Donnerstag, 1.12.16 (bei Sioma): Afrika ist schon ganz schön verrückt.
Gestern noch haben wir an alle Leute eine Rundmail geschrieben, um ihnen aus der größten Stadt in 500 km-Umkreis mitzuteilen, dass es mit dem Hochladen der Website leider nicht klappt. Wir konnten einfach keine funktionierende Verbindung zum Hochladen aufbauen.
Wie es danach weiter geht, ist typisch afrikanisch. Nichts geht. Und alles geht.
In den zwei Wochen seit unserer Ankunft in Mongu, sind die seinerzeit noch unreifen Mangos genießbar geworden. Sie sind außen zwar immer noch grün, doch innen schon so, wie sie sein sollen: gelb, saftig, aber noch nicht faserig. Die Mangos wachsen uns ja quasi in den Bus.
So etwa muss es im Paradies gewesen sein. Ohne das Verbundpflaster.
Wir fahren 16:30 Uhr aus Mongu los zu den 200 km entfernten Ngonye Wasserfällen des Zambezi, wohl wissend, dass wir die letzten Kilometer im Dunkeln fahren würden. Die Region ist dünn besiedelt und es gibt kaum Tiere, also kein Problem.
In der Dämmerung halten wir nach Campsites Ausschau, finden aber nichts. Als es bereits dunkel ist, biegen wir von der Straße auf eine schmale Piste runter zu den Wasserfällen ab. Da es ein Nationalpark ist, gibt es so eine Art Empfangsgebäude. Aber nichts rührt sich. Wir suchen alles mit der Taschenlampe ab, doch es gibt keinen Hinweis auf irgendetwas. Kein Camping, keine Eintrittspreise, keine Öffnungszeiten.
Als wir gerade beratschlagen, ob wir im Dunkeln zu einer 80 km entfernten Lodge weiter fahren sollen, hören wir ein Zischen unter dem Auto. Nein, keine Schlange, sondern das typische Reifen-Pfffft. Gleich darauf meldet sich der Reifendruckwächter. Plattfuß vorn links.
Ok, also Wagen hochbocken, Reserverad von vorn abbauen und wechseln. Alles kein Problem, haben wir schon ein paar Mal gemacht. Inzwischen hat sich eine junge Dame zu uns gesellt, die uns erklärt, dass der Campingplatz bei Einbruch der Dunkelheit abgeschlossen wird und die Chefin nach Hause geht. Wir könnten ja morgen wieder kommen.
Na prima!
Begeistert ob der Tatsache, dass wir noch nicht wissen, wo wir heute Nacht bleiben sollen, fahren wir zurück zur Straße. Nach ein paar hundert Metern Fahrt meldet sich der Reifendruckwächter schon wieder. Diesmal von vorn rechts. Also ran an den Straßenrand, den halben Dachgepäckträger leer räumen, um an das zweite - ziemlich abgefahrene - Reserverad zu kommen, Wagen aufbocken und Rad wechseln. Das können wir inzwischen mit verbundenen Augen.
Die Stimmung ist mächtig im Eimer. Kein Platz zum Schlafen, kein Reserverad mehr und finstere Nacht. Auf eineinhalb Stunden Fahrt zur Lodge haben wir Null-Komma-Null Bock. Wir beschließen, noch einmal ein Stück zurück zu fahren, vielleicht haben wir in der Dämmerung ein Schild zu einem Camp übersehen.
Und tatsächlich finden wir einen Hinweis auf Camping in der Ubuntu-Lodge. Ein großes verschlossenes Tor im Elektrozaun, das wir aber aufschieben können. Auf dem Gelände ein paar Autos, aber keine Menschen. Wir leuchten mit der Taschenlampe alles ab, doch es rührt sich rein gar nichts.
Sind wir hier auf dem Mond?
Zurück zur Straße und noch ein paar hundert Meter weiter gefahren. Dann taucht im Scheinwerferlicht ein handgemaltes kleines Schild auf: Campsite. Darunter zwei Worte, die einfach nicht in diese verlassene Gegend passen: Hot Showers und WiFi. Ok, heiße Duschen sind noch vorstellbar, aber drahtloses Internet? Hier? Niemals!
Es geht auf einer sehr schmalen Piste steil vom Straßendamm herunter durch ein Baugerüst. Aus dem Dunkel tauchen zwei junge Männer auf, die wir nach der Campsite fragen. Ja, die wäre hier, wir sollten einfach den Schildern folgen.
Die Piste ist ziemlich verwegen durch den Wald geschlagen und Anette meint „Komm, lass‘ uns umdrehen“. Ihr ist das unheimlich. Aber wie hier drehen? Plötzlich taucht vor uns eine kleine Hütte auf. Wolfgang muss mit der Taschenlampe die Umgebung erkunden, Anette bleibt lieber im Bus. Aus der Ferne lichtern ebenfalls Taschenlampen zu uns herüber. Es sind die beiden Jungs vom Eingang.
Sie erklären uns, dass hier die Campsite sei. Wir könnten auf einer Wiese stehen, sie würden uns die – nagelneuen - Duschen anheizen und wir hätten eine hölzerne Veranda mit Blick auf den Zambezi. Im Stockdunkeln ist das alles nur zu ahnen. Hier gibt es zwar keinen Strom, doch wenn wir die Dusche betreten, geht automatisch eine helle LED-Lampe an.
High-Tech mitten im Busch. Wir sind schwer beeindruckt.
Die Nacht soll 15 US$ pro Person kosten. Wir finden, 10 sind auch genug für einen Stellplatz mitten im Busch und das finden sie dann auch.
Dann geistern schon wieder Taschenlampen durch den Wald. Dieses Mal ist es Jack, der sich als Manager und Besitzer der Lodge vorstellt. Wieso Lodge? Ja, 200 m weiter hätten sie noch mehr Campingmöglichkeiten und noch ein paar Häuschen zu vermieten. Alles ist noch im Aufbau, deshalb auch das Baugerüst am Eingang und die noch fehlenden Hinweisschilder.
Und wenn wir Internet bräuchten, kein Problem, das ginge auch hier. Wolfgang hat wohl selten so ungläubig geguckt. Dämlich wäre korrekter. “Und es ist nicht seit gestern kaputt?” “Nein, alles läuft!” Er holt zum Beweis sein Handy heraus und zeigt uns, dass es funktioniert. Wir bekommen die Passwörter und sollen es einfach mal probieren.
Der Donkey, der afrikanische Boiler aus einer alten Gasflasche mit Feuer drunter, wird noch angeheizt, dann sind wir allein. Des Nachts laufen allerdings Wächter Streife, wie uns versichert wird.
Anette ist noch etwas skeptisch, weil sie in der Dunkelheit ziemlich schlecht sehen kann, und Wolfgang ist begeistert. Nachdem wir Licht in einem Baum installiert haben und die Umgebung erkennen können, traut sich auch Anette aus dem Bus und inspiziert die Sanitäranlagen. Alles bestens. Und in Kürze gibt es auch heißes Wasser zum Duschen.
Nach dem Abendessen setzt sich Wolfgang an den Rechner und ist gleich beim ersten Versuch im Internet. Es ist richtig schnell. In Minuten ist der Virenscanner aktuell und sind die Updates heruntergeladen. Das haben wir seit der Abreise aus Windhoek nicht mehr machen können.
Das Hochladen unserer Website klappt allerdings nach wie vor nicht. Es scheint so zu sein, dass die Verbindung des Servers, der unsere Website speichert, nach Afrika oder nur nach Zambia grundsätzlich gesperrt ist. Wir müssen also nach einer anderen Lösung suchen, die eine direkte Verbindung unseres Rechners mit unserer Homepage erlaubt, ohne Zwischenschaltung des bockigen Servers. In einem deutschen Forum findet Wolfgang einen Hinweis auf eine geeignete Software und wie sie zu bedienen ist. Der Download und die Installation sind schnell gemacht und das Ganze ist tatsächlich so simpel, wie es im Forum beschrieben wurde. Gleich beim ersten Versuch ist die Website in Nullkommanix hochgeladen und alles funktioniert.
Wolfgang hatte das Thema des Hochladens der Website schon seit Jahren vor sich her geschoben, weil es ihm zu kompliziert war. Über den zwischengeschalteten Server war es halt einfach und bequem, ohne eigene Software. Und hier, mitten im afrikanischen Busch, klappt das so einfach, als wäre es die leichteste Sache der Welt.
Vor einer Stunde noch waren die Aussichten generell ziemlich trübe und jetzt sind fast alle Probleme gelöst.
Afrika ist wirklich verrückt.
Freitag, 2.12.16 (bei Sioma): Am Morgen, bei Lichte besehen, ist auch für Anette das Camp nicht mehr sooo furchtbar. Eine schattige Wiese, saubere Duschen und Toiletten, Frühstück auf einer Terrasse über dem Zambezi, unter uns eine riesige Sandbank.
So schlecht ist das alles nicht. Obwohl die Zufahrt auch bei Tage nicht sehr viel Vertrauen erweckender wirkt. Ist ja noch eine Baustelle. Doch das künftige Tor lässt ahnen, dass dies alles noch ganz ordentlich werden soll
Wir werden noch eine weitere Nacht hier bleiben.
Doch zunächst müssen wir unser Reifenproblem lösen. Ohne Reservereifen herumzufahren ist wenig empfehlenswert.
Der Campchef beschreibt uns, wo im nächsten Dorf der Reifenreparateur wohnt. Auf Reifenmontiermaschinen dürfen wir sicher nicht hoffen, also werden die Leute den Reifen von Hand von der Felge bekommen müssen. Mal schauen, wie sie das hin kriegen.
Die “Reifenwerkstatt” finden wir auf Anhieb. Das unübersehbare Zeichen: ein großer Stapel alter Reifen und einige reifenbefreite Dauerparker drum herum.
Strom gibt es nicht, dafür aber reichlich Muskelkraft. Mit einigen wohlgesetzten Schlägen eines großen Eisenteiles und unter Einsatz einiger Montierhebel ist unser Reifen runter von der Felge. Leider entpuppt sich der Schlauch als unrettbar. Da wir in den Liuwa Plains wegen des tiefen Sandes mit lediglich gut einem bar Luftdruck fahren mussten, ist der Schlauch ein wenig auf der Felge gewandert. Das wäre an sich noch kein Problem gewesen, wenn er nicht durch das Ventil auf der Felge festgehalten worden wäre. Dabei hat es das Ventil fast abgerissen. Warum das Ding trotzdem noch fast 300 km gehalten hat, ist uns ein Rätsel.
Wir haben ja Ersatz auf dem Dach, bei dem allerdings nach der Montage deutlich wird, dass das Ventil zu dick ist, bzw. das Ventilloch in der Felge zu klein. Mit Hilfe von Feile und Schleifmaschine ist das Problem schnell gelöst und die Jungs müssen den Reifen zum dritten Mal aufpumpen. Von Hand bei 35°.
Da wir nur einen einzigen Ersatzschlauch dabei haben und hier sicher keinen kaufen können, verzichten wir auf die Reparatur des zweiten Reifens, denn der dürfte den gleichen Schaden haben.
Als die Leute dann für die ganze fast einstündige Arbeit 2,50 Euro haben wollen, einigen wir uns auf das Doppelte und alle sind zufrieden.
Zurück im Camp gehen wir noch mal runter zum Zambezi. Es ist unglaublich, wie viel Sand der Fluss hier abgeladen hat. Es ist echter Kalaharisand, auch wenn in unserer Vorstellung die Kalahari-Wüste immer rot ist und dieser Sand dagegen schneeweiß. Aber die größte Sandkiste der Welt hat Sand in jeder Farbe im Angebot.
Die Sandberge sind sicher 10 m hoch. Das heißt aber auch, dass das Wasser in der Regenzeit mindestens 10 m höher steht als jetzt. Und diese gewaltige Wassermasse stürzt sich 400 km flussabwärts über die Kante der Victoriafälle.
Wir sollten zu einer anderen Jahreszeit noch einmal hierher kommen.
Samstag, 3.12.16 (Katima Mulilo): Es sind gut 100 km bis zur Grenze, wir müssen uns also nicht beeilen.
Da die hiesige Währung, wie die meisten Währungen der Region, ziemlich schnell verfällt, wollen wir die letzten Kwacha noch in Hardware umsetzen. Das ist gar nicht so leicht, wie gedacht. Das Grenzörtchen hat keinen Supermarkt und in den kleinen Buden am Straßenrand gibt es nichts, was wir gebrauchen könnten. Wir hatten gehofft, hier wenigstens ein paar Mangos zu finden. Aber es ist nichts da.
Kaum haben wir beschlossen, das Geld nun doch zu behalten, steht am Straßenrand eine junge Frau mit Mangos. Sie will einen Kwacha pro Frucht, das sind knapp 10 Eurocent. Die Mangos sind zwar alle noch grün, aber sie versichert, dass sie innen orange und saftig seien.
Wolfgang nimmt 20 Stück und Anette hat das “Papa-ante-Portas-Gefühl”. Es ist zwar nicht so viel wie eine Palette Senf, aber doch deutlich mehr als wir in absehbarer Zeit essen können, zumal wir ja noch ein Dutzend Mangos aus Mongu haben. Selber gepflückte!
Die 20 Kwacha haben unseren Bargeldbestand dagegen nur unwesentlich verringert.
Die Grenzformalitäten gehen deutlich schneller als bei der Einreise und sind deutlich billiger. Genau genommen kosten sie gar nichts, denn weil die namibischen Grenzbeamten etwas übersehen, werden uns die üblichen 18 Euro Straßenbenutzungsgebühr nicht abgeknöpft. Da wir keine 100 km in Namibia fahren werden, halten wir das auch für angemessen.
Dann tun wir das, was jeder, der frisch aus Zambia kommt, hier tut: einkaufen. Benzin und Lebensmittel.
Aber keine Mangos.
Sonntag, 4.12.16 (Katima Mulilo): Ein fauler Tag, an dem wir uns lange mit vier jungen Mädchen aus Deutschland unterhalten. Sie haben gerade die Schule beendet und sind hier für eine Kirchenorganisation irgendwo im Busch im Einsatz. Zurzeit sind Ferien und sie reisen ein wenig herum.
Sie sind hervorragend uninformiert. Oder sollte man besser sagen, sie lassen die Sache gänzlich unvoreingenommen auf sich zukommen. Auch so kann man Afrika erleben - und hat sicherlich hinterher viel zu erzählen.
Wir schenken ihnen unsere übrig gebliebenen Kwacha. Damit können sie sich locker eine Woche lang mit Mangos versorgen.
Apropos Mangos: wir verarbeiten das erste Dutzend von ihnen, die Mongu-Fraktion, zu drei Gläsern Marmelade, die mangels Geliermittel zwar ein wenig flüssig bleibt, aber trotzdem bestens schmeckt. Die neu gekauften Früchte sollen noch ein wenig nachreifen, sie sind ja noch grün.
Montag, 5. bis Dienstag, 6.12.16 (Kazungula): Bei der Abfahrt entdecken wir an den Sanitäranlagen, dass wir uns hier auf höchst gefährlichem Gelände befinden. Erstaunlicherweise stehen diese Warnungen nicht an der Damentoilette. Wissen Schlangen und Trinkwasser, dass sie sich da ordentlich zu benehmen haben?
Wir wollen endlich mal wieder Elefanten anschauen. Dazu müssen wir erst über die Grenze nach Botswana, was - wie immer - kein Problem ist. Nach einer halben Stunde sind wir durch.
Danach geht die normale öffentliche Straße mitten durch den Chobe-Nationalpark und üblicherweise laufen uns da immer ein paar Tiere über den Weg.
Auch hier merkt man die große Trockenheit. Über weite Strecken ist der lichte Wald von den Elefanten regelrecht kahl gefressen. Es sind kaum Bäume über drei Meter Höhe übrig geblieben. Die Elefanten schälen in Mangelzeiten die Rinde von den Ästen. Da jeder Elefant täglich viele Kilogramm davon braucht, sieht der Wald in kurzer Zeit ziemlich tot aus.
Sollte es jetzt allerdings regnen, dann braucht die Natur nur ein paar Wochen, um wieder frisch und appetitlich zu sein. Nur die großen Bäume wachsen nicht so schnell nach, da braucht es schon einige regenreiche Jahre.
Schließlich laufen uns ein paar Elefantenfamilien über den Weg, einige sogar mit ganz kleinen Elefantchen. Sie sind offensichtlich schon an Autos gewöhnt, jedenfalls nehmen sie von uns kaum Notiz.
An sich wollten wir in der altehrwürdigen Chobe Safari Lodge unterkommen. Da deren Campsite in den letzten Jahren eher eine unschöne Baustelle war, wollen wir sie vor dem Buchen anschauen. Doch das ist gar nicht so einfach. Man macht uns klar, dass wir zum Anschauen eine schriftliche Genehmigung bräuchten.
Denen ist wohl irgendetwas zu Kopfe gestiegen!
Wir verzichten jedenfalls darauf, die Katze im Sack zu kaufen und übernachten in der Kwalape Lodge. Hier ist man freundlich, wir dürfen uns alles anschauen und sie haben nicht nur einen Swimmingpool, sondern auch ein Restaurant und schnelles Internet. Mehr brauchen wir nicht für die nächsten zwei Tage.
Mittwoch, 7. bis Samstag, 10.12.16 (bei Francistown): Wenn wir früh genug aufbrechen, dann können wir es locker bis nach Francistown schaffen. Das sind zwar fast 500 km, doch es geht auf Asphalt immer geradeaus, nur unterbrochen durch zwei kleine Orte und ein paar kreuzende Elefanten.
Da diese Straße auch gerne von den Piloten der kleinen Flugzeuge zur Orientierung genutzt wird, gibt es auf den 300 schnurgeraden Kilometern immer wieder mal verbreiterte Fahrbahnen, um die Straße als Notlandeplatz nutzen zu können. Natürlich ist hier das Anhalten verboten, doch wir müssen es trotzdem tun. Ein dicklicher Herr steht im Wege herum und flötet uns unwillig an. Ob er das auch bei einem notlandenden Flugzeug tut?
Botswana ist durchzogen von Rinderzäunen, damit das Land bei Ausbruch der Maul- und Klauenseuche sofort das infizierte Gebiet hermetisch abriegeln kann. Wenn eine Straße durch diese Zäune führt, dann sind da natürlich Kontrollposten. Man darf grundsätzlich kein frisches Fleisch mitnehmen und keine rohen Eier, wie wir ja inzwischen wissen. Außerdem muss man mit allen Schuhen über eine mit Desinfektionsmittel getränkte Matte laufen und das Auto muss durch ein flaches Becken fahren, damit die Reifen keimfrei gemacht werden.
An einem dieser Veterinär-Kontrollposten läuft wieder die übliche Prozedur ab. Schuhe desinfizieren, Fahrzeug durchsuchen, Kühlschrankkontrolle. Hinten auf dem Bett entdeckt der Beamte unsere Mangos aus Zambia und schaut uns fragend an. Wir schauen fragend zurück. Können Mangos jetzt auch Maul- und Klauenseuche übertragen? Die haben doch gar kein Maul! Und geklaut sind sie auch nicht!
Er schaut weiter fragend und wir schauen weiter fragend zurück. Dann deutet er auf ein großes Schild am Straßenrand. Und da steht, dass nicht nur Rinder und ihre Bauteile nicht über diese Grenze gebracht werden dürfen, sondern auch Pflanzen und ihre Bauteile. Der Grund ist die Verbreitung einer Fruchtfliege im Norden des Landes. Und da wir aus dem Norden kommen, dürfen weder Rinder noch Mangos passieren.
Die Dame an der Kontrollstelle, offensichtlich die Chefin, erklärt uns, dass wir zwei Möglichkeiten haben: entweder die Mangos an Ort und Stelle essen oder ab mit ihnen in die große Tonne.
Wir beschließen, unsere fruchtfliegenverseuchten Mangos zu vertilgen.
Wenn man in Deutschland eine Mango isst, dann schält man sie und schneidet anschließend vorsichtig das Fruchtfleisch vom Kern herunter. Hier geht das bedeutend schneller. Schälen, dann, ratsch ratsch, zwei Schnitte entlang des Kernes und fertig. Wir schaffen sowieso nicht alle zwanzig Mangos, da können wir großzügig schneiden.
Es ist eine elende Sauerei, überall läuft der Saft herunter und die glibberigen Sch...ßerchen sind kaum zu bändigen. Doch nach einer Viertelstunde sind fünfzehn Mangos samt ihrer Fruchtfliegenbrut ordnungsgemäß vernichtet. Die ersten zehn waren ein Genuss, die letzten fünf waren Völlerei.
Nach dem Abliefern der Schalen und der restlichen Mangos kommt noch das Bad für die Reifen, dann dürfen wir weiterfahren.
Das ist jetzt schon die zweite Kontrolle in diesem Jahr, an der wir uns über unsere Lebensmittel hermachen dürfen. Eier kochen, Mangos essen, was kommt als nächstes?
Mit mangoschwangeren Bäuchen gehen wir die letzten 300 km an. Eine Essenspause brauchen wir jedenfalls nicht mehr einzulegen.
Die Kontrolldame hat uns versichert, dass dies die einzige Früchtekontrolle in Botswana sei. Wir dürfen also in der nächsten Stadt wieder einkaufen. Aber sicher keine Mangos!
Rechtzeitig zum Sundowner sind wir in Woodlands, wo ein sehr schöner Campingplatz mit einem Pool auf uns wartet. Normalerweise steht man mitten im Grünen, doch wegen der großen Trockenheit ist kaum noch Grünes zu finden. Auch die Bäume, die in Erwartung der Regenzeit schon Blätter und Blüten ausgebildet haben, werfen diese wieder ab. Nur um den Swimmingpool konnte man ein wenig Rasen erhalten.
Es hat hier seit Monaten nicht einen Tropfen geregnet und der Blick in den Himmel verheißt keine Besserung.
Wir machen ein paar Tage Pause. Auch wenn ringsum alles vertrocknet ist: der Pool ist nass. Und angenehm kalt.
Sonntag, 11.12.16 (Pilanesberg NP): Bevor wir zu den Freunden nach Pretoria fahren, wollen wir noch einen kleinen Abstecher in den Pilanesberg Nationalpark und nach Sun City einschieben. In den Nationalpark, weil er schön klein und voller Tiere ist, und nach Sun City in die Badelandschaft, weil das bei schönem Wetter einfach perfekt ist. Leider liegen 600 km zwischen uns und dem Ziel. Und eine – meistens schmerzfreie – Grenze.
Nach einer Irrfahrt durch Francistown wegen einer Großbaustelle sind wir um 10 Uhr endlich raus aus der Stadt und lassen den Wagen zügig rollen. Eigentlich geht es immer geradeaus, kaum unterbrochen durch die wenigen Ortschaften (in Botswana leben einfach nicht genug Leute) und kaum behindert durch andere Fahrzeuge (die wenigen Leute haben auch nur wenige Autos).
Normalerweise überholen wir nur die Lahmen und Fußkranken, doch dieses Mal versägen wir sogar einen 5er BMW - und noch einige andere.
Die Warteschlange an der Grenze ist ganz schön lang, jedenfalls müssen wir einige Zeit draußen in der prallen Sonne anstehen. Doch dann geht es plötzlich überraschend zügig, ein richtig netter Beamter stempelt unsere Pässe und der Zollkontrolleur hebt nur den Daumen und stellt fest, dass wir ein schönes Auto hätten. Unsere Ladung interessiert ihn nicht im Geringsten.
In Südafrika geht es nicht mehr ganz so schnell weiter, denn hier gibt’s 20 Mal mehr Menschen und Autos als nebenan, doch wir liegen weiterhin sehr gut in der Zeit.
Rechtzeitig zum Sundowner rollen wir auf das Camp im Pilanesberg Nationalpark. 600 km, mehr als an jedem anderen Tag in diesem Jahr. Es reicht.
Montag, 12.12.16 (Pilanesberg NP): Heute Tiere angucken. In Pilanesberg muss man meist nicht lange suchen. Selbst Nashörner haben wir hier schon unmittelbar vorm Auto gehabt und sie ließen sich durch nichts und niemanden stören. Auch hier hat die Trockenheit viel verändert. Da, wo vor zwei Jahren noch ein ganzer Schwarm grellroter Webervögel im Schilf nistete („Red Bishop“), schauen heute nur noch ein paar vertrocknete Halme aus dem harten Boden.
Anders als die Vögel können sich die großen Tiere nicht so ohne Weiteres aus dem Staub machen. Der Wassermangel ist dabei nicht einmal das größte Problem, denn Wasser kann man zur Not aus dem Boden pumpen. Das eigentliche Drama ist die Nahrung für die großen Pflanzenfresser, also für Nilpferde, Nashörner, Elefanten. Kein Regen, kein Gras, viel Hunger.
Elefanten können sich eine Zeit lang auch mit Ästen, Rinde und Laub den Bauch vollschlagen, Breitmaulnashörner und Nilpferde haben es da nicht so leicht. Es muss Gras sein, denn mit ihrem Rasenmähermaul kommen sie einfach nicht hoch in die Bäume. Aber noch ist ja ein wenig Gras zum Überleben zu finden. Tagsüber haben die Nashörner auf Energiesparmodus umgestellt und tun das, was man bei der Wärme tun sollte: im Wasser liegen. Bei Nashörnern darf es auch gerne mal Schlamm sein, der ist gut für die Haut und schlecht für die Insekten.
Am Nachmittag machen wir etwas, was man sonst in Nationalparks nicht machen kann. In den üblichen Camps leben keine größeren Tiere und der umgebende Zaun läuft ziemlich eng um den Platz herum. Nicht so in Pilanesberg. Hier leben ganze Antilopen- und Zebraherden im Camp – und grasen neben dem Auto. Zudem ist der Zaun sehr weit weg. Deshalb gibt es innerhalb des Camps auch markierte Mountainbikewege. Auf einem dieser Wege marschieren wir in einer Stunde einmal um das Camp herum. Bewaffnet mit dem Navi und aufmerksam beobachtet von Zebras und Antilopen und wahrscheinlich noch einigen anderen, die wir nicht gesehen haben. Es ist schon ein seltsames Gefühl, den Tieren zu Fuß zu begegnen und nicht hinter einer schützenden Blechhaut zu sitzen. Man achtet sehr viel genauer auf die Umgebung, denn verstecken oder weglaufen scheiden als Option aus.
Wir kommen heil wieder zurück. Nach zwei Sitztagen war das eine angenehme Abwechslung.
Dienstag, 13.12.16 (Pilanesberg NP): Anstatt sitzen oder wandern gehen wir heute baden. Ein paar Kilometer entfernt liegt Sun City, das zwar berühmt für sein Spielcasino und seine Golfplätze ist, das wir aber wegen seiner Badelandschaft aufsuchen. Vor Jahrzehnten ist hier eine künstliche Wasserwelt im Stile einer versunkenen Stadt entstanden. Perfekt und liebevoll gestaltet. Der ursprünglich künstliche Urwald ist inzwischen ein natürlicher – und riecht auch so. Ein riesiges Wellenbad mit Sandstrand, etliche teilweise ziemlich abenteuerliche Rutschen und vieles mehr locken die Leute scharenweise an. Da bereits Ferien sind, ist es entsprechend voll. Anders als in den vergangenen Jahren, ist der Anteil der Nicht-Weißen relativ hoch, ganz im Gegensatz zu den Nationalparks. Uns fallen vor allem die vielen indisch stämmigen Südafrikaner auf. Vielleicht liegt es daran, dass sich allmählich auch eine nicht-weiße Mittelschicht bildet. Zudem sind die Eintrittspreise eher moderat.
Nach ein paar Stunden bezieht sich der Himmel, da macht im Wasser herumzuliegen nur noch halb so viel Spaß. Also zurück ins Camp.
Mittwoch, 14.12.16 bis Dienstag, den 17.1.17 (Riverwood): Pretoria, wir kommen!
Leider ist das Navi noch auf den Fußmarsch von vorgestern eingestellt, also den kürzesten Fußweg. Und der führt uns auf dem Weg nach Pretoria zielsicher durch den ärmlichen Hinterhof des Städtchens Mogwase und über eine Buckelpiste zur nächsten Hauptstraße. Gut, dass uns das Navi nicht durch die Fußgängerzone oder den Park geschickt hat. Mit einer altmodischen Karte wäre das nicht passiert.
Anstatt die langweilige Autobahn zu nehmen, trödeln wir anschließend lieber über die Dörfer und durch die Wohngebiete nach Pretoria hinein.
Nach zwei Jahren sind wir endlich mal wieder bei Elizabeth und Peter, die hier auf einem wunderbaren parkähnlichen Grundstück an einem Fluss eine kleine Lodge und Pferdeställe betreiben. Sie leben mitten in der Natur und sind doch keine fünf Minuten von der Stadt entfernt.
Wie immer haben wir mit ihnen verabredet, dass wir nur dort bleiben, wenn wir etwas tun können. “Gibt es denn etwas zu tun?” Daraufhin kommt immer die Gegenfrage “In welchem Jahr wollt ihr wieder nach Deutschland zurück: 2019 oder 2020?”
In so einem Betrieb geht immer etwas kaputt. Der Elektrozaun wächst zu, der Traktor will nicht mehr, ebenso die Motorsäge, der Kompressor, die Notstromversorgung … und … und … und. Oder Diebe reißen die Rohre und Kabel der Wasserversorgung aus dem Boden.
Neben einem Dutzend Pferden tummelt sich hier noch ein Haufen andere Tiere. Puten, deren Junge sofort hinter einem herlaufen, wenn man etwas in der Hand hat, es könnte ja etwas zu fressen sein. Hühner, deren Küken sofort verschwinden, während Mama zum Angriff übergeht. Fohlen, die schon nach einer Stunde auf staksigen Beinen im Leben stehen. Papageien, die klingelnde Handys imitieren. Unmengen von anderen Vögeln, Ibisse, Eisvögel, Spechte, Kuckuck(e?). Eine Katze, die den Hunden sagt, wo es lang geht. Und natürlich Hunde. 15 an der Zahl, weil neben den acht eigenen noch sieben weitere als vorübergehende Gäste da sind.
Für Wolfgang sind das harte Zeiten. Nein, nicht wegen der Hunde, die sind zwar zahlreich, aber friedlich, sondern wegen der Kekse. Früher konnte sich Wolfgang, wenn er Hunger hatte, einfach einen Keks nehmen. Unbesehen. Heute muss er erst einmal studieren, welche Bilder auf der Packung sind, denn an den Namen kann man kaum noch erkennen, ob die Kekse für Hunde oder Menschen gedacht sind. Biscuits, Goodies, Leckerli, Crazy Cakes oder so. Manchmal heißen sie auch Zahnpflege oder Rindfleisch, was auch nichts Gutes verheißt, aber wenigstens keine Zweifel lässt.
Ach, was war das früher einfach!
Bei so vielen Tieren gibt es immer wieder mal Schwund oder das Gegenteil. Eine der beiden Katzen hat sich wegen der Hundeübermacht ein anderes Zuhause gesucht, dafür hat eine Putenmama einfach zwei Eier wilder Perlhühner mit ausgebrütet. Die Perlhuhnküken wachsen jetzt zusammen mit Putenküken auf. Sie sind kleiner und haben eine ganz andere Farbe, doch Mama nimmt sie wie ihre eigenen nachts und bei Regen unter ihre Fittiche. Mal sehen, wann sie merkt, was da passiert ist. Leider hat ein Mungo sich gleich zwei der Putenküken geholt, anstatt zu warten, bis an ihnen auch etwas dran ist.
Als wir vom Weihnachtsessen (im Restaurant “Eisbein”!) wieder zurück kommen, hat einer der Gasthunde ebenfalls Appetit auf ein Weihnachtsessen gehabt. Zwei der drei Papageien sind weg. Einen finden wir tot in der Garage, den anderen eine Woche später auf der Wiese. Es ist wirklich schade um sie. Bisher konnte man einen Handyanruf einfach ignorieren, es war eh der Papagei, jetzt gibt’s keine Ausrede mehr.
Auch bei den Puten geht der Schwund weiter, von den ursprünglichen sechs sind jetzt nur noch zwei übrig, doch die Perlhuhnküken sind noch alle da. Sollte es von Vorteil sein, unauffälliger gefärbt und kleiner zu sein?
Eines Tages legt sich eine der Stuten einfach auf die Wiese und eine Stunde später sucht ein rabenschwarzes Fohlen Mamas Zapfsäule. Für Elizabeth und Peter ist das schon ein wenig Routine, doch für uns Städter etwas völlig Ungewohntes.
Ein paar Tage später hat die Kleine auch einen Namen: Leila.
Hier ist also immer etwas los. Mal sind es ein paar Tiere mehr, dann wieder weniger. Mal geht etwas kaputt, dann wird repariert.
Nach fünf Wochen legen wir eine Pause von der Pause ein und wollen uns noch ein wenig von Südafrika anschauen. Den Osten und Südosten, also den Krugerpark und die Küste des Indischen Ozeans. Mal sehen, was uns da erwartet.
|