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Vilanculo (Mocambique), 18.1.12 |
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Liebe Freunde, im Gegensatz zum letzten Jahr hat uns die Regenzeit in Namibia dieses Mal nicht erwischt. Wir haben rechtzeitig die Kurve gekratzt und sind jetzt am Indischen Ozean in Mocambique. Herrliches Wetter in einer Mischung aus Afrika und Karibik. Und obwohl wir keine ausgesprochenen Strandliebhaber sind, tun wir seit zwei Wochen genau das. Bis vor wenigen Tagen waren die Strände noch der Tummel-platz der urlaubenden Südafrikaner, doch jetzt ist die Saison schlagartig vorüber und alle müssen wieder an die Arbeit. Gut so, denn jetzt haben wir die Lodges, Restaurants und Strände fast für uns allein. Palmenbestandene Campingplätze, dampfender Regenwald mit Elefanten und eine herrliche Brandung. Man könnte auch sagen, es geht uns gut. Wir wünschen wir Euch nachträglich :-( schöne Weihnachten, einen erfolgreichen Start ins neue Jahr und einen angenehmen Winter. Schöne Grüße von Anette und Wolfgang |
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Tagebuch 16.11.2011 bis 7.1.2012 |
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Mittwoch/Donnerstag, 16./17.11.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): ”Same procedure as every year, James”! Wolfgang fliegt als Vorauskommando runter, erledigt am Bus, was erledigt werden muss, dann kommt Anette und es kann losgehen. Das ist das Drehbuch für die nächsten drei Wochen. Neben den üblichen Kleinigkeiten am Auto liegt dieses Mal auch eine größere Operation an. Die Fahrertür ist von innen nach außen mitten auf der Fläche (!) durchgerostet. Das beeinträchtigt zwar nicht die Fahrtüchtigkeit, doch mit Rostlöchern im Blech können wir uns nicht so recht anfreunden. Ganz unabhängig davon ist nach 34 Jahren einfach mal eine Renovierung der Türen fällig. Innen wie außen. Und die Fahrertür kommt als erstes dran. Der Auftakt funktioniert wie geplant. Das Flugzeug landet pünktlich in Windhoek, der Motor vom Bus springt sofort an und am Mittag stehen Wolfgang und Bus auf dem Camp der Arebbusch Lodge. Es geht alles noch ein wenig schwerfällig, denn der Sprung vom deutschen Novemberwetter in die sommerlichen 33° in Windhoek will erst verdaut sein. Freitag bis Mittwoch, 18.-23.11.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Zur Eingewöhnung stehen in den nächsten Tagen eher leichte Übungen an. Der Bus bekommt einen neuen Rauchmelder in den Motorraum. Der alte ließ sich nach staubiger Fahrt nur schlecht reinigen und außerdem war er zu leise, um ihn während der Fahrt vorn zu hören. Der neue macht auch im Fahrerraum Radau und lässt sich verschließen, wenn es zu staubig wird, denn leider können die Dinger Staub nicht von Rauch unterscheiden. Außerdem ist uns jetzt schon zum dritten Mal der Solarladeregler durchgeheizt. Jetzt kommt einer rein, der nicht so zimperlich ist, dann sollte auch das Problem erledigt sein. Und noch 50 weitere Kleinigkeiten wollen erledigt sein. Doch irgendwann juckt es in den Fingern, endlich an die Tür zu gehen. Der erste Schnitt, mit der Trennscheibe in die noch (fast) jungfräuliche Tür zu schneiden, ist der schwerste. Die braune Pest muss großflächig heraus operiert und ein passendes neues Blech eingeschweißt werden. Dann nur noch ein bisschen spachteln und lackieren und die Tür ist wie neu. Jedenfalls in der Theorie. In der Praxis dauert allein die Vorbereitung zum Schweißen mehr als einen Tag. Trennscheibe auf Blech gibt ein ziemlich markantes Konzert und das geht in der Lodge nur, wenn das Camp einigermaßen leer ist. Tagsüber kein Problem, aber wenn sie abends alle an ihrem Grillfeuer sitzen, ist das nicht die geeignete Untermalung. Donnerstag, 24.11.11 (Transworld Cargo, Windhoek): Um bis spät in die Nacht hemmungslos Lärm machen zu können, bietet es sich an, am Container zu übernachten. Zudem kann es dort unterm Dach der Werkstatt auch bei Regen weiter gehen, denn die nahende Regenzeit hat schon ein paar nasse Grüße geschickt. Zunächst muss das neue Blech eingeschweißt werden. Das ist in einer nahe gelegenen Werkstatt in wenigen Minuten erledigt. Robert, so heißt der Chef, hat ja schon beim letzten Mal den Brenner geschwungen. Danach beginnt die eigentliche Arbeit: die Schweißpunkte sauber abschleifen und alles dünn mit Spachtel einebnen, so dass die Fläche nach dem Lackieren so perfekt aussieht wie das Original. Leider hat sich das Türblech durch das Schweißen doch ein wenig mehr verzogen als gehofft, also noch ein bisschen mehr Arbeit. Die Nacht ist folglich ziemlich kurz. Freitag bis Sonntag, 25.-27.11.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Das Spachteln und Schleifen zieht sich länger hin als geplant. Einerseits ist es eine ziemlich große Fläche, andererseits fehlt es ein wenig an Übung. Doch bei der nächsten Tür wird es schneller gehen (die hat aber kein Rostloch, jedenfalls noch nicht erkennbar). Nach der Außenseite kommt die Innenseite dran. Eingeweide raus, Dichtungen runter und vor allem: Klebstoffreste entfernen. Es dauert allein einen ganzen Tag, ehe all’ der Klebstoff von Dichtungen und Verkleidungen runter ist. Nach den Jahrzehnten ist das Zeug ziemlich immun gegen jedwede Lösungsmittel. Und schon nach drei Tagen ist die Tür (fast) fertig zum Lackieren. Es wird auch Zeit, denn ohne Tür kann der Bus ja nicht fahren und Anette erwartet in ein paar Tagen einen Abholer am Flughafen. Dummerweise zickt auch das Zündschloss. Als Wolfgang vor einigen Tagen von Anettes Onkel wegfahren wollte, hat es seinen Dienst quittiert. Der Motor springt zwar nach Drehen des Zündschlüssels problemlos an, doch sobald man den Schlüssel nach dem Starten wieder loslässt, geht der Motor aus. Benno, der Sohn von Anettes Onkel, kommt auf die glorreiche Idee, mit einer kleinen Schraubzwinge und ein paar Gummibändern den Schlüssel so unter Druck zu setzen, dass er glaubt, man würde ihn nicht loslassen. Und es funktioniert tatsächlich, und zwar so gut, dass die Reparatur verschoben werden kann, bis Anette das richtige Ersatzteil mitbringt. Außerdem ist es eine perfekte Wegfahrsperre. Montag, 28.11.11 (Transworld Cargo, Windhoek): Um länger arbeiten zu können, gibt’s heute wieder eine lange Nacht am Container, zumal die Regenzeit immer noch vor der Tür steht. Dienstag, 29.11.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Heute wird die Türinnenseite lackiert. Die muss fertig und durchgehärtet sein, ehe es an die Außenseite gehen kann. Anfangs sträubt sich die Spritzpistole massiv dagegen, die Farbe wie gewünscht zu verteilen, doch am Ende ist es wie immer im Leben nur eine Frage der richtigen Einstellung. Kaum ist die richtige Einstellung gefunden, kommt ein kräftiger Wind auf und schiebt Staubwolken vor sich her, also ist’s erst mal nichts mit dem Lackieren. Schließlich ist es schon Nachmittag, ehe die neue Farbschicht da ist, wo sie schon heute früh hätte sein sollen. Ohne die pralle Mittagssonne braucht die Farbe deutlich länger zum Trocknen. Deshalb ist spät am Abend in der Werkstatt auch niemand mehr da, der mithelfen könnte, die Tür ohne Beschädigung der frisch lackierten Flächen in die Scharniere zu heben. So entsteht die Idee, die Tür mit einem Seil an einen Querbalken zu hängen und den Bus so hin zu manövrieren, dass die Tür ohne fremde Hilfe angeschraubt werden kann. Es klappt. Nach einigen Anläufen ist die Tür endlich drin. Ohne größere Lackschäden. Also, keine zweite Nacht am Container, sondern in der Lodge. Mit einer richtigen (und dringend nötigen) Dusche. Mittwoch, 30.11.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Heute muss aus der nackten Blechtür eine zumindest provisorisch funktionierende Tür mit Scheibe und Schloss werden, damit sie morgen früh auf dem Parkplatz am Flughafen keine Einladung an ungebetene Gäste ist. Denn heute abend wird sich Anette in den Flieger setzten und nicht nur sich, sondern auch ein paar dringend benötigte Teile mitbringen. Donnerstag, 1.12.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Alles ist pünktlich, sowohl der Flieger als auch der Abholerbus, samt lackierter Tür. An sich war geplant, gleich nach der Ankunft noch schnell bei Anettes Tante vorbei zu fahren, denn dort sind gerade die Kinder aus Amerika zu Gast, die in einigen Stunden wieder zurück fliegen. Doch der Häuptling Namibias hat etwas dagegen, dass wir die Kinder noch sehen. Er will nämlich zum Flughafen und das heißt, dass auf der 40 km langen Strecke alle Autos von der Straße runter müssen. Auf den Seitenstreifen reicht nicht, sondern weg in eine Nebenstraße. Wir müssen einen Kilometer weit fahren und dürfen aus sicherer Entfernung zuschauen, wie erst die Vorvorhut kommt, dann die Vorhut, dann der Häuptling mit ein paar schwarzen Staatskarossen, danach die Nachhut mit Krankenwagen und Hofschranzen und schließlich der Lumpensammler, der die vertrockneten Polizisten einsammelt, die stundenlang die Seitenstraßen absperren mussten. Der ganze Zirkus zieht sich über eine dreiviertel Stunde hin. Als wir dann endlich losfahren dürfen, kommen uns auf der Gegenfahrbahn Anettes Tante und Onkel mit den Kindern entgegen. Die haben am anderen Ende der gesperrten Strecke warten dürfen. Warum der namibische Staatspräsident dieses Theater braucht, ist uns schleierhaft. Er ist einigermaßen beliebt und macht seinen Job auch gar nicht schlecht. Er hat eigentlich keinen Grund, sich vor der Bevölkerung zu fürchten. Vielleicht saß er selbst am Steuer und übt für den Führerschein. Freitag und Samstag, 2.-3.12.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Jetzt muss endlich die Außenseite der Tür Farbe bekommen und die umgebenden Blechteile der Karosserie ebenfalls. Am Samstag ist in der Werkstatt von Transworld Cargo nicht viel los und wir können in aller Ruhe unter einem regensicheren Dach alles vorbereiten. Die letzten Tage waren zwar trocken und sonnig, doch angeblich wird sich das in Kürze ändern. Alles klappt wie geplant. Und zu zweit kriegen wir die lackierte Tür auch wieder eingehoben. Jetzt sieht sie nach all’ den Jahren wieder so aus, wie sie ausgeliefert wurde. Feinstes marinogelb. Die farbigen Streifen kommen erst wieder drauf, wenn der Lack ordentlich durchgehärtet ist. Sonntag, 4.12.11 (Transworld Cargo, Windhoek): Der für gestern angekündigte Regen kommt heute. Wir schaffen es gerade noch, trocken unters Dach in der Spedition zu kommen, dann kachelt es los. Sicherheitshalber bleiben wir auch über Nacht hier. Montag, 5.12.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Sonne und blauer Himmel! Nach ein paar Stunden ist die Tür wieder eine Tür. Mit Fenster und zum Abschließen, mit neuen Dichtungen und neuen Führungen. Also fast wie neu. Der einzige Makel ist die Innenverkleidung. Die besteht aus einer kunststoffbezogenen Hartfaserplatte. Die Außenhaut ist noch prima, doch das Holz hat im Laufe der Jahre Wellen geschlagen. Wir beschließen, die Außenhaut auf eine neue Holzplatte zu transplantieren. Wir brauchen zwar nur ein kleineres Stückchen von der Hartfaserplatte, doch das Material gibt es nur als 2,5 m große Platte, die wir gaaanz vorsichtig auf dem Autodach ins Camp transportieren. Gut, dass es fast windstill ist. Da die Plastikhaut im Laufe der Jahre ein paar Zentimeter geschrumpft ist, müssen wir sie mit Trick 17 wieder auf ihre Ausgangsgröße bringen. Wir legen sie zum Aufheizen in die Sonne. Schwarzer Kunststoff bei senkrechter Sonne! Spaßeshalber halten wir mal ein Thermometer dran. Das bleibt erst bei 65° stehen. Jetzt kann man den Kunststoff zwar nicht mehr anfassen, doch er ist wunderbar elastisch und lässt sich perfekt in Form bringen. Dienstag bis Dienstag, 6.-13.12.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Ein paar Tage Regenzeit, dann gewinnt wieder die Sonne. Schließlich sind alle wichtigen Reparaturen geschafft, die Tür funktioniert und ist komplett, der Zündschlüssel arbeitet wieder ohne den Nachdruck einer Schraubzwinge (das Schaltelement war schlichtweg verschlissen) und wir haben ausreichend Wasser, Benzin und Lebensmittel an Bord. Auch die Hupe gibt wieder Laut. Obwohl noch relativ jung an Jahren, hatte sie einfach ihren Dienst quittiert. Mittwoch, 14.12.11 (Harnas Farm): Nach dem Abschied von Anettes Verwandten geht’s am Nachmittag auf die Straße zum Flughafen. Auf nach Osten, wo irgendwo der Indische Ozean wartet. Dieses Mal steht uns kein Staatspräsident im Wege und nach 200 km biegen wir vom Asphalt in die Kalahari ab. Von ein paar kurzen Ortspassagen abgesehen, wird das für die nächsten 1500 km der letzte Asphalt sein. Namibias Pisten sind wie immer ausgezeichnet. 100 km weiter stehen wir am Tor zur Harnas Farm und nach zwölf ziemlich sandigen Kilometern auf deren Camp. Urlaub hat begonnen! Auf Harnas leben Hunderte von verwaisten oder verletzten Tieren. Eine kleine Oase in der Kalahari. Na ja, klein ist sie nicht gerade, das größte Gehege hat an die 80 Quadratkilometer. Außerdem arbeiten hier bis zu 60 Freiwillige aus der ganzen Welt. Meist junge bis sehr junge Leute, die wöchentlich gut 500 Euro dafür bezahlen, dass sie hier (die ersten eigenständigen) Lebenserfahrungen sammeln dürfen. Deren Geschichten wurden mal in einer deutschen Fernsehserie ausgewalzt und ab Dezember 2011 läuft eine neue Staffel auf der ARD. Der Empfang auf der Farm ist standesgemäß. Strauße, Mungos, Esel und Antilopen begrüßen uns. Die Strauße finden die Teddys hinter unserer Windschutzscheibe zum Anbeißen. Die Mungos schauen nach, ob wir irgendwo in der Karosserie etwas Essbares versteckt haben. Der kleine Springbock will unbedingt mal seine Hörnchen ausprobieren und eine Katze hat sich unseren Bus als neue Wohnstatt ausgesucht. Wie selbstverständlich macht sie sich auf dem Fahrersitz breit und schläft da auch brav die ganze Nacht. In der Abenddämmerung sind wir auch akustisch in Afrika angekommen. 200 m neben uns beginnen die ersten Löwengehege und eines der Männchen fängt die abendliche Unterhaltung an. Ein dunkles, sehr lautes und über Kilometer zu hörendes Brüllen. Nach und nach beteiligen sich die Männchen in den anderen Gehegen an der Unterhaltung. In ein paar Minuten ist das Thema erledigt. Bis es etwas Neues zu erzählen gibt, was durchaus auch nachts um drei sein. Donnerstag bis Sonntag, 15.-18.12.11 (Harnas Farm): Ein großer Teil der Tiere auf Harnas muss gefüttert werden, vor allem die Raubtiere. Deshalb gibt es täglich am Vormittag eine Fütterungstour in die Außengehege und nachmittags zu den Tieren in Farmhausnähe. Die Nachmittagstour ist die entspanntere, vor allem, weil man hier zu den kleineren Tieren und den Kinderchen kommt. Mungos sind possierliche Zeitgenossen und immer auf der Suche nach etwas Essbarem. Rudel von 50 Tieren patrouillieren täglich über das Camp, vielleicht ist ja vom letzten Grillen etwas übrig geblieben. Wenn wir sie nicht davon abhalten, sind sie im Bus. Unseren Campnachbarn haben sie das Ei vom Frühstückstisch geklaut. Die Leopardenbabys sind nicht ganz so klein und possierlich, aber mindestens genau so verspielt. Doch spätestens in einem Jahr betrachten sie unsereins nicht mehr als Spielkameraden, sondern als Imbiss. Die interessantere und anstrengendere Tour ist die Vormittagsrunde. Man ist einige Stunden mit Geländewagen und Anhänger quer durch die Farm unterwegs. Allein die Raubtiere putzen jeden Tag zweieinhalb Esel weg, die vorher natürlich erst in handhabbare Stücke zerlegt werden müssen. Nein, nicht von uns, sondern von den Freiwilligen! Mit dem Anhänger voller Fleisch geht es dann von Gehege zu Gehege, wo die Tiere schon sehnsüchtig auf uns warten. Vor allem die Löwen sind beeindruckend. Erst laufen sie als Morgengymnastik eine ganze Weile neben dem Auto her (es ist ein Maschendrahtzaun dazwischen!), dann kriegen sie ein halbes Eselsbein zugeworfen (und was ist mit den Eselsohren?) und verschwinden damit im Gebüsch. Wenn es nicht gerade Streit untereinander gibt, hört man nur noch das Knacken der Knochen. Auch bei den Wildhunden ist größte Aufregung angesagt, wenn das Futter im Anrollen ist. Die an sich extrem sozialen Tiere veranstalten ein riesiges lautes Durcheinander, bis jeder mit einem Stück Fleisch verschwindet, um sich nach eiligem Herunterschlingen gleich wieder zu beteiligen. Ganz anders bei den Luchsen. Die machen überhaupt keinen Lärm, glänzen aber mit akrobatischen Flugeinlagen. Bisher war bei allen Tieren immer ein, wenn auch sehr dünner, Zaun zwischen uns und ihnen. Bei den Geparden ist das anders. Hier geht es mit dem Auto mitten durch das Gehege und zwanzig hungrige Augenpaare verfolgen jede Bewegung. Wenn die Geparden wüssten, wie wenig wehrhaft Menschen sind ... Aber sie wissen es ja nicht! Auf dem Rückweg fahren wir noch bei einem alten Löwen vorbei, der allein in seinem Gehege leben muss. Er hat Katzenaids, angesteckt von unsterilen Instrumenten, ausgerechnet von einem Tierarzt! Der Löwe lässt sich jedoch nicht blicken. Statt dessen kommt er am nächsten Morgen mitten durchs Camp. Auf der Ladefläche eines Pickups. Er ist in der letzten Nacht gestorben, vermutlich durch den Biss einer Schlange. Einer weniger im Abendkonzert. Ansonsten lassen wir den Urlaub langsam angehen, wir müssen uns erst an das Faulenzen gewöhnen. Vor der Abfahrt muss noch das Abgas sauber eingestellt werden. Um den Motor auf Betriebstemperatur zu bringen, fährt Wolfgang mehrmals auf der nahe gelegenen Landepiste rauf und runter. Hier kann ohne Vorwarnung ohnehin kein Flugzeug landen, denn es müssten erst einmal etliche Antilopen überredet werden, sich in den Busch zurück zu ziehen. Zwei Mal fahren Angestellte der Farm extra zu Wolfgang heraus, weil sie vermuten, dass er sich verirrt hat und verzweifelt die Piste zum Ausgang sucht. Sehr aufmerksam! Auf Harnas gibt es drahtloses Internet! Leider werden wir ein wenig übermütig und versuchen, nicht nur Mails, sondern auch ein paar Bilder zu verschicken. Das war keine gute Idee, denn es dauert bis halb vier Uhr morgens, ehe sie sich alle durch die Leitung gequält haben. Montag und Dienstag, 19.-20.12.11 (Red Dune Camp): So ganz allmählich zieht es uns Richtung Südafrika. Wir wollen jetzt mal Tiere ohne Zaun sehen. Nach einem letzten Großeinkauf in Gobabis nehmen wir die Piste nach Süden unter die Räder. Quer durch die Kalahari. Übernachtungsmöglichkeiten sind hier dünn gesät. Als wir am Abend nach über 400 staubigen Kilometern die erste Lodge ansteuern, reagiert niemand auf unser Rufen und Hupen. Ein paar Kilometer weiter auf einer Gästefarm das gleiche Spiel. Das Licht brennt, die Türen stehen offen, aber es rührt sich niemand. Wir fahren unverrichteter Dinge weiter. Inzwischen ist es schon dunkel geworden. 50 km weiter liegt noch eine Gästefarm. Wenn die uns auch nicht wollen, dann schlagen wir uns einfach in die Büsche. Wir könnten hier wohl auch mitten auf der Piste übernachten, denn selbst am Tage haben wir jede Stunde mal ein Auto getroffen und nachts ist hier gar nichts mehr los. Die Gästefarm erreichen wir gerade noch rechtzeitig. Man geht hier früh ins Bett, weil der Tag schon um fünf Uhr beginnt. Die Farmer sind noch wach und wir dürfen unseren Bus auf einer schönen Rasenfläche abstellen. Es gibt heiße Duschen, pickesaubere Toiletten und elektrischen Strom. Was will man mehr? Vielleicht eine Klimaanlage? Um Mitternacht sind es immer noch 30°, aber wir wollten uns ja sowieso an diese Temperaturen gewöhnen. Wir stehen nur ein paar Meter von der Durchgangsstraße entfernt und erwartungsgemäß kommt da heute Nacht nichts mehr durch. Absolute Stille und mond- und lichtlose Dunkelheit in der Kalahari. Wir beschließen, einen Tag zu faulenzen, was bei diesen Temperaturen auch nicht allzu schwer fällt. Mittwoch, 21.12.11 (Nossob Camp, Kgalagadi Nationalpark): Nach drei Stunden Fahrt sind wir an der namibisch-südafrikanischen Grenze. Der Übergang ist normalerweise völlig problemlos und schnell, doch heute gibt es eine Premiere. Wir dürfen mit dem Bus nicht nach Südafrika einreisen, sondern müssen ihn stehen lassen und erst einmal zu Fuß rüber, um dort zu klären, ob wir im unmittelbar nach der Grenze beginnenden Kgalagadi Nationalpark eine Übernachtungsmöglichkeit buchen können. Um zu verhindern, dass reiner Transitverkehr durch den Nationalpark fährt, muss man mindestens eine Nacht im Park verbringen. Und genau das ist wegen der südafrikanischen Weihnachtsferien ein Problem. Zwei der drei Camps sind komplett ausgebucht. Doch im dritten und abgelegensten ist noch ein Stellplatz frei. In der Folgenacht auch. Glück gehabt! Nachdem die Übernachtungsfrage geklärt ist und wir der Grenzbeamtin stolz unsere Buchungsbestätigung zeigen, dürfen wir nach Südafrika einreisen. Ein Teil der Tiere im Kgalagadi Nationalpark scheint schon auf Weihnachtsurlaub zu sein. Anfang diesen Jahres standen innerhalb weniger Stunden alle drei großen Raubkatzen Spalier. Und dieses Mal nix! Gar nix! Auch nicht, als wir nach fast 200 km im Camp eintrudeln. Wir haben wohl noch nicht das richtige Auge für Tiere ohne Zaun. Als Löwenersatz läuft uns wenigstens ein Schakal über den Weg. Das ist doch auch was, denn Schakale haben wir seit Jahren nicht mehr gesehen, obwohl sie wirklich nicht selten sind. Donnerstag, 22.12.11 (Nossob Camp, Kgalagadi Nationalpark): Andere Reisende erzählen uns, dass es 50 km nördlich unseres Camps noch ein weiteres geben soll. Davon hatten wir noch nie etwas gehört und werden mal nachschauen. Tatsächlich finden wir es. Es ist nur wenige Stellplätze groß, sehr schön an einem Hang im Busch gelegen mit freiem Blick über eine trockene Ebene. Und vor allem: es hat keinen Zaun drum. Natürlich ist es ebenfalls ausgebucht, doch der viel größere Haken an der Sache ist: wir sind hier schon in Botswana. Seit ein paar Jahren erstreckt sich der Nationalpark über beide Länder. Die botswanischen Camps können jedoch nur im hundert tiefsandige Kilometer entfernten Hauptquartier gebucht werden. Also nichts für uns. Gestern an der Grenze wurde uns erzählt, dass alle zweiradgetriebenen Fahrzeuge ihren Luftdruck drastisch reduzieren müssen, denn sie würden das Wellblech auf den Pisten verursachen. Schon wieder so eine wilde Story über die Entstehung von Wellblech. Und wie bei allen anderen Erklärungsversuchen ist auch hier ein bisschen was Wahres dran. Und viel Unsinn. Trotzdem: das Wellblech nervt ganz gewaltig und irgend einer muss halt Schuld dran sein. Die Zweiradfahrzeuge schieben es auf die Allradler und die machen es genau umgekehrt. Wir jedenfalls verzichten aufs Luft ablassen, weil wir sonst nach den 700 km, die wir im Nationalpark abspulen werden, einen Satz neue Reifen brauchen würden. Auf jeden Fall waren die 100 km, die wir heute gefahren sind, sehr schön sandig, sehr schön wellblechig, doch außer uns waren ausschließlich Allradfahrzeugen unterwegs. Also müssen wir wohl das böse böse Wellblech gemacht haben. Ansonsten haben wir heute auch keine Löwen oder andere Tatzen gesehen, doch dafür eine dekorative Braune Hyäne. Seit vielen Jahren die erste. Freitag, 23.12.11 (Twee Rivieren Camp, Kgalagadi Nationalpark): Geht doch! Es gibt noch Löwen im Park. Nicht so spektakulär, wie wir das schon einige Male hier hatten, aber immerhin wissen wir jetzt, dass noch nicht alle in Urlaub sind. Auf der Weiterfahrt hält ein entgegenkommender Geländewagen an und die Leute erzählen uns, dass ein paar Kilometer weiter vier Geparden auf der Jagd seien. Doch eigentlich sind nicht die Geparden auf der Jagd, sondern sie sind die Gejagten. Hinter ihnen haben sich neun Autos versammelt, die sich alle Mühe geben, ihnen das Jagdglück zu vermiesen. Eigentlich müsste inzwischen jede Antilope im weiten Umkreis gewarnt sein. Unter diesen Umständen macht das Gepardenbeobachten keinen Spaß und wir machen uns aus dem Staube. Für die Geparden ist das Problem von vorübergehender Natur. In spätestens einer halben Stunde müssen alle im Camp sein, die Tore werden verriegelt und die Tiere können den Abend genießen. Die Antilopen vielleicht weniger ... Samstag, 24.12.11 (Twee Rivieren Camp, Kgalagadi Nationalpark): Eigentlich sollten wir heute den Park verlassen, doch Anette findet heraus, dass noch ein Chalet frei ist. Heiligabend im Kgalagadi Nationalpark, das hat doch was. So richtig wild darauf, den Park auf der Suche nach Tieren zu durchkreuzen, sind wir heute nicht. Am Abend reservieren wir einen Platz im Restaurant. Vorher sind noch Weihnachtslieder oben auf der Düne angekündigt. Als es dunkel ist, steht da ein kleiner Chor von Angestellten mit Kerzen in der Hand und singt richtige Weihnachtslieder, zum Teil in Sprachen, die wir nicht verstehen. Doch das Erstaunliche ist, dass Anette und der neben uns sitzende schwarze Botswaner fast alle Lieder mitsingen oder summen können, jeder in seiner Sprache. Vermutlich weiß keiner von den Hiesigen, dass die meisten dieser Lieder mal aus Deutschland kamen. Inzwischen sind sie zu einem wahren Weltkulturerbe geworden. Seit wir Windhoek verlassen haben, hatten wir keinen Tropfen Regen mehr. Ausgerechnet heute, wo wir im klimatisierten Chalet schlafen, kracht kurz vor Mitternacht ein gewaltiges Unwetter herunter. Unser Bus vorm Haus steht sofort in einem großen See, doch das Reetdach vom Chalet hält perfekt dicht. Sonntag, 25.12.11 (Kalahari Guesthouse, Van Zylsrus): Heute also Aufbruch. Das lässt sich auch gar nicht vermeiden, denn für die nächsten Tage ist der Nationalpark komplett ausgebucht. Kein Camp, kein Chalet, kein Garnichts mehr. Eine aufgeregte Dame in einem entgegenkommenden Geländewagen erzählt uns, dass ein paar Kilometer weiter zwei Geländewagen zusammengestoßen wären. Die Piste sei komplett blockiert und die Wracks müssen von einem Abschlepper geborgen werden. Die Höchstgeschwindigkeit im Park beträgt 40 km/h, wie kann man da so einen kapitalen Schaden verursachen? Tatsächlich sehen wir ein paar Stunden später einen Abschleppwagen mit einem neuen Auto huckepack. Zumindest für einen der Unfallbeteiligten ist der Urlaub wohl doch noch nicht zu Ende, sonst bräuchten sie ja keinen neuen Wagen. Kurz nach dem Mittag verlassen wir Kgalagadi und der Asphalt hat uns wieder. Leider nur für 60 km. Die folgenden 200 km sind kein Zuckerschlecken. Die Südafrikaner können Pisten einfach nicht so gut in Schuss halten wie die Namibier. Es rappelt und kracht, so dass man freiwillig in den zweiten Gang runter geht. Das Camp, was wir angepeilt haben, stellt sich als ziemlich verlassene Absteige in einem ziemlich verlassenen Dorf heraus. Dann stellen wir uns lieber an den Pistenrand. Doch ein paar Kilometer weiter soll eine Gästefarm liegen, sagt Navi-Steffi. Sie hat Recht. Es ist sogar ein ganz ordentliches Camp. Wir sind die einzigen Gäste, werden freundlich von den Hunden und den Farmern empfangen und können es uns für die Nacht hinter einer Düne gemütlich machen. Auf der Farm werden Schafe gezüchtet. 7000 sind es derzeit, die sich auf 150 Quadratkilometern tummeln. Und ein paar hundert Rinder stehen auch noch herum. Das Grundwasser hier am Rande der Kalahari muss mühsam aus der Tiefe gepumpt werden, deshalb stehen überall große Windmotoren. Direkt neben dem Camp ein besonders großer, den der Farmer aus Australien importiert hat und auf den er ganz stolz ist. Das Bohrloch ist fast 200 m tief. Normalerweise klappern die Windmotoren bei so starkem Wind, den wir ihn heute haben, so laut, das wir nachts kein Auge zumachen könnten. Doch dieser hier brummt wie eine Turbine, so dass wir wie im Flugzeug schlafen. Wolfgang gut, Anette weniger. Montag, 26.12.11 (Shell Truck Stop, Klerksdorp): Beim Verabschieden zeigen uns die Farmer noch ihren ausgestopften Leoparden im Wohnzimmer. Er hatte in kurzer Zeit 46 Schafe gerissen, bevor sie ihn erwischt haben. Gut, dass wir gestern abend noch nicht wussten, dass sich hier draußen Leoparden herumtreiben. Na ja, eigentlich wussten wir es ja, denn hier sind überall Leoparden, man bekommt sie bloß nie zu Gesicht. Kurz nach der Farm ist die Piste endgültig geschafft und nach wenigen Stunden erreichen wir die Nationalstraße 14 nach Pretoria und sind zurück in der Zivilisation. Dachten wir! Denn als wir in das Städtchen Kuruman hereinrollen, trifft uns der Schlag. Der Boden ist über und über bedeckt mit Müll. Bei unserem letzten Besuch vor einigen Monaten war Kuruman noch ein sauberes Provinzstädtchen. Als wir ungläubig den Tankwart danach fragen, grinst er nur viel sagend. Sie hätten gestern Nacht eine große Weihnachtsparty gehabt. Eine sehr große. Bei Sonnenuntergang steht der Kilometerzähler bei über 500. Das reicht, schließlich ist heute der zweite Weihnachtsfeiertag. Für die Nacht stellen wir uns auf einen Truckstop zwischen die Lkws. So als Trucker unter Truckern ist das meist eine sichere Sache. Dienstag, 27.12.11 (Riverwood Lodge, Pretoria): Die letzten 250 km sind ein Klacks. Das einzige Problem ist es, auf den zum Teil zwölfspurigen Highways zwischen Johannesburg und Pretoria genau die richtige Spur zu erwischen. Ehe man sich versieht, ist man in eine völlig andere Richtung unterwegs. Wir fühlen uns hier immer an die ineinander verschlungenen Highways amerikanischer Großstädte erinnert. Navi-Steffi sagt uns brav, wo’s langgeht. Großes Hallo, als wir in Riverwood eintreffen. Weil wir uns nicht als Schmarotzer bei Elizabeth und Peter einnisten wollen, haben wir mit den beiden verabredet, dass wir ihnen helfen, während wir bei ihnen zu Gast sind. In der Lodge und vor allem an den Pferdeställen gibt es immer reichlich zu tun. Dächer haben im Sturm nachgegeben, Lampen funktionieren nicht oder Geräte quittieren den Dienst. Mittwoch bis Freitag, 28.-30.12.11 (Riverwood Lodge, Pretoria): Die Dächer sind wieder stabil (bis zum nächsten Sturm) und auch ein paar andere Sachen funktionieren wieder. Zum Abschluss wollen wir mit den beiden noch einmal ordentlich Essen gehen. Das Restaurant heißt “Eisbein”! Das Nummernschild des Wirts lautet? Genau, “Eisbein”. Was gibt es zu Essen? Nein, kein Eisbein. Und auch nichts anderes. Der Wirt ist nämlich über die Feiertage zum Fischen gefahren (um mal was anderes als Eisbein zu essen?). Wir landen schließlich bei einem sehr ordentlichen Italiener und essen, was man auch in Europa beim Italiener isst Samstag, 31.12.11 (Pretoriuskop Camp, Kruger Nationalpark): Sylvester im Krugerpark? Warum nicht, das ist eine garantiert feuerwerksfreie Zone. Außerdem regnet es hier im Hochland heftig, so dass es sich anbietet, in den niedriger liegenden Krugerpark zu entfliehen. Es sind 400 km, teilweise Maut-Autobahn und für den Rest eine gut ausgebaute Landstraße. Bei Middelburg werden wir auf großen Hinweistafeln mehrmals darauf hingewiesen, dass wir auf gar keinen Fall abfahren oder anhalten dürfen. Wir sind in einer “Hoch-Risiko-Zone”! Raubüberfälle scheinen hier Volkssport zu sein. Mit mulmigem Gefühl geht’s sehr zügig weiter und wir freuen uns, dass wir keine Panne haben. In der Nähe des Krugerparks meint Navi-Steffi, dass wir vom Highway abbiegen sollen. Wir haben Zweifel, ob das richtig ist und fahren noch 20 km weiter. Es war aber richtig! Denn jetzt kommen wir auf sehr kleinen Sträßchen durch ein ärmliches und dicht besiedeltes Gebiet. Die Hinweisschilder werden rar und schließlich auch der Straßenbelag. Nach einer Stunde sind wir dann aber doch dort, wo wir hin wollen. Wir haben wohl eher den Hintereingang erwischt. Glücklicherweise ist im Krugerpark noch ein Platz frei. Ein einziger! Und der ist auch nur ein paar Kilometer vom Eingang entfernt. Für die nächsten Tage sieht es schlecht aus. Alles ausgebucht. Dann werden wir morgen wohl wieder herausfahren und den direkten Weg nach Mocambique nehmen. Das Wetter ist nach wie vor mies und wir haben keine Lust, im Regen selber zu kochen. Das Camp hat ein nettes Restaurant und bietet ein Sylvesterdinner an. Anette meint, wir sollten uns etwas fein machen, damit wir gegenüber den anderen Gästen nicht so sehr auffallen. Und wie wir auffallen! Wir sind ein richtiger Fremdkörper zwischen all’ den Shorts-und-Gummilatschen-Trägern! Ein paar Stunden später tippen wir ein weiteres Mal voll daneben. Wir gehen davon aus, dass die anderen Gäste im Camp den Abend ziemlich laut und feuchtfröhlich gestalten würden, halt auf typisch südafrikanische Art. Nichts da, gegen neun Uhr abends wird es zunehmend ruhiger, nach und nach verschwinden alle in ihren Zelten und Wohnwagen. Und das war die Sylvesterparty. Wir tun das Gleiche wie alle anderen. Prosit Neujahr! Sonntag, 1.1.12 (Skukuza Camp, Kruger Nationalpark): Das Jahr fängt gut an. Wir erfahren am Empfang, dass wider Erwarten für heute abend auf einem anderen Camp noch ein Platz frei ist. Vielleicht können wir uns ja auf diese Weise von Tag zu Tag weiter durch den Park hangeln. Die Tierwelt hält sich weitgehend zurück. Außer einem Nashorn läuft uns nichts Bemerkenswertes mehr über den Weg. Doch etwas anderes überrascht uns sehr. Normalerweise sind die Besucher des Nationalparks zu 99% Weiße, entweder aus Europa oder Südafrika. Doch heute begegnen uns viele Autos mit Schwarzen, offensichtlich Tagesbesucher aus der nahen Umgebung. Vielleicht beginnt ja jetzt die längst fällige Rückeroberung des Parks durch die Schwarzen. Viele von ihnen (die meisten?) haben, obwohl sie in der Nähe der großen Schutzgebiete leben, noch nie Tiere in freier Wildbahn gesehen. Die schwarzen Kinder in einem vor uns fahrenden Kleinbus sind ein schönes Beispiel dafür. Sie deuten mit den Armen ganz aufgeregt in einen Busch, damit wir diese Sensation ja nicht übersehen. Der Aufgeregtheit nach zu urteilen, reißt dort gerade ein Löwenrudel ein Nashorn. Tatsächlich sitzen ein paar Paviane auf einem Ast und gucken uns zu. Für die Kinder mindestens so aufregend wie für uns ein ganzes Rudel Löwen. Und es illustriert, wie wenig von der ursprünglichen afrikanischen Tierwelt in ihrer Umgebung noch erhalten ist. Am Nachmittag treffen wir in Skukuza ein. Leider sind schon alle Plätze am Zaun belegt, wo wir wegen der vorbeiziehenden Hyänen gerne stehen würden. Andererseits ist heute das Wetter zum ersten Mal seit langem für den südafrikanischen Nationalsport geeignet: draußen sitzen, ein Feuerchen machen und ein paar Stückchen Fleisch darauf legen. Montag, 2.1.12 (Letaba Camp, Kruger Nationalpark): Morgens an der Rezeption haben wir nicht nur Glück, sondern viel Glück. Für die nächsten drei Nächte sind in verschiedenen Camps Plätze frei, sogar in Balule, unserem Lieblingscamp. Und auch tiermäßig besinnt sich der Krugerpark auf seinen Ruf. Kaum sind wir aus dem Tor des Camps heraus, kommen schon zwei ausgewachsene Löwen direkt auf uns zu gelaufen. Als hätten wir sie bestellt. Wir brauchen nicht einmal hinter ihnen her zu fahren, sondern nur zu warten. Sicherheitshalber kurbeln wir die Fenster hoch, denn wir hätten ihnen fast auf den Po klopfen können (was sie theoretisch ja auch mit uns machen könnten). Am Abend finden wir noch einen Platz am Zaun und die Hyänen halten sich an das geplante Abendprogramm. Alle 10 Minuten kommt eine vorbei, stellt fest, dass es nichts abzustauben gibt, und zieht weiter. Dienstag, 3.1.12 (Balule Camp, Kruger Nationalpark): Wir lassen es langsam angehen und brechen erst am Mittag ins 60 km entfernte Balule auf. Balule ist das einfachste und kleinste aller Camps im Krugerpark. Kein Shop, kein Restaurant, kein Strom. Uns ist es das liebste Camp, nicht nur wegen der wenigen Gäste, die hier Platz haben, sondern auch wegen des fehlenden Stroms, der die Südafrikaner daran hindert, ihr Camp mit Halogenflutern zu beleuchten. Und damit niemand auf dumme Ideen kommt, sind Generatoren verboten. Üblicherweise nehmen reisende Südafrikaner alles, was mitnehmbar ist, auch mit. Bei Strom klappt das glücklicherweise noch nicht. Nachts ist hier der Himmel wegen der fehlenden Lampen besonders schwarz. Und seltsamerweise nimmt man in der Dunkelheit die nächtlichen Geräusche der Tiere besonders intensiv wahr. Elefanten und Hippos scheinen eine heftige Meinungsverschiedenheit zu haben. Nach wie vor keinen Mucks machen die Hyänen, die auch hier am Zaun entlang patrouillieren. Bestenfalls raschelt es ein bisschen, dann weiß man, dass man durch den Zaun beobachtet wird. Mittwoch und Donnerstag, 4.-5.1.12 (Letaba Camp, Kruger Nationalpark): Für den Rückweg nach Letaba brechen wir zu unchristlicher Zeit auf. Schon kurz nach sechs Uhr sind wir unterwegs, in der Hoffnung, dass einige Tiere das ebenfalls tun. So richtig viel ist nicht los, selbst auf einer als löwensicher geltenden Strecke lässt sich nur eine müde Tatze blicken. Immerhin trollt sich ein fettes und gemütliches Nashorn vor uns über die Piste. Und am Abend besucht uns ein Dickschwänziges Nachtäffchen, besser bekannt als Bushbaby. Den Rest der beiden Tage vergammeln wir mehr oder weniger. Es ist mit 38° bei wolkenlosem Himmel auch keine Temperatur für große körperliche Aktivitäten. Das Einzige, was man länger durchhält, ist das Herumliegen im lauwarmen und überfüllten Swimmingpool. Freitag, 6.1.12 (Sunset Beach Lodge, Chidenguele): Allmählich wird’s Zeit, dass wir rüber nach Mocambique kommen. Dieses Mal wollen wir ja ein paar Tage länger bleiben, nicht nur eine mickrige Viertelstunde wie letztes Jahr. Der Grenzübergang Giriyondo ist schnell erreicht und wie erwartet leer. Kein Vergleich zum lauten und hektischen Hauptübergang in Ressano, 200 km südlich von hier. Beiderseits der Grenze erstreckt sich ein Nationalpark, Kruger hier, Limpopo drüben. Die beiden sollen im Laufe der Jahre zu einem großen Nationalpark zusammenwachsen. Auch an diesem Grenzübergang gilt seit kurzem, dass man, wenn man ihn passieren will, mindestens in einem Park übernachtet haben muss, was ja kein Problem für uns ist. Die Einreise nach Mocambique gestaltet sich ziemlich problemlos und eine Stunde später sind wir bereits auf der Weiterfahrt. Tiere sind hier im Limpopo Nationalpark noch eher selten. 20 Jahre Bürgerkrieg und hemmungsloses Abschießen haben sich tief in das kollektive Gedächtnis der Tiere eingeprägt. So sind alle Elefanten, die man mit viel Aufwand aus Südafrika herüber gebracht hatte, auf schnellstem Wege wieder dorthin zurückgekehrt. Es wird wohl noch viele Jahre dauern, ehe sich die Tiere wieder frei in ihren angestammten Wandergebieten bewegen werden. Die gefährlichsten Situationen bei der Fahrt auf der engen Piste entstehen nicht durch plötzlich aus dem Busch springenden Tiere, sondern durch die großen künstlichen Bodenwellen, die auf überzeugende Weise die Autofahrer an die Geschwindigkeitsbeschränkung erinnern. Übel ist’s, wenn man eine dieser Wellen übersieht und sein Auto wie über eine Abschussrampe katapultiert. Es ist ja auch kein Problem, alle Aufmerksamkeit auf die Bodenwellen zu konzentrieren, denn die Chance, wilde Tiere zu sehen, ist minimal. Die häufigsten Tiere im Park sind Rinder und die zweithäufigsten Menschen. Nach zwei Stunden mittelprächtiger Piste sind wir durch. Jetzt noch 300 km Asphalt, dann sollten wir am Indischen Ozean sein. Doch zuvor haben wir noch ein kleines Problem. Wir müssen 10 Meticais Brückenzoll bezahlen, ca. 30 Eurocent, und finden unser Geld nicht. So sehr wir auch suchen, es bleibt auf geheimnisvolle Weise verschwunden. Da wir den ganzen Verkehr aufhalten, klemmen wir uns an die Seite neben der Straße und suchen nochmals alles durch. Dann hält neben uns ein Geländewagen und der Fahrer reicht uns einen einheimischen Geldschein durchs Fenster. Er will zwar nichts dafür haben, doch wir drücken ihm einige Rand in die Hand und bedanken uns ganz herzlich. Gastfreundliches Mocambique! Und am Abend finden wir auf wunderbare Weise auch unser Geld wieder, es lag da, wo es eigentlich sein sollte. Der Weg zum Indischen Ozean führt über kleine Straßen durch eine fruchtbare und sehr malerische Landschaft, immer am Limpopo oder seinen Nebenflüssen entlang. Und schließlich geht es auf der gut ausgebauten (und entsprechend langweiligen) Nationalstraße 1 nach Norden. In der Abenddämmerung reicht’s uns mit der Fahrerei. In das angepeilte Camp schaffen wir es auf keinen Fall mehr. Also biegen wir auf einen kleinen Sandweg runter zur Küste ab. Dort soll nach sechs Kilometern eine nette Lodge mit einem Camp liegen, mitten in den Dünen. Das klingt gut und übel zugleich. Denn auf die Dünen müssen wir mit unserem Auto erst einmal herauf kommen, immerhin sind sie über 50 m hoch. In unserem Buch steht “sandige Allradzufahrt”, doch die Autoren übertreiben gern. Wir kommen ziemlich problemlos durch, bis auf die letzten 500 m! Die sind von den Geländewagen tief zerfurcht. Solange es von der Düne runter geht, kein Problem, das haben wir erst auf dem Rückweg. Doch am letzten Anstieg sitzen wir schließlich drin, zumindest vorwärts. Wir müssen uns rückwärts wieder frei wühlen und versuchen im nächsten Anlauf, mehr Schwung zu nehmen. Geschafft! Mit viel Glück und dem unguten Gefühl, dass uns auf dem Rückweg noch eine Menge Arbeit bevorsteht. Doch jetzt sind wir erst einmal am Meer angekommen. Oben von der Restaurantterrasse hat man einen weiten Blick über den Inder. Samstag, 7.1.12 (Sunset Beach Lodge, Chidenguele): Jetzt hatten wir fast 4500 km unter den Rädern und sowohl der Bus als auch die Besatzung haben sich ein wenig Ruhe verdient. Um es vorwegzunehmen: der Rückweg durch die Dünen wird nicht zum Drama, wir müssen nicht buddeln und wir können keinen Wagenheber im Sand vergessen. Wir laufen vorher die kritischen Stellen ab und beobachten zwei beladene Geländewagen, wie sie sich mit großen Schwierigkeiten den Hang hoch quälen und immer wieder fest hängen. Da wir auch nicht gerade leicht sind, ist schnell klar, dass ein bisschen Schwung nehmen sicher nicht ausreichen wird. Es muss so viel Luft wie möglich aus den Reifen raus, damit eine größere Fläche auf dem Sand aufliegt. Vorn versuchen wir es mit knapp 1 bar, hinten mit 1,3. Normal brauchen wir zweieinhalb Mal so viel. Jetzt ist das Risiko groß, dass Steine durch den Reifen durchschlagen und wir ihn wegwerfen können, doch hier gibt’s ja keine Steine. Außerdem soll es nur für 500 m sein. Der Chef der Lodge hatte empfohlen, bergab “voll Boden” zu machen, also das Gaspedal voll bis zum Bodenblech durchzutreten. Mit Vollgas und donnernden 50 PS die eine Düne runter und mit durchdrehenden Rädern die andere hinauf. Es klappt gleich beim ersten Mal. Das freute vor allem Anette, die ein ganz klein wenig verspannt oben auf der Düne wartete und sich die Daumen beim Drücken fast abgebrochen hat. Deswegen gibt es auch keine Fotos. Aber das alles ist ja Zukunftsmusik. Jetzt ist erst einmal Urlaub angesagt. Strandurlaub.
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