Dienstag, 4.1. bis Montag, 10.1.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Nach dem deutschen Schneechaos und vor dem unvermeidlich folgenden Hochwasser bietet sich eine kleine Lücke, um schnell nach Afrika zu entschwinden. Zumindest für Wolfgang. Der darf jetzt zwei Wochen unterm, auf’m, im und neben dem Auto verbringen, während bei Anette nur noch Karnickelfutter auf den Teller kommt, um den Weihnachtsspeck nieder zu ringen.
Der Flug ist wie immer problemlos, ebenso der Versuch, den Bus zum Leben zu erwecken. Batterie anklemmen, Zündschlüssel umdrehen und los. Nach kaum einem halben Jahr im Container war auch nichts anderes zu erwarten.
Ein kurzer Besuch bei Anettes Tante und Onkel und dann kann es losgehen. Da nach dem Ende der letzten Reise der Bus quasi so, wie er war, abgestellt werden musste, stehen jetzt allerhand Arbeiten an. Zum Eingewöhnen geht’s an die Elektrik. Ein paar alte Zipperlein beseitigen (die letzten 20.000 km nach Ostafrika sind an der alten Dame nicht spurlos vorüber gegangen) und auch ein paar neue Dinge einbauen. Nächste Woche folgen dann noch einige dickere Brocken, doch dazu später mehr.
Jetzt also erst mal Elektrik, von der wir ziemlich viel im Auto haben, vor allem unterm Armaturenbrett. An die ganze Kabelage kommt man recht gut heran, wenn man einen zweifach gebrochenen Unterarm oder einen Giraffenhals hat. Ohne das geht es am besten, wenn man sich kopfüber auf den Fahrersitz klemmt; die Füße über die Rückenlehne legt und Kopf und Arme unters Armaturenbrett steckt. Ist nicht sehr bequem und sieht für Außenstehende einigermaßen befremdlich aus, doch hier in Arebbusch sind zur Zeit kaum Bewunderer dieser Akrobatik.
Nach einer Woche in dieser und in anderen unbequemen Lagen hat unser Bus eine elektronische Reifendrucküberwachung (!!!), die Alarmanlage funktioniert einigermaßen, das Navi hat einen guten Platz im Blickfeld, die durchgebrannte Solaranlage liefert wieder Strom, die neue Uhr tickt und selbst das Wetter wird erstaunlich präzise vorhergesagt. Nur die angezeigte Temperatur ist wohl eher Wunschdenken, mindestens 10° zu niedrig. Da fehlt noch der letzte Schliff.
Die Regenzeit hält sich freundlicherweise sehr zurück, so dass die eher seltenen Duschen nicht wirklich stören. Schon gar nicht bei 30°C.
Dienstag, 11.1. bis Dienstag, 18.1.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): In dieser Woche geht’s an die härteren Sachen. Vor dem linken Hinterrad ist das Blech von innen nach außen durchgerostet, das muss geschweißt werden.
Es tut im ersten Augenblick ein bisschen weh, mit der Trennscheibe die Karosserie aufzuschneiden, aber wat mut, dat mut.
Nach dem Heraustrennen der ersten Bleche wird auch klar, was passiert ist. Über die Jahrzehnte hinweg hatte sich im Hohlraum dahinter Dreckschicht auf Dreckschicht abgelagert. Das Zeug war teilweise hart wie Stein, da hatten auch die Wasserablauflöcher keine Chance. Nach jeder Regenfahrt hatten wir ein wunderbares Feuchtbiotop.
Nach dem Entfernen aller schlechten Bleche ist das Ergebnis weniger schlimm als befürchtet. Die Grundsubstanz ist gut und stabil, so dass lediglich drei neue Blechstücke zurechtgeschnitten, gebogen und eingeschweißt werden müssen. Das Schweißen wird eine Werkstatt erledigen.
Als Wolfgang in der Werkstatt nach einem Stück Blech fragt, gehen die Jungs kurzerhand mit dem Trennschleifer an die Tür eines Toyota-Geländewagens und trennen ein gerades Teil heraus. Der Wagen hatte den typischen Touristenunfall: hoch beladen, zu schnell gefahren und in der Kurve von der Piste geflogen. Doch ein Teil des Autos wird ja als Ersatzteil bei uns weiterleben. Sind wir dann auch von Toyotas Rückrufaktionen betroffen?
Für das Zuschneiden und Dengeln der Bleche geht mehr als ein Tag drauf, denn es gibt keine geraden Flächen an den Teilen, so das man sich der endgültigen Form Millimeterweise annähern muss. Kaum hat man eine Stelle passend, hat es die anderen wieder verzogen.
Einschweißen und Spachteln sind vergleichsweise problemlos. Nur die Spritzpistole hat etwas gegen einen erfolgreichen Tag. Anstatt Farbnebel zu versprühen, spuckt sie nur fette Tropfen auf das Blech. Es sieht aus wie Hammerschlag. Doch die Grundierung muss jetzt unbedingt drauf, damit der nächste Regen keinen Schaden anrichten kann.
Natürlich ist jetzt Samstagnachmittag und bis Montag keine neue Pistole aufzutreiben! Na prima! Da bleibt der ganze Sonntag, um die pickelige Grundierung wieder glatt zu schleifen.
Am Montag gibt’s tatsächlich gleich im ersten Geschäft eine nagelneue Spritzpistole “Made in Germany” für angemessenes Geld, die am Nachmittag gleich zeigen kann, was in ihr steckt.
Um Insekten, die eine Vorliebe für Gelb haben, daran zu hindern, mit ihren schmutzigen Füßen über die frisch lackierten Flächen zu laufen, geht der Wagen mit dem Heck in unseren Container. In der heißen Blechdose ist das Lackieren zwar kein Vergnügen, andererseits trocknet es entsprechend schnell.
Die ganze Aktion stand letztlich unter einem glücklichen Stern, denn der Tag des Lackierens war für längere Zeit der letzte ohne Regen.
Mittwoch, 19.1. bis Mittwoch, 2.2.11 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Anette ist gestern Abend losgeflogen und steht pünktlich am Flughafen in Windhoek. Ihr fällt trotz Herumlaufen ums Auto gar nicht auf, dass etwas neu lackiert worden ist. Das Glattschleifen der Grundierung war offensichtlich erfolgreich.
Eigentlich sollten die Reparaturen schon viel weiter gediehen sein, doch wir werden wohl eine Woche dranhängen, weil noch ein paar größere Arbeiten warten. Und neue hinzukommen. Während wir in der Stadt unterwegs sind und eines der täglichen Unwetter runter geht, macht die Kupplung nur kurz und prägnant “krrrk” und nix geht mehr. Kupplungsseil gerissen. An sich kein Problem, aber bei strömendem Regen auch kein Genuss.
Inzwischen macht die Regenzeit ihrem Namen alle Ehre. Normal sind ca. 80 mm im Januar, dieses Jahr schüttet es 360 mm, mehr als sonst im ganzen Jahr. Schuld daran ist Anette, denn seit sie angekommen ist, eimert es fast jeden Tag.
Wir ziehen zur Sicherheit auf einen höher gelegenen Platz um, denn der mitten durchs Camp führende Trockenfluss schwillt zuweilen innerhalb von Minuten bis hin zur Unpassierbarkeit an. Mit ein paar Metern Höhenunterschied schläft man nachts einfach ruhiger.
Am Ende sind es gut zwei Wochen, bis wir Windhoek hinter uns lassen. Mit einem wie neu glänzenden und runderneuerten Bus.
Donnerstag, 3.2.11 (Oanob Dam Resort, Rehoboth): Noch ‘mal ordentlich Einkaufen, alles voll tanken und von allen verabschieden. Und schon kann es losgehen. Um 17 Uhr brechen wir endgültig auf.
Windhoek hat offensichtlich etwas dagegen. Oder sind es Abschiedstränen? Jedenfalls haut, kaum das wir die Stadt verlassen haben, ein Unwetter der übelsten Sorte auf uns herunter. Sturm, strömender Regen, Hagel, Blitz und Donner gleichzeitig. Obwohl wir ziemlich langsam fahren, traut sich keiner, uns zu überholen.
Die Folgen dieses Unwetters werden uns morgen noch mal einholen, doch davon wissen wir jetzt noch nichts.
Keine 100 km weiter reicht’s uns für den ersten Tag auf Achse. Wir übernachten zwar in einem recht netten Resort, doch das Wetter lässt nicht wirklich Freude aufkommen. Trotzdem: der Urlaub hat begonnen.
Freitag, 4.2.11 (Farm Ober-Pakriem): Anstatt auf der Hauptstraße langweilig nach Süden Richtung Kapstadt zu rollen, wollen wir noch einen größeren Schlenker durch das namibische Hinterland machen. Diese Gebirgs- und Wüstenlandschaft haben wir immer nur staubtrocken erlebt. Mal sehen, wie sie grün gefärbt aussieht.
Auf einer schmalen Piste geht es quer durch das namibische Outback. Einige Furten warten auf uns, doch die meisten sind trocken und gut befahrbar. Wenn tatsächlich mal Wasser drin steht, fahren wir schön langsam durch, denn schließlich hat Anette einen ganzen Tag lang das Auto gewaschen und gewachst, das kann ruhig noch ein paar Tage sauber aussehen.
Bei einem Dörfchen mit dem schönen afrikanischen Namen Schlip genießen wir das erste Mal die Sonne und ein bisschen Wüstenfeeling.
20 staubige Kilometer später ist der Staub zu Ende. Die Fahrt auch. Der Dikdoorn, ein typischer Trockenfluss, geht ab, wie man hier sagt. Er beseitigt die Reste des Unwetters von gestern Abend.
Wolfgang watet auf die andere Seite, doch schon nach wenigen Metern ist klar, dass hier nichts mehr weitergeht. Die Wassertiefe wäre kein Problem, es geht maximal bis ans Knie, doch der Untergrund ist tiefer weicher Schlamm. Keine Chance für Autos, hier geht es nur noch per Eselskarren weiter.
Schade! Auch an einer Seitenpiste ist kein Durchkommen. Es bleibt nur der geordnete Rückmarsch zur asphaltierten Nationalstraße B1, wo nach 150 km unser erster Ausflug in die Namib kläglich endet.
Eine Stunde weiter südlich machen wir einen neuen Versuch. Irgendwo muss es doch gehen! Diesmal ist es eine C-Straße, also eine Straße der zweiten Kategorie, in der Bedeutung vielleicht vergleichbar mit unseren Bundesstraßen, aber nicht im Straßenbelag. Die C21 ist eine Schotterstraße und führt von Kalkrand über 120 km nach Maltahöhe. Die Ortsnamen gehen noch auf die deutsche Kolonialzeit zurück.
Einige der Furten sind betoniert, aber trotzdem nicht zu verachten, denn das Wasser kommt manchmal ziemlich heftig angeschossen. Wenn es da den Wagen aufschwimmen lässt, befindet man sich ganz schnell kopfüber im Unterlauf des Flusses. Deshalb muss vor jedem tieferen Wasser der Durchwater vom Dienst ran.
Die meisten Furten entpuppen sich als gut passierbar. Aber leider nicht alle. Nach der Hälfte der 120 km ist Schluss. Das Groot-Pakriem-Rivier geht einen Meter hoch ab. Keine Chance für niemanden nicht. Auch das Durchwaten ist unmöglich.
Nach einiger Wartezeit kommt ein einheimischer Golf. Der Fahrer ist der Pastor der Christuskirche in Windhoek. Die Beifahrerin, Frau Fechter, lebt auf einer Farm auf der anderen Seite des Flusses.
Als der Pastor und Wolfgang gemeinsam in den Fluss waten, stellen sie fest, dass der Wasserspiegel wohl allmählich sinkt. Sehr langsam, aber stetig. Alle paar Minuten einen Zentimeter.
Nach einer Stunde ist der Pakriem nur noch knietief und die Furt ist von 100 m Länge auf 20 m geschrumpft. Also durch!
Die Farmersfrau hat uns angeboten, die Nacht auf ihrer Farm zu verbringen, denn die noch folgenden Furten wären eher noch tiefer, was bei Nacht ganz und gar keinen Spaß machen würde. Morgen früh sähe die Sache wahrscheinlich viel besser aus.
Natürlich nehmen wir das Angebot an, denn bis nach Maltahöhe hätten wir es heute sowieso nicht mehr geschafft und am Pistenrand schlafen müssen.
Fechters haben auf ihrer Farm früher Schafe gezüchtet. Inzwischen sind sie Rentner und haben ihren Betrieb verpachtet, bis auf einen kleinen Rest von ein paar Quadratkilometern, den sie noch selber nutzen. Hier muss man sich mit anderen Größenordnungen, als wir sie gewohnt sind, vertraut machen. Die gesamte Farm ist rund 110 km² groß, das ist in dieser Gegend eine normale Größe.
Wir werden zum Abendessen eingeladen und erfahren viel über das Farmleben gestern und heute, über Namibias Geschichte und die Geschichtchen am Rande. Und darüber, dass hier jeder über ein paar Ecken mit jedem verwandt ist. Es fällt der Satz: “Wer in Namibia lebt und nicht mit mindestens drei anderen verwandt ist, ist illegal hier”. Da scheint etwas dran zu sein, denn selbstverständlich kennen sie die Familie von Anettes Tante.
Samstag, 5.2.11 (neben Furt an C14): Nach dem Frühstück machen wir mit Frau Fechter eine kurze Rundfahrt über das Gelände.
Zur Farm gehört ein eigener Stausee von zur Zeit einem Kilometer Länge. Denn Wasser ist hier in der meisten Zeit des Jahres ein rares Gut. Manchmal, wenn der Regen gänzlich ausblieb, mussten sie ihre Tiere auf andere Farmen bringen oder sogar schlachten. Im Augenblick, wo alles unter Wasser steht, ist das eine seltsame Vorstellung, doch die Namib-Wüste ist nicht weit weg.
Weit hinten am Horizont erahnen wir ganz klein einen Windmotor, das ist etwa die Mitte der Farm. Noch mal zehn Kilometer weiter liegt auf der Nachbarsfarm eine große abflusslose Trockenebene, die, wenn sie mit Regenwasser geflutet ist, zu einem wahren rosa Blütenmeer wird. Lilien, soweit das Auge reicht.
Vor 10 Tagen war es wieder so weit. Zwar sind jetzt die meisten Lilien schon verblüht, doch wir wollen trotzdem mal vorbeischauen. Leider gibt es keinen direkten Weg, so dass aus den 15 km Luftlinie 100 km schlechte Piste werden. Mal schnell zum Kaffeetrinken bei den Nachbarn vorbeischauen, wird zur Tagesreise.
Fechters Farm ist zwar nicht an das Stromnetz angeschlossen, doch mit Solarzellen wird genügend Strom erzeugt. Handyempfang gibt es ebenfalls nicht, dafür aber Funk. Und warmes Wasser kommt aus einem Solarwärmetauscher.
Der Nachbar auf der anderen Seite ist 10 km entfernt, ins nächste Geschäft sind es 60 km und zum richtigen Einkaufen nach Windhoek knapp 300 km. Der Sohn der Familie musste schon mit sechs Jahren in ein Internat in Windhoek, denn die dünne Besiedelung macht normale Schulen unmöglich.
Das alles muss man mögen, wenn man hier leben will. Doch wer hier aufgewachsen ist, der will den weiten Horizont und den offenen Himmel nicht missen.
Frau Fechter lässt es sich nicht nehmen, uns ein Glas von ihren eingemachten Feigen und Guavas und natürlich Marmelade mitzugeben. Wir können uns lediglich mit einem Glas rheinischen Apfelkrauts revanchieren.
Die Weiterfahrt gestaltet sich deutlich einfacher als gestern. Das Wasser ist weitgehend abgelaufen und Hemmungen, durch den Schlamm hindurch zu sausen, haben wir auch keine mehr. Das Auto hat inzwischen die Erdfarbe angenommen, die unserer eigentlichen Farbe gar nicht so unähnlich ist.
Zweieinhalb Stunden später sind wir am Lilienvlei. Auf den letzten 40 km ging es durch tiefen Matsch und Wasser, doch mit dem nötigen Schwung sind wir erfolgreich nicht stecken geblieben.
Die Lilienebene steht immer noch unter Wasser und ein paar spätberufene Blümchen deuten die vergangene Blütenpracht an. Aber genau so, wie sich Millionen Lilien über die nassen Füße freuen, hoffen Millionen von Käfern, dass sie endlich wieder trockene Füße bekommen. An jeder Pflanze, die aus dem Wasser schaut, hängen sie. Und das vielfach schon seit Wochen. Regungslos, nur darauf wartend, dass das Wasser verdunstet. Was für ein Leben!
Manche fressen aus Verzweiflung das Blatt, an dem sie hängen, auf. Die Story mit der Säge und dem Ast, auf dem man sitzt, wird in Käferkreisen wohl noch nicht erzählt.
Am Nachmittag sind wir schließlich in Maltahöhe. Das Örtchen bietet kaum einen Grund, anzuhalten, es sei denn, man will übernachten, braucht Benzin oder will einkaufen. Wir wollen nichts von dem, sondern statt dessen auf schnellstem Wege in die Namib, denn da sollte es deutlich trockener und wärmer sein als hier. Bis dahin sind es keine 200 km mehr. Wenn die Piste vernünftig zu fahren ist, dann sollten wir das heute noch schaffen, denn schließlich geht es über die C14, die zweitwichtigste Nord-Süd-Verbindung durch Namibia.
Es lässt sich gut an, die Piste ist breit und fest und es hat aufgehört zu regnen. Die Furten sind solide betoniert und führen wenig Wasser. Doch dann deutet sich Ungemach an. Die Piste wird schlammig, die Abstände zwischen den Wasserdurchfahrten werden immer kürzer und das Wasser steigt. Schließlich sehen wir schon von weitem einen einheimischen VW-Bus stehen, dessen Fahrer durchs bauchtiefe Wasser watet. Die Furt ist bereits zum Teil weggerissen. Auf der gegenüber liegenden Seite steht ein Farmer mit seinem Geländewagen und ruft herüber, dass im Oberlauf des Flusses ein Erddamm überzulaufen droht. Wenn er bricht, dann würde hier richtig was abgehen.
Wir beratschlagen uns noch mit Ian und Doris, dem deutsch-schottischen Pärchen aus dem anderen VW-Bus, und beschließen, auf den nächsten Hügel zu fahren und dort zu übernachten. Ganz genau 17 m höher (Navi sei dank), so hoch wird wohl keine Flutwelle kommen.
Ian schleppt einen gestrandeten Pkw ebenfalls auf den Hügel. Er war beim Zurücksetzen von der Betonfurt gerutscht und hatte sich Teile der Hinterachse abgerissen. Noch am Abend beginnen die Leute mit der Reparatur. Mangels Werkzeug müssen einige große Steine als Hammer herhalten. Das scheint wohl wenig erfolgreich gewesen zu sein, denn noch während der Nacht wird der Wagen abgeschleppt. Vermutlich durch den Fluss. Das ist ein gutes Zeichen, denn dann ist der Wasserspiegel offensichtlich gesunken.
Sonntag, 6.2.11 (Farm Tiras): Doris und Ian haben die Nase voll von Wasserdurchfahrten. Sie wollen auf dem schnellsten Wege nach Hause nach Lüderitz und haben sich entschlossen, kehrt zu machen. Statt 200 km Piste bis zum nächsten Asphalt sind es zurück nach Maltahöhe nur 50 km, dafür aber anschließend weitere 500 km auf Asphalt.
Wir haben die Hoffnung, dass es sich gestern ausgeregnet hat (irgendwann muss da oben ja auch mal das Wasser zur Neige gehen) und dass es immer trockener wird, je näher wir der Namib kommen.
Bis nach Helmeringhausen, das ist der nächste Ort, sind es 100 km. Die ersten Kilometer lassen keine Hoffnung auf Besserung aufkommen. Zwar ist der Fluss seit gestern Abend auf einen halben Meter gesunken und gut passierbar und auch der Damm scheint gehalten zu haben, doch die Piste ist aufgeweicht wie ein Schwamm. Wir schlingern mit immer wieder durchdrehenden Rädern hin und her und das Kurbeln am Lenkrad geht mit der Zeit ganz schön auf die Arme.
Glücklicherweise kommt uns auf der gesamten Strecke niemand entgegen, so dass wir die Fahrbahn auf voller Breite nutzen können. Speziell an den Steigungen brauchen wir das auch, denn da macht der Bus, was er will. Doch immer dann, wenn wir ganz kurz davor sind, stecken zu bleiben, kommt festerer Untergrund und die Hinterräder packen wieder. Anette ist immer kurz vorm Lachanfall, wenn Wolfgang wie ein Wilder am Lenkrad gegensteuert und der Bus trotzdem quer steht. WAS IST DARAN LUSTIG?
In den ersten zwei Stunden kommt auf jedem Kilometer mindestens ein großes Wasserloch, dann setzt sich die Sonne durch. Der Matsch wird härter und wir kommen deutlich zügiger voran. Sollte sich unsere Hoffnung bewahrheiten?
Tut sie! Nach gut drei Stunden treffen wir schließlich in Helmeringhausen ein. Der Ort ist berühmt dafür, dass er während der deutschen Kolonialzeit die breiteste Hauptstraße hatte. Hier konnte nämlich ein komplettes Ochsengespann drehen. Die Straße ist allerdings kaum länger als breit, mehr als ein halbes Dutzend Häuser gibt es hier nicht.
Eines davon ist Hotel, Restaurant, Campingplatz und Biergarten in einem. Wir sind die einzigen Gäste, deshalb werden wir vom Koch persönlich bedient. Wir bestellen “Bratworst with salad”, sitzen in der Sonne in einem blühenden Garten und trinken ein Radler. So kann Namibia auch sein.
Sowohl der Schotte als auch der Pastor der Christuskirche und natürlich auch Fechters hatten uns das Camp auf der Farm Tiras empfohlen und uns gebeten, die Farmersfamilie Koch von Ihnen zu grüßen. Die Farm liegt in den (Tiras-)Bergen am Rande der Namib. Bis dahin sind es keine 50 km mehr und es ist erst Mittag. Da bleibt noch Zeit, einen Schlenker über die D707 zu machen. Sie führt in einem 100-km-Bogen am Rande der Dünennamib entlang. Jetzt, nach den ersten Regen, müsste es da sehr schön grün sein. Wir kennen es nur gelb und rot und staubig.
Die Fahrt durchs Gebirge ist etwas rau, doch kaum sind wir am Rand der Dünen, wechseln sich die afrikanischen Bilderbuchlandschaften einander ab.
Man kann ganz deutlich erkennen, wo schon der erste Regen gefallen ist und wo er noch auf sich warten lässt (strichweise Regen!).
Die Tiere sind zahlreich, halten jedoch Distanz. Oryx-Antilopen, Springböcke, sogar ein paar Löffelhunde bekommen wir zu Gesicht.
Auch die Pflanzen genießen das Wasser. Blühende Hoodia, die wegen ihrer schlank machenden Wirkung in der Pharmaindustrie begehrt sind, stehen am Wege. Wir halten sie für Kakteen, doch später erfahren wir, dass es in Afrika keine Kakteen gibt, sondern nur Sukkulenten (was immer der Unterschied auch sein mag).
Rechtzeitig vorm Sonnenuntergang treffen wir in Tiras ein. Nachdem wir der Familie Koch brav die Grüße von allen ausgerichtet haben, fahren wir vom Farmhaus zum einen Kilometer entfernten Camp. Es liegt wunderschön an einem Felsenhügel mit weitem Blick in die Berge. Die sanitären Einrichtungen sind 1a. Heiße Duschen mitten im Busch!
Herr Koch bringt uns noch ein Stück Fleisch von der eigenen Farm vorbei, so dass unserem ersten Lagerfeuerchen, das man hier Braai nennt, wenn ein Stück Fleisch darauf gegrillt wird, nichts mehr im Wege steht.
Montag, 7.2.11 (Farm Tiras): Heute sind wir ein bisschen faul. Nach einem ausgiebigen Frühstück mit Fernblick vertrödeln wir den Vormittag. Erst am Nachmittag entschließen wir uns, wie von Herrn Koch empfohlen, eine kleine Rundfahrt in die Berge von Alt-Tiras zu machen. Zum Ei des Columbus und zu den Aussichtspunkten runter in die Namib.
Als wir auf dem Rückweg sind, brauen sich über den Bergen mächtige Wolken zusammen. Die Farmer würden sich freuen, wenn es so richtig kacheln würde. Wir weniger. Die Wolken entscheiden sich für einen Mittelweg, so dass wir ziemlich schnell im Bett verschwinden.
Dienstag, 8.2.11 (Klein Aus Vista Lodge, Aus): Um 8 Uhr haben wir uns mit Frau Koch verabredet. Mit ihr werden wir noch einmal durch das gleiche Gebiet wie gestern fahren, doch dieses Mal wird sie uns die vielen kleinen Dinge zeigen, die wir alle übersehen haben: die Buschmann-Malereien, deren Speerspitzen, die Spuren der deutschen Schutztruppen, die unscheinbaren Pflänzchen und Tiere am Wege. Es ist ein ganz anderes Erlebnis als gestern.
Am Nachmittag fahren wir auf eigene Faust ein bisschen auf der Farm herum. Sie ist 120 km² groß und kann 300 Rinder ernähren. Trotz der großen Fläche reicht der Pflanzenwuchs kaum für mehr. Neben den Rindern leben hier Oryx-Antilopen, verwilderte Pferde der Schutztruppe und sogar ein paar Leoparden (die wir natürlich nicht zu Gesicht bekommen).
Um vier Uhr brechen wir schließlich auf, um zwei Stunden später in Aus zu sein. Die Piste ist gut, das Wetter auch.
Das dortige Camp ist uns bestens bekannt, fast so schön gelegen wie Tiras, zwar nicht so einsam, dafür mit noch geringerer Wahrscheinlichkeit von Regen. In Aus regnet es quasi nie, so dass unserem Braai am Abend nichts im Wege steht.
Mittwoch, 9.2.11 (Maritz Country Lodge, Keetmanshoop): An sich wollten wir von Aus weiter nach Süden, doch leider hat es die Straßen und Pisten am Oranje, dem Grenzfluss zu Südafrika, streckenweise weggerissen. Vor April sind die nicht wieder hergestellt. Uns bleibt deshalb nur der Rückweg auf die B1. Alles auf feinstem Asphalt.
Auch die Furten sind keine mehr, sondern richtige Brücken. Das ist auch gut so, denn wir müssen den Fish-River kreuzen. Der sammelt all’ das Wasser ein, dem wir in den letzten Tagen begegnet sind, und bringt es runter an den Oranje (um dort die Uferstraße zu zerstören, die wir ja fahren wollten). Glücklicherweise haben die Brückenbauer solche Wassermassen vorhergesehen, so dass wir bequem und sicher auf die andere Seite kommen.
Furten, Wasserlöcher, Schlammpartien und Dauerregen dürften jetzt erst einmal vorbei sein. Wir werden in Kürze Keetmanshoop erreichen. Das ist die größte Stadt in Namibias Süden. Hier gibt es bestimmt eine Möglichkeit, den Schlamm unterm Fahrzeug abzuwaschen. Der ist nämlich inzwischen betonhart und an manchen Stellen 5 cm dick. Mit einem Gartenschlauch ein bisschen drübersprühen, wird nicht reichen.
Tatsächlich finden wir auf dem Gelände des Eisenbahner-Clubs zwei junge Männer, die mit einem Kärcher-Dampfstrahler eine Art Autowaschservice betreiben. Sie ackern abwechselnd eineinhalb Stunden lang, danach ist das Auto um viele Kilo leichter und sieht wieder so aus, wie bei der Abfahrt.
Später auf dem Camp wird klar, dass trotz der prima Arbeit der Jungen in den schwer zugänglichen Bereichen noch viele Kilo Dreck festsitzen. In den hinteren Radkästen kann Wolfgang die gröbsten Brocken mit dem Hammer überreden, runter zu fallen, den Rest wird wohl irgendwann ein Tropenregen erledigen müssen. Hoffentlich auf Asphalt.
Donnerstag, 10.2.11 (Maritz Country Lodge, Keetmanshoop): Nachdem das Auto seit gestern von außen sauber ist, kommt heute innen dran. Und Wäsche waschen. Und ein paar kleine Reparaturen. Und Website fertig machen. Und Swimmingpool plantschen.
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