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Tagebuch 8.1.2012 bis 22.1.2012 |
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Sonntag, 8.1.12 (Zavora Lodge, Inharime): Wie schon beim letzen Mal geschrieben, war der Rückweg durch die Dünen leichter als erwartet. Fünf Minuten vorbereiten (Luft weitgehend aus den Reifen lassen), zwei Minuten durch den Sand fliegen und eine halbe Stunde nachbereiten (die Luft muss ja wieder in die Reifen zurück). Einige Stunden später sind wir schon wieder auf dem Weg durch die Dünen, doch dieses Mal hat man freundlicherweise festen Sand auf die Piste geschüttet und die 17 km sind fast ein Vergnügen. Hier in der Zavora Lodge ist die Saison offensichtlich vorüber. Die Tauchbasis ist mangels Kunden geschlossen. Wolfgang wäre ja gern getaucht, denn hier ist die Chance auf Mantarochen und Walhaie ziemlich groß. Leider ist die Chance, andere Taucher zu treffen, gleich Null. Auf dem riesigen Camp sind wir die einzigen Gäste, was die Platzwahl einerseits einfach macht. Doch andererseits gelten hier ganz besondere Regeln. Bei der Auswahl des Platzes sollte man immer schön nach oben schauen, denn die meisten Schattenspender sind Kokospalmen, die voller Nüsse hängen und zuweilen auch einen Palmwedel mit Schmackes nach unten sausen lassen. Wir wählen statt dessen einen Platz unter einem wilden Mandelbaum. Der lädt weit aus, hat tellergroße Blätter und deshalb richtig dichten Schatten. Und wilde Mandeln auf dem Kopf verursachen keine Kopfschmerzen. Die Früchte sind pflaumengroß und sollen wie eine Mischung aus Apfel und Birne schmecken. Oben auf der Düne gibt’s ein Restaurant. Wir genießen den weiten Blick über den Strand auf den Indischen Ozean. Und natürlich Sundowner und Dinner. Montag bis Donnerstag, 9.-12.1.12 (Zavora Lodge, Inharime): Die Lodge ist das ideale Plätzchen für einen faulen Tag. Am Ende werden es vier sein. Das Meer ist herrlich. Die Wellen sind bis zu zwei Meter hoch und wir lassen uns von ihnen mehrmals täglich durchkneten. Zum Glück gibt es hier kaum Pflanzenwuchs im Meer, so dass der Strand aus purem, sauberem Sand besteht. Strom gibt es hier, fern von der nächsten Ortschaft, nur vom Generator und der läuft täglich von 7-10 und 13-22 Uhr. Genug Strom also, um den Kühlschrank ab und zu laufen zu lassen, ohne die Fahrzeugbatterien platt zu machen. Morgens sind es um die 28 Grad, nachmittags um die 33, stets mit einer leichten Briese. Man kann’s gut aushalten. Der Versuch, an eine der Kokosnüsse heranzukommen, endet erfolgreich und erfolglos zugleich. Mit viel Mühe und ohne größere Schäden gelingt es, eine Nuss vom Baum zu holen, doch nach einer kurzen Behandlung mit dem Beil stellt sich heraus, dass sie noch völlig ungenießbar sind. Freitag, 13.1.11 (Blue Water Lodge, Vilanculos): Bevor wir heute Richtung Vilanculos aufbrechen, hält das Camp noch eine kleine Überraschung für uns bereit. Und zwar in der Toilette. Dort hat es sich eine kleine Felsen-Python gemütlich gemacht. Womit endgültig die Frage geklärt wäre, ob es “der” oder ”die” Python heißt. Es war die Damentoilette. Wir stören sie nicht in ihrer Ruhe und machen uns auf die Piste bzw. die Straße nach Maxixe (Maschiesch gesprochen). Dort gibt es an sich keinen Grund anzuhalten, es sei denn man braucht Geld, Benzin oder Lebensmittel. Wir brauchen alles. Das Geld kommt anstandslos aus einem Geldautomaten. Auch die Versorgung mit Lebensmitteln klappt, wenngleich die Sachen hier verdammt teuer sind. Überhaupt ist Mocambique wahrlich kein billiges Reiseland, wie man anhand des Entwicklungsstandes vielleicht annehmen könnte. Das liegt wohl vor allem dran, dass fast alles importiert werden muss, meist aus Südafrika. Nur beim Tanken gibt es Probleme. Nicht beim eigentlichen Tanken, sondern hinterher. Nach 100 km fällt uns auf, dass der Motor unter bestimmten Bedingungen ganz andere Geräusche als gewohnt macht. Er hört sich wieder normal an, nachdem wir auf den zweiten Tank (mit südafrikanischen Benzin) umgeschaltet haben. Sobald wir zurück auf des hiesige Benzin gehen, scheppert’s wieder. Ganz offensichtlich haben wir richtiges Klingelwasser erwischt, also Benzin, was sich im Motor von selber entzündet, anstatt zu warten, bis ihm die Zündkerzen ein Zeichen geben. Wer weiß, was sie dem Benzin beigemischt haben. Leider haben wir an der Tankstelle einen ziemlich kräftigen Schluck genommen, mehr als 100 Liter. Doch mit einer Mischung aus gutem und schlechtem Benzin lässt sich das Auto ganz ordentlich fahren. In Vilanculos übernachten wir wie beim letzten Mal in der Blue Water Lodge. Wir hatten hier ebenfalls erwartet, das Camp ganz für uns allein zu haben. Doch es ist tatsächlich noch jemand da. Ein LKW mit Münchner Kennzeichen! Später treffen wir auch die Besitzer, Walter und Diane aus Planegg, keine 10 km von uns zu Hause entfernt. Sie haben, genau wie wir, ihr Fahrzeug seit einigen Jahren in Windhoek stehen,. Doch seltsamerweise haben wir sie dort noch nie getroffen. Vielleicht liegt es daran, dass sie immer nur für wenige Urlaubswochen in Afrika sind, sie müssen nämlich noch arbeiten. Samstag, 14.1.11 (Blue Water Lodge, Vilanculos): Der Strand ist ziemlich schmutzig, weil von den Wellen viel Tang angespült wird. Auch der Swimmingpool könnte mal wieder eine Reinigung vertragen und das Restaurant ist geschlossen. Also ganz offensichtlich haben wir Nebensaison. Doch die Aussicht vom Camp auf das Meer ist schön. Bei Ebbe ziehen Fischer von Land aus ein großes Netz durch die Bucht. Viel Arbeit für viele Leute, doch der Ertrag passt in einen Eimer. Neben der Lodge liegt ein richtig gutes Restaurant. Casa Guci. Ulli, ein Deutscher, der vor langer Zeit hier hängen geblieben ist, macht eine vorzügliche Pizza und auch sonst ist die Anlage sehr gemütlich und bestens gepflegt. Ulli macht uns das Angebot, wenn wir wieder mal hier sind, bei ihm zu übernachten. Da wir ohnehin auf dem Rückweg wieder hier vorbei müssen (es gibt keine andere Nord-Süd-Straße durch Mocambique), werden wir das Angebot sicher annehmen. Der Abend endet ziemlich spät, weil wir mit den beiden Münchnern noch eine Flasche Rotwein köpfen. Sonntag, 15.1.12 (Ndzou Camp, Sussundenga): Mocambique besteht ja nicht nur aus Strand, sondern hat auch ein schönes Hinterland zu bieten. Ein paar hundert Kilometer entfernt liegen an der Grenze zu Zimbabwe die Chimanimani-Berge. Hier regnen sich die vom Indischen Ozean kommenden Wolken ab und haben einen tropischen Regenwald entstehen lassen. Den südlichsten in Afrika. Er wird leider durch Brandrodung von allen Seiten her angegriffen, doch man hat jetzt einen größeren Bereich unter Schutz gestellt. Vielleicht wächst dieses Gebiet eines Tages mit dem gleichnamigen Nationalpark in Zimbabwe zusammen, das würde ein bisschen Tourismus in die ansonsten ziemlich abgelegene und ärmliche Region bringen. Wir waren vor ein paar Jahren schon einmal am Rande dieses Waldes, sind damals allerdings nur dran entlang gefahren. Jetzt wollen wir mal richtig hinein, vielleicht geht das ja sogar zu Fuß. Auf dem Wege dorthin hatte uns seinerzeit besonders eine handbetriebene Fähre über den Rio Lucite fasziniert. Selbst große Lkws wurden mit Muskelkraft übergesetzt. Für kleine Lasten und Personen ging es mit Kanus aus Rinde über den Fluss. Letztere dürften wohl noch existieren, die handbetriebene Autofähre jedoch nicht. Sie wurde vor kurzem durch eine 20 km flussaufwärts gelegene Brücke ersetzt. Das macht den Verkehr zwar flüssiger, aber auch langweiliger. Von Verkehr kann man hier ohnehin nicht reden, außer uns und einigen überladenen Kleinbustaxis ist kaum jemand auf der mittelprächtigen Piste unterwegs. In Dombe, wo es früher über die Fähre ging, haben wir die Wahl. Links herum über die neue Brücke in die 1000 m hohen (und laut Reiseführer wildromatischen) Berge von Espungabera oder rechts herum in den nur 600 m hoch gelegenen Chimanimaniwald bei Sussundenga. Nach allem, was wir wissen, gibt es nirgends eine ordentliche Übernachtungsmöglichkeit. Und auch keine unordentliche. Wir gehen also davon aus, den Bus heute Abend irgendwo ins Gebüsch zu drücken. Notfalls stellen wir uns auch mitten ins Dorf vor die Polizei. Also links oder rechts herum? An sich wollten wir nach links in die Berge von Espungabera, doch da es bereits 15 Uhr ist und wir für die 100 km drei bis vier Stunden brauchen, schlagen wir die andere Richtung ein. Die zunehmend schmaler werdende Piste schlängelt sich allmählich bergauf, um schließlich die Ebene in einem heftigen Anstieg endgültig zu verlassen. Wir kommen aus dem ersten Gang kaum mehr heraus und die Räder drehen etliche Male im Geröll durch. Dann sind wir oben auf dem Kamm eines Höhenzuges. Rechts und links dichter Urwald, der nur deshalb von Brandrodungen verschont geblieben ist, weil es zu beiden Seiten der Piste steil bergab geht. Zu steil für Felder. Doch auch hier unverkennbare Zeichen der Neuzeit. In einem Graben am Wegesrand wird ein Glasfaserkabel verlegt. Modernes Internet und Telefonie im Urwald. Diese Kabel werden zur Zeit kreuz und quer durch ganz Mocambique gezogen, meist jedoch auf Masten, was im Urwald wohl eher unsinnig ist. Hier also ein Graben, der uns daran hindert, bei einem kleinen Wegweiser von der Piste herunter in ein Waldarbeitercamp einzubiegen. Hier hätte man vermutlich für eine Nacht stehen können. Einige Kilometer weiter schon wieder ein Hinweisschild. “Ndzou Camp”. Im Reiseführer ist angedeutet, dass ein Camp diesen Namens irgendwo im Bau sein soll. Ein kleiner vermooster Weg führt steil bergauf. Wir passieren einen seltsamen Elektrozaun, dessen elektrische Drähte erst in fast zwei Metern Höhe beginnen, so dass man bequem darunter hindurch laufen kann. Oben wartet ein kleines Plateau auf uns. Und eine große Überraschung! Kaum haben wir den Motor abgestellt, kommt eine junge Dame und erläutert uns, wo wir hier sind. Es ist tatsächlich eine Art Lodge, mit einer Rezeption, schön in den Wald drapierten Chalets und einem Platz zum Campen. Kurz darauf kommt auch der Manager und führt uns sichtlich stolz herum. Die Anlage ist noch kein Jahr alt, wunderschön mitten im Urwald gelegen, mit fantastischem Blick hinunter in die Ebene. Und wenn wir wollten, könnten wir heute Abend sogar noch ein Dinner haben. Und wie wir wollen! Wir waren davon ausgegangen, uns heute Abend in der Dunkelheit irgendwo an die Seite der Piste zu drücken, noch kurz etwas gegen den Hunger zu tun und dann schlafen zu gehen. Statt dessen sitzen wir unter einem offenen Reetdach an einem weiß gedeckten Tisch (mit Stoffservietten und Weingläsern!), Anette isst eine leckere Pizza, Wolfgang ein Steak. Der einzige Haken an der Sache: die Portionen sind für Südafrikaner konzipiert, nicht für uns. Nach der Hälfte kapitulieren wir. Und das Dessert ist auch gestrichen. Außer uns ist nur noch ein rucksackreisender Holländer zu Gast. Er erzählt zu unserer großen Verblüffung, dass er heute den ganzen Tag mit einem Führer im Wald herumgelaufen sei, um Elefanten zu beobachten. Tatsächlich haben sie am Abend einen entdeckt. Er sei zwar nach den acht Stunden fix und fertig, aber trotzdem sehr zufrieden mit der Wanderung. Genau das wäre doch etwas für uns! Es müssen ja nicht gleich acht Stunden sein. Doch auch diese Sache hat ihren Haken, nämlich: morgens um 4:45 Uhr aufstehen! Egal, wir machen es! Bergschuhe haben wir, einen kleinen Rucksack auch, Regenzeug brauchen wir nicht, da wir sowieso innen und außen nass werden und für Essen und Trinken sorgt die Köchin. Da man im Wald besser langärmelig unterwegs ist, bekommen wir auch noch etwas Passendes gestellt. Vor allem Anette legt großen Wert auf lange Ärmel. Die Nacht ist mit fast 30° nicht gerade frostig und im Regenwald ist es regenwaldfeucht. Trotzdem schlafen wir gut. Aber nicht lange. Montag, 16.1.12 (Ndzou Camp, Sussundenga): Der Wecker klingelt um 4:45 Uhr! Es ist immer noch 27° warm, doch wir empfinden es als angenehm kühl, auch mit langen Ärmeln. Nach einer Tasse Kaffee geht es los. Vorn Jose, unser Führer, mit der Machete, dann Wolfgang und am Schluss Anette. Warum Anette ganz am Schluss? Weil sie hofft, das Jose und Wolfgang alle Spinnweben und anderes Getier zur Seite schubsen. Jose metzelt auch brav alles, was nach Spinne aussieht, aus dem Wege und das, was er und Wolfgang übersehen, bemerkt Anette nicht, weil sie klugerweise ihre Brille im Auto gelassen hat. Spinnen sind im Regenwald keine wirklich rare Spezies und überall flattern Schwebfäden im Wind, doch ohne Brille ... Inzwischen ist auch klar, welche Aufgabe dieser seltsame hohe Elektrozaun hat, der um die gesamte Anlage gespannt ist. Er soll Elefanten abhalten. Menschen und Kleingetier laufen gefahrlos drunter durch, doch Elefanten stoßen gegen den gespannten Draht, kriegen einen gewischt und wissen ab jetzt, dass sie im Camp nicht willkommen sind. Als es anfängt zu regnen, kramt Jose eine rote Pudelmütze aus seiner Hosentasche und setzt sie auf. Warum? Keine Ahnung. Er setzt sie jedenfalls nach dem Regen prompt wieder ab. Leider kann uns Jose nicht viel erklären, weil wir kein Portugiesisch sprechen und er kein Englisch, doch er kennt sich im Wald gut aus und das ist die Hauptsache. Der Rest geht mit Händen und Füßen. Außerdem hat Jose ein feines Ohr. Als wir nach eineinhalb Stunden immer entlang eines aufgegebenen Waldweges an einem Hang entlang kommen, hebt er die Hand. Wir verharren einige Minuten, dann meint er, dass unten im Tal möglicherweise Elefanten seien. Wenn wir ganz still sind, dann ist da wirklich hin und wieder ein leises Knacken von Ästen zu hören. Jose hackt einen Weg nach unten ins Tal frei. Es ist steil und rutschig und das Knacken wird allmählich lauter. Wir bleiben immer wieder stehen und lauschen. Es sind ziemlich deutliche Fressgeräusche von Elefanten, sie brechen Äste von den Büschen und Bäumen ab. Wir bewegen uns ganz vorsichtig auf eine Lichtung am Talgrund zu. Als wir sie erreichen, sehen wir auf der anderen Seite mehrere Elefanten mit Jungen, vielleicht 150 m von uns entfernt. Dummerweise haben wir den Wind im Rücken und die Elefantenkühe halten immer wieder schnüffelnd den Rüssel in die Höhe. Weder im Wald noch auf der sumpfigen Lichtung haben wir eine Chance, die Tiere weiträumig zu umgehen, so dass der Wind von ihnen zu uns und nicht umgekehrt weht. Also bleiben wir auf Distanz und schauen ihnen beim Fressen zu. Unsere Anwesenheit scheint sie nicht zu stören. Von weiter oben im Hang ist ebenfalls das Knacken von Ästen zu hören. Es sind also noch mehr Elefanten unterwegs. Im Laufe der nächsten Viertelstunde entdecken wir insgesamt ein Dutzend Tiere, die jedoch alle ruhig bleiben und uns zwar wahrnehmen, aber trotz ihrer Kinder nicht als Bedrohung empfinden. Als möglicher Fluchtweg bliebe uns nur, den steilen Hang wieder herauf zu klettern, denn da dürften wir wegen der Steilheit und der vielen Bäume schneller als die Elefanten sein. Es sei denn, oben warten die Kumpels ... Jose lauscht immer wieder in den Hang hinein. Aber der scheint frei von Elefanten zu sein, so dass wir gefahrlos den Rückweg antreten können. Nach einem ausgiebigen Picknick im Wald (wir hatten ja Essen und Trinken für den ganzen Tag eingeplant) treffen wir nach insgesamt dreieinhalb Stunden wieder im Camp ein. Der Manager will gar nicht glauben, dass wir in so kurzer Zeit so viele Elefanten gesehen haben. Den Rest des Tages zollen wir dem frühen Aufstehen Tribut. Außerdem war das Essen gestern abend viel zu gut, um es heute nicht noch einmal zu genießen. Dienstag, 17.1.12 (am Straßenrand an der Save-Brücke): Um 10 Uhr brechen wir auf und wollen auf dem Rückweg an den Indischen Ozean noch einen Schlenker in die Berge von Espungabera machen. Kaum sind wir losgefahren, da haben wir eine ziemlich lange grüne Schlange vor dem Auto. Bei “grün” und “Schlange” kommt ja fast automatisch “Grüne Mamba” in den Sinn, obwohl es eigentlich immer falsch ist. Doch nach Befragen unserer diversen Bücher sind wir sicher, dass es dieses Mal tatsächlich eine Grüne Mamba war. Farbe und Verhalten passen und zudem sind sie in dieser Gegend zu Hause. Nach dem Abstieg in die Ebene geht es über die neue Brücke und dann 700 m rauf nach Espungabera. Überall am Hang sieht man Hütten und sogar kleine Dörfer zwischen den Resten des Urwaldes liegen. Das Idyll ist jedoch nur von begrenzter Dauer, denn der karge Boden erlaubt nur für wenige Jahre Ackerbau, dann muss wo anders neu brandgerodet werden und irgendwann ist auch der letzte Urwaldrest Vergangenheit. Die Piste steigt noch einmal steil an, dann sind wir in Espungabera. Von hier aus soll es auf einer sandigen Piste durch einen wildreichen Wald gehen, in dem scheue Shoona leben und noch mit Pfeil und Bogen auf die Jagd gehen. Jedenfalls steht es so in unserem Buch. Die Wirklichkeit sieht ein ganz klein wenig anders aus. Die Shoona sind ausgesprochen fröhlich und uns wird immer wieder “Hello, how are you?” zugerufen. Wir kommen uns vor wie die Queen, weil wir ständig nach allen Seiten winken müssen. Scheu sind sie also nicht. Und Pfeil und Bogen? Hier ist man bestenfalls mit Handy und Mango bewaffnet (es ist gerade Mangoernte). Dann aber wildreich? Wir sehen in den nächsten sechs Stunden nicht ein einziges Tier. Wenigstens eine Sandpiste! Doch auf die hat man, um sie allwetterfähig zu machen, eine dicke Schicht grobe Steine geschüttet. Wir hoppeln mit 20 bis 30 Stundenkilometern über das Geröll und können unseren Plan, heute Abend am Indischen Ozean zurück zu sein, getrost beerdigen. Für die 200 km brauchen wir mehr als sieben Stunden. Kann es sein, dass hier die Autorin unseres Buches bei ihrer Großmutter abgeschrieben hat? Es ist schon nach 22 Uhr, als wir endlich zurück auf der Nationalstraße 1 sind. Übernachtungsmöglichkeiten gibt es hier nicht, doch 100 km weiter geht es auf einer großen Brücke über den Rio Save. Die wichtigen Brücken sind in Mocambique militärisches Sperrgebiet und deshalb immer bewacht. Wir stellen uns zum Übernachten direkt hinter der Wache an den Straßenrand. Wenn sie schon die Brücke bewachen, dann können sie uns auch gleich mit bewachen. Mittwoch, 18.1.12 (Casa Guci, Vilanculos): Die Idee, direkt hinter der Brücke zu übernachten, war zwar theoretisch gut, tatsächlich jedoch ziemlich unpraktisch. Da an der Brücke ein Kontrollposten ist, muss jedes Auto anhalten, natürlich auch die Lkws. Und das heißt, jeder quält sich direkt neben unserem Bett Gang für Gang den Berg hoch. Außerdem haben wir alle Fenster auf, da es warm und windstill ist. Also keine angenehme Nacht. Mittags sind wir wieder zurück in Vilanculos. Dort gibt es ein Café, in dem man über ein Funknetz am eigenen Computer arbeiten kann. Perfekt, um endlich mal wieder den Virenscanner auf Vordermann zu bringen und in die Post und die Konten zu schauen. Alles klappt, nur der Virenscanner weigert sich beharrlich, so dass wir am Ende aufgeben. Nach den letzten Erfahrungen mit Benzin tanken wir nicht voll, sondern nehmen nur eine Kostprobe von ein paar Litern mit. Mal sehen, was der Motor dazu sagt. Dieses Mal übernachten wir weit angenehmer, sowohl akustisch als auch kulinarisch, denn das Essen bei Ulli ist wie immer hervorragend. Donnerstag, 19.1.11 (Casa Guci, Vilanculos): Wir müssen einen platten Reifen flicken. In Vilanculos klappern wir (fast) alle Werkstätten ab und alle erzählen uns, dass sie den Reifen von Hand demontieren wollen. Doch das wollen wir nicht. Es ist zwar von Hand nicht generell schlecht, doch eine Maschine geht einfach sanfter mit dem Reifen um, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von sanft reden mag. In einem zur Werkstatt umfunktionierten alten Container am Straßenrand stellen wir unsere obligate Frage nach einer Maschine und der Mechaniker antwortet, als wäre es ganz selbstverständlich, “... natürlich mit einer Maschine!” Er hat den Job. Und einen zweiten gleich dazu. Der Generator wird angeworfen und schon sind die Jungs am Werkeln. Als wir den reparierten Reifen einladen, schauen sie sich ganz interessiert unser Auto an. Nach einem Blick aufs Armaturenbrett fragt einer der Mechaniker Wolfgang irgend etwas mit “Kilometer” und “200?”. Seine Antwort “über 280” (... tausend Kilometer hat er schon auf dem Buckel) verblüfft den Mechaniker und er wiederholt mit sichtbarem Respekt “280!?” Dann ruft er das in portugiesisch quer über den Platz zu seinen Kollegen. Auch von dort kommt ein anerkennendes Kopfnicken zurück. Doch in seinen weiteren Erläuterungen kommt verdächtig häufig das Wort “Hora” vor, also “Stunde” Er hatte ursprünglich gefragt “...wieviele Kilometer (pro Stunde)”. Und Wolfgangs “über 280 (tausend Kilometer insgesamt)” erklären dann auch die respektvoll hochgezogenen Augenbrauen. Unter lautem Lachen löst sich das Missverständnis auf. Aber immerhin hat er unseren Bus für potenziell konkurrenzfähig in der Formel 1 gehalten. Das ist doch schon was! Trotzdem können wir uns nicht entscheiden, beim Ölwechsel am Nachmittag in der Werkstatt der Lodge Rennmotorenöl einzufüllen. Freitag, 20.1.11 (Casa Guci, Vilanculos): Anstatt unseres Rennautos ist heute die Website dran. Es wird Zeit, dass etwas Neues ins Netz kommt, denn in einigen Mails haben wir schon als verschollen gegolten. Samstag, 21.1.11 (Bamboozi Lodge, Tofu): Vormittags die Website ins Internet gebracht, dann erfolglos versucht, einen Geldautomaten zu überreden, ein bisschen Geld mit uns zu teilen und schließlich das Weite gesucht. Wir haben nämlich ein Problem. Ein paar hundert Kilometer nördlich von uns braut sich ein massiver Zyklon zusammen. Er lädt sich im warmen Meer zwischen Mocambique und dem vorgelagerten Madagaskar auf und schaut unvorhersehbar immer wieder mal an Land vorbei. Vor ein paar Jahren hat ein Bruder von ihm Vilanculos fast dem Erdboden gleich gemacht. Es wäre sicher mal eine ganz neue Erfahrung, den Bus anseilen zu müssen und zu hoffen, dass uns die herumfliegenden Kokosnüsse nicht treffen. Oder die herumfliegenden Bäume. Wir verzichten und hauen nach Süden ab. Unterwegs schüttet es wie aus Eimern, glücklicherweise sind wir auf Asphalt. Erste Vorboten des Zyklons? Jedenfalls überholen wir bei strömendem Regen so nach und nach alle Autos, die uns zuvor passiert hatten. Die meisten haben nämlich keine funktionierenden Scheibenwischer. Wir schon! In Maxixe finden wir endlich einen freundlichen Geldautomaten, so dass wir wieder tanken können. Doch um die Tankstelle, an der wir uns vor einer Woche das Klingelwasser eingehandelt haben, machen wir einen großen Bogen. Am Nachmittag laufen wir in Tofu ein, einem kleinen Dorf am Ende einer abgelegenen Landzunge. Der einzige Grund, hierher zu fahren: an der Küste kann man oft Walhaie beobachten und mit ihnen tauchen. Die Lodge ist quasi leer und wir finden ein schattiges Plätzchen außerhalb der Kokosnussflugzone. Auf dem Weg zum Restaurant stehen wir plötzlich vor einem anderen Auto. Ebenfalls mit Münchner Kennzeichen, was sonst. Das Pärchen ist gerade aus Nordafrika runter gekommen und war bis vor wenigen Tagen ebenfalls in Vilanculos, doch auf einem anderen Camp. Also gab’s in dem kleinen Städtchen gleich drei Münchner Fahrzeuge, die vermutlich größte Ansammlung südlich der Sahara. Der Gründe für die beiden, von Vilanculos hierher zu fahren, sind die gleichen wie bei uns. Weg vom Zyklon, hin zu den Walhaien. Beides hat viel miteinander zu tun. Und beides hat letztlich nicht geklappt. Der Tornado lässt sich nicht so ohne weiteres abschütteln und hat sich ebenfalls nach Süden aufgemacht. Und mit den Walhaien wird’s nichts, weil die Tauchboote wegen des herannahenden Sturms nicht mehr auslaufen. Möglicherweise spielt dabei auch der Mangel an Tauchgästen eine Rolle. Für uns gibt’s keinen Grund, noch länger hier zu bleiben Am Abend kommt ein gut gerösteter Brite an unserem Platz vorbei, sieht unseren Bus, kommt rüber und schüttelt Wolfgang durchs Fenster die Hand. “Die einzige Art des Reisens!” Oooops. Sonntag, 22.1.12 (Zavora Lodge, Inharime): Unsere sorgfältige Auswahl des Standplatzes unter Beachtung der Flugbahnen der Kokosnüsse war gut, aber nicht gut genug. Nein, eine Kokosnuss hat uns nicht erwischt, doch beim Frühstück ist Wolfgangs volle Kaffeetasse mit einem Schlag leer und der Kaffee über den Tisch verteilt. Statt des Kaffees lungert in der Tasse jetzt eine reife Mandel herum. Treffer, versenkt. Am Vormittag machen wir noch eine kurzen Besuch im Meer. Wenn wir schon nicht per Boot zu den Walhaien dürfen, dann kommen die vielleicht zu uns an den Strand. Tun sie nicht. Also auf nach Zavora, ein paar Stunden weiter südlich. Denn der Zyklon bleibt uns auf den Fersen und Tofu ist hochgradig gefährdet, weil es fast auf der Wasserlinie liegt. Zudem haben wir gehört, dass die Nationalstraße 1, auf der wir nach Süden abhauen wollen, von einer Flutwelle unterbrochen worden ist. Schon vor einigen Tagen. Man wüsste noch nicht, wie lange die Reparaturen dauern werden. Außerdem seien Leute wegen Überschwemmung der Camps mit Hubschraubern aus dem Kugerpark evakuiert worden. Die Flutwelle aus dem Park hätte dann flussabwärts die Straßen zerstört. Drei Stunden später sind wir in der Zavora Lodge. Wie schon auf dem Hinweg sind wir wieder die einzigen Gäste. Das Problem mit der weggerissenen Straße konkretisiert sich. An sich wäre das kein Thema für uns, da die unpassierbare Stelle viel weiter südlich liegt, als die Piste, in die wir abbiegen wollten. Doch das Wasser hat die kleinen Straßen natürlich noch viel schlimmer getroffen als die Nationalstraße, vor allem die Brücken. Den Hintereingang des Krugerparks, wo wir über die Grenze nach Südafrika wollten, können wir knicken. Vielleicht käme man ja durch, doch wir kriegen keine verlässlichen Informationen über den Zustand der Wege. Das Risiko, nach ein paar hundert schwierigen Kilometern fest zu stecken, ist uns zu groß. Möglicherweise ist es besser, hier in Zavora abzuwarten, bis klar ist, was geht und was nicht, anstatt irgendwo unterwegs neben der Straße zu kampieren. Hier gibt es einen sehr schönen Strand, ein ordentliches Restaurant und manchmal sogar Internet-Anschluss. Tauchen leider nicht, denn die Saison ist vorüber. Wir richten uns unter einem weit ausladenden Baum mit riesigen Blättern häuslich ein. Obwohl wir ja die einzigen Gäste sind, ist in der Nacht richtig was los. Anette schläft schon und Wolfgang sitzt noch draußen und schreibt etwas am Computer. Plötzlich raschelt es hinter ihm, er dreht sich um und hat Aug’ in Aug’ eine großen schwarzen Hund vor sich. “Töööle” denkt Wolfgang. “Ich will doch nur spielen!” denkt die Töle. Kurz darauf raschelt es wieder, diesmal von oben. Wolfgang ist nicht schnell genug, den Kopf hoch zu drehen, deshalb landet die Mandel auf dem Kopf und nicht im Gesicht. Vielleicht hätten wir uns doch nicht hier hin stellen sollen (am nächsten Morgen erfahren wir, dass es eine Wilde Mandel ist, aber so wild hatte sie nicht sein müssen). Jedenfalls werden wir morgen fürs Frühstück unser Mandelplätzchen verlassen und ein mandelfreies suchen. Mal sehen, wie lange wir hier fest hängen. Wir haben zwar keine Eile, doch jeden Tag nur Baden, Restaurant und Internet ist auf Dauer ein bisschen fad.
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