar nicht die langsamsten, doch gegen die leer vom Hafen zurückfahrenden Lkws haben wir keine Chance. Die brezeln mit Volldampf an uns vorbei.

Es ist schon dunkel, als wir in Ladysmith einrollen. In dieser Gegend haben sich bis vor 100 Jahren die Briten und die Buren die Köpfe eingeschlagen. In jedem Städtchen stehen Denkmäler oder Kanonen herum, die an diese Zeit erinnern. Selbst Ghandi hat hier mitgemischt.

Uns steht der Sinn nach einem friedlichen Camp und einem guten Restaurant. Das Camp finden wir und es ist weitgehend leer. Das mit dem Restaurant ist schon schwieriger. Zwar gibt es viele, doch außer Burgern haben sie nichts.

Dann halt Burger. Und die sind nicht mal schlecht.

Sonntag, 4.9.22 (Ladysmith-Kimberley):  Heute soll es ein langer Ritt werden. Zunächst zum Frühstück hoch in die Berge, dann um Lesotho herum nach Kimberley, der Diamanten-Hauptstadt.

Schon um 7 Uhr läuft der Motor. Noch kurz tanken und dann rauf auf die Hügel. Keine Lkws, die uns überholen (nicht weil wir so schnell sind, sondern weil hier keine fahren). Zwei Stunden später sind wir im Nationalpark am Geier-Restaurant. Das ist db_22-156-eine Fütterungsstelle, wo man hin und wieder ein totes Tier ablegt, um die Geier anzulocken. Ein paar fliegen herum, doch wir werden unser fürstliches Frühstück nicht mit ihnen teilen. Wir sind 2000 m hoch, es ist angenehm warm in der Sonne und wir blicken hinunter auf die Welt. Der Giants Castle Nationalpark ist ein Bergwanderparadies, wir müssen also nicht mit größeren Raubtieren rechnen.

Von nun an geht es bergab, immer entlang der Grenze, durch die Kirschen-Hauptstadt Südafrikas (im Frühling natürlich ohne Kirschen). Die Straße ist einigermaßen ordentlich, doch leider geraten wir aus Versehen auf eine Nebenstraße. Als wir es merken, ist es schon viel zu spät zum Umkehren.

Die Straße ist praktisch nur noch zur Hälfte vorhanden. Loch an Loch. So etwas kannten wir von Zambia und Mocambique, aber nicht von Südafrika. Hätten wir richtig hingeschaut, hätten wir es wissen können. Das Navi sagt: bad potholes. Und genau das ist es.

Auch dieses Elend ist irgendwann zu Ende und wir fliegen regelrecht um Bloemfontein, die Gerichts-Hauptstadt, herum. Die letzten 150 km mehr oder weniger geradeaus direkt in die Sonne.

Kurz nach Einbruch der Dunkelheit haben wir es geschafft. Wir haben in Kimberley zwei Camps zur Auswahl. Das eine wird als heruntergekommen oder aufgegeben beschrieben, also kann das andere nur besser sein.

Weit gefehlt. Es ist eine dreckige Baustelle, offen und dunkel, und niemand ist da. Nur eine Telefonnummer.

Vielleicht doch das offiziell heruntergekommene? Es liegt direkt neben dem großen Diamantenloch. Ein Wächter öffnet uns und im Dämmerlicht erkennen wir, dass es das sehr schöne Camp ist, wo wir früher einige Male waren. Doch heute ist es ein Coronawrack. Es wurde mangels Kunden aufgegeben, doch zurzeit ist man dabei, alles zu modernisieren und wieder funktionsfähig zu machen. Rudimentäre Sanitäranlagen sind da und wir haben eine große Wiese, wo wir uns ausbreiten können. Sooo schlecht ist das nicht, zudem bestens bewacht und in Fußgängerentfernung von der Stadt und dem Big Hole.

Früh aufgestanden und lange gefahren, fast 600 km. Wir sind platt und ziemlich bald in den Betten, zumal es recht kühl ist.

Montag, 5.9.22 (Kimberley-Bloemhof):  Wir müssen auch mal wieder ein paar Meter laufen und beschließen, in die nahegelegene City zu gehen und das Big Hole zu umrunden.

Kimberley ist keine Schönheit. Nicht mehr. Man merkt den wirtschaftlichen Niedergang der letzten Jahre. Viele Geschäfte sind leer, überall liegt Müll herum, die Straßenbahn funktioniert nicht mehr.db_22-157-

Die Hauptattraktion Kimberleys ist das Big Hole, das größte jemals von Menschen gegrabene Loch der Erde. Wobei graben nicht der richtige Begriff ist, denn es war ja Felsen, ein alter Vulkanschlot voller Diamanten.

Heute gibt es ein Besucherzentrum mit Filmvorführungen, Museum und einer Plattform über dem großen Loch, das jetzt ein tiefgelegener db_22-160-grüner See ist. Das Zentrum ist wirklich gut gemacht und hochinteressant, doch irgendwann kann man die viele Information nicht mehr aufnehmen.

Zum Abschluss schauen wir noch in der gepanzerten Schatzkammer vorbei. Hier liegen keine Imitate, sondern richtige Diamanten und Brillanten. Alles ist kameraüberwacht und Wachleute schauen mit Argusaugen auf uns Besucher.

Bei all diesem Aufwand wäre vielleicht auch noch ein deutlich sichtbares Schild „Fotografieren verboten“ drin gewesen. Wir alle übersehen es und Timo macht ein Handyfoto von einer der Auslagen. Sofort steht die Wächterin bei ihm und macht ihm energisch klar, dass das streng verboten sei. Sie ruft über Funk ihren Chef. Timo muss alles löschen, auch den Papierkorb auf seinem Handy. Aber die Freigabe seines Handys darf nur der Chef persönlich anordnen. Und der hat Zeit. Irgendwann kommt er dann, stellt fest, dass wir wohl keine Diamanten-Räuberbande sind und Timo ist entlassen. Oh, Mann, so jung und schon mit einem Bein im Gefängnis. Was soll nur aus ihm werden?

Andererseits: in Südafrika wird so viel geklaut, da kann man die Museumsleute durchaus verstehen, dass sie nicht wollen, dass Informationen über ihre Schatzkammer nach außen dringen.

Am Nachmittag brechen wir auf ins 150 km entfernte Bloemhof. Dort gibt es ein nettes kleines Camp, direkt am Hochufer des Vaal gelegen.

Der Vaal ist der wichtigste Fluss im zentralen Südafrika, denn er liefert das Trinkwasser für die Hauptstadtregion. Das Gebiet nördlich des Vaal, Transvaal, war das Kernland der Buren und damit die Apartheid-Provinz schlechthin. Nach dem Fall der Rassentrennung 1994 wurde der für die Buren symbolhafte Name komplett getilgt. Keine der Nachfolgeprovinzen deutet auf den alten Namen hin. Alle anderen alten Provinznamen sind auch heute noch erkennbar.

Der Fluss, der in einem db_22-161-sehr schönen Sonnenuntergang rot glüht, ist vor ein paar Jahren plötzlich mehr als 10 m höher gestiegen und hat alles unter Wasser gesetzt und mitgerissen, erzählt uns der Campchef. Von dieser Seite droht zurzeit keine Gefahr, aber von der Wetterseite. Es soll heute Nacht saukalt werden. Wir werden im Auto nicht viel davon bemerken, aber für die Kinder buchen wir ein Häuschen.

So müssen wir abends zum Essen nicht draußen sitzen, wir haben eine warme Dusche und Timo kann sich im Bett ganz lang machen. Und eine Waschmaschine gibt es auch. Können wir gut gebrauchen. Leider ist vor der Waschmaschine eine Treppenstufe im Halbdunkel. Anette übersieht sie und rumms, liegt sie auf beiden Knien. Es tut ziemlich weh, aber nicht so sehr, dass man einen massiven Schaden befürchten muss. Später wird sich herausstellen, dass wohl ein Haarriss entstanden ist, der aber nicht behandelt werden muss. Anette wird das Knie in den nächsten Tagen ein wenig schonen.

Dienstag, 6.9.22 (Bloemhof-Pilanesberg):  Es ist niemand erfroren, so dass wir nach dem Frühstück die letzte größere Etappe unter die Räder nehmen können. 400 km quer durch das fette Farmland der Freestate-Provinz nach Sun City. Heute sind Sun City und der angrenzende Pilanesberg-Nationalpark ein Tourismus-Magnet, vor dem Fall der Apartheid war es ein Homeland mit einem Operettenkönig, der alles das erlauben musste, was im streng konservativen Südafrika verboten war. Das Spielcasino gibt es heute noch.

Wir wollen allerdings weder zocken noch auf Weltklasse Golfplätzen golfen, sondern uns den kleinen aber feinen Nationalpark anschauen und zum Abschluss noch einen Tag im Valley of the Waves verbringen, einem Badeparadies der besonderen Art.

Doch erst einmal müssen Kilometer gemacht werden. Am späten Nachmittag landen wir schließlich in Mogwase, einer Kleinstadt neben dem Nationalpark. Einkaufen steht an.

Anette bleibt wegen ihres Knies im Auto und die übrigen drei ziehen los. Wir kriegen alles, nur kein Bier, dazu muss man in einen speziellen Liquor Store. Unterdessen fällt im gesamten Einkaufszentrum der Strom aus bzw. wird von staatlicher Seite abgeschaltet. Strom sparen, weil die Kraftwerke marode sind. Die größeren Läden sind darauf vorbereitet und haben einen knatternden Generator vor der Tür. Der Liquor Store nicht, also durchsuchen wir mit Timos Handy-Taschenlampe den dunklen Laden nach einem Six Pack Windhoek Lager. Die ganze Situation hat einen Einbrecher-Touch. Doch wir zahlen brav unser Bier. In bar, denn die Kasse ist tot.

Das Camp im Nationalpark ist weitgehend leer und wir finden ein schönes Plätzchen für die nächsten beiden Tage.

Wir hören immer wieder mal beim Tanken oder auf Parkplätzen den Satz „I like your car“, doch die Rezeptionistin sagt beim Herausgehen zu Suza „I like your trouser“. Die beiden Damen fachsimpeln über Suzas Lieblingshose und Suza scheint ein bisschen größer geworden zu sein. Jedenfalls kriegen ihre Ohren Besuch von den Mundwinkeln.

Das Besondere an diesem Camp sind die Tiere. Es gibt keinen Zaun zur angrenzenden Wildnis, so dass vor allem nachts immer wieder mal kleinere Herden von Springböcken oder Zebras im Camp grasen. Tagsüber sind vorwiegend Affen zu Besuch, vor allem Paviane, bei denen allerdings Vorsicht geboten ist. Die nehmen es mit Mein und Dein nicht so genau.

Mittwoch, 7.9.22 (Pilanesberg):  Zuerst ins Valley of the Waves oder in den Nationalpark? Die Wettervorhersage nimmt uns die Entscheidung ab. Morgen soll es wärmer werden, also heute in den Nationalpark.

Die ersten Tiere haben wir db_22-165-schon db_22-168-beim Frühstück zu Gast. Timo scheint ein gutes Händchen für Tiere zu haben, nicht nur für jungen Hundedamen.

Gegen Mittag brechen wir auf, um ein bisschen zickzack im Nationalpark herumzufahren. Der Pilanesberg ist ein alter Vulkan von vielleicht 25 km Durchmesser, also ein Zwerg gegenüber Kruger und Co. Doch die Kompaktheit hat durchaus Ihren Reiz. Man muss keine 200 km ins nächste Camp fahren.

Die Natur ist zurzeit eher ausgedörrt. Da es noch nicht so brütend heiß ist, müssen die Tiere nicht jeden Tag zu den Seen und Tümpeln im Park kommen. Aus dem db_22-177-gleichen Grund trauen sich die Hippos tagsüber aus dem Wasser, um zu grasen. Normalerweise meiden sie die pralle Sonne, weil sie ihnen schnell den Pelz verbrennt, doch jetzt führen sie uns sogar ihre Babys vor. Mama wiegt so viel wie unser Auto, da sind die Kleinen auch keine Leichtgewichte. Trotz ihrer gewaltigen Zähne fressen sie nichts als Gras und die Zähne sind reine Argumente, untereinander und gegen unvernünftige Touristen.

Obligatorisch sind im Pilanesberg die Nashörner. Das galt zwar auch für den Hluhluwe-Park, wo sie uns eine lange Nase gezeigt haben, doch hier verhalten sie sich vertragsgemäß.

Rein theoretisch gibt es hier die Big Five, wir bringen es heute aber nur auf die Big Two, Elefanten und Nashödb_22-181-rner.db_22-185-

Wegen des großen Sees in der Mitte des Parks werden zahlreiche Wasservögel angelockt, die man von einer Plattform aus gut beobachten kann. Kormorane, Schreiseeadler, Ibisse, Eisvögel

Am Abend sind wir rechtzeitig im Camp zurück. Nach so viel Fleischbeschau im Park steht uns der Sinn nach Selbigem. Das Restaurant bietet dazu genau das Richtige.

Donnerstag, 8.9.22 (Pilanesberg-Pretoria):  Sicherheitshalber rüsten wir nach dem Frühstück das Zelt ab und packen alles ein, denn wir wissen noch nicht, ob wir die nächste Nacht wieder hier verbringen oder abends bis Pretoria durchfahren.

Nach Sun City müssen wir 20 km um den Park herumfahren. Die Parkplätze am Eingang sind riesig. Und gähnend leer! Man könnte meinen, die Anlage wäre geschlossen, doch die Angestellten versichern uns, das alles in Betrieb sei.

Die Einschienenbahn, die normalerweise die Massen vom Parkplatz in das Zentrum bringt, ist wegen der paar Leutchen natürlich nicht in Betrieb. Nach geraumer Zeit kommt schließlich ein Bus, der aber auch nur halb voll ist.

Auf dem Weg durch das Shopping- und Hotelzentrum zum Valley of Waves kommen leichte Zweifel auf, ob das als Abschluss unserer Runde durch Südafrika eine gute Entscheidung war. Es sind tatsächlich nur ganz wenige Besucher da.

Auch die Einlasskontrolle ins Bad gestaltet sich seltsam. Wir haben zwar unsere Tickets mit, doch wir hätten auch den Rechnungsbeleg mit irgendeiner Nummer mitnehmen müssen. Der liegt im Auto. Erst als wir sie fragen, ob sie ernsthaft wollen, dass wir zum Parkplatz zurücklaufen, haben sie ein Einsehen und lassen uns trotzdem rein.

Wir haben alle kollektiv vergessen, eine Kamera oder ein Handy mitzunehmen, was für sich genommen schon bemerkenswert ist. Ist ein Mensch ohne Handy noch ein Mensch?

So sah es drei Monate später db_DSC073181ausdb_DSC07315.

Egal! Der Anblick vom hochgelegenen Eingang in das Tal ist beeindruckend. Eine große Lagune mit richtigem Sand, Palmen, Inselchen und sehr ordentlichen Wellen. Und es sind auch genug Leute da, um sich nicht einsam zu fühlen.

Ein Hinweisschild sagt, dass das Wasser 17° hat. Ist ok. Umziehen, alle Sachen in ein Schließfach und mal vorsichtig den Fuß ins Wasser gehalten.

Naja!

Neben der Lagune mit den großen Wellen bietet der Park noch ein halbes Dutzend Rutschen. Und nicht zu vergessen, ein über 50 Jahre künstlich bewässerter Hang, der einen dampfenden Regenwald hat entstehen lassen.

Aber erst einmal ein wenig rumlaufen und gucken. Suza im neuen Bikini, Timo in der neuen rosa Badehose. Farbklischees sind auch nicht mehr das, was sie mal waren.

Die Rutschen sind nicht einfach nur ‘ne Röhre mit ein paar Kurven und am Ende Platsch, sondern ein wildes Geschlängel, zum Teil unterirdisch oder stockdunkel, in dem man völlig die Orientierung verliert. Der Gummireifen, in dem man sitzt, dreht sich unmotiviert, ist kaum steuerbar und man saust zum Teil rückwärts bergab. Am Ende wird es schlagartig hell, man landet in einem Becken und muss sich erst einmal orientieren, wo oben und unten ist.

Angst braucht man nicht zu haben, am Anfang und am Ende jeder Rutsche sitzen Lebensretter mit Bildschirmen und überwachen alles. Trotzdem ist der eigene Kontrollverlust ein komisches Gefühl.

Eine der verwegensten Rutschen geht ganz ohne Gummireifen, nur mit Badebekleidung. Kein Tunnel, keine Kurven, einfach nur in die Rinne legen, geradeaus runterrutschen, im Becken landen und fertig. Vielleicht fünf Sekunden, mehr nicht. Hier geht es nicht um den Kontrollverlust, sondern um das Niederringen der eigenen Phantasie. Die Rutsche ist so steil, fast senkrecht, dass man meint, vornüber zu fallen. 20 m in die Tiefe.

Wenn man sich an die Vorgaben hält, nämlich die Hände überkreuz auf die Schultern legt und Kopf streckt, dann kann nichts passieren. Dann sieht man den Absturz erst, wenn man mit Volldampf über die Wasseroberfläche des Auffangbeckens rutscht. Suza hat versucht, mit den Armen den freien Fall zu bremsen und hat wohl auch den Kopf angehoben. Das war nur halbgut. Danach war sie ziemlich blass um die Nase und das Thema Rutschen war für heute erledigt.

Als Wolfgang unten aus dem Wasser steigt, hat er erst einmal vorsichtig auf seine Rückseite gefasst, denn beim letzten Mal klaffte in der Badehose ein großes Loch und Anette musste kichernd die ganze Zeit dicht hinter ihm hergehen. Doch heute ist alles da, wo es sein soll.

Durch die Anlage schlängelt sich ein Fluss, auf dem man sich in einem Gummireifen treiben lassen kann. Das ist das Richtige für Anette wegen ihres Knies und für Suza zum Adrenalin-Abbau.

In der Lagune wird alle paar Minuten nur eine einzige wirklich große Welle gemacht. Alle stehen erwartungsfroh und mit eiskalten Beinen im Wasser und werden entweder von der Welle überrollt oder sie schaffen es, auf der Welle zu reiten und bis ans Ufer zu kommen. Wolfgangs Ritte sind eher Hopser, doch Timo schafft es immer besser, mit den Life-Guards, die hier auch ihren Spaß haben wollen, mitzuhalten.

Nach einer Klettertour durch den Urwald wollen Timo und Wolfgang die beiden letzten Rutschen ausprobieren. Beide starten von einem 20 m hohen Turm.

Für die eine braucht man einen Gummiring für zwei Leute. Wolfgang vorn, Timo hinten. Nein, nicht wegen des Alters, sondern wegen des Gewichts. Zunächst geht es harmlos durch eine gewundene Röhre, um dann plötzlich im freien Fall über eine Kante zu sausen. Man hebt ein wenig ab und spürt kurz die Schwerelosigkeit, bevor es an einer Wand fast senkrecht nach oben geht. Vom höchsten Punkt aus rutscht man nach einem Moment der Ruhe rückwärts in Richtung Auffangbecken.

Sehr schön, wir machen es gleich ein paar Mal.

Die zweite Rutsche ist vergleichsweise simpel und Wolfgang hat sich beim letzten Mal geweigert, da rein zu gehen. Man stellt sich auf eine Bodenplatte in einer senkrechten Glasröhre, Arme überkreuz auf die Schultern, die Röhre wird geschlossen, ein Kopfnicken zum Start und dann klappt der Boden unter einem weg. Freier Fall durch eine Röhre und nach ein paar Sekunden geht es mit Volldampf ins Auffangbecken.

Naja, ganz nett, aber die andere war besser.

Genug gerutscht für heute. Wir müssen allmählich den Rückmarsch antreten. Trotz des kalten Wassers war es nicht unangenehm. Und es war ein würdiger Abschluss.

Kurz vor Sonnenuntergang sind wir am Parkplatz und beschließen, bis Pretoria weiter zu fahren. Wir sind alle ein bisschen geschafft und die Kinder freuen sich, mal wieder in einem richtigen Bett zu schlafen. Die drei Nicht-Fahrer wechseln sich ab, um Wolfgang am Einschlafen zu hindern.

Erfolgreich!

Generell vermeiden wir Fahrten im Dunkeln, von Nachtfahrten in Nationalparks mal abgesehen. Das ist immer ein zusätzliches Risiko. Dieses Mal waren wir genau zwei Mal im Dunkeln unterwegs. Das erste Mal war die Suche nach einem Übernachtungsplatz gleich am ersten Abend und heute, am letzten Fahrttag, ist es das zweite Mal. Dieses Mal jedoch keine steile Piste, sondern eine breite Autobahn.

Freitag, 9.9.22 (Pretoria):  Erstmal ausschlafen. Dann gemütlich frühstücken und überlegen, was wir heute und morgen machen.

Ein paar Souvenirs wären nicht schlecht. Und ein neues Handyglas, Eine Handyhülle. Ein paar Muster auf dem Arm. Dies alles in einem typischen pakistanisch-indischen Markt. Unmengen von kleinen Geschäften, alle übervoll mit Waren. Es gibt nichts, was es nicht gibt. Hier kommt unser Solarladeregler her und auch Suzas Henna-Tattoo.

Samstag, 10.9.22 (Pretoria):  Neben den vielen verschiedenen Afrikas, die wir bisher hatten, fehlt noch eines, das der weißen Siedler und der vielen Kriege.

Vorher bummeln wir jedoch noch ein wenig durch Pretoria. Die Stadt ist das politische Zentrum Südafrikas und bildet zusammen mit der wesentlich größeren Zwillingsschwester Johannesburg das Herz des ganzen südlichen Afrikas. Ein wenig erinnert Pretoria an typisch amerikanische Städte: im Zentrum einige schöne alte Gebäude, die zwischen dem modernen Baumüll aber gar nicht mehr auffallen. Das Ganze wird am Stadtrand umgeben von einem breiten Gürtel aus Autohändlern, Schrottplätzen, Gewerbebetrieben und Fastfood-Läden. Naja, kennen wir ja auch von zu Hause.

Das härteste aber ist: wir bekommen tatsächlich ein Strafmandat über 6 Euro, weil wir beim Parken nicht genau in der Flucht der anderen Autos standen. Wir hätten nie gedacht, dass solche eher deutschen Kategorien hier überhaupt registriert werden. Wenn man sich anschaut, wie hier kreuz und quer gefahren und geparkt wird, wie Ampeln oder Einbahnregelungen frei interpretiert werden, wie man sich durch Geschwindigkeitsbeschränkungen nicht verwirren lässt, dann kann das doch nur ein lustiger Spaß des Polizisten sein, zumal die Stadt weitgehend leer von Autos war. Aber nein, auf dem Zettel steht tatsächlich “not in line parking”

Wir werden dieses merkwürdige Strafmandat natürlich bezahlen, das unafrikanischste, was man sich vorstellen kann.

Weiter zum Voortrekker-Denkmal. Voortrekker nannten sich die burisch-niederländischen Pioniere, die vor knapp 200 Jahren aus der Kapregion aufbrachen, um neues Farmland im Norden zu suchen. Leider lebten dort aber fast überall schon Menschen, die das nicht so prickelnd fanden.

Die Geschichte ist - wie immer - furchtbar komplex und es gibt nicht nur eine Wahrheit. Einen guten Eindruck von der Sicht der Buren bietet das Voortrekker-Denkmal, ein monumentaler Klotz am Rande von Pretoria in der Art des Völkerschlachtdenkmals in Leipzig. Die Botschaft: wir sind die Guten, die anderen die Bösen. Die Buren standen praktisch mit allen im Krieg, was kein Wunder ist, wenn man für sich den Anspruch hat, das auserwählte Volk zu sein. Dieser Heldenmythos war die ursprüngliche die Botschaft des Voortrekker-Denkmals, die heute jedoch eher weichgespült vermittelt wird.

Genug Geschichte. Kofferpacken! Morgen geht es für die Hälfte von uns zurück.

Sonntag, 11.9.22 (Pretoria):  Nach ein paar letzten Einkäufen beim Pakistani im Family Market ist dann endgültig die letzte Runde eingeläutet. Die Koffer sind voll und gepackt. Noch von den Hunden verabschieden, von Elizabeth und Peter und von Afrika (und sich auf die Schule freuen?).

Wir bringen die beiden noch zur Passkontrolle, dann müssen sie Ihren Weg alleine finden. Sie sind ja schon erfahrene Reisende und nicht auf den Mund gefallen. Doch an eines werden sie sich nur schweren Herzens gewöhnen: sie werden nicht mehr mit einem Rollstuhl oder Auto abgeholt und an den Schlangen vorbei gelotst. Dieses Mal müssen sie selber laufen und selber Schlange stehen. Aber auch ohne Krücken kann es recht geil sein ...

Das waren vier ereignisreiche Wochen. Wir hatten vieles so schön geplant - um es mit einem Federstrich einfach über den Haufen zu werden. Und auch die neue Planung hat oft nicht lange gehalten. Doch das ist die Essenz von Afrika. Sich etwas vornehmen, schauen, was geht, und dann etwas anderes machen. Irgendetwas geht nämlich immer. Irgendwie. The African Way of Life.

Es war eine schöne Zeit und wir werden gern daran zurück denken. Und wir Zurückgebliebenen dürfen nicht vergessen, unsere Einkaufsmengen wieder auf ein angemessenes Alte-Leute-Maß zu reduzieren.

Ciao ihr beiden.