Tagebuch 5

Tagebuch  8. bis 22.12.2014

Montag, 8.12.14 (Jungle Junction, Karen):  Wir haben unsere Schleife durch Nordkenya erfolgreich beendet und müssen uns jetzt um die Blessuren am Bus kümmern. Er quietscht erbärmlich an der Vorderachse. Manchmal haben wir den Eindruck, wir hätten Hühner unterm Sitz eingeklemmt, die sich bei jeder Bodenwelle lautstark beschweren.

Ein anderes Gerät macht das genaue Gegenteil. Die Hupe sagt keinen Mucks mehr. Draußen im Busch war das egal, hier in der Stadt geht’s nicht ohne. Je lauter, desto Vorfahrt.

Anette kümmert sich ums Geld ausgeben. In den letzten drei Wochen war Shopping beschränkt auf ein paar Dosen, hin und wieder Brot und Eier und natürlich Zwiebeln und Tomaten. Die beiden letzteren konnten wir praktisch in jedem Dorf an der Straße kaufen. Hier in Nairobi gibt’s wieder alles, auch unsere über alles geschätzten Schweineöhrchen. Hier heißen sie Palmiers, weil sie als Schweineohren unverkäuflich wären. Wir haben im Nakumatt, der besten Supermarktkette Kenyas, die Regale leer gekauft.

Für den nächsten Kaufrausch müssen wir vermutlich bis nach Südafrika fahren, in den Ländern dazwischen sieht’s eher mäßig aus.

Wolfgang kümmert sich unterdessen um das Gequietsche an der Vorderachse. Die erste Vermutung, es käme von den neuen Gelenken, stellt sich als falsch heraus. Die arbeiten ordentlich. Auch die Stoßdämpfer machen keinen schlechten Eindruck. Erst, als Wolfgang Anette nach dem Kaufrausch wieder abholt (mit noch nicht wieder eingebauten Stoßdämpfern), löst sich das Rätsel. Es sind die Befestigungsgummis der Stoßdämpfer, die sich daneben benehmen.

Fürs erste muss ein Tröpfchen Öl reichen, langfristig gibt’s neue Gummis.

Das Hupenproblem lässt sich nicht so leicht lösen. Genauer gesagt, gar nicht. Die eine Hupe quäkt nur noch, die andere schweigt eisern. Das müssen wir später unter die Lupe nehmen, nicht in Nairobis Nieselregen.

Dienstag, 9.12.14 (Kibo Slopes Cottages, Oloitokitok):  Raus aus Nairobi! Das ist gar nicht so einfach, denn heute Morgen haben außer uns noch viele andere die gleiche Idee. Nach weit über zwei Stunden sind die 15 km dann doch geschafft.

Erst ein paar Stunden Richtung Mombasa, dann runter vom Highway auf eine kleine Asphaltstraße zum Kilimanjaro. Als wir Anfang diesen Jahres auf der anderen Seite des Berges vorbei gekodb_14-0950-mmen sind, hat er sich hartnäckig verhüllt. Heute lupft er wenigstens seinen Schleier und wir sehen, dass es darunter ordentlich geschneit hat. Man erzählt uns, dass sich der Kili am Morgen öfters oben ohne präsentiert, deshalb werden wir morgen früh noch einmal nachschauen.

Die Nacht verbringen wir unmittelbar an der Grenze in Oloitokitok. Der Ort bzw. der Ortsname ist uns wohl bekannt, denn von hier aus sind wir vor 15 Jahren auf den Kilimanjaro geklettert. Damals war noch deutlich mehr Schnee auf dem Gipfel. Zum Teil hatten Wind und Sonne bizarre Eisskulpturen geschaffen und man musste noch über Schneefelder gehen. In einigen Jahren wird das Geschichte sein.

Die Lodge, in der wir unterkommen, hat zwar einen Campingplatz, aber keine funktionierenden Toiletten und Duschen auf dem Platz. Doch man ist überraschend flexibel - und geschäftstüchtig. Wir können die Toilette des Restaurants mitbenutzen und wegen der Dusche wird ein anderer Gast gefragt, ob er etwas dagegen hätte, wenn wir die Dusche seines Bades mitbenutzen. Hat er nicht.

Afrika kann herrlich unkompliziert sein.

Der Platz auf der Wiese, auf den wir uns stellen wollen, ist schon besetzt. Doch wir können die Kuh überreden, sich für heute einen anderen Platz zu suchen. Ab morgen darf sie wieder ungestört grasen und das verarbeitete Gras deponieren.

Mittwoch, 10.12.14 (Coffee Tree Camp, Marangu):  Wir sind schon früh draußen, weil wir außerhalb des Ortes auf einem Feldweg frühstücken wollen.db_14-0954- db_14-0956-db_14-0965-Mit Kili-Blick.

Es sieht unwirklich aus, wenn der Berg hoch oben über die Wolken hinausschaut.

Nachdem wir uns satt gesehen und gegessen haben, geht es über die Grenze nach Tanzania. Obwohl eigentlich nicht viel los ist, denn Oloitokitok ist sicher der abgelegenste Grenzübergang von Kenya nach Tanzania, dauert es doch fast eineinhalb Stunden, ehe wir alle Stempel und Unterschriften haben und 125 US$ los sind.

Die anschließende Straße führt um die Ostseite des Kilimanjaro herum und war 1999 bei unserem ersten Besuch noch eine schlechte Piste. In der Regenzeit gab es damals wochenlang keinen Verkehr, weil alle Fahrzeuge stecken blieben.

Jetzt ist es feiner Asphalt, der sich kurvenreich um den Berg wickelt. Nach gut zwei Stunden sind wir in Marangu, dem Hauptort für den Kili-Tourismus.

Wir wollen allerdings nicht auf den Berg, sondern nur in ein schönes Camp. Die Coffee Tree Lodge ist genau das, was wir suchen. Sehr grün, sehr gepflegt und sehr leer. Ganz leer, um genau zu sein.db_14-0968-

Kaum haben wir uns einen Platz auf dem Rasen gesucht, haben Angestellte der Lodge unter einem großen Schattendach einen Platz für uns vorbereitet. Mit Tischdecke, Kamin, Kühlschrank und Blümchen. Und Aussicht ins Grüne.

Das alles wirkt extrem akkurat, sauber, europäisch, so, wie wir es von Hedi und Ulli in Mombasa kennen. Doch die Besitzer sind zwei sehr nette ältere Schwarze. Sie haben längere Zeit in England gelebt, was man der Lodge auf Schritt und Tritt auch ansieht.

Donnerstag, 11.12.14 (Coffee Tree Camp, Marangu):  Der Lodgechef hat uns erzählt, dass neben der Post ein Laden wäre, wo wir eine tanzanische SIM-Karte fürs Handy kaufen könnten. Wir sollten einfach nach George fragen.

Laut unserer Karte ist es nicht weit in die Ortsmitte von Marangu. Wir gehen schnell mal zu Fuß zur Post.

Die Straße wickelt sich steil bergauf und wir kommen ganz schön ins Schnaufen. Unterwegs fragen wir noch einmal nach der Post. “Ja, ja, immer geradeaus!”. Nach einer Stunde sind wir offensichtlich mitten im Ort und es geht nicht mehr weiter, denn vor uns ist der Eingang zum Kilimanjaro Nationalpark. Durch diesen Eingang sind wir vor 15 Jahren nach der Überquerung des Berges wieder zurück in die Zivilisation gekommen. Fertig, nass, schmutzig und zufrieden. Von Oloitokitok hierher haben wir damals fünf Tage gebraucht, diesmal waren es nur ein paar Stunden.

Nach Post sieht hier übrigens nichts aus. Auf unsere Nachfrage kommt nur Kopfschütteln.

Wir trinken etwas in einem Straßencafé und werden Zeuge eines ungewohnten Rituals.

Eine extrem aufgebrezelte,db_14-0976- abdb_14-0974-er ernst dreinblickende junge Dame wird von einer Garde ebenfalls aufgebrezelter und genauso ernst dreinblickender noch jüngerer Damen auf die Straße geführt. Ihnen folgt eine Art Blaskapelle. Nach einigen Minuten Film- und Fotoaufnahmen vorm Eingang des Nationalparks formiert sich ein Autokonvoi. Die Hauptperson in einer geschmückten Limousine, alle anderen auf den Ladeflächen von Pickups. Und dann geht’s los. Motoren an, Hupen an, Abfahrt. Die Kapelle gibt, was sie dezibelmäßig geben kann. Man hört sie noch kilometerweit.

Alles hatte den Anschein einer Hochzeit. Wo aber war der Bräutigam?

Man klärt uns auf, dass das nur die “Entsendung” der Braut war. Irgendwo wartet der Bräutigam, bis die Braut endlich geliefert wird. Das jetzige Remmidemmi war nur der Abschied aus ihrem bisherigen Leben.

Später hören wir, ebenfalls sehr lautstark, wo der Bräutigam gewartet hat. In einem Hotel direkt neben unserem Camp. Da findet nämlich heute Abend die große Party statt. Während wir in einem kleinen Restaurant nebenan essen, üben Band und Conférencier noch ein wenig.

Nach dem Essen bedeuten uns die Wächter vom Hotel, dass wir doch einmal bei der Hochzeit reinschauen sollten. Wir machen das auch, aber sehr dezent. Es muss eine Hochzeit der Upper Class sein. Im Hotelgarten sind mehrere große Zelte aufgebaut. Alle voller Leute und in der Mitte unsere Blaskapelle von heut’ morgen. Wir hatten gelesen, dass diese Art von Blaskapellen ihre Wurzeln in der deutschen Kolonialzeit hat. Na, dann haben wir Deutschen damals ja doch mehr da gelassen als nur Ordnung und Disziplin. Denn die Schule heißt hier noch heute Shule, das Geld heißt Hela (vom Heller) und das Eisenbahnsystem wurde auch von den Deutschen entworfen. Nun also auch noch die Musik.

Eine SIM-Karte haben wir übrigens nicht bekommen, weil der Ort nicht nur eine Mitte hat, sondern zwei. Wir waren in der falschen, der ohne Post.

Freitag, 12.12.14 (Coffee Tree Camp, Marangu):  Nach dem gestrigen stundenlangen Gewaltmarsch machen wir heute nichts. Außer, wenn wir schon mal einen englischen Kamin haben, ein Feuer, denn das Holz hat man uns freundlicherweise gleich neben den Kamin gelegt. Bis jetzt haben wir nur ein einziges Mal Feuer gemacht und das war ein schlechtes Omen, denn am nächsten Tag sind wir im Schlamm stecken geblieben. Wir sind also ein wenig aus der Übung. Das merkt man dem Feuer auch an. Es qualmt wie verrückt und wenn der Raum nicht nach allen Seiten offen wäre, wären wir fluchtartig getürmt. So rennen wir immer nur an die Seite, wo noch ein wenig Sauerstoff in der Luft ist.

Da wir sowieso nichts zum Braten haben, geben wir relativ bald auf.

Samstag, 13.12.14 (White Parrot Lodge, Korogwe):  Genug der erfrischenden Kühle, jetzt wollen wir runter an die Küste des Indischen Ozeans zum Schwitzen und Baden.

Auf halbem Weg dorthin liegen die Usambara Berge. Nicht sehr hoch, doch auch hier gibt es einen “World View Point”, an dem es mehrere hundert Meter nach unten geht.

Um runter zu schauen, muss man erst einmal hoch. Das geht auch ganz gut, obwohl sich unser Motor auf dem kleinen Sträßchen ganz schön quälen muss.

Ein Polizist an der Straßenkontrolle will sich kaputt lachen, als wir ihm erzählen, dass wir auf dem Wege nach Namibia sind. Fliegen ja, fahren nein. Erst als wir ihm verraten, dass es in den anderen Ländern auch ordentliche Straßen gibt, nickt er nachdenklich mit dem Kopf. Dass die Straßen der anderen teilweise exzellent und besser als in Tanzania sind, verraten wir ihm nicht.

Ähnliche Erfahrungen haben wir oft in Afrika gemacht. Im eigenen Land hält man das Fahren für problemlos, manchmal auch in den direkten Nachbarländern. Aber alles, was weiter weg liegt, ist Wildnis, Urwald, Busch, unterentwickelt.

Als wir oben ankommen, erfahren wir im wörtlichen Sinne, dass es vor kurzem heftig geregnet hat; sehr heftig sogar. Der Weg, der zum Aussichtspunkt führt, ist seifig und wir haben große Mühe, den Wagen in der Mitte der Piste zu halten. Die Hinterräder drehen ständig durch, weil es leicht bergauf geht.

Glücklicherweise kommen uns keine Autos entgegen, denn vom Rand hätten wir es nicht wieder in die Mitte des Dammes geschafft. Eigentlich würden wir gern umdrehen, doch das geht nicht mehr.

Hatten wir so eine Situation nicht vor ein paar Wochen schon einmal? Damals haben wir 23 Stunden im Schlamm festgesessen! Auch das Feuer gestern Abend könnte ein schlechtes Omen gewesen sein. Doch wir glauben an so etwas ja nicht und fahren einfach weiter. Was sollen wir auch sonst tun.

Nach zwei Kilometern sehen wir vor uns einen Geländewagen, der vom Pistendamm gerutscht ist. Er hat sich mit der Seite an den Hang gelehnt und wir haben keine Chance, daran vorbei zu kommen. Doch wenn wir anhalten, kommen wir nicht wieder in Gang, weil die Reifen rutschen.

Unser Glück: neben uns ist hangwärts eine Einfahrt zu einem Acker. Wir schaffen es, an ihr vorbei zu kommen, um dann rückwärts mit Schwung das Wagenheck in die Einfahrt zu drücken. Ein paar Mal hin und her, dann haben wir den Wagen gedreht.

Wir schleichen mit halbem Fußgängertempo den Berg herab. Ein paar Mal rutscht uns das Heck weg, weil die Räder beim leichtesten Bremsen gleich blockieren. Anette jauchzt, wenn wir wieder mal mit dem Heck Karussell fahren, und Wolfgang kann überhaupt nicht mit lachen.

Doch es geht gut.

Unten im Ort versuchen wir, ein Camp zu finden, um vielleicht morgen, wenn die Sonne alles wieder getrocknet hat, einen neuen Anlauf zu nehmen. Doch im Ort gibt es nichts, wo wir bleiben könnten. Als letzte Alternative bliebe der Busparkplatz. Der ist ebenfalls schlammig und alles andere als einladend.

Na, dann eben kein World View.

Zehn Kilometer zurück bietet laut Navi eine Lodge Camping an. Hier hat es nicht geregnet und wir kommen gut durch. Als wir eintreffen witzelt Anette noch “Sorry, we are fully booked”.

Die Lodge macht einen netten Eindruck, ringsum von Urwald umgeben. Der Angestellte sagt uns, dass sie zurzeit keine anderen Gäste hätten. Doch wegen Camping muss er erst den Manager fragen. Der lässt uns ausrichten, dass sie kein Camping mehr hätten, nur noch Hütten für 80 $. Wir lehnen dankend ab.

Wenn sie so geschäftstüchtig wie die Mitarbeiter der Lodge in Oloitokitok gewesen wären, hätten sie mit wenig Aufwand wenigstens einige Dollar verdient, jetzt haben sie gar nichts.

Wir fahren den Berg wieder herunter, weiter in den nächsten größeren Ort. Dort bietet eine Lodge, die eher auf Fernfahrer spezialisiert ist, ein Camp an. Das ist zwar nicht so schön wie das oben in den Bergen, doch da es schon dunkel ist, bleiben wir hier. Außerdem haben sie ein großes Restaurant. Zum Kochen haben wir heute Abend nämlich keine große Lust mehr.

Sonntag, 14.12.14 (Travellers Lodge, Bagamoyo):  Wir brauchen Brot. Also macht Wolfgang einen kleinen Morgenspaziergang durch den Ort. Es läuft wieder das bekannte afrikanische Spiel. “Wir haben keines, aber die Straße runter ...” Bettgestelle, Autoreifen, Kleider, alles gibt es in Hülle und Fülle, aber kein Brot. Nach einem Kilometer gibt Wolfgang auf. Brotlose Kunst. Dann gibt’s heute nur Müsli.

Später, als wir mit dem Auto unterwegs sind, klappt’s dann doch noch.

Bagamoyo liegt gut 200 km von uns entfernt an der Küste des Indischen Ozeans. Es war einmal die Hauptstadt von Deutsch-Ostafrika und fristet heute, abseits der großen Verkehrsströme, ein Dornröschen-Dasein. Doch wenn es ein schönes Camp und einen schönen Strand hat, dann werden wir ein paar Tage Pause machen.

Apropos Pause: an der Straße hat ein neues Restaurant aufgemacht und uns gelüstet nach einem kleinen Imbiss oder wenigstens einer Tasse Kaffee. Unsere Erwartungen sind nicht hoch, zumindest etwas Kaltes zu trinken sollte es geben.

Auf die Frage nach irgendetwas Essbarem erwähnt die Bedienung fast beiläufig ein Buffet. Was für ein Buffet? Na ja, ein Mittagsbuffet! Wir lassen es uns zeigen und sind verblüfft. Fisch, Fleisch, Huhn, verschiedene Gemüse, Suppen, alles macht einen sehr leckeren Eindruck.

Aus dem spärlichen Imbiss wird ein sehr opulentes Mittagessen. Afrika hält immer wieder ein paar Überraschungen bereit.

Auf der Weiterfahrt werden von Straßenhändlern Ananas angeboten. Hier scheint Erntezeit zu sein. Wir sind zwar satt, aber eine Ananas geht immer. Anette feilscht mit dem Händler und bei 800 Shillingi sind sie sich einig. Das sind 40 Eurocent. Für den Preis nehmen wir doch glatt zwei. Nachdem Anette die 1600 Shillingi bezahlt hat, drückt ihr der Händler sechs Ananas in die Hand. Ananas werden hier nämlich im Dreierpack verkauft!

Was macht man bloß mit so viel Ananas? Braten, schmoren, kochen oder einfach nur roh als Obst essen? Vor vielen Jahren hat’s Wolfgang mal nach dem Genuss einer frischen Ananas innen ausgeräumt. Gibt’s das Ganze jetzt mehrfach?

Vielleicht können wir einen Handel aufmachen.

Am Nachmittag erreichen wir die Küste. Bagamoyo ist tatsächlich ein verschlafenes kleines Städtchen. Wir haben sogar zwei Camps zur Auswahl, das eine ist gut, das andere sehr gut. db_14-1061-db_14-1057-Direkter Zugang zum Meer, ein Restaurant, Chalets und eine riesige baumbestandene Wiese zum Campen. Ganz für uns alleine, denn außer uns sind keine anderen Gäste da.

Halt, da hinten zwischen den Büschen steht ein kleines Zelt, davor ein Motorrad. Mit einem Erdinger Kennzeichen!

Norman, so heißt der junge Mann, ist seit einigen Monaten auf dem Weg zurück nach Bayern. Er hat das Motorrad nach Kapstadt bringen lassen und fährt jetzt “Cape to Cairo”. Da das, wie wir ja inzwischen wissen, sogar ein alter Mini kann, wird er es sicher auch schaffen.

Montag, 15.12.14 (Travellers Lodge, Bagamoyo):  Norman muss heute nach Daressalam. Dort wird er versuchen, neue Reifen zu bekommen, was offensichtlich gar nicht so einfach ist. In Tanzania gibt es zwar viele Motorräder, doch er braucht stabilere als die landesüblichen Reifen.

Wir lassen es sehr ruhig angehen und pendeln zwischen dem Strand und dem Schatten vorm Auto.

Abends stellen wir wieder einmal fest, dass wir ein paar Eier brauchen. Norman und Wolfgang gehen in den nahe gelegenen Supermarkt. Angeregt von Anettes Großeinkauf der Ananas kommen die beiden mit 30 Eiern zurück. Das ist die kleinste erhältliche Menge. Und zusätzlich 1000 Shillingi Pfand auf den Eierkarton!

Was macht man mit 30 Eiern? Braten, schmoren, kochen oder ausbrüten?

Wir entscheiden uns heute für Bratkartoffeln mit Spiegeleiern oder besser Spiegeleier mit Bratkartoffeln. Damit ist das erste Drittel bereits verputzt.db_14-0986-

Dienstag, 16.12.14 (Travellers Lodge, Bagamoyo):  Norman bricht auf. Muss aufbrechen, denn bis nach Kairo ist es noch weit. Wir haben immer geglaubt, in unserem Bus wäre der Platz optimal ausgenutzt, doch als Motorradfahrer musst du ein Meister in dieser Disziplin sein. Jeder noch so kleine Hohlraum ist gefüllt und alles hat eine ganz strenge Ordnung.

Mit neuen Reifen und vollgepackt knattert er davon.

Wir machen das, was wir gestern auch gemacht haben, nur mit leicht erhöhtem Cholesterinspiegel.

Mittwoch, 17.12.14 (Travellers Lodge, Bagamoyo):  Heute ist Tag der Gelenke. Man merkt ihnen an, dass sie in die Jahre gekommen sind. Oder besser: man hört es ihnen an. Sie teilen es deutlich mit, wenn sie sich anstrengen müssen. Immerhin haben sie uns in den letzten Jahren auf etliche Berge geschleppt. Nicht nur uns, sondern auch den Bus.

Im Gegensatz zu menschlichen Gelenken sind die unserer Antriebswellen auswechselbar. Das ist zwar keine blutige Angelegenheit, aber eine ziemlich schmutzige. Das schwarze Fett kriegt man mit normaler Seife nicht mehr herunter.

Am Nachmittag sind die Gelenke sauber und Wolfgang schmutzig. Es war höchste Zeit fürs Auswechseln, denn zwei der vier waren am Ende. Genau zwei hatten wir als Ersatz dabei.

Donnerstag, 18.12.14 (Travellers Lodge, Bagamoyo):  Heute ist Tag der Eierkuchen. Oder der Pfannkuchen, wie es in Süddeutschland heißt. Jedenfalls sehr lecker. Wir wollen ja unseren Cholesterinspiegel halten.

Freitag, 19.12.14 (Travellers Lodge, Bagamoyo):  Nach so viel aktivem Nichtstun ist heute Bewegung angesagt, was bei 33°C nicht so leicht fällt.

Wir bummeln ein bisschen in Bagamoyo herum. Die Stadt hat einen leicht morbiden karibischen Charme. Viel ist verfallen oder auf dem besten Wege dahin.db_14-0992-db_14-0991-

Mitten in der Stadt steht ein beeindruckend großer Baum mit fünf Metern Durchmesser am Stamm, unter dem Fischer ihre Boote bauen.

Bei näherem Hinschauen zeigt sich, dass der Baum aus vielen einzelnen Stämmen besteht. Es ist eine uralte Würgefeige, die von ihrem ursprünglichen Ziehvater nichts übrig gelassen hat. Sie hat vor langer Zeit als Samen in einer Astgabel gekeimt, Luftwurzeln auf den Boden heruntergelassen und, nachdem diese stabil genug waren, nach und nach ihren Wirtsbaum erwürgt.

Wissen Vegetarier eigentlich, wie mörderisch Pflanzen sein können?

Die deutschen Spuren in Bagamoyo sind nicht sehr prominent. Die Stadt war ja auch nur für vier Jahre Hauptstadt, danach sind die Deutschen ins nahe gelegene Daressalam umgezogen. Eine alte Schule soll es noch geben, das alte Zollhaus steht am Hafen und am Stadtrand der deutsche db_14-0998-db_14-1000-db_14-1003-Regierungssitz, “German Boma” genannt. Er versteckt sich hinter einem Bauzaun und wartet auf eine Wiederverwendung. Doch gebaut wird hier schon lange nicht mehr, alles ist verlassen und wir können ungestört drinnen herumstöbern. Seinerzeit war es sicher das imposanteste Gebäude der Stadt. Oben vom Dach hat man einen weiten Blick, wobei den deutschen Kolonialherren wohl eher das weite Schussfeld wichtig war.

Offensichtlich sollte das Gebäude in jüngerer Zeit in ein modernes Hotel umgebaut werden. Doch für wen? Es wimmelt hier nicht gerade an Touristen. Wenn der Bau vierzig Kilometer weiter draußen im Meer stünde, nämlich auf Zanzibar, dann wäre das etwas anderes.db_14-1005-

Der Blick von der Boma ist immer noch der gleiche wie zu Kaisers Zeiten: üppige Vegetation, blaues Meer und die Dhaus der Fischer.

Wir setzen uns am alten deutschen Zollhaus in ein “Straßencafe”, sprich: zwei Plastikstühle vor der Tür, und trinken etwas Kaltes. db_14-1015-db_14-1044-Um uns herum herrscht geschäftiges Treiben, denn die Fischer bringen gerade ihre Fänge an Land. Wirklich üppig ist die Ausbeute nicht, meistens nur einige Plastiktüten voll kleinerer Fische.db_14-1016-

Die potenziellen Käufer stehen am Strand im Kreis, die Tüten mit den Fischen liegen in der Mitte und ein Auktionator zählt den Preis langsam und lautstark nach unten. Solange, bis der erste Käufer schwach wird.

db_14-1026-db_14-1024-db_14-1033-Auf die gleiche Weise werden kleinere Mengen und größere Fische gehandelt. Sogar ein paar Rochen wechseln den Besitzer. Wir wussten gar nicht, dass man die essen kann. Aber warum eigentlich nicht?

Meistens werden die Stachelrochen von ihren neuen Besitzern am Schwanz gepackt und wie sträubende Hunde an der Leine nach Hause gezogen.

Wer kleinere Fische gekauftdb_14-1035- db_14-1037-hat, kippt sie gleich am Strand in den Sand, nimmt sie aus und entschuppt sie. Wegen des Sandes sind die Fische nicht so glitschig und lassen sich besser greifen. Es ist eine mühselige Arbeit, die kleinen Dinger zu entschuppen, obwohl es im Sekundentakt geht.

Die Fischchen werden später in der Sonne zu Trockenfisch gedörrt, da spielt auch der verbliebene Sand keine Rolle mehr.

db_14-1039-db_14-1011-db_14-1012-Ein Stück entfernt liegen die großen Dhaus an langen Seilen befestigt am Strand. Sie werden gerade fürs Auslaufen bei der nächsten Flut vorbereitet und sind hochseetüchtig, auch wenn es auf dem ersten Blick nicht danach aussieht. In den vergangenen Jahrhunderten sind diese Schiffe mit den Passatwinden bis nach China gesegelt.

Anders als wir es von unseren Segelschiffen gewohnt sind, ist bei den Dhaus der Baum, der das Segel waagerecht gestreckt hält, nicht unten am Mast befestigt, sondern wird nach oben an die Mastspitze gezogen. Eine Seite des Baums ist vorn am Schiff befestigt, die Mitte an der Mastspitze und die andere Seite ragt steil nach oben. Das Segel hängt als großes Dreieck vom Baum nach unten. Zudem steht der Mast oft schräg nach vorn geneigt im Boot.

db_14-1047-Die Bauweise der großen und kleinen Dhaus ist seit Jahrhunderten unverändert. Auch das Material und die Werkzeuge sind die gleichen. Der größte Unterschied: der Knopf im Ohr des Bootsbauers, über den er Musik von seinen Handy hört.

db_14-1051-Zurück an “unserem” Strand schauen wir einer Vorschule bei der Gymnastik zu. Es sind im Schatten immer noch weit über 30°. Aber wo ist Schatten? Trotzdem machen alle mit Begeisterung nach, was der Lehrer vormacht. Manche hätten noch ein bisschen mehr Bewegung nötig, wie man in der Bildmitte sieht. Übergewichtige Kinder sind hier jedoch die Ausnahme. Mangels Wohlstand auch kein Wohlstandsspeck.

Samstag, 20.12.14 (Melela Nzuri Camp, Morogoro):  Schluss mit Urlaub vom Urlaub!

Wir machen noch ein letztes Foto von unserem Camp. Dabei sehen wir, dass wir in den vergangenen Tagen unter einem Damoklesschwert db_14-1064-gelebt haben. Schwert ist vielleicht nicht der richtige Ausdruck, Damoklesbombe wäre passender. Direkt neben unserem Auto in zwanzig Metern Höhe hängt eine Kokosnuss. Wir haben die Palme gar nicht gesehen, da sie sich regelrecht in einem anderen Baum versteckt hat.

Welche Kräfte tieffliegende Kokosnüsse entfalten können, haben wir vor einigen Wochen in Kikambala miterlebt. Dort waren die Palmen nur gut halb so hoch wie hier und die Nüsse haben dicke Holzbohlen zerdeppert. Ob unser Autodach stabiler als eine Holzbohle ist? Oder unser Hirndach?

Vor Jahren ist uns einmal eine kleine Frucht von einem Baum direkt in die Kaffeetasse gefallen. Tasse leer, T-Shirt voll!

Doch die Kokosnuss hängt ja noch oben und wartet auf eine günstigere Gelegenheit. Danke.

Kaum, dass wir zwei Meter rückwärts gefahren sind, stehen wir schon wieder. Ziemlich abrupt sogar. Da hat sich doch über Nacht hinter unserem Auto eine Palme eingenistet. Gestern war sie jedenfalls noch nicht da und heute ist sie schon 10 m hoch. Glücklicherweise war es nicht unsere Damoklespalme, denn deren Antwort auf Wolfgangs Rempler mag man sich gar nicht vorstellen. “Palme angefahren, Auto bombardiert”.

Es geht einigermaßen glimpflich ab. Die Stoßstange ist jetzt nicht mehr konkav, sondern konvex (oder ist es umgekehrt?). Jedenfalls wölbt sie sich jetzt in die falsche Richtung, sie hat einfach nachgegeben, die Kluge. In Windhoek werden wir sie wieder in die richtige Form bringen.

Wir wollen, bevor es Richtung Malawi geht, noch einen kurzen Besuch in Kaole einschieben. Kaole war um 1300 die wichtigste Stadt hier an der Küste und besteht heute nur noch aus ein paar ausgegrabenen Ruinen. Anders als in Europa, wo man an jeder Ecke auf jahrhundertealte Überbleibsel trifft, ist in Schwarzafrika fast nichts aus der Vergangenheit erhalten. Das meiste, was man gebaut hatte, war nicht für die Ewigkeit bestimmt und ist inzwischen verfallen und spurlos verschwunden. Was heute noch erhalten ist, ist entweder ein wenig geheimnisumwittert, weil die Geschichte der Erbauer nicht ganz aufgeklärt ist (wie in Great Zimbabwe oder im südafrikanischen Mapungubwe) oder die Erbauer kamen von außerhalb, z.B. aus Arabien. Letzteres war in Kaole der Fall. Hier hatten sich arabische und persische Händler niedergelassen und es zu einigem Wohlstand gebracht. Doch als der Hafen langsam versandete, war auch die Geschichte Kaoles geschrieben.

db_14-1069-db_14-1068-Ein junger Mann führt uns durch die Ruinen und über den recht gut erhaltenen Friedhof und erklärt uns alles. Hier stehen auch die Reste einer der ältesten Moscheen Ostafrikas.

Als Europäer läuft man stets Gefahr, afrikanische Geschichte mit europäischen Augen anzuschauen. Doch damit wird man ihr nicht gerecht. Die Ruinen von Kaole sind zwar nur rund 800 Jahre alt, aber wo wenig erhalten geblieben ist, hat das Wenige eine besondere Bedeutung. Immerhin hatte dieser Ort in seiner Blütezeit Handelsverbindungen bis weit nach Asien hinein, erkennbar an ausgegrabenen Scherben und Münzen.

Die alten Wikinger oder die Germanen haben uns ja auch nicht viel Handfestes hinterlassen, wenn man von Hünengräbern und Moorleichen einmal absieht.

Genug Kultur, jetzt wollen wir Kilometer sehen. Auf nach Malawi! Ein paar Tage werden wir für die 1000 km wohl brauchen. Nach allem, was wir wissen, ist es guter Asphalt, sprich: nur wenige Schlaglöcher, dafür aber viele Bodenschwellen quer über die Straße als moderner Ersatz für Schlaglöcher. Sie mahnen eindrücklich zum Langsamfahren in den Ortschaften.

Am späten Nachmittag geht einem unserer Hinterreifen die Puste aus. Hier, auf feinem Asphalt! Wir finden es jedenfalls sehr fair von ihm, dass er auf den schlimmen Strecken am Turkana-See die Luft angehalten hat.

Zu allem Übel ist auch noch einer der Reservereifen platt. Also muss der zweite ran (der ist nagelneu).

Kurz darauf sind wir in der einzigen richtigen Stadt auf dieser Strecke, in Morogoro. Tanken und Reifen reparieren.

Letzteres zieht sich viel länger hin als normal. Der Grund: beim Aufblasen eines der reparierten Reifen ist aus unerfindlichen Gründen plötzlich das Ventil des Schlauches nach innen entschwunden. Um es wieder herauszubekommen, müsste die Decke herunter. Das geht jedoch nur, wenn der Schlauch drucklos ist. Luft ablassen geht über das Ventil, doch das ist nach innen abgehauen ...

Und nun? Wolfgang kann die Jungs gerade noch davon abhalten, mit einer Spitze ein Loch in die Lauffläche des Reifen zu stechen, um ihn wieder zum Demontieren platt zu machen. Aber eine bessere Idee hat er auch nicht. Wenigstens kann er sie überreden, das Loch in die weiche Flanke zu stechen und nicht durch den Stahlgürtel der Lauffläche.

Nach einer halben Stunde ist der Reifen wieder genauso platt, wie er vorher war und kurz vor Einbruch der Dunkelheit wieder fahrbereit.

Anette hat die Zeit im abgedunkelten Bus gelegen. Ihr ist ziemlich übel und sie ist sehr dankbar, dass wir zwei Stunden lang gestanden haben. Jetzt geht es wieder besser.

Leider hat Morogoro kein Camp, also müssen wir 50 km weiter. Dort meldet unser Navi eines. Nach dem Abbiegen von der Hauptstraße geht es für ein paar Kilometer über einen sehr schmalen und offensichtlich wenig befahrenen Waldweg, an dessen Ende im Dunkeln tatsächlich ein paar Hütten auftauchen.

Nach Camp sieht hier nichts aus, nach Menschen auch nicht. Doch neben einer Hütte brennt noch ein kleines Feuer, hier lebt also jemand. Nach einigen Minuten öffnet sich eine Tür und eine verschlafene Gestalt kommt heraus. Ja, ein Camp gäbe es hier, sogar mit Duschen und Toiletten.

Wolfgang geht mit Wächter und Taschenlampe los, um sich die sanitären Anlagen anzusehen. Das war tatsächlich mal eine schönes Camp. Vor gaaanz langer Zeit. Duschen und Toiletten sind auch da, aber kein Wasser. Das alles ist seit Jahren nicht mehr benutzt worden, wie die dicke Staubschicht auf den Waschbecken erahnen lässt.

Der Wächter will umgerechnet fünf Euro haben. Das ist zwar unverschämt viel für nichts, doch wir haben keine Lust, weiter zu fahren und stellen uns auf eine freie Fläche. Für eine Nacht wird’s gehen.

Sonntag, 21.12.14 (Rivervalley Camp, Iringa):  Frühstück gibt’s später, denn auf dem Boden ums Auto wimmelt es von großen Ameisen. Überall. Man kann keine Sekunde stehen, ohne dass sie an den Beinen hoch krabbeln. Nun ist eine handelsübliche Ameise ja kein Problem, aber diese hier sind ein wenig größenwahnsinnig. Sie glauben doch tatsächlich, dich verspeisen zu können und fangen an den Füßen schon mal an.

Das Gehen wird zum hektischen Trampeln. Wir werden also an der Straße frühstücken. Hakuna Matata, kein Problem.

Ein Problem wird’s jedoch beim Bezahlen, denn angeblich ist der Quittungsblock alle. “No reciti, no money!”, ohne Quittung kein Geld! Das sieht der Wärter ein und meint, dann bräuchten wir nichts zu bezahlen. Das wiederum finden wir unangemessen und drücken ihm die Hälfte in die Hand, was natürlich in der eigenen Tasche verschwindet.

Später bemerken wir, dass das Camp nicht nur ameisenverseucht war, sondern wir uns auch noch eine Unmenge fliegender Tierchen, die Kakerlaken sehr ähnlich sehen, eingefangen haben. Im Gegensatz zu Kakerlaken, halten sie aber nicht viel aus. Ein Schlag mit der Hand reicht meistens. Vereinzelte Exemplare bringen wir noch Wochen später zur Strecke. Nachts schlafen wir ohnehin immer unter einem Moskitonetz.

Die Nationalstraße durchquert auf 50 km den Mikumi Nationalpark. Das ist der einzige Nationalpark mit Preisschildern an der Straße. Einen Elefanten umzufahren, kostet 13.000 US$, eine Antilope nur ein paar hundert. Seltsam nur, dass die Preise in US$ angegeben sind, der typischen Touristenwährung. Ob Touristen tatsächlich Elefanten überfahren? Also, wir täten uns schwer, da drüber zu kommen. Oder zielen die Preise doch eher auf die Tausende von schwer beladenen LKWs von und nach Zambia, Zaire, Malawi und Co.?

db_14-1074a-Heute müssen wir auf über 2000 m Höhe klettern. In den Bergen haben wir plötzlich ein seltsames Gefährt vor uns. Ein Pkw mit offener Motorhaube. An sich nichts Besonderes, aber bei Tempo 60 schon. Der Fahrer lugt durch den Schlitz unter der Motorhaube auf die Straße.

Als wir ihn überholen, ahnen wir den Grund. Der Motor macht mächtig Lärm, weil der Wagen wohl einen Frontschaden hat und dabei der Kühlerventilator außer Gefecht gesetzt wurde. Die geöffnete Motorhaube als riesiger Fächer, das ist African engineering at its best. Und da ein Fächer ohne Bewegung nicht fächelt, muss das Auto fahren. Je schneller, desto windiger.

db_14-1076a-Wir grüßen freundlich und huschen schnell vorbei, ehe die Motorhaube angesegelt kommt.

In einem Ort werden wir an einer Polizeikontrolle angehalten. Die freundliche junge Dame hält uns ein Gerät mit einer 57 auf der Anzeige ins Auto. Wir sind zu schnell gefahren, denn im Ort sind nur 50 km/h erlaubt. Wir sind reumütig, denn die Messung stimmt, und fragen, ob 57 km/h ein großes Problem wären. “Nein, denn heute ist Sonntag, da gibt es das umsonst”. Wir geloben Besserung und fahren tatsächlich ab jetzt vorschriftsmäßig mit 50 in die Ortschaften.

Am Nachmittag landen wir nach 250 km in einem Camp, wo wir schon oft und gerne waren, das uns aber unter der neuen Leitung nicht mehr gefällt. Es wirkt kühl und lieblos. Allerdings kein Vergleich zur letzten Nacht.

Für eine Nacht wird’s gehen ...

Montag, 22.12.14 (Bongo Camp, Tukuyu):  Es sind noch 400 km bis zur Grenze nach Malawi. Das meiste davon wollen wir heute schaffen.

Wieder mal eine Verkehrskontrolle. Davon haben wir besonders in Tanzania mehr als genug. Im Durchschnitt dürfen wir alle 40 km ein Schwätzchen mit einem Polizisten halten. Wie geht’s? Gut! Und selber? Gut! Wo kommst Du her? Aus ...! Wo fährst Du hin? Nach ...! Wie war die Reise? Sehr gut! Wie ist Deutschland? Kalt!

Manchmal haben sie die neuesten Bundesligaergebnisse für uns oder freuen sich einfach nur, dass wir von so weit her in ihr Land kommen.

Diesmal meint der Polizist, wir wären zu schnell gefahren (was definitiv nicht richtig ist), zeigt uns aber kein Messgerät. Vermutlich war es nur ein Versuchsballon. Nachdem wir ihm sehr bestimmt erklärt haben, dass wir am Ortsschild genau fünfzigkommanull gefahren sind, fragt er nur nach, ob wir tatsächlich abgebremst haben. “Na, selbstverständlich, wir wissen ja, dass ihr Messgeräte habt”. “Ok, dann gute Fahrt”.

Es geht mächtig bergauf und bergab und wir kommen flott vorwärts. Jedenfalls bergab. Wir stellen unseren eigenen Geschwindigkeitsrekord von 103 km/h ein, ganz ohne Motor.

Die Zahl der rechts und links im Straßengraben liegenden LKWs ist ebenfalls rekordverdächtig. Teilweise sind sie so brutal zertrümmert, dass man sie selbst in Afrika nicht mehr reparieren mag (hier wird normalerweise jedes noch so verbeulte Blech wieder gerade gebügelt). Bei einem der Lkw hatte sich das Vorderteil der Zugmaschine auf den Kopf gedreht, während das Hinterteil zusammen mit dem Anhänger noch aufrecht stand.

Die Unfälle wären nicht ganz so schlimm, wenn nicht gleichzeitig die 50 bis 70 Tonnen Ladung des einen Lasters die 50 bis 70 Tonnen des anderen von der Straße boxen müssten. Im Gegensatz zum klassischen Zweikampf gehen hier beide zu Boden. Endgültig!

Das war schon Anfang dieses Jahres so, als wir dieselbe Strecke in der anderen Richtung gefahren sind. Hier vereinen sich aufs Trefflichste Lust am Risiko, gute Straßen und schlechte Fahrzeuge. Viele Fahrzeuge haben Reifen und Bremsen, die den Hof des TÜV nicht mehr verlassen dürften, vor allem die Fahrzeuge aus Zaire. Doch bergab kann selbst die marodeste Kiste locker 100 km/h schaffen, manche sogar 103 ;-). Die Straße ist hervorragend ausgebaut, also kann man zügig fahren und deshalb auch vor Bergkuppen und Linkskurven hemmungslos überholen. Für die Fahrer der Linienbusse scheint das Pflicht zu sein. Die sind, wie auch die Fahrer der Lkw, Afrikaner und haben somit ein viel entspannteres Verhältnis zu Risiken als wir ängstlichen Europäer. Außerdem sind Verkehrsregeln hier so verbindlich wie die Werbetafeln neben der Straße.

Diese Mischung kann ziemlich tödlich sein. Mittelfristig wird sich daran wohl auch nichts ändern. Wir versuchen jedenfalls immer, den Elefantenrennen aus dem Weg zu gehen und haben es lieber, wenn die Eiligen an uns vorbei sind.

Immerhin gibt es Polizeikontrollen, die den einen oder anderen Lkw von der Straße holen und es gibt Bodenschwellen, die kein Lkw-Fahrer ignoriert, bzw. nur ein einziges Mal. Da haben wir auch immer eine gute Chance, die ganz Langsamen zu überholen, denn sie müssen ihre lange und oft überladene Fuhre im Fußgängertempo über die Bodenwellen bringen, während wir nur zwei Mal kurz hoppeln und wieder beschleunigen können (obwohl “beschleunigen” bei 50 PS und 2,5 Tonnen etwas vermessen klingt).

Am Nachmittag trudeln wir - unversehrt - in Tukuyu ein. Das ist die letzte Stadt vor der Grenze nach Malawi.

Hier soll es ein kleines Camp geben. Nach zwei Nächten in Für-eine-Nacht-wird’s-gehen-Camps hoffen wir heute auf etwas Besseres. Das verrostete Hinweisschild und der anschließende Feldweg zwischen Äckern und Hütten dämpft die Hoffnung.

Kurz vorm Ziel läuft eine jungen Frau auf dem Weg, die, kaum dass wir an ihr vorbeigefahren sind, anfängt zu laufen. Immer hinter uns her.

Anette hat das richtige vermutet. Kaum dass wir im Camp angekommen sind, läuft sie schnaufend ebenfalls durchs Tor. Es ist die Platzchefin.

db_14-1081-Das Camp ist keines von der befürchteten Sorte. Ganz im Gegenteil. Sehr schön grün, nett angelegt, mitten zwischen Hütten und Bananenstauden. Nur die Toiletten sind, wie in fast allen afrikanischen Camps, gewöhnungsbedürftig.

Wir sind, wie sollte es anders sein, die einzigen Gäste.

Nein, nicht ganz. db_14-1092-Durch die Büsche hören wir Kindergetuschel und hin und wieder ein zaghaftes “Hello Mzungu”. Es sind Schulferien, da haben sie Zeit, den Fremdlingen zuzuschauen. Nach ein paar Minuten sind sie meistens wieder weitergezogen. Dann kommen die nächsten.

Die Campchefin bietet uns an, etwas zu essen zu kochen. Sie hat eine große Liste, aus der wir uns ein Gericht mit Huhn und eines mir Rind heraussuchen. Am Ende der Liste tauchen gebackene Bananen auf, bei der wir beide noch einmal heftig mit dem Kopf nicken.

Als sie nach einiger Zeit mit Töpfen und Schüsseln zu uns kommt, merken wir sehr schnell, dass wir einen Fehler gemacht haben. Gebackene Bananen sind hier nicht, wie wir ohne Nachzudenken angenommen hatten, süße Bananen in Honig wie im Chinarestaurant, sondern Kochbananen in einer Tomatensoße. Das ist kein Nachtisch, sondern der Hauptgang. Und was für einer! Der reicht für eine ganze Familie.

Glücklicherweise hat sich auch die Köchin nicht vorstellen können, dass normal gebaute Mzungus zwei Hauptgerichte essen können und hat deshalb nur einmal Huhn und einmal Kochbananen zubereitet. Obwohl es sehr lecker schmeckt, speziell die Kochbananen, ist es viel zu viel. Aber wir haben ja einen Kühlschrank und morgen sicher wieder Hunger.

Damit ist das Kapitel Ostafrika für dieses Jahr erledigt, ab jetzt rechnen sich die Staaten zum südlichen Afrika. Auch unsere spärlichen Kisuaheli-Kenntnisse können wir zu den Akten legen. Aus Asante sana wird wieder Thank you, Habari wird zu How are you und nzuri zu I’m ok. Doch das Hello Mzungu und das Pole pole werden wir vermissen. Hallo Bleichgesicht, immer schön langsam.