Tagebuch 3

Kruger Nationalpark, 16.10.17

Liebe Freunde,

wir sind zurück vom Zurücksein. Sprich: wir waren zwar ein halbes Jahr in Deutschland, sind jetzt aber schon wieder unterwegs in Südafrika. Nun ja, der letzte Bericht ist schon lange fertig, doch anstatt ihn hoch zu laden gab es immer wieder vermeintlich “Wichtigeres” zu tun. Parkett verlegen, Auto reparieren und so’n Zeugs.

Jetzt endlich, in einer ziemlich abgelegenen Gegend an der Grenze zu Mocambique, funktioniert nicht nur das Internet erstaunlich gut, sondern wir haben auch erstaunlich viel Zeit. Unser Bus braucht ja kein Parkett. Und dringende Reparaturen hat er auch nicht nötig, soweit wir wissen. But you’ll never know. Bei 38° muss man es mit der Arbeit auch nicht übertreiben.

Übertreibt es ebenfalls nicht mit der Arbeit. Der Weihnachtsstress ist zwar gut fürs Geschäft, doch man kann auch ohne ganz gut leben. Und genau das tun wir in den nächsten Wochen und melden uns an dieser Stelle, wenn es etwas zu vermelden gibt (z.B. so ‘was: gestern hatten wir 13 Löwen vor und neben dem Auto).

Schöne Grüße aus der Wärme von

Anette & Wolfgang

Tagebuch  18.1. bis 10.3.2017

Mittwoch, 18.1.17 (Loskop Dam Resort):  Nach fünf Wochen bei Elizabeth und Peter, nach fünf Wochen „normalen“ afrikanischen Alltagslebens, nach fünf weitgehend kilometerfreien Wochen, steht uns wieder der Sinn nach Veränderung. Wir verlassen Pretoria Richtung Nordosten, durch eine Gegend, in der wir noch nie waren. Hier gibt es keinen Tourismus und auch keinen Grund dafür. Wir fahren stundenlang durch einen nicht enden wollenden Siedlungsbrei. Keine dichten Bebauungen wie in den Städten, keine klassischen Dörfer, sondern einfach nur überall in der Landschaft verstreut Häuser, Hütten und kleine Felder. Das ist hier der Hinterhof der Metropole Johannesburg/Pretoria. Nicht schmutzig oder ärmlich, aber auch nicht das Gegenteil. Hier lebt, wer in der Stadt Arbeit gefunden hat und er nimmt notgedrungen in Kauf, dass es morgens Stunden dauert, um an diese Arbeit zu kommen.

Wir haben mit Leuten gesprochen, die nachts um drei aufstehen müssen, um gegen sieben Uhr an ihrer Arbeitsstelle zu sein. Und abends das Gleiche in umgekehrter Richtung. Auch wenn die Dinge nicht wirklich vergleichbar sind, doch dasselbe Problem erleben wir ja in München. In den Zentren gibt‘s Arbeit, aber keinen bezahlbaren Wohnraum und im Umland das Gegenteil. Der markanteste Unterschied ist der Maßstab: im Großraum Johannesburg ist alles zehn Mal so groß, im Guten wie im Schlechten.

In Ermangelung eines leistungsfähigen Nahverkehrssystems bleibt hier nur das Auto, entweder das eigene oder das Kleinbustaxi, von denen es hier unendlich viele gibt. Quintessenz: zehnspurige Straßen mit gigantischen Kreuzungsmonstern über drei Etagen, wie wir sie in Europa noch nicht gesehen haben. Und auf allen Fahrbahnen ist Ruh‘. Jedenfalls morgens und abends.

Hier kommt auch das Navi an seine Grenzen. Es reicht nicht, nur zu wissen, ob man sich links oder in der Mitte halten soll, sondern man muss die Fahrbahnen genau abzählen. Die vierte Fahrbahn von rechts (wir haben ja Linksverkehr) ist für uns meistens die richtige, wenn wir geradeaus weiter wollen. Auf der fünften fahren die noch langsameren und auf die sechste müssen wir, wenn wir runter wollen. Oder so ähnlich.

Doch von solchen Problemen sind wir heute meilenweit entfernt. Es geht stundenlang durch mittelpunkts- und gesichtslose Wohngebiete. Auch das Navi kennt viele der Straßen nicht und weigert sich, uns querfeldein zu leiten. Dabei ist die Straße alles andere als neu, doch die Leute, die die Straßen datenmäßig erfassen, haben keinen Sinn darin gesehen, sich in diese Region zu verirren.

Abends landen wir auf einem riesigen Campingplatz an einem See. Alles recht nett und sauber und unendlich leer. Vor einer Woche noch war hier der Weihnachtsurlaubsbär los. Jetzt ist low season, gleich no guests.

Hier erlebt man, dass die alte Apartheid tatsächlich Vergangenheit ist. Schwarze sind hier selbstverständlich nicht mehr ausgeschlossen. Jedenfalls nicht formal. Man findet sie in großer Zahl auf dem Platz. Aber seit hundert Jahren unverändert: die Schwarzen dürfen die Toiletten reinigen und die Weißen sind die Gäste. Die alte, an der Hautfarbe festgemachte Apartheid hat ausgedient. Es lebe die neue soziale Apartheid, die ganz zufällig weitgehend deckungsgleich mit der alten ist. Sie ist die Zündschnur am Pulverfass Südafrika. Leider sorgt die aktuelle südafrikanische Regierung nicht dafür, dass das Pulver weniger wird, ganz im Gegenteil.

Donnerstag, 19.1.17 (Graskop):  Wir sind raus aus dem Großraum Johannesburg und zockeln über kleine Sträßchen und Pisten hoch in die Berge. Es ist hier sehr einsam und der Blick geht weit. Wir sind über 2000m hoch und es ist herrliches Wetter. Endlich wieder Africafeeling.

Über einen ziemlich kaputten Pfad erreichen wir einen typischen Hochgebirgstouristenort für Südafrikaner. Dullstroom. Sehr adrett bis niedlich, mit schönen Restaurants. Man kann draußen sitzen und es sich gut gehen lassen. Wir haben hier schon öfter ein Päuschen eingelegt.

Das Ziel für heute Abend liegt nicht ganz so hoch wie Dullstroom, so um die 1500 m, ist jedoch deutlich grüner und lässt mit einer jährlichen Niederschlagsmenge von über zwei Metern erahnen, dass es keine Wüstenei sein wird. Von dort – Graskop – hat man angeblich einen perfekten Blick runter in das Tal des Blyde River, einem der Touristenmagneten von Südafrika. Wir waren vor 20 Jahren schon einmal da. Mal sehen, ob wir etwas wieder erkennen.

Zwischen Dullstroom und Graskop liegen rund 200 km. Feinster Asphalt, also kein Problem. Leider hat die Natur einigen kleinen Flüsschen empfohlen, sich quer durch die Hochebene zu knabbern. Da die Flüsschen für ihre Aufgabe viel Zeit hatten, haben sie auch gründlich gearbeitet und ordentlich zugebissen. Im Ergebnis heißt das für uns: 700 m schwungvoll abwärts rauschen, den Fluss überqueren und 800 m aufwärts kriechen, dann 1200 m runter und 500 m wieder rauf. Ganz zur Freude der hinter uns Fahrenden. Gut, dass es hierzulande keinen Verkehrsfunk gibt. „Rollendes Hindernis auf der R37 Richtung Graskop. Bitte weiträumig umfahren!“

Trotzdem sind wir am Abend in Graskop und begeistert von dem Campingplatz. Direkt an der Abbruchkante in den Canyon ist ein Swimmingpool in den Felsen gebaut. Vom Beckenrand geht es 500 m nach unten. Herrliches Wetter und herrliche Aussicht.

Freitag, 20.1.17 (Graskop):  Das dicke grüne Moos auf den Steinen hätte uns klar machen müssen, dass das gestrige Wetter hier nicht die Regel ist. Doch heute ist die Regel.

Wir wollten hier ein paar Tage Pause machen, nicht nur wegen uns, sondern auch wegen des Busses, der unbedingt ein wenig Zuwendung braucht. Angesichts des Wetters macht Wolfgang nur das Nötigste, entdeckt jedoch, dass das Getriebe eine ordentliche Menge Öl verloren hat, die sich dank der zügigen Bergabfahrten unter dem Wagen verteilt hat. Wat nu? Ursache unklar und Lösung ebenfalls. db_17-008-Bleibt nur, alles sauber zu machen und weiter zu beobachten.

Die Angestellten des Camps erzählen uns, dass es hier wegen des Klimas zahlreiche Chamäleons gäbe. Stimmt.

Samstag, 21.1.17 (Kruger NP, Pretoriuskop):  Zur Sicherheit decken wir uns mit Getriebeöl ein und verlassen das Regenloch Richtung Krugerpark. Um dem Getriebeproblem auf die Spur zu kommen, sollten wir in einer größeren Stadt sein und besseres Wetter haben.

1000 m tiefer haben wir besseres Wetter. Na ja, es hat jedenfalls aufgehört zu regnen.

Als Getriebetestgelände nehmen wir den Krugerpark, da können wir in aller Ruhe beobachten, ob die Inkontinenz weiterhin besteht oder ob es nur eine vorübergehende Blasenschwäche war.

Dort erleben wir eine seltsame Premiere. Nach dem Eingang stoppen uns zwei Bewaffnete mit Hunden. Nach anfänglichem Unwohlsein entspannt sich die Situation schnell. Sie stellen sich vor und erklären uns, dass sie das Fahrzeug nach Rauschgift und Nashörnern durchsuchen möchten. Eigentlich suchen sie natürlich keine Nashörner, sondern nur Nashorn-Hörner, in unseren Kühlschrank passt so ein Zwei-Tonnen-Tier vermutlich auch nicht hinein.

Doch dann stellt sich schnell heraus, dass die Hunde dieses Mal arbeitslos bleiben, denn die Hundeführer interessieren sich nur für eines, unseren Bus. Wir müssen Ihnen alles erklären, auch wo wir schon überall waren, wo es hin geht und wie Deutschland denn so ist.

Nach zehn Minuten einer netten Unterhaltung dürfen wir weiterfahren. Unbeschnüffelt. Unser Nashorn darf endlich wieder aus dem viel zu engen Kühlschrank, doch unser Rauschgift bleibt, wo es ist. In einer Flasche, auf der „Gordons Dry Gin“ steht.

Am Nachmittag trudeln wir im Pretoriuskop-Camp ein. Das Wetter ist immer noch durchwachsen, der Krugerpark ist fett grün und wir sind auf dem Camp endlich mal nicht die einzigen.

Sonntag, 22.1.17 (Kruger NP, Skukuza):  Wir haben seit Wochen keine Tiere mehr angeguckt. In diesem Sinne sind Hunde keine Tiere. Hühner und Pferde auch nicht.

Aber heute wird das nichts. Die Tiere sind alle grün verschleiert. Ganzkörperschleier. Trotzdem entdeckt Anette von einem Felsen aus mit dem Feldstecher ein Nashorn. Das aus unserem Kühlschrank?

Am Abend sind wir in der Kruger-Hauptstadt Skukuza. Das ist wirklich wie eine kleine Stadt, mit Supermarkt, Restaurants, Bank und Arzt und natürlich Chalets, Hütten und Zeltplätzen. Nur der Elektrozaun rings rum ist ungewöhnlich.

Hier haben wir schon mal Bekannte aus München getroffen. Keiner wusste vom anderen, dass er sich gerade hier herumtreibt. Diesmal erkennen wir niemanden.

Montag, 23.1.17 (Kruger NP, Satara):  Wir haben in Pretoria vergessen, uns mit Malaria-Tabletten einzudecken. Aber auch im Krugerpark ist das kein Problem. Die Ärztin hat welche vorrätig. Nicht nur der Krugerpark ist Malaria-Kampfgebiet, sondern auch unser nächstes Ziel, die Küste des Indischen Ozeans.

Wir arbeiten uns in aller Gemütlichkeit von Skukuza aus nach Norden. Es wird trockener, wir sehen zwar keine spektakulären Tiere, aber genug. Und eine schöne Landschaft ist es außerdem.

Ein beliebter Treffpunkt für alle Reisende sind die Picknickplätze. Da gibt es natürlich Souvenir-Geschäfte, viele Tische und Bänke im Freien, man kann etwas zu essen kaufen oder sich einen Gasgrill leihen und selber brutzeln. Für viele Südafrikaner ein Muss.

Wer sich hier niederlässt – was wir gern und häufig tun – sollte eine eiserne Grundregel nicht vergessen: zwei Leute setzen sich am Tisch immer gegenüber, niemals nebeneinander. Diese Regel zu brechen, wird mit sofortigem Lebensmittelentzug bestraft.

Wir setzen uns natürlich brav gegenüber und beobachten mit großem Spaß, wie uninformierte Touristen ihre Lektionen lernen. Schwups, ist die Wurst weg. Oder der Kuchen. Oder die Kamera. Grüne Meerkatzen, kleine niedliche Äffchen, bringen ihnen bei, wie man sich in der Wildnis zu verhalten hat. Tunlichst sollte nämlich jeder den Bereich hinter dem Rücken seines Gegenübers beobachten, denn die Kerlchen sind verdammt gerissen und flink.

Während wir den anderen beim Lernen zuschauen, lernen wir, dass man anderen nicht beim Lernen zuschauen sollte. Schwups, ist unser Muffin weg und ein niedliches Äffchen freut sich oben im Baum über seinen erfolgreichen Tag.

Mistvieh!

Im Satara Camp, wo wir heute übernachten werden, gibt es einen schönen Swimmingpool und das entsprechende Wetter gleich dazu. Hier kann man bleiben, zumal wir mal wieder waschen müssten. Und dem Getriebe einen Blick spendieren sollten.

Öl läuft nur noch wenig aus und wir wissen inzwischen auch, woher es kommt. Zwei Dichtungen machen nicht mehr, was sie machen sollten. In der nächsten größeren Stadt werden wir uns nach Ersatz umsehen. Bis dahin sind es noch 500 km.

Bei diesem Wetter macht es auch mal wieder Spaß, ein Stück Tier aufs Feuer zu legen. Das kann man hier im Shop kaufen und wir genießen es. Für Südafrikaner im Urlaub ist das Grillen zweimal täglich Pflicht. Manchmal auch dreimal, wobei man den körperlichen Erfolg häufig überdeutlich sehen kann.

Wir genießen es höchstens einmal in der Woche und haben immer Schwierigkeiten, in den Tiefkühltruhen Portionen zu finden, die die Südafrikaner bestenfalls als Probierhappen bezeichnen würden.

Dienstag, 24.1.17 (Kruger NP, Satara):  Heute ist Morning Drive. So nennt man es, wenn man unsittlich früh aufsteht und rausfährt, um den Tieren beim Aufstehen zuzuschauen.

Wir sind kurz nach 6 Uhr draußen und fahren ohne Frühstück los. 30 km entfernt ist ein netter Picknickplatz.

Unterwegs stellen wir fest, dass die Tiere diese Uhrzeit wohl auch als unsittlich empfinden. Wir sehen das, was man beim Herumfahren immer sieht. Die Fahrt über die schmale und gewundene Piste entlang eines Trockenflusses hat allerdings den Charme, dass man nie weiß, ob hinter der nächsten Kurve nicht doch zwei Stoßzähne warten. Oder viele. Das ist der große Unterschied zwischen selber fahren und gefahren werden. Die Profis wissen, wie man sich angemessen verhält. Wir hoffen, dass wir es wissen. Notfalls geordneter Rückzug.

Dieses Mal wird unsere Hoffnung nicht getestet. Trotzdem haben wir uns ein üppiges Frühstuck verdient, mit richtigem Kaffee (den hat keiner hier), Toast, Müsli und so weiter.

Einer der Mitarbeiter, die hier aufpassen, dass sich Menschen und Tiere ordentlich benehmen, weist uns darauf hin, dass wir unter dem Reetdach unseren Benzinkocher nicht betreiben dürfen. Logo, hätten wir auch selber drauf kommen können. Es gibt ja reichlich besser geeignete Plätze.

Mittags sind wir wieder zurück. Der Pool wartet.

Am späten Nachmittag gehen wir auf eine kleine Rundfahrt, vielleicht haben wir ja mehr Glückdb_17-036- als heute früh.

Haben wir. Kurz vor dem Ende der Rundstrecke steht ein kleine gelangweilte Elefantengruppe auf der Piste. Minutenlang stehen sie bewegungslos da und scheinen zu dösen. Dann zupft einer rechts und links ein Blättlein vom Baum und döst weiter. Wir trauen uns nicht daran vorbei, weil wir nicht wissen, ob sie uns als lauten Stinker oder als Majestätsbeleidigung betrachten. Oder ob wir ihnen völlig wurscht sind. Auch ein anderes Fahrzeug steckt in dem gleichen Dilemma. Entweder wir warten, ob sie irgendwann zur Seite gehen oder wir drehen auf der Stelle um und fahren den ganzen Weg zurück. 18:30 Uhr werden nämlich die Tore des Camps geschlossen und Unpünktlichkeit kann die Parkverwaltung überhaupt nicht leiden.

Das andere Auto und wir riskieren es, zu warten, zumal sich ein Elefant langsam in Bewegung setzt. Er überzeugt uns sehr schnell, dasselbe zu tun. Rückwärts. So treibt er uns ein paar hundert Meter vor sich her. Cheffe weiß genau, wer mehr wiegt. Keine Diskussion.

Irgendwann verliert er die Lust, uns Winzlinge zu beachten, und trollt sich seitlich ins Gebüsch. Die anderen mit ihm.

Schnell vorbei huschen, ehe sie wieder Gefallen an dem Spiel finden. Fünf Minuten vor Ablauf des Countdowns sind wir im Camp.

Heute kein Grill, aber ein nettes Feuerchen. Und ein netter Drink, angereichert mit ein wenig von dem Rauschmittel, das der Hund nicht erschnüffelt hat.

Mittwoch, 25.1.17 (Graskop):  Wir starten einen neuen Versuch, das Regenloch Graskop bei schönem Wetter zu erleben, und brechen gleich nach dem Frühstück auf. Luftlinie ist der Ort nur 100 km vom Kruger Park entfernt, doch leider 1000 m höher und die Felswand ist nicht passierbar. Also machen wir uns auf den Umweg über den Abel-Erasmus-Pass. Der zieht sich verdammt lang hin, weil es immer wieder rauf und runter geht. So werden es schließlich mehr als 200 km.

Nachdem wir die Hochebene erreicht haben, finden sich immer wieder schöne Aussichtspunkte runter in die Ebene. Sie heißen bescheidendb_17-048- „World‘s db_17-056-View“ oder „God’s Window“ und man muss überall seinen Obolus entrichten. Die Einheimischen müssen ja von etwas leben, denn außer dem Tourismus gibt es hier nicht viel. Also schauen wir auf die “drei Rondavels/Rundhütten” herunter, drei imposante Zeugenberge. Wir wandern entlang des Blyde Rivers, der in seiner tiefen Felsschlucht die wildesten Formen ausgewaschen hat. In Deutschland nennen wir das Gletschermühlen, doch das Wort Gletscher wirkt hier unpassend.db_17-062-

Uns springt ein seltsames Schild ins Auge. Die Verbote sind eindeutig: Schwimmen und Blumen anbeten. Die Gebote weniger: von der Felswand springen und beim Wiederaufstieg am Handlauf festhalten?

Als wir schließlich am God’s Window ankommen, ist das Wetter so schlecht, dass wir auf dem Hinterreifen kehrt machen. Auf die Welt von oben im Regen können wir gut verzichten, egal, durch wessen Fenster wir gucken.

Und Graskop? Hier hält man sich an die ewige Wettervorhersage. Dauerregen aus allen Löchern.

Wir parken nicht auf den Stellplatz, wo wir letztes Mal waren, weil db_17-064-wir db_17-016-Angst haben, von dort wegen des Matsches nicht wieder weg zu kommen. Auch an den Swimmingpool ist nicht zu denken, obwohl wir ihn ganz für uns allein hätten.

Donnerstag, 26.1.17 (Nelspruit):  Abflug! Es hat die ganze Nacht geregnet und wir stecken im dichten Nebel. Wir haben die Nase voll. Wir hätten zwar gerne mal im Sonnenschein vom Beckenrand ins Tal geschaut, doch Graskop will das offensichtlich nicht.

Also runter ins Tal. Schon nach wenigen Kilometern sind wir durch die Wolken hindurch und 100 km später in der größten Stadt dieser Region. Nelspruit oder Mbombela, wie sie heute heißt.

Gleich auf der Zufahrt lacht uns rechts ein riesiges modernes VW/Audi-Zentrum an. Vielleicht verkaufen die ja sogar Dichtungen fürs Getriebe.

Zu VW vorzudringen, ist gar nicht so einfach. Der Eingang liegt versteckt in einer Seitenstraße und ist schwer gesichert. Wir bekommen einen speziellen Ausweis, den wir innen irgendwo abzeichnen lassen müssen. Wolfgang irrt durch die imposanten und geschäftigen Hallen. Kunden scheint es hier keine zu geben, aber zahlreiche kreuz und quer eilenden Angestellte. Aber auf Nachfrage, wo denn die Ersatzteilen wären, sind alle sehr freundlich. Was der Zweck dieses imposanten Gebäudes ist, erschließt sich nicht sofort. Verkauf ist es eher nicht, Ersatzteillager auch nicht. Vielleicht ein geheimes Forschungszentrum.

Schließlich findet sich eine junge Dame, die an ihrem Computer nachschaut, ob unsere Dichtungen im Lager vorrätig sind.

Sind sie nicht, denn alte VWs werden grundsätzlich nicht undicht. Aber immerhin machen sie uns nicht den Vorschlag, die Dichtungen doch im Sonderangebot zusammen mit einem neuen Auto zu kaufen.

Einer der vorbeikommenden Angestellten bittet Wolfgang mit gedämpfter Stimme ein wenig zur Seite und empfiehlt ihm, die Dichtungen bei „Goldwagen“ zu kaufen. Das ist ein Händler ganz in der Nähe. Da würden alle kaufen.

Mmmh. Ist das jetzt eine ganz raffinierte Kooperation von VW und GW? VW verkauft die großen Dinge und GW kümmert sich um den Kleckerkram?

Zurück am Bus raunt uns ein anderer Werkstattmensch ebenfalls „Goldwagen“ zu.

Goldwagen macht einen sehr kompetenten Eindruck, ist offensichtlich gut organisiert und 10 Minuten später haben wir unsere Dichtungen. Knapp 7 Euro, da kann man nicht meckern.

Das Camp am Rande der Stadt ist sehr groß und sehr leer, außer uns verlieren sind nur ein paar Dauercamper.

Freitag, 27.1.17 (Nelspruit):  Hinterrad hoch, Antriebswelle runter und schon nach kurzer Zeit kommt die fragliche Dichtung zum Vorschein. Aber das war’s dann auch. Trotz Einsatzes immer rüderer Mittel will das Ding nicht heraus. Es dauert Stunden, ehe Wolfgang die jämmerlichen Reste endlich in der Hand hat. Das Mistding hatte sich im Gehäuse regelrecht festgefressen. Die Arbeit war zahnarztlike, arbeiten auf dem Grund einer tiefen Öffnung an einer schlecht zugänglichen Stelle mit einer feinen Schleifmaschine. Leider musste Wolfgang auch noch unter dem Patienten liegen und die Zähne hatte er sich seit 40 Jahren auch nicht mehr geputzt. Der Patient!

Ärgerlicherweise hatte die alte Dichtung auf der Welle, die sie abdichten sollte, eine tiefe Rille eingeschliffen. Deshalb müsste dieses Bauteil ebenfalls erneuert werden. Aber woher nehmen am Freitagnachmittag.

Der Zusammenbau war vergleichsweise simpel. Nach einer Stunde war alles wieder drin, verbunden mit der Hoffnung, dass die neue Dichtung neben der alten Rille aufliegt und wieder dichtet.

Die Abschlussdiagnose nach einer kurzen Testfahrt: dichter, aber nicht dicht. Wir werden also am kommenden Montag in der Stadt versuchen, zwei neue Ersatzteile aufzutreiben. Das könnte schwierig werden.

Samstag, 28.1.17 (Nelspruit):  Der Patient auf der anderen Fahrzeugseite war deutlich kooperativer. Nach ein paar Stunden war die Operation beendet. Auch hier fand sich eine tiefe Rille in der Welle.

Nach einer Testfahrt war klar, dass wir zwar fahren können, aber auf die Dauer müssen wir das Ding wieder richtig dicht kriegen.

Da Nelspruit ja eine moderne Stadt ist, gibt es hier selbstverständlich auch ein flottes Internet. Wolfgang diskutiert unser Getriebeproblem in einem Forum in Deutschland. Dabei kommen viele kluge Antworten zu den Lösungsalternativen. Eine davon: es gibt von einer schwedischen Firma kleine präzise Metallhülsen, die man wie ein Mützchen über die defekte Welle schiebt, so dass die Dichtung wieder eine glatte Fläche zum Dichten hat. Klingt gut und werden wir am Montag klären, neben der Frage, ob wir neue Teile auftreiben können.

Sonntag, 29.1.17 (Nelspruit):  Da wir heute sowieso nichts anderes tun können, machen wir einen Ausflug in den Nachbarort Witrivier. Das soll einerseits ein ganz nettes Städtchen sein, andererseits das Zentrum der Macadamia-Nuss-Produktion in Südafrika.

Die Nettigkeit des Städtchen hält sich in Grenzen und auch nach Macadamia-Bäumen müssen wir suchen. Die Plantagen sind wohl irgendwo im Hinterland versteckt.

Wenigstens war es eine längere Testfahrt, so dass wir jetzt wissen, dass wir trotz der kleinen Undichtigkeit fahren könnten, wenn morgen nichts herauskommt.

Auf der Rückfahrt zum Camp fällt uns an einer Hauswand der Name SKF auf, das ist die gesuchte schwedische Firma. Klingt doch gut.

Montag, 30.1.17 (Barberton):  Als erstes fallen wir noch mal bei VW ein. Dort dringt Wolfgang nach einem längeren Fußmarsch tatsächlich in eine Art Ersatzteilverkauf ein. Sehr versteckt am Ende eines Ganges sitzen einige Leute vor Computern. Sie bemühen sich redlich, können das Teil aber nicht auftreiben, obwohl es in den südafrikanischen VW-Bussen ebenfalls verbaut wurde. Dann kommt noch der inzwischen übliche Goldwagen-Geheimtipp.

Bei Goldwagen das Gleiche. Es gibt keine Neuteile.

Dann also SKF. Die finden die richtige Hülse auch sofort in Ihren Computern, aber nicht in ihrem Lager. Doch sie könnten sie bestellen. In Europa oder Amerika! Als wir kund tun, dass wir nur auf der Durchreise sind, ruft die Dame in der Johannesburger Zentrale von SKF an und erzählt uns freudestrahlend, da wären die Teile ebenfalls vorhanden. Ende der Woche könnten sie hier sein.

Wir entscheiden uns für die Option, jetzt lieber weiter runter an die Küste zu fahren, denn von dort kommen wir auf dem Rückweg ohnehin durch Johannesburg. Das Auto wird schon durchhalten.

Wir fragen noch bei einigen mechanischen Werkstätten vor Ort nach, ob sie diese Hülsen haben und welche Art der Reparatur sie denn alternativ vorschlagen würden. Die Leute geben sich wirklich große Mühe und wenn sie selbst keine Lösung haben, dann schicken sie uns zu einem, der eine haben könnte. Hier werden sie geholfen.

Leider würde jede Vor-Ort-Lösung bedeuten, dass wir bis zum Ende der Woche bewegungsunfähig wären. Wenn wir die Lösung mit den Hülsen nicht gehabt hätten, hätten wir es wohl gemacht. So aber beschließen wir, morgen weiter zu fahren, das Getriebe im Auge zu behalten und das Problem erst in Johannesburg/Pretoria anzugehen.

Zwei Stunden später stehen wir auf einem noch größeren und noch leereren Camp in der Goldgräberstadt Barberton. Wir bummeln ein wenig in der Stadt herum und versuchen vergeblich, einen alten Goldgräbertunnel zu finden, der zum Wanderweg ausgebaut wurde. In einem Informationszentrum erfahren wir, dass wir hier auf dem sog. Grünsteingürtel, einem der ältesten Gesteine der Erde stehen. Die umliegenden Felsen sind 3 ½ Milliarden Jahre alt. Hätte die Dame uns etwas von 3 ½ Millionen Jahren gesagt, wären wir vermutlich ebenso beeindruckt gewesen. Immerhin hat man hier die ältesten Spuren von Leben gefunden.

Dienstag, 31.1.17 (Piet Retief):  Auf in die Berge. In die Grünsteinberge. Zwischen hier und der Küste hat sich die Erde massiv in Falten gelegt. Ist ja auch schon sehr alt.

Auf perfektem Asphalt geht’s aufwärts. Die Berge sind zwar grün, aber nicht wegen der Steine, sondern wegen des sehr schönen Waldes, fast schon Urwaldes. Doch je höher wir kommen, desto mehr überwiegt Industriewald. Wie wir schon von früher wissen, wird hier Papier für die Welt angebaut.

Hin und wieder halten wir für einen Blick unters Getriebe an. Alles einigermaßen dicht.

Immer wieder fahren wir unter den hohen Stützen der einstmals längsten Seilbahn der Welt entlang. Sie wurde vor 80 Jahren von einer Leipziger Firma gebaut und hat bis zur Jahrtausendwende Asbest aus Swaziland nach unten und Kohle nach oben transportiert.

Kurz vor der Grenze nach Swaziland biegen wir in einen kleinen Feldweg ab. In der Vergangenheit sind wir meistens auf der anderen Seite der Grenze entlang gefahren, doch wir vermuten, dass es diesseits die schönere Strecke ist. Wenn Karte und Navi nicht sagen würden, dass diese Piste tatsächlich runter ins Tal führt, hätten wir sie für eine Farmzufahrt gehalten. Einige Einheimische am Wegesrand schauen uns auch etwas fragend hinterher.

Für die nächsten Stunden gibt’s keine anderen Autos. Nur Wald und schöne Berge, am Anfang von oben, am Ende von unten. Hin und wieder ein paar Hütten, deren Einwohner vom Ackerbau an den steilen Hängen leben. Auch mal ein richtiges Dorf, mit einem Schlagbaum am Eingang, der uns ohne Nachfrage geöffnet wird. Der arme Kerl hat schon den ganzen Tag hier gesessen und sicher auf uns gewartet. Er hätte uns wenigstens fragen können, woher wir kommen und wohin wir wollen, denn solche kleinen Begegnungen am Wegesrand sind bei Afrikanern durchaus beliebt.

Im Tal angekommen sind wir nur noch 700 m hoch und gehen davon aus, dass es ab jetzt mehr oder weniger flach nach Amsterdam geht. Amsterdam und Berge, das passt ja auch nicht zusammen.

In Afrika schon. Da die alte Dame Erde speziell in dieser Gegend schon viele Jahre auf dem faltigen Antlitz hat, müssen wir noch über eine weitere Falte drüber. Die nächsten 1000 Höhenmeter sind auf keiner unserer Karten eingezeichnet. Die Fahrerei zieht sich ganz schön lang hin, weil die Piste sehr steinig und ausgefahren ist. Hier erweist sich das Navi als genial, denn wenn wir schon auf kleinen Wegen fahren müssen, dann können wir auch Abkürzungen über noch kleinere nehmen. Die sind nicht so ausgefahren wie die Hauptpisten und führen mitten durch das pralle afrikanische Landleben. Ohne Navi würden wir hier nie wieder heraus finden, die Wege zwischen den Feldern sind ja auch in keiner Karte eingezeichnet. Mit Navi haben wir die (Schein-?)Sicherheit, dass es hinter dem nächsten Hügel auch weitergeht.

Schließlich biegen wir von einem kleinen Feldweg in die Nationalstraße 17 ein. Die Neuzeit hat uns wieder. Das merken wir auch an den großen Hinweistafeln an der Straße, die uns dringend vor dem Anhalten warnen. Hier ist ein Kriminalitäts-Hotspot. Raubüberfälle? Car-Napping? Wir werden also die 100 km nach Amsterdam nicht über die einsamen Feldwege fahren, sondern stattdessen über die schnellere und hoffentlich sicherere Nationalstraße.

Amsterdam hat so ganz und gar nichts mit Amsterdam zu tun. Ein unscheinbares Landwirtschaftsstädtchen in den Bergen, keine Grachten und keine Windmühlen, nur ein Name. Eine Stunde weiter liegt Piet Retief. Auch nicht viel mehr als Amsterdam, jedoch mit einem großen Unterschied: einem kleinen, aber sehr schönen Campingplatz. Rasen, nettes Restaurant, Pool, Hühner, Schafe, Ziegen.

Eigentlich bräuchten wir mal wieder eine kleine Auszeit vom Urlaub.

Mittwoch, 1. und Donnerstag, 2.2.17 (Piet Retief):  Auszeit.

Freitag, 3.2.17 (Ithala NP):  Es wird unruhig im Camp. Ein Bagger reißt den Boden auf, um ein Abwasserrohr zu verlegen, und wir nehmen Reißaus. Ein paar wilde Tiere wären mal wieder angenehm. Der nächste Nationalpark heißt Ithala, ist Luftlinie keine 70 km entfernt und sehr wenig besucht.

Alles auf Asphalt, trotzdem brauchen wir vier Stunden, weil wir in einem großen Kringel einmal im Kreis fahren müssen, um zum Eingang zu kommen.

Außerdem müssen wir immer wieder anhalten, um einen äußerst lästigen Schreihals hinten im Auto ausfindig zu machen. Zwischen 60 und 80 km/h fängt er nervend an zu zetern. Wer oder was den Krawall macht, wissen wir nicht. Es scheint vom Hubdach zu kommen und ist so laut, dass man nicht mehr weiterfahren mag. Um es kurz zu machen: wir kriegen es auch nicht heraus, doch es ist fast weg, wenn wir das Hubdach sehr fest auf das Dach des Busses pressen und ein wenig abkleben.

Und überhaupt ist dem Auto die Auszeit wohl nicht so gut bekommen. An einem steilen Anstieg verweigert der Motor ganz einfach seinen Dienst. Schluss. Aus. Feierabend. Es scheint ein Benzinproblem zu sein. Oder ein Vergaserproblem. Oder ein Benzinpumpenproblem. Oder etwas ganz anderes.

Wir bauen am Straßenrand einige der möglichen Delinquenten aus, können aber nichts Auffälliges finden. Doch nach dem Zusammenbau läuft der Motor wieder einwandfrei. Die Ursache bleibt schleierhaft. Vielleicht hat der Schreihals von vorhin etwas damit zu tun?

Vor dem Nationalpark geht es noch einmal sehr lang und sehr steil bergab. Da müssen wir uns morgen wieder hoch quälen. Glücklicherweise ist kein anderes Auto unterwegs.

Am Eingang werden wir sehr nett empfangen und buchen für die Nacht einen Campingplatz. Andere Gäste? Nein, zurzeit nicht.

Die Pisten sind schmal und an den steilsten Stellen betoniert, doch Gegenverkehr ist ja nicht zu befürchten.

Über dem Nationalpark thront eine gewaltige Felswand, oben 1000 m höher als das Tal. Es gibt mehrere schöne Aussichtspunkte, einige eher scheue Tiere, ansonsten dominiert eine grandiose Einsamkeit.

Für den Weg zum Camp haben wir zwei Alternativen. Die lange Strecke für normale Autos oder die kürzere Variante für Vierradantriebe. Da wir ja auch vier Räder haben, geht’s auf die kürzere.

Null Problemo, wir brauchen lediglich unsere Bodenfreiheit wegen der Steine.

Das Camp macht einen sehr guten Eindruck. Zwar gibt es keinen Strom (zu weit weg), doch viel Platz, sehr ordentliche Sanitäranlagen und sogar heiße Duschen.

Außer uns ist ja niemand anderes hier. Wobei das nicht ganz richtig ist. Auf der Wiese direkt neben uns richtet sich gerade eine Herde Antilopen für die Nacht ein, was darauf schließen lässt, dass es hier nicht gefährlich ist.

Samstag, 4.2.17 (Mkuze NP):  Nach dem einsamen, weil antilopenlosen Frühstück db_17-074-machen wir uns auf den Weg an den Fuß der großen Felswand. Dort soll es Nashörner geben. An mehreren Stellen entlang der Piste stehen Bänke, um in aller Ruhe die Aussicht zu genießen. Nashörner sehen wir zwar keine, doch manchmal liegt das Sehenswerte viel näher als man denkt. Anstatt der grauen Zwei-Tonner finden wir grellbunte Zwei-Grammer.

Die Hersteller von Bänken müssen sich normalerweise nur darum kümmern, dass ihre Produkte stabil sind und schön aussehen. Hier kommt noch eine ganz ungewöhnliche Eigenschaft dazu: die Bänke müssen bissfest sein. Wer an ihnen herum knabbert, wissen wir nicht, aber er scheint ganz kräftige Zähne zu haben.

Auf der Weiterfahrt sehen wir zwar weiterhin keine Nashörner, finden aber sichere Zeichen, dass es sie hier gibt. Die Pisten sind vollgesch…. Und wenn ein Nashorn etwas fallen lässt, dann ist das ein mächtiger Haufen. Nun darf man sich die Hinterlassenschaften von Nashörnern nicht wie die von Hunden, nur zehn Mal so groß, vorstellen. Es ist einfach nur ein großer Haufen Heu, der sich wie ein Polster auf der Piste verteilt.db_17-080-

Durch diese Haufen fährt man tunlichst nicht hindurch, sondern brav außen herum. Nicht, weil der Kot ansonsten Flügel bekommt, sondern weil darin mächtig gearbeitet wird. Es ist sogar durch die Verkehrsregeln vorgeschrieben.

Am anderen Ende des Nationalparks, an der tiefsten Stelle unten am Grenzfluss, kann man noch ahnen, dass es hier vor Kurzem ganz anders aussah. Ein riesiger menschenleerer Picknickplatz, auf dem vor wenigen Wochen noch das Leben getobt hat. Im südafrikanischen Weihnachtsurlaub kriegt man hier kein Bein mehr an die Erde.

Es ist ein wenig seltsam, hier mitten in der Wildnis zu stehen und zu wissen, dass weit und breit niemand anderes ist.

Angeblich gibt es hier auch Elefanten, jedenfalls wird am Eingang davor gewarnt, näher als 100 m heranzufahren. Für uns bleibt es bei einer schönen einsamen Landschaft mit Antilopen und Zebras.

Zwar gibt es einen Seitenausgang aus dem Nationalpark, der direkt ohne große Kletterei auf die Nationalstraße führt, doch den dürfen wir nicht benutzen. Schade. Also kraxeln wir sehr gemächlich hoch auf den Berg, um an der anderen Seite wieder herunter zu rollen.

Wir sind etwas knapp dran, denn wir haben beschlossen, noch heute Abend die 130 km in den Mkuze Nationalpark zu fahren. Zwischen hier und dort sind nämlich kaum Übernachtungsmöglichkeiten.

Es sind noch drei Stunden Zeit, bis der Nationalpark geschlossen wird, also kein Problem. Es läuft zügig.

Bis es nicht mehr zügig läuft. Genauer: gar nicht mehr läuft. Wieder an einem steilen Hang und wieder geht der Motor einfach aus. Und wieder haben wir keine Ahnung, was los ist.

Das gleiche Spiel wie neulich, diesmal mit Zuschauern. Vergaser raus, zerlegen und hoffen, dass wir etwas Auffälliges finden. Irgendetwas.

Dieses Mal haben wir Glück und stochern aus einer der Vergaserdüsen ein 2 mm großes Stück einer durchsichtigen Kunststofffolie heraus. Fast unsichtbar macht es den Durchgang komplett zu und nichts geht mehr.

Woher kommt das Zeug? Im Vergaser finden sich noch weitere kleine Stückchen. An sich sollten die Benzinfilter nichts hindurch lassen.

Nach eineinhalb Stunden ist alles wieder eingebaut, der Motor läuft und wir verabschieden uns. Jetzt müssen wir auf die Tube drücken, sonst macht der Park vor uns zu. Bergab klappt das auch ganz gut. Leider kommt uns neben den Anstiegen auch noch ein 30 km langes Stück Piste dazwischen. Heute ist wirklich der Wurm drin.

Die letzten Kilometer auf Asphalt lassen wir den Bus so richtig laufen, denn der Vergaser ist brav. Kurz vor dem Nationalpark wird es noch einmal sehr holperig. Nach der letzten Kurve sehen wir gerade noch, wie ein Mitarbeiter das Tor für heute schließt, denn ab 19 Uhr ist Fahrverbot und jetzt ist es schon ein paar Minuten danach.

Am Tor angekommen schaut er noch einmal fragend durchs Gitter. „Wollt Ihr etwa noch ‘rein?“.

Er schiebt das Tor wieder auf und fragt, ob wir ihn bis zum Camp mitnehmen könnten. Können wir! Das ist doch mal eine klassische Win-Win-Situation. Er braucht den Kilometer nicht durch den Wald zu laufen und wir müssen nicht vorm Eingang schlafen.

Manchmal können selbst in Afrika Sekunden entscheidend sein. Nur ein wenig später und wir hätten vorm verschlossenen Tor gestanden.

Sonntag, 5.2.17 (Mkuze NP):  Heute ist Sonntag, da stehen wir immer etwas später als sonst auf. 7:30 Uhr ;-).

Wir kennen den Nationalpark schon lange und waren oft hier. Dieses Mal fällt uns auf, db_17-086-dass viel Geld für die Infrastruktur in die Hand genommen wurde. Die Straßen und Pisten sind perfekt und auch die zahlreichen neuen Unterstände zur Tierbeobachtung. Es gibt schöne neue Picknickplätze, wo man den Besuchern mit viel Phantasie verdeutlicht, dass ein Picknick in der – uneingezäunten – Wildnis nie ohne Risiko ist.

Obwohl der Park wirklich gut in Schuss ist und eine sehr schöne Landschaft bietet, sind vergleichsweise wenige Touristen unterwegs. Auch das Tierleben ist ok, uns läuft sogar ein Nashorn über den Weg. Vielleicht liegt es am Wetter, da könnte die Parkverwaltung noch ein wenig nachbessern.

Der Park hat noch etwas zu bieten, was wir seit längerem nicht mehr hatten. Auf einem Hügel direkt neben einem Beobachtungsturm haben wir exzellenten Internet-Empfang. Ohne Probleme können wir unsere Website aktualisieren, vorher natürlich den Virenscanner und das Betriebssystem. Und das alles in der höchsten Geschwindigkeitsstufe, obwohl wir hier etliche Kilometer vom nächsten Ort entfernt sind, wirklich mitten im Busch.

Bei unserem ersten Besuch vor 24 Jahren gab es noch nicht einmal elektrischen Strom im Camp und weil die Sanitäranlagen ziemlich marode waren, haben wir mit unserer Wasserpumpe eine eigene Buschdusche gebaut. Die Kommunikation mit Zuhause beschränkte sich auf die Abgabe von Postkarten und Briefen direkt am Postschalter der nächsten größeren Stadt, immer hoffend, dass die Post nicht wesentlich länger braucht, als unsere Reise dauert. Und immer brav die Briefmarken mit Kuli durchgestrichen, damit niemand auf die Idee kommt, die Marken abzulösen und wieder zu verkaufen.

Das muss hundert Jahre her sein.

Montag, 6.2.17 (Sodwana NP):  Das Wetter überzeugt uns immer noch nicht und wir verlassen am frühen Nachmittag den Mkuze Nationalpark durch den Hintereingang. Auch hier sieht man, dass die Verwaltung richtig Geld in die Hand nimmt, um alles tip top zu machen. Vielleicht hat das alles damit zu tun, dass die Regierung vor ein paar Jahren beschlossen hat, all‘ die kleinen und größeren Nationalparks dieser Gegend zu einem ganz großen zusammenzufassen: Isimangaliso. Den Namen wird man sich merken müssen, denn an Attraktivität kann er es sicher mit den anderen großen Namen aufnehmen.

Am Nachmittag kommen wir in Sodwana an. Das ist einer der künftigen Isimangaliso-Bestandteile. Er zieht sich entlang der Küste und umfasst auch Korallenriffe.

Als unangenehm empfinden wir es, dass man an mehreren Schranken für irgendetwas bezahlen muss. Erklärungen gibt es keine. Auch das Camp ist ziemlich furchtbar. Es ist riesengroß, angeblich das größte auf der Südhalbkugel, es ist lausig beschildert, viele Wege sind tiefsandig und die meisten Stellplätze sind einfach nur Höhlen im undurchdringlichen Busch. Und es ist völlig leer.

Wir stellen uns mitten auf eine Wiese. Für eine Nacht wird es schon gehen.

Zum Sonnenuntergang wollen wir runter zum Strand. Wir hören zwar das Rauschen der Wellen, finden aber keinen Weg ans Wasser. Jeder Pfad endet in einer Höhle oder auf einer Wiese oder geht im Kreise. Wir ahnten ja schon, dass dieses Unterfangen nicht ganz leicht sein wird und haben zur Sicherheit unser Navi mitgenommen. Doch wir schaffen es nicht, uns die 200 m bis zum Strand durchzuschlagen und geben nach einer halben entnervt Stunde auf. Ohne Navi hätten wir unser Auto nicht wiedergefunden, weil es hier überall gleich aussieht.

Dienstag, 7.2.17 (Ndumo NP):  Sodwana kann uns geklaut werden. Das ist einfach nicht unser Camp.

Auf dem Weg nach draußen machen wir noch einen Abstecher an den Strand, von wo aus die Tauchboote starten. Immerhin ist der ausgeschildert.

Hier waren wir vor vielen Jahren sogar ‘mal tauchen, doch Wolfgang hat nicht die besten Erinnerungen an den Tauchgang. Der geliehene Tauchanzug war für Hochschwangere, die Tarierweste hat nicht richtig funktioniert, es war saukalt und allein die Bootsfahrt zum Riff hat eine halbe Stunde gedauert, was bei dem starken Wellengang wahrlich kein Vergnügen war.

Die Bootsfahrt ist auch heute noch lang und abenteuerlich. Da es keinen Anleger gibt, wird das Schlauchboot mit den Tauchern vom Strand aus mit einem Traktor in die nächste große Welle geschubst. Auf dem Rückweg wartet der Bootsführer, bis er abermals eine große Welle findet und reitet auf der mit Vollgas bis auf den Sand.

Auf der Ausfahrt müssen wir noch einmal etwas bezahlen, was wir angeblich gestern hätten bezahlen müssen. Und warum hat man uns das nicht gestern gesagt? Sodwana bleibt unschön.

Am Nachmittag laufen wir im Ndumu Nationalpark ein. Na ja, eigentlich machen wir erst einmal eine Stadtrundfahrt und als der Weg in ein militärischen Sperrgebiet führt, erklärt man uns, dass es seit Kurzem eine neue Zufahrt gäbe. Wir waren vor über 20 Jahren schon einmal hier und seitdem hat sich die Region gewaltig verändert. Damals sind wir auf kleinen Pisten in diese abgelegene Gegend gefahren, eingeklemmt im Länderdreieck zwischen Mocambique und Swaziland. Andere Touristen? Fehlanzeige.

Heute ist aus dem kleinen Dorf ein properes Städtchen geworden, die Straßen sind bestens in Schuss und das Camp im Nationalpark macht einen sehr guten Eindruck. Hier ist es innerhalb einer Generation deutlich vorangegangen.db_17-103-

Es sind nach wie vor nur sehr wenige Gäste im Nationalpark, was sicher auch mit der Lage fernab von den touristischen Brennpunkten zu tun hat. Für uns hat das den Vorteil, dass wir auf den Pisten nicht ständig andere Autos treffen und die freie Auswahl bei geführten Wanderungen und Nachtfahrten haben.

Auch den sehr schön gelegenen Swimmingpool haben wir für uns allein.

Mittwoch, 8.2.17 (Ndumo NP):  Am Vormittag fahren wir auf eigene Faust in den abgelegenen Ecken desdb_17-106-a Nationalparks db_17-109-herum. Wir treffen für Stunden niemanden, aber auch die Tierwelt ist nicht allzu üppig. Das liegt sicher auch daran, dass der Park ziemlich dicht bewachsen ist. Speziell an den Flussufern stehen gewaltige Bäume herum und es hat etwas Märchenhaftes, wenn man durch die engen grünen Tunnel fährt, immer höchst aufmerksam, damit man hinter der nächsten Kurve nicht von größeren Vierbeinern überrascht wird. Immer wieder mal huscht oder flattert ein Farbfleck durch die Äste, denn der Park ist ein Paradies für Vogelliebhaber.

Am späten Nachmittag starten wir auf eine geführte Tour, die bis in die Nacht hinein dauern wird. Der Fahrer und Guide darf Wege fahren, die für andere Fahrzeuge gesperrt sind. Und vor allem zeigt er uns viele Tiere, die wir auf eigene Faust nie bemerkt hätten. Oft hat er nur im Vorbeifahren ein Geräusch gehört und weiß sofort, welcher Vogel das ist und wo er gleich auftauchen wird. Die Jungs sind halt Profis.

Richtig ins Schwitzen kommt der Guide aber nach Einbruch der Dunkelheit, wenn er in der einen Hand den Suchscheinwerfer hält und die Bäume absucht und mit der anderen den Geländewagen manövrieren muss. Das ist manchmal Schwerarbeit. Spektakuläre Begegnungen haben wir zwar nicht, sehen aber viele kleine oder seltsame Tiere. Rüsselhündchen, die aussehen wie eine Mischung aus Maus und Elefant, grellbunte Malachiteisvögel, ein paar verärgerte Hippos und einige langhaarige Samangoaffen.

Als wir nach dreieinhalb Stunden im Camp zurück sind, wissen wir, dass ein guter Geländewagen zwar überall durchkommt, dass wir in unserem Bus aber bequemer und leiser unterwegs sind.

Donnerstag, 9.2.17 (St. Lucia NP):  Heute Morgen haben wir verabredet, dass wir mit einem Führer für ein paar Stunden zu Fuß durch den Busch wandern Und morgens heißt wirklich morgens. 5:20 Uhr aufstehen, 6:00 Uhr Start. Unser Führer heißt Sonto Tembe und ist unter Vogelliebhabern eine Berühmtheit. Er macht das schon seit Jahrzehnten und kann, wie wir später feststellen werden, ein paar unglaubliche Dinge.

Zunächst müssen wir in das Gebiet des Flusses, an dem wir entlang marschieren wollen. Ob wir ein geländegängiges Auto hätten? Na klar! Vom Beifahrersitz dirigiert er uns auf Wegen, die wir eigentlich nicht fahren dürfen, immer tiefer in den Wald hinein. Wir können auf dem Navi verfolgen, wie wir immer näher an den Fluss heran kommen; Sonto braucht keine Karte, denn er kennt hier jeden Baum.db_17-119-

Dann sollen wir den Bus am Rand einer Lichtung ins Gebüsch drücken. Ab jetzt geht es zu Fuß weiter.

Die erste Amtshandlung Sontos nach dem Aussteigen ist es, sein Gewehr zu laden und zu sichern. Wir sind hier im Busch!

Er lauscht und zeigt in eine Richtung, aus der er Samangoaffen hört. Wir lauschen ebenfalls angestrengt, hören aber nichts. Ein paar Minuten später stehen wir unter ihnen.

Und dann gibt uns Sonto eine beeindruckende Vorstellung. Er hört einen Vogel zwitschern und macht den Gesang perfekt nach. So perfekt, dass der Vogel antwortet. Natürlich weiß er, dass das ein Sowieso-Weibchen bei der Futtersuche ist und macht gleich noch das Männchen nach. Schließlich setzt er noch einen drauf, zeigt uns - ohne zu suchen - den Vogel ín seinem abgegriffenen Buch, holt ein kleines elektronisches Gerät, das aussieht wie ein Fieberthermometer, aus der Tasche und hält es auf das Foto des Vogels. Jetzt macht das Gerät dasselbe wie Sonto, nämlich das Vogelgezwitscher nach, ebenfalls perfekt und ebenfalls von dem richtigen Vogel beantwortet.

Perfekte Stimmenimitation und High Tech mitten im Busch. Wir sind ziemlich verblüfft.

Auf dem weiteren Weg durchs Unterholz zeigt uns Sonto noch etliche Vögel, die wir ohne ihn weder gesehen noch identifiziert hätten. Unter anderem eine äußerst seltene Fischeule, also eine Eule, die, was einmalig ist, des Nachts Fische fängt.

Wir erinnern uns, dass wir immer wieder ‘mal zwei markante Vogelstimmen gehört haben, aber nicht wissen wie der zugehörige Vogel aussieht oder heißt. Kaum haben wir wenige Töne vorgemacht, zwitschert Sonto die ganze Melodie. Der eine Vogel, den wir “Tonleiter” genannt haben, weil er immer ganz langsam und unregelmäßig die Tonleiter von oben nach unten durchspielt, heißt von nun an ganz profan Bronzeflecktaube. Und der andere, von uns “quietschende Riemenscheibe” genannt, ist ein Redfronted Barbet, auf Deutsch ein Feuerstirn-Bartvogel. Den haben wir hin und wieder mal gesehen, wussten aber nicht, dass er Riemenscheiben-Imitator ist.db_17-114-

Sonto hackt fleißig mit der Machete, die hier Panga heißt, den Weg frei, damit Anette nicht von meuchelnden Spinnen angefallen wird. Zwei Stunden später sind wir wieder am Bus. Ohne Karte, ohne Navi, ganz einfach gefunden.

Wir wollen trotz der mäßigen Erfahrungen in Sodwana noch einmal an die Küste des Indischen Ozeans. Ein paar Stunden weg von hier liegt St. Lucia direkt am Wasser, vielleicht schaffen wir es dort, die Füße mal in den Inder zu halten. Viel mehr als Füße wird nicht gehen, wenn wir nicht als Fischfutter enden wollen.

Die Straße wickelt sich ganz prächtig rauf und runter und es passiert das, was wir schon zur Genüge kennen. An einer wirklich blöden Steilstelle bleiben wir mitten im Berufsverkehr hängen. Motor aus. Vergaser raus. Inzwischen ein eingeübtes Ritual.

Es ist wieder Dreck in einer Düse. Wir suchen schon seit längerem einen neuen Filter, doch wir werden uns wohl bis in die nächste Stadt durchschlagen müssen.

St. Lucia ist zwar nicht diese Stadt, trotzdem ganz nett, mit einem sehr breiten Strand, einem ganz hübschen Camp und guten Restaurants. Der einzige Haken: wegen drohender Verlandung der Lagune sind unzählige riesige Bagger dabei, den Durchgang zum Meer wieder zu verbreitern. Mit der entsprechenden Geräuschkulisse.

Freitag, 10.2.17 (St. Lucia NP):  Es gibt einen schönen aufgeständerten Holzweg durch die Mangroven mit Blick aufs Meer. Am Zugang ein großes Schild: keine alkoholischen Getränke. Schade, dass wir nicht lesen können. Ein Sundowner ohne Gin ist kein Sundowner.

Samstag, 11.2.17 (Richards Bay):  Früh raus und schon um 9 Uhr sind wir im Hluhluwe Nationalpark. Der hat eigentlich eine Nashorn-Garantie, doch dieses Mal tun wir uns schwer. Die Pisten sind sehr gut, die Berge recht ansehnlich und es ist ziemlich grün. Zu grün! Das hatten wir ja schon im Kruger Park. Trotzdem laufen uns natürlich ein paar Nashörner über den Weg. Hier haben wir vor Jahren einmal gesehen, wie ein einziges schlecht gelauntes Nashorn acht Löwen verscheucht hat.

Dieses Mal scheucht keiner.

Wir machen zum Abschluss noch einmal das, was wir inzwischen schon einige Male geübt haben: den Vergaser ausbauen und zerlegen. Diesmal unter verschärften Bedingungen: auf einer schmalen Piste im dichten Busch. Zwar kommen zwei Geländewagen vorbei und die Leute fragen, ob sie uns helfen können. Doch was sollen sie helfen? Wir bestätigen ihnen mit fester Stimme, dass das alles kein Problem sei (und hoffen insgeheim, dass es auch keines ist).

Nach einer halben Stunde läuft alles wieder rund und wir verlassen den Park auf kürzestem Weg Richtung Richards Bay, wo wir hoffen, endlich unser Motorproblem lösen zu können.

Unterwegs auf der Autobahn signalisiert uns der Fahrer eines Pickups, dass wir anhalten sollen. Wir haben dabei kein gutes Gefühl, zumal nur wenige Fahrzeuge unterwegs sind.

Vor vielen Jahren hatten wir auf genau dieser Straße ein unschönes Erlebnis, als ein Fahrzeug versuchte, uns zum Anhalten zu zwingen. Es ließ uns nicht überholen und bremste uns immer wieder aus. Wir ließen uns schließlich durch sehr langsames Fahren zurückfallen und wollten die nächsten Abfahrt nehmen, nachdem er an ihr vorbeigefahren war. Doch dann ist er selber dort abgefahren und wir sind stattdessen mit Volldampf in die nächste Stadt. Nach viel Zickzackfahrerei waren wir sicher, dass er nicht mehr vor oder hinter uns war.

An das erinnern wir uns natürlich. Nachdem der Pickup uns ein weiteres Mal ein Zeichen zum Stoppen gibt, halten wir mit großem Sicherheitsabstand hinter ihm an und sind jederzeit abfahrbereit. Aus dem Pickup springt ein älterer Mann und kommt lachend auf uns zu. Durch die leicht herunter gekurbelte Seitenscheibe - und bei verriegelter Tür - erzählt er uns, dass sein Lehrer so ein Auto wie unseres gefahren hätte und dass er sich freue, so etwas noch einmal zu sehen.

Also doch nichts Böses. Oder ganz raffiniert böse.

Wir plaudern ganz entspannt mit ihm über alte und neue Zeiten und er fragt uns, ob wir Hilfe bräuchten oder einen Übernachtungsplatz. Das hätten wir vielleicht sogar angenommen, doch er wohnt erst hinter Richards Bay. Immerhin versichert er uns, dass wir in dieser Stadt ganz bestimmt unsere Ersatzteile bekommen würden.

Die nächsten 50 km fahren wir hintereinander herdb_17-138-, er db_17-133-will wohl sicher gehen, dass wir nicht wieder liegen bleiben.

Der Campingplatz in Richards Bay ist ziemlich groß, sehr gepflegt und mittels einer Chipkarte haben wir einen direkten Zugang zum Strand. Alles macht einen sehr guten Eindruck.

Sonntag, 12.2.17 (Richards Bay):  Sonntags ist hier Ruhetag. Mehr oder weniger. Wir bekommen zwar Geld aus dem Automaten und einige Supermärkte haben geöffnet, doch Benzinfilter haben die nicht. Dafür können wir den schwarzen Südafrikanern beim Wochenendvergnügen zuschauen. Viele Familien haben sich zum Grillen und Spaßhaben am Wasser getroffen. Sie tun im Grunde genommen genau das Gleiche wie die weißen Südafrikaner, aber sauber getrennt voneinander.

Montag, 13.2.17 (Richards Bay):  Die Region um Richards Bay gehört zu den wohlhabenderen. Hier gibt es viele Arbeitsplätze und wir haben nur ganz wenige “informal settlements”, vulgo Slums, gesehen. Auch in den eher schwarzen Stadtteilen stehen adrette Häuschen und die Supermärkte sind gut gefüllt.

Und: wir db_17-129-finden db_17-142-in einem riesigen Einkaufszentrum endlich unsere Benzinfilter.

Wir bauen sie auf dem Camp auch gleich ein, genauestens beobachtet von zahlreichen Einheimischen. Obwohl sie ganz unschuldig tun und wir ständig auf der Hut vor Diebstahl sind, haben sie Erfolg und wir ein paar Scheiben Toast weniger.

Um es vorweg zu nehmen, von nun an haben wir kein Problem mehr mit der Benzinversorgung. Es lag also tatsächlich an Benzinfiltern, die das Gegenteil von dem gemacht haben, was sie tun sollten.

Dienstag, 14.2.17 (Utrecht):  Ab jetzt geht es Richtung Johannesburg/Pretoria. 700 km. In zwei Tagen wollen wir da sein. Unterwegs warten noch zwei Dinge auf uns. Blood River, ein Wallfahrtsort der Buren, an dem eine - wie der Name schon sagt - blutige Schlacht gegen die Schwarzen stattfand. Und schließlich in Pretoria der Versuch, die richtigen Ersatzteile für unser undichtes Getriebe zu beschaffen.

Die Landschaft in KwaZulu-Natal ist wirklich schön anzuschauen. Viel Grün, immer wieder Mal Berge, kleine Orte. Außerdem gute Straßen und wenig Verkehr.

Das “National Monument” am Blood River ist ziemlich eigenartig. Es besteht aus zwei Monumenten. Eines, das ältere, stellt die Geschichte aus Sicht der Buren dar. Am gegenüberliegenden Flussufer ist nach dem Fall der Apartheid eine Art Gegendarstellung entstanden. Beide Monumente sind durch eine Brücke verbunden, die den Namen “Reconciliation Bridge” trägt, Versöhnungsbrücke, und bezeichnenderweise verschlossen ist. So ganz wollen die beiden Sichten auf diese Schlacht nicht zusammen passen. Noch nicht, da müssen sicher noch ein paar Generationen ins Land gehen.

Wir fangen mit dem neueren Monument an, dem Ncome Museum, das das Thema aus Zulu-Sicht darstellt. Hier dominiert die schwarze Hautfarbe bei Besuchern und Angestellten, zumindest zur Zeit unseres Aufenthaltes.

Der Grundriss des Museums ist aufgebaut wie die Angriffsformation der Zulus, nämlich in Form eines Ochsenkopfes, also rechts und links ein angreifendes Horn und in der Mitte eine massive db_17-144-Streitmacht. In dieser Mitte befindet sich eine recht gut gemachte kleine Ausstellung, die die Herrschaftsstrukturen der Zulus, ihre Waffen und ihren Alltag zum Thema hat. Die Vorgeschichte dieser Schlacht wird selbstverständlich aus dem Blickwinkel der Zulus dargestellt, so wie es die Buren auf der anderen Seite in ihrem Sinne tun. Es wird auch auf absehbare Zeit keine gemeinsame Darstellung geben können, weil dahinter die nicht rational zu beantwortende Urfrage steht, ob die burische Besiedelung eine kriegerische Eroberung oder eine friedliche Einwanderung war.

Wie dem auch sei, am Blood River haben die Zulus 1838 versucht, die eingedrungenen Buren aus ihrem Land zu vertreiben. 10.000 bis 20.00 kampferprobte Angreifer auf Seiten der Zulu gegen rund 800 ebenso entschlossene Verteidiger.

Im burischen Museum, das noch zu Apartheids-Zeiten entstanden ist, spürt man noch den Geist dieser Zeit, obwohl einige Exponate offensichtlich neu betextet worden sind. Der Tenor ist: friedliche und gläubige Bauern wurden von den Zulus hintergangen.

Ganz zufällig sind auch alle Angestellten auf der burischen Seite Weiße. In der Unterhaltung mit ihnen wird auch schnell klar, dass sie der weißen Führungsrolle während der Apartheidszeit immer noch nachtrauern. Wir geraten so ganz unfreiwillig in die Lage, die schwarze Politik seit 1993 zu verteidigen. Denn es ist einfach nicht wahr, dass alles schlechter geworden ist. Immerhin sind sich schwarz und weiß weitgehend darin einig, dass die jetzige Regierung Südafrikas kein Segen für das Land ist.db_17-147-db_17-150-

Das burische Monument ist auf seine Art durchaus beeindruckend: 64 Planwagen als große Wagenburg, alles ist im Maßstab 1:1 in Bronze und Eisen nachgebaut, genau an der Stelle, wo die originale Wagenburg stand. Man bekommt eine ganz andere und bedrückende Vorstellung von der Größe, wenn man es im Original sieht und drinnen herumlaufen kann.

Der Verlauf der Schlacht ist schnell erzählt. Die Angreifer rennen in mehreren Wellen gegen die strategisch geschickt platzierte Wagenburg an und werden von den burischen Gewehren und Kanonen niedergekämpft. Mehr als tausend Zulus verlieren ihr Leben, dein paar Buren werden verletzt und der burische Heldenmythos wird geboren.

Die Monumente spiegeln nicht nur die Vergangenheit, sondern in gewisser Weise auch die Gegenwart Südafrikas. Hier die wagenburgartige Haltung der Buren, die ihre wirtschaftlichen und sozialen Errungenschaften verteidigen, dort die angreifenden Schwarzen, die diese Errungenschaften auch für sich reklamieren. Das ist zwar im wörtlichen Sinne Schwarz-Weiß-Malerei, aber in der Gesamtsicht nicht falsch.

Als wir vom Blood River losfahren wollen, ist mal wieder ein Reifen platt. Wie angenehm, wenn man bei einem Problem nicht erst lange im Nebel stochern muss, sondern sofort weiß, was man zu tun hat und nach wenigen Minuten fertig ist.

Über Pisten und kleine Straßen geht es am Abend nach Utrecht, einem kleinen Dorf mit einem großen Campingplatz, aber ohne Gäste.

Mittwoch, 8.2.17 (Riverwood, Pretoria):  Letzte Etappe nach Johannesburg. In ein paar Stunden sollten wir dort sein. Früh genug, um bei SKF noch die Teile für das Getriebe zu bekommen.

Kleines Hindernis: mal wieder ein platter Reifen. Kleines Problem: der Reservereifen ist auch nicht gut, haben wir beim letzten Mal vergessen, zu reparieren. Kleine Lösung: aufpumpen und dann ganz schnell 20 km fahren, bis er wieder platt ist. Zweites kleines Problem: die Straße ist wegen Bauarbeiten über lange Strecken nur einspurig zu befahren, Wartezeit 10 bis 30 Minuten. Da heißt es, schnell aufpumpen und hoffen, dass wir in der nächsten Grünphase mitschwimmen können. Und wir hoffen, dass uns in der Baustelle nicht die Luft ausgeht.

Auf diese Weise hangeln wir uns durch ein paar reifenwerkstattlose Dörfer. Vor dem nächsten Ort, als wir gerade aufpumpen, hält die Polizei neben uns. Ob wir Probleme hätten. “Nö, nur zu wenig Luft auf dem Reifen und keinen Ersatzreifen”. Und dann bietet uns der Polizist doch tatsächlich an, beim Aufpumpen mitzuhelfen. “Nein, danke, aber sehr nett!” So richtig verblüfft wären wir gewesen, wenn er angeboten hätte, uns mit Blaulicht durch die nächste Baustelle zu lotsen.

Darf er natürlich nicht, doch wir rollen auch so in die nächste Stadt, wo wir den Reifen repariert bekommen. Die Chefin ist eine verschleierte schwarze Muslima, die ihren Jungs sehr laut und deutlich sagt, was sie zu tun haben.

Wir lassen den zweiten Reifen aus Zeitgründen nicht reparieren, denn sonst stehen wir bei SKF vor verschlossenen Türen. Risikoooo!

Zunächst haben wir große Probleme, SKF überhaupt zu finden. Am Telefon erfahren wir, dass wir im Hauptquartier sowieso nichts bekommen würden, weil man sich dort nicht mit Kunden beschäftigt. Und warum hat uns dann die Dame in Nelspruit diese Adresse gegeben? Es gehen einige nicht übertrieben freundliche Gespräche hin und her, bis schließlich ein Herr aus einer Niederlassung anruft und mitteilt, dass er die Teile hätte. Als Adresse nennt er einen Ort namens East Rand, der laut Navi aber nicht existiert. Die angegebene Straße liegt weit weg auf der anderen Seite von Johannesburg.

Wieder ein paar Anrufe, dann stellt sich heraus, dass der Ort ganz anders heißt, aber jeder Einheimische wisse, dass diese Region als East Rand bezeichnet wird. Die Niederlassung wäre neben der Sowieso-Mall, die ja auch jeder kenne. Nur wir nicht.

Schließlich finden wir es doch und unsere Teile liegen schon abholbereit auf dem Schreibtisch. Der Preis ist happig, aber nach so viel Aufwand auch egal.

Noch ein kleiner Abstecher zur deutschen Schlachterei und Bäckerei, wo wir fünf Minuten vor Ladenschluss einlaufen.

Geht doch.

Ohne Plattfuß landen wir wieder da, wo wir vor vier Wochen aufgebrochen sind. Die 3500 km waren technisch gesehen die pannenreichsten, die wir je in Afrika hatten. Das muss nicht so weiter gehen.

Donnerstag, 16. bis Samstag, 18.2.17 (Riverwood, Pretoria):  Ein bisschen shoppen, ein bisschen packen, ein bisschen reparieren und ein bisschen sundownern.

Sonntag, 19.2.17 (Riverwood, Pretoria):  Heute Abend macht sich Anette auf den Weg in die Kälte. Auf der Fahrt zum Flughafen haben wir ein ungewöhnliches Problem. Kein technisches, sondern ein Größenproblem. Wir finden am Flughafen keinen Parkplatz, der für unseren Bus hoch genug ist. Wir fahren etliche Kilometer im Kreis und müssen den Flughafen aus Versehen sogar wieder verlassen. Am Ende landen wir auf einem abgelegenen Langzeitparkplatz, der zwar sauteuer ist, dafür aber kein Dach hat.

Der Rest ist kein Problem, Anette kommt rechtzeitig weg und pünktlich in München an.

Wolfgang liest auf dem Rückweg zum Auto an einem Schalter das Wort “Parkplatzmanagement”. Hier steht eine lange Schlange mit Leuten, die sich beschweren wollen oder die ihr Parkticket verloren haben. Also nichts, was die Schalterbeamtin fröhlich dreinblicken ließe. Als Wolfgang dran ist und erzählt, dass er weder das eine noch das andere möchte, sondern nur wissen will, wo es für das nächste Mal einen höheren Parkplatz gibt, hellt sich das Gesicht der Dame auf. Zur Verblüffung der Wartenden schließt sie kurzerhand ihren Schalter und geht mit Wolfgang quer durch das Gebäude. Zwei Etagen höher an einem Fenster zeigt sie ihm den Parkplatz für größere Fahrzeuge.

Das ist Service!

Montag, 20.2. bis Mittwoch, 8.3.17 (Riverwood, Pretoria):  Die nächsten zwei Wochen sind unspektakulär. Den großen “historisch gewachsenen” Lagerraum in eine Werkstatt umbauen. Den elektrischen Zaun und die Garagentore zum Funktionieren überreden. Zwei Container leeren und umrangieren, damit der Bus hinein kann und viele andere kleine und größere Dinge.

Auch der Bus kommt nicht zu kurz, denn die neuen Teile wollen ins Getriebe eingebaut werden. Das klappt auch ganz gut, wenngleich nach der Testfahrt immer noch ein wenig Öl nachtropft. Vielleicht legt sich das ja mit der Zeit.

Donnerstag, 9. bis Freitag, 10.3.17 (München):  Der Bus ist im Container. Er passt wirklich wie angegossen hinein, in der Höhe bleibt maximal ein Zentimeter Luft. Perfekt!

Peter bringt Wolfgang an den nächsten Bahnhof, von wo ein sehr moderner Zug zum Johannesburger Flughafen geht. Man muss vorher eine Art Geldkarte aufladen, von der an der Sperre der Fahrpreis abgebucht wird.

Beim Verlassen des Zuges am Flughafen piept die Sperre zwar ganz aufgeregt, doch niemanden stört das. Wolfgang auch nicht, denn sie öffnet sich von selber. Später stellt er fest, dass an der Sperre nichts abgebucht wurde. Offensichtlich wollen sie sein Geld nicht.

Der weitere Weg verläuft wie geplant. Umsteigen in Zürich, alles pünktlich. Auch das Gepäck landet in München. Bei Umsteigeflügen ist das ja gar nicht so sicher.

Auffällig sind nur die ungewöhnlich unfreundlichen schweizerischen Beamten. Immer wieder werden Leute in der Schlange auf ruppige Weise angeherrscht und von oben herab behandelt. Einige der Betroffenen raunen nur “Welcome in Switzerland!” und verdrehen die Augen. Das scheint wohl keine Ausnahme zu sein.

Die sprichwörtliche Schweizer Gastfreundschaft sieht anders aus. So ein Verhalten hätten wir eher bei den deutschen Behörden angenommen, doch in München geht es ganz entspannt und sachlich zu.

Das ”normale” Leben hat uns wieder.