Tagebuch 3

South Luangwa NP/Zambia, den 2.1.15

Liebe Freunde,

diesmal ist es nur ein kurzer Bericht, nur ein paar Tage. Doch die waren prallvoll mit buntem afrikanischem Leben. Die Kamera hat Schwerarbeit geleistet und es hat sich gelohnt.

Um Euch einen lebendigen Eindruck davon zu vermitteln, haben wir dieses Mal besonders viele Bilder hochgeladen. Eigentlich zu viele, aber wir konnten uns einfach nicht entscheiden, welche wir weglassen sollten. Deshalb gibt es jetzt eine geballte Ladung Afrika - und auch im nächsten Bericht geht es ähnlich weiter (ist noch in Arbeit).

Ansonsten geht’s uns gut und dem Bus ziemlich dreckig, denn wir haben jetzt das nördliche Ende der Regenzeit erreicht und das heißt: Matsch, Matsch, Matsch. Ab morgen Nachmittag soll es zurück auf den Asphalt gehen. Stramm nach Süden, bis der Regen aufhört und das Auto wieder sauber ist.

Euch allen ein erfolgreiches Jahr 2015

Anette & Wolfgang

Tagebuch  27. bis 30.11.2014

Donnerstag, 27.11.14 (Catholic Mission, North Horr):  Die nächsten 500 bis 1000 km werden hart. Fürs Auto, aber auch für uns. Wir wollen um die Chalbi-Wüste herum nach North Horr, dem “Hauptdorf” der abgelegensten Region Kenyas, dann runter an den Turkana-See, dem größten Wüstensee der Welt, und schließlich wieder zurück ins Hochland nach Nairobi.

In der gesamten Region leben nur wenige Menschen, doch die haben viele Kalaschnikows. Klingt gefährlicher als es ist, denn wenn man hier Angelegenheiten mit der Waffe regelt, geht es immer um Rinder, Wasser und Weide. Nichts davon wird man in unserem Auto vermuten, hoffen wir. Und wir gehen fest davon aus, dass sie erst nachschauen und dann schießen.

In den Reiseführern und im Internet wird regelmäßig vor dieser Gegend gewarnt. Man solle sie nur im Konvoi mit mehreren Geländewagen befahren und sich vorher intensiv bei der Polizei und bei Einheimischen über Pistenzustand und Sicherheitslage informieren. Letzteres haben wir ausgiebig getan, ersteres wird mangels anderer Reisender nichts werden.

Die Aussagen von Polizisten muss man immer mit großer Vorsicht genießen. Die Standardantwort auf fast alle Fragen lautet nämlich “Hakuna matata”, no problem. Die wesentlich fundiertere Informationsquelle sind die Missionare, die wir hier im Camp Henry kennen gelernt haben. Hermann, Anton und Richard kommen ursprünglich alle aus der Diözese Augsburg und leben schon seit Jahren oder sogar Jahrzehnten in dieser Region. Ihre Diagnose: die Sicherheit ist deutlich höher als in Nairobi, als Tourist bist du willkommen und ziemlich ungefährdet (“Du hast ja keine Hörner”). Aber die Piste ist schwierig und bietet das volle Programm: Felsen, Lavaschotter, Sand, Staub, Matsch. Die Missionare brauchen, wenn alles gut geht, mit ihren Landrovern und Landcruisern für die 200 km bis North Horr einen halben Tag. Wenn es regnet, kann es auch erheblich länger dauern bis unmöglich werden.

Wir beschließen, dass es nicht regnet. Allmählich sollte die Regenzeit nämlich zu Ende sein.

Der kürzere Weg - und der wesentlich flotter zu befahrende - führt mitten durch die Chalbi-Wüste. Er ist allerdings noch blockiert, weil der Regen aus dem Staub einen undurchdringlichen Morast gemacht hat.

Morast hatten wir wahrlich genug, also außen herum.

In den nächsten zehn Tagen werden wir keine Tankstelle mehr sehen, bestenfalls gibt es in einigen der Dörfer ein paar Liter Benzin unklarer Provenienz aus Plastikflaschen. Um nicht darauf angewiesen zu sein, laden wir in Marsabit noch ein paar Liter nach, wollen die Tanks aber auch nicht bis oben hin voll machen, um kein unnötiges Gewicht über die Pisten zu schleppen. Es sind ja höchstens 1000 km.

Das Gleiche gilt für das Wasser. Einen der beiden Tanks lassen wir leer. Wenn es nicht regnet, kommen wir schnell durch und brauchen das Wasser nicht. Und wenn es regnet und wir ein paar Tage fest stecken, dann haben wir mehr als genug davon.

Außerdem versorgen wir uns in Marsabit noch mit Gin. Die kleine Flasche der besseren Sorte kostet 100 Shillingi, das ist nicht mal ein Euro. Alkoholiker können hier billig leben.

Nein, wir brauchen den Gin nicht, um uns die Wüste schön zu saufen, sondern wir haben vor ein paar Jahren entdeckt, dass uns abends zum Sonnenuntergang ein Gin Tonic schmeckt. Ein wenig Gin und viel Tonic oder Bitter Lemon. Eine schöne Landschaft, vielleicht ein paar Tiere, dazu die allmählich kühler werdende Luft. Herrlich!

Doch bevor es so etwas gibt, ist Arbeit angesagt. Um kurz vor 9 Uhr biegen wir auf die kleine Piste nach North Horr ab. Die Missionare haben uns angeboten, bei Ihnen in der Missionsstation zu übernachten. Bis dort sind es 200 km, die wir hoffentlich bis heute Abend geschafft haben. Wenn nicht, dann werden wir in dieser menschenleeren Gegend problemlos im Busch übernachten können.

Die Piste lässt sich gut befahren und wir steigen ziemlich flott aus dem kühlen Marsabit in die Tiefebene ab. Die Temperatur bewegt sich in die Gegenrichtung, wie es sich für eine Wüste db_14-0639-db_14-0637-gehört.

Die meiste Zeit ist die Piste recht steinig, doch hin und wieder gibt es schöne flache und sandige Abschnitte. Wir können sogar den vierten Gang einlegen und fliegen regelrecht über die Ebene. Leider sind solche Passagen meist nicht sehr lang und wir werden durch ein sandiges Flussbett oder eine Felsbarriere daran erinnert, nicht übermütig zu werden.

Die Landschaft sieht zwar menschenleer db_14-0643-db_14-0648-aus, ist es aber nicht. Hin und wieder treffen wir auf Kamele, die scheinbar herrenlos herum streifen, tatsächlich aber Nomaden gehören. Wenn man genauer hinschaut, kann man ihre unscheinbaren Hütten in der Nähe der Trockenflüsse entdecken. Hier gibt es im Untergrund Wasser und in der Umgebung wächst eine spärliche Vegetation. Wenn diese abgefressen ist, ziehen sie weiter.

Nach ein paar Stunden wird es steiniger. Wir db_14-0640-kommen in eine Lavawüste, deren schwarze Felsen von der Sonne regelrecht gebraten werden. Aber nicht lange, dann ziehen plötzlich dunkle Wolken auf und es fängt an zu regnen. Nach wenigen Minuten sammelt sich das Wasser zu kleinen Bächen. Unser Glück: der Lavauntergrund ist ziemlich stabil. Von ein paar Matschpassagen, durch die wir mit Schwung hindurch schlingern, abgesehen, gibt es keine ernsthaften Schwierigkeiten. Lediglich vor einigen größeren Gewässern müssen wir überlegen, wie wir am besten hindurch kommen.

db_14-0651-Meistens befindet sich unter dem Sand oder Schlamm eine betonierte Furt, manchmal sogar, wie hier, ganz luxuriös mit Markierungspfosten, damit man nicht aus Versehen ins tiefe Wasser abrutscht.

Kalacha, den einzigen Ort auf der Strecke, passieren wir nach gut fünf Stunden. Jetzt haben wir 150 km geschafft. Dank der Rennstrecken im Sand ging es bisher recht zügig, schneller als gedacht.

Im weiteren Verlauf geht es nicht mehr ganz so flott vorwärts. Die Piste wird ganz schön ruppig und wir haben immer wieder nasse Passagen, die wir uns genauer anschauen müssen, ehe wir hineinfahren. Das kostet Zeit.

Je näher wir North Horr kommen, desto sandiger wird es. Streckenweise müssen wir quer durch die Dünen und die Hinterräder schaufeln bergeweise Sand nach hinten weg. Jetzt kommt uns allerdings der vorangegangene Regen zu Gute. Nasser Sand fährt sich viel besser als trockener und wir kommen fast mühelos durch Strecken hindurch, auf denen wir bei Trockenheit schwer zu kämpfen gehabt hätten.

Ein paar Mal stecken wir beinahe fest. Aber immer nur beinahe.

Die letzten zwanzig Kilometer müssen wir querfeldein fahren, weil wir die richtige Piste verloren haben. Wir folgen einfach immer der Spur, die Richtung North Horr geht, denn wo soll man hier sonst hinfahren? Auf dem Navi können wir sehr schön sehen, ob wir dem Ort tatsächlich näher kommen oder nicht.

Kurz nach Sonnenuntergang sehen wir die ersten Hütten von North Horr. Sogar die Kirche entdecken wir auf Anhieb, nur nicht den richtigen Weg zwischen den Hütten hindurch. So irren wir einige Zeit zur Verwunderung der Einheimischen im Ort herum, ehe wir endlich ”auf den richtigen Pfad zur Kirche geleitet werden”(!).

Wir haben es geschafft. 200 km in 9 1/2 Stunden. Das ist nicht allzu schlecht ohne Allradantrieb, aber mit Regen. Auf der gesamten Strecke hat uns kein Fahrzeug überholt, so langsam sind wir dann wohl doch nicht gewesen. Auch der Gegenverkehr war spärlich, gerade mal ein Dutzend Geländewagen, die hier als Busse fungieren, sind uns entgegen gekommen.

Herrmann hatte uns gesagt, dass wir uns in der Missionsstation zunächst bei Angela melden sollten.

Angela ist eine db_14-0670-sehr nette junge Schwarze und so etwas wie die Mutter der Mission. Sie kümmert sich um alles, was mit Essen und Schlafen zu tun hat. Wir dürfen uns zwischen das Gästehaus und das Haus der Salesianer-Schwestern stellen.

Jeder, der vorbeigelaufen kommt, bleibt auf ein Schwätzchen und wir haben den Eindruck, dass wir hier gern gesehen sind.

Kurze Zeit später kommt Angela noch einmal vorbei und lädt uns zum Abendessen ein. Äh, wir wollten hier nur kurz auf der Durchreise übernachten und keine Vollpension. Doch sie lässt nicht locker. Es würde Pizza geben, weil gerade zwei italienische Gäste zu Besuch wären, und es wäre genug für alle da.

Eine Stunde später sitzen wir in einem großen Wohnzimmer und genießen zusammen mit den anderen Gästen eine richtig gute afrikanisch-italienische Pizza.

Unsere Vorstellung von North Horr war: Sand, Staub, Hitze. Tatsächlich erleben wir: Duschen, Gastfreundschaft, Pizza. Härter kann der Kontrast kaum sein.

Freitag, 28.11.14 (Catholic Mission, North Horr):  An sich wollten wir heute ja weiter in Richtung Turkana-See. Doch man legt uns nahe, noch zu bleiben und nach der anstrengenden Fahrt ein wenig Pause zu machen. Wir nehmen dankbar an und genießen die entspannte Atmosphäre in der Mission.

Wie katholische Pfarrer aussehen und sich benehmen, glaubten wir zu wissen. Doch hier erleben wir eine Überraschung nach der anderen.

“Father Anton” - so die offizielle Anrede - steckt, als wir ihn näher kennen lernen, bis zu den Ellbogen im Motoröl eines Landrovers. Es gelingt uns nicht, uns diese Situation in Deutschland vorzustellen. “Toni” - so ist seine normale Anrede - ist gelernter Autoschlosser und kümmert sich um alles Technische in der Mission. Fahrzeuge, Werkstatt, Bauten.

Hermann, offiziell Father Hermann, hat Werkzeugmacher gelernt, bei Siemens gearbeitet und danach Pfarrer studiert (nennt man das so?). Er hat viele Jahre hier in der Mission gearbeitet, ist dann krank geworden und hat eine Pfarrei im Allgäu übernommen. Jetzt ist er gerade wieder hierher zurück gekommen und wir haben den Eindruck, er ist nach Hause zurückgekehrt. Hermann ist eine profunde Informationsquelle zu allem, was sich hier abspielt und wir erfahren viel über das Leben hier, die Nomaden und die Beweggründe, so eine Aufgabe zu übernehmen.

Richard ist der dritte bayerische Pfarrer. Er geht auf die 80 zu, ist inzwischen pensioniert und hat jahrzehntelang in dieser Region gelebt. In seiner Zeit sind die meisten Schulen, Krankenhäuser, Kindergärten und Kirchen gebaut worden. Als er hier ankam, war erst wenige Jahre zuvor das britische Kolonialgesetz aufgehoben worden. Es bestimmte, dass kein Weißer in diese Region reisen durfte. Warum die Briten diesen Landstrich abgeriegelt hatten, konnte uns keiner erklären.

Richard ist nur zu Besuch hier. Die Mission hat ihn eingeladen, um am kommenden Sonntag an der Einweihung einer neuen Kirche teilzunehmen.

Father John ist Kenianer aus dem grünen Hochland. Er hatte beschlossen, dass er in der Wüste leben wolle und mehr Wüste als hier gibt es in Kenia nicht. Folgerichtig ist die Gärtnerei sein Hobby und er würde aus der Missionsstation am liebsten eine grüne Oase machen.

Hubert ist gelernter Landwirt, kommt ebenfalls aus Bayern und ist 100 km von North Horr entfernt stationiert. Auf halbem Wege zu seiner Pfarrei wird am Sonntag die neue Kirche eröffnet.

Toni und Hermann empfehlen uns, noch zwei Tage länger zu bleiben, denn eine Kircheneinweihung in Afrika erlebt man nicht alle Tage. Die Kirche steht in Balesa, gut 50 km in Richtung äthiopischer Grenze. Sie würden uns nicht raten, mit dem eigenen Auto dorthin zu fahren, der Weg kann bei Regen sehr schwierig werden. Doch es wären genügend Mitfahrgelegenheiten vorhanden.

Eine Kircheneinweihung in Deutschland stellen wir uns als etwas Formales, Strenges, Ritualisiertes vor (ohne es genau zu wissen!). Das wäre nichts, wofür wir weit reisen würden. In Afrika könnte so ein Fest ganz anders ablaufen. Aber wie? Wir werden es am Sonntag erfahrendb_14-0661-db_14-0656-db_14-0653-.

Eine völlig andere und neue Erfahrung macht Anette heute Nachmittag. Sie erlebt ihren ersten Sandsturm. Plötzlich wird der Himmel grau, dann gelb, die Sonne verschwindet und Sand fliegt uns um die Ohren.

Zehn Minuten später ist der Spuk wieder vorbei.

Samstag, 29.11.14 (Catholic Mission, North Horr):  Die Einweihung wirft ihre Schatten voraus. In der Kirche von North Horr wird die Musik für morgen geübt, etliche auswärtige Gäste sind eingetroffen und sogar der Bischof der Diözese Marsabit ist gekommen. Er ist die gesamten 200 unfreundlichen Kilometer von Marsabit hierher selber mit dem Auto gefahren. Respekt, Herr Bischof!

Am Nachmittag kommt Angela vorbei und lädt uns zum Abendessen ein. Irgendwie gehören wir wohl schon zur Familie.

Beim Essen fachsimpeln wir mit dem Bischof über die erschreckende Größe der Bierkrüge in Bayern. Er war offensichtlich schon mehrfach auf dem Oktoberfest und scheint es genossen zu haben.

Die Nacht wird lang. Nach dem Essen sitzen wir noch draußen bei einem Bier - oder zwei - und unterhalten uns über alles Mögliche. Gegen Mitternacht bleibt ein harter Kern aus drei katholischen Pfarrern, einem konservativen katholischen Laien und einem Heiden übrig. Es entspinnt sich eine verblüffende Diskussion über die Frage, was die katholische Kirche sein will. Oder sein soll. Über Zölibat, Wiederverheiratung Geschiedener, Homosexualität, Sex vor der Ehe. Alles Themen, bei denen der anwesende Heide glaubte, die Position der katholischen Kirche zu kennen. Doch jetzt hört er von den Pfarrern Sätze wie: “Warum überlassen wir es nicht dem einzelnen Pfarrer, ob er ehelos bleiben will oder nicht?” oder “Warum müssen wir die Menschen immer in gut und böse einteilen, in Sünder und gute Katholiken?” oder “Es kann für eine Paar durchaus vernünftig sein, zunächst noch keine Kinder haben zu wollen!” oder “Zwei meiner besten Freunde leben als schwules Paar zusammen. Sind das deshalb schlechte Menschen?” oder “Die katholische Kirche sollte die Menschen so nehmen, wie sie nun mal sind und sie nicht als Erstes verurteilen und aus der Kirche treiben!”

Dem Heiden bleibt der Mund offen stehen.

Das ist aber nicht die offizielle Linie von Benedikt und Co., oder? Vielleicht liegt es daran, dass Rom weit weg ist und man hier sehr viel direkter am wahren Leben dran ist. Das ist umso überraschender, als die Afrikaner in solchen Fragen eher konservativ bis stockkonservativ sind.

Es könnte sein, dass die katholische Kirche in Deutschland weniger unter Mitgliederschwund leiden müsste, wenn man auch hierzulande offener über diese Themen reden dürfte.

Der Heide geht nachdenklich ins Bett ...

Sonntag, 30.11.14 (Catholic Mission, North Horr):  ... und steht früh wieder auf. Denn ab 8:30 Uhr soll es nach Balesa gehen. Mal sehen, welche Überraschungen dort auf uns warten.db_14-0681-

Die erste: in einen Landrover mit fünf Sitzen passen locker doppelt so viele Leute. Und es ist für die meisten nicht einmal unbequem. Es geht 50 km nach Norden, anfangs genau durch jene Dünen, durch die wir vor einigen Tagen selber gefahren sind, jetzt aber doppelt so schnell.

Nach gut einer Stundedb_14-0687-db_14-0686-db_14-0683- und mit leicht verkrampften Armen vom Festhalten treffen wir in Balesa ein. Ein Nomadendorf mit einigen festen Hütten und vielen Zelten. Hier leben Gabbra, ein Stamm, der die Region zwischen Turkana-See und äthiopischer Grenze bewohnt. Sie kämpfen hin und wieder mit den ebenfalls hier ansässigen Burana, doch heute wird es friedlich sein.

Alle haben sich festlich herausgeputzt, vor allem die Frauen und Mädchen.

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Sie lieben Farben, siedb_14-0719- db_14-0706-lieben Schmuck, sie sind meistens schlank und hochgewachsen. Heute ist eine wunderbare Gelegenheit, dies alles vorzuführen; eine Chance, die sich keine Frau auf der Welt entgehen lässt. Man darf nicht vergessen: wir sind hier mitten in der Wildnis bei Nomaden, sehr weit weg von der nächsten Stadt. Trotzdem könnten etliche der Damen auf jeder Flaniermeiledb_14-0716-db_14-0708- in Europa mithalten.

Es wird das größte Fest in der Geschichte des Ortes sein.

In der Kirche haben maximal 800 Menschen Platz, was eine riesige Zahl für so einen kleinen Ort ist, doch heute wird das nicht ausreichen.

db_14-0797-db_14-0790a-Hermann hat uns erzählt, dass allein für 1000 Menschen Essen gekocht wird, denn was ist ein Fest ohne Festessen? Dazu müssen etliche Schafe, Ziegen und Rinder ihr Leben lassen und werden gleich an Ort und Stelle in Einzelteile zerlegt.

Die Nomadenfrauen zerkleinern die größeren Stücke in mundgerechte Bissen. Das Messer wird kurzerhand zwischen die Zehen geklemmt, das Fleisch daran vorbeigeführt und die Stückchen landen in einem der riesigen Töpfedb_14-0793-.db_14-0788-

In anderen Töpfen köcheln Reis, Kohl und Tee. Der Tee sieht zwar aus wie Bratensoße, doch auf der Tüte stand eindeutig Chai, Tee. Er wird mit Milch getrunken und hat dann die Farbe von Milchkaffee.

Während das Essen noch ein paar Stunden auf dem Feuer braucht, formieren sich um die Kirche herum langsam die Menschen. Die Ältesten des Dorfes, die Pfarrer, die Ehrengäste, Chöre, Tanzgruppen und Abordnungen der umliegenden Orte. Auf uns übertragen ist ganz Süddeutschland zu Gast.

Die Gesänge und Tänze werden noch einmal geübt, dann nimmt die Menge Aufstellung und die Zeremonie beginnt.

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Nach einigen kurzen Reden wird zunächst die Kirchedb_14-0761- geweiht. Dazu marschiert die gesamte Prozession einmal um den Bau, die Dorfältesten voran. Sie besprenkeln die Wände mit einem traditionellen Getränk -db_14-0748- irgendetwas leicht Alkoholisches. Ohne das Einverständnis der Dorfältesten geht hier nämlich nichts. Erst danach darf der Bischof mit dem Weihwasser ran.

Der Akt wird hundertfach aufgezeichnet, jeder hebt sein Handy oder seine Filmkamera, sogar modernste Apple I-Pads sind zu sehen. In dieser Hinsicht unterscheidet sich Afrika nicht vom Rest der Welt.

Schließlich kommt der große Moment. Die Eingangstür wird geöffnet und alle dürfen zum ersten Mal in ihre neue Kirche. Der Raum ist bis auf den letzten Platz gefüllt.

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Es herrscht eine fröhliche und entspannte Stimmung.

Auch hier müssen, wie bei jeder Einweihung auf der Welt, erst einige Reden ausgehalten werden, bevor es ans Essen geht. Wir hätten jetzt eine salbungsvolle Predigt erwartet und werden überrascht. Zunächst stellt sich jeder der anwesenden Pfarrer und Gäste vor. Offensichtlich tun das die meisten mit viel Humor, denn die Zuschauer lachen immer wieder laut und freuen sich über jeden Witz. Selbst der Bischof macht seine Späßchen und erntet Applaus. Die Reden und Predigten werden in Kisuaheli oder der lokalen Sprache der Nomaden gehalten, wir verstehen also nicht viel. Aber dass es hier nicht bierernst zugeht, ist offensichtlich.db_14-0785-db_14-0784-

Natürlich hält der Bischof noch eine längere - und ernsthafte - Predigt, das ist ja keine Unterhaltungsveranstaltung. Zum Abschluss reckt er den Gläubigen die ebenfalls frisch geweihte Bibel entgegen. Und neben ihm der Vikar sein I-Pad. Fast ein Sinnbild für die beiden Welten, die hier zusammentreffen.

Wir nahmen an, dass es jetzt ans Gekochte geht. Weit gefehlt! In Deutschland würden jetzt ein paar Messdiener mit Beutelchen an langen Stangen herumgehen und dezent und unaufdringlich Geld einsammeln. Hier hat es eher den Charakter einer Wohltätigkeitsveranstaltung. Jede Besuchergruppe, aber auch viele Einzelpersonen, kommen nach vorn, erzählen ein paar Minuten lang, wer sie sind, überbringen ihre Glückwünsche, nennen am Schluss eine größere Zahl und alle applaudieren. Bei ganz großen Zahlen wird der Applaus durch ein lautes und schrilles Trillern der Frauen verstärkt. Wie sie das machen, wissen wir nicht, auf jeden Fall ist es sehr laut und ein Ausdruck großen Wohlgefallens.

Immer, wenn wir annehmen, dass jetzt Schluss ist, kommt wieder einer nach vorn, erzählt etwas und tut einige Scheinchen in den großen Beutel.

Da der kenianische Shilling nur etwa einen Eurocent wert ist, hören sich die Zahlen immer ziemlich groß an. Aber auch, wenn man es in Euro umrechnet, kommt ein erkleckliches Sümmchen zusammen. Wir haben nicht mitgezählt, doch es werden einige tausend Euro geworden sein. Für kenianische Verhältnisse ist das eine Menge Geld.

Allmählich merkt man den Leuten an, dass es nun doch schon fünf Stunden dauert. Draußen sind es 39°C und in der Kirche nicht viel weniger, wenngleich der ständige Luftzug durch die Maueröffnungen es ganz gut erträglich macht.

Dann ist es geschafft.db_14-0800-db_14-0798-

Jetzt kommt für die Einheimischen der beste Teil - das Festessen!

Bei den Nomaden ist das Essen ein soziales Ereignis. Es wird nicht auf Tellern für jeden Einzelnen serviert, sondern eine große Platte mit Reis (viel Reis!), Kohlgemüse, Fleisch und Kartoffeln wird in die Mitte gestellt und alle bedienen sich daraus.db_14-0803-db_14-0806-

Offensichtlich ist der Überfluss ein wichtiger Teil des Festessens, denn die meisten der zurückkommenden Platten sind noch voller Reis, alles andere ist abgegessen. Auch in den Töpfen bleibt noch viel zurück. Die Reste werden in lautstarken Diskussionen unter den Familien verteilt. Lediglich der große Topf mit Tee ist komplett leer.

Nach dem Essen macht sich Unruhe unter den Gästen breit. Alle Reden sind gehalten, alle Geschenke sind abgeliefert und alle sind satt. Es ist also Zeit, an die Rückreise zu denken, denn einige werden noch bis weit in die Dunkelheit unterwegs sein.db_14-0811-db_14-0819-

Die üblichen Verkehrsmittel zwischen den Orten sind Geländewagen oder zum Bus umgebaute LKW. Die LKWs werden von oben nach unten gefüllt. db_14-0829-db_14-0822-Wer zuerst kommt, darf ganz oben auf der Bordwand sitzen, wer zu spät kommt, muss nach unten. Auf bzw. in so einen Bus passen 200 und mehr Leute. Man kann sich als Zuschauer nicht vorstellen, dass die stundenlange Schaukelei, auf einem Stahlrohr in fünf Metern Höhe sitzend, wirklich Spaß macht. Schon gar nicht auf diesen Pisten! Und ganz und gar nicht vorstellen mag man sich die Flugbahnen der Passagiere, wenn das Fahrzeug abrupt bremsen muss. Aber ein kenianischer Busfahrer bremst ja nicht ...

Wir sind schon recht dankbar, dass wir auf einem richtigen Sitz in einem nicht überfüllten bequemen Landrover fahren dürfen.

Zu früh gefreut!

Der Landrover für die Rückreise hat eine Doppelkabine mit fünf Sitzen, da haben bequem sieben Erwachsene und ein Kind Platz. Neben Anette sitzt die Mutter mit dem Kleinkind. Kaum hat das Kind Anette gesehen, fängt es an zu weinen und die Mutter deckt ein Tuch über ihren Kopf. Das haben wir oft erlebt. Für schwarze Kinder ist ein weißes Gesicht genauso erschreckend wie ein schwarzes für unsere Kinder.

Hinten auf demdb_14-0830- Landrover gibt es noch eine etwa zwei Quadratmeter große Ladefläche. Die teilen sich zwölf Frauen samt Gepäck, drei Kinder und ein Mzungu. Der hatte die Wahl, sich vorn noch mit hineinzudrücken oder hinten auf der Ladefläche zu sitzen. Zu sitzen? Die Füße klemmen zwischen Säcken und Taschen, der Hintern hängt über db_14-0831-der Bordwand, der eine Arm umklammert den Aufbau, die andere die Kamera.

Im Stand wirkt das alles ein wenig unelegant und das Wort “Donnerbalken” kommt einem in den Sinn, doch während der Fahrt ist es furchtbar. Zwar hält sich der erwartete Staub in Grenzen, doch manche Menschen haben einfach zu wenig Polstermaterial unter der Haut, um die Sprünge, die das Fahrzeug macht, abfedern zu können. Der Wagen kracht in die Schlaglöcher und das Fahrwerk macht Geräusche wie ein Hammerwerk. Eine Stunde lang. Manchmal setzen wir hinten auf und immer wieder schlägt die Federung, die dank 21 Leuten ohnehin am Ende ist, hart durch. Für jeden, der selber mal ein Auto reparieren musste, ist das eine echte Tortur.

Kurz vor North Horr bittet eine der Damen Wolfgang, mal ihr Kind zu halten. Sie droht samt Gepäck in den Tiefen der Ladefläche zu verschwinden. Offensichtlich ist Wolfgang im Gesicht schwarz genug, um für das Kind als Afrikaner durchzugehen. Jedenfalls strahlt der oder die Kleine über beide Ohren, als Wolfgang ihn nach dem Aussteigen wieder zurück gibt. Manche Kinder wissen halt, was sich gehört ;-).

Der Landrover hat die Fahrt problemlos weggesteckt, so wie er das seit Jahr(zehnt)en macht. Nicht alle Passagiere können das von sich behaupten. Muskelkater in den Armen ist dabei noch das kleinste Übel.

Im Nachhinein wäre die Strecke auch für unseren Bus kein großes Problem gewesen, doch in einem gepolsterten Sitz ist das ja eher ‘was für Weicheier.

Oder: lieber hammerhart gefahren als butterweich gelaufen.