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Nairobi, 24.5.2010 Liebe Freunde, weit sind wir noch nicht gekommen! 800 km in sechs Wochen, da wären wir zu Fuß schneller gewesen. Probleme gab es keine, wenn man vom vielen Regen, der extremen Luftfeuchtigkeit und Wolfgangs vereiterten Füßen einmal absieht. Na ja, auch mit Faulheit kann man eine ganze Menge Zeit verbringen. Von den Reparaturen, die wir in Mombasa erledigen wollten, haben wir nur einen Teil geschafft, der Rest ist dann unterwegs oder in Windhoek dran. Und auch das, was möglicherweise neu hinzu kommt. Schöne Grüße aus Nairobi, wo das Wetter auch nicht viel besser ist als in Deutschland von Anette & Wolfgang |
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Tagebuch 9.4. bis 24.5.2010 |
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Freitag, 9.4.10 (München) und Samstag, 10.4.10 (Edelweiss, Kikambala): Es ist das 16. Mal, dass wir uns auf die Socken nach Afrika machen. Da sollte man meinen, alles flutscht wie geschmiert und jeder Handgriff sitzt. Doch dieses Mal ist der Wurm drin. Nicht nur, dass Wolfgang noch kurz vor der Abreise nicht weiß, wie er einige Sachen am Auto reparieren soll (doch wozu gibt es die Internet-Foren?), nein, auch aus Anettes Verwandtschaft kommen schlechte Nachrichten. Zwei ältere Damen sterben kurz vor unserer Abreise und Anette kann sich zwangsläufig nicht mehr an den Reisevorbereitungen beteiligen. Doch zu Wolfgangs Abflug sind zumindest seine Sachen gepackt (Anette kommt erst zwei Wochen später). Diesmal müssen wir auf schützende Koffer verzichten, weil wir ja von Kenia nach Windhoek zurück fahren und wo sollen wir im Auto die Koffer lassen? Doch wir haben für ein Kinderheim in Kenia viel Bekleidung und auch etliche Stofftiere dabei, die polstern unsere empfindlichen Dinge während des Fluges. Navigationsgeräte und Computer zwischen Teddybären und Watschelenten. Gut, dass die Zöllner nicht in die Reisetaschen schauen wollten! Ungewöhnlich ist dieses Mal auch, dass wir nur gut die Hälfte der erlaubten 140 kg dabei haben. Doch was fehlt? Wolfgangs Flug ist problemlos, wenngleich die Landung zu einer unmöglichen Zeit erfolgt. 4:15 Uhr morgens! Erst später begreift man, dass das gar nicht so schlecht war, denn um diese Zeit sind es “nur” 26°C, was sich aber beim Verlassen des Flugzeuges im Verbund mit 100% Luftfeuchtigkeit trotzdem wie ein Hammer anfühlt. Fünf Formulare und eine Stunde später ist die Einreiseprozedur geschafft. An der Sperre stürzen sich Scharen von Taxifahrern auf die übermüdeten Fluggäste, doch was soll Wolfgang schon um 5:30 Uhr in der Spedition? Vor 8 Uhr geht da gar nichts. Kurz vor Sonnenaufgang überredet ihn schließlich ein Taxifahrer, sein Angebot anzunehmen. Als Dreingabe gibt es einen Abstecher durch die matschigen und unbeleuchteten Slums von Mombasa (die Hauptstraße war durch Lkws blockiert) und noch bevor es hell wird, ist die Spedition erreicht. Die Nachtschicht wird gerade abgelöst und die Büros sind noch verwaist. Auch von unserem Container mit dem Auto ist weit und breit nichts zu sehen. Ist hier etwas schief gegangen? Ist es nicht! Um 8 Uhr kommt der Manager. Auf die Frage nach unserem Container zeigt er nach oben. Und tatsächlich, ganz oben auf einem Stapel in der vierten Ebene steht er. Unerreichbar für Einbrecher. Kurz darauf röhrt der Diesel von so einem vierrädrigen Monster-Fahrzeug. Es streckt seinen langen Arm aus, packt unseren Container und bringt ihn butterweich runter auf den Boden. Nach dem Knacken des Siegels und dem Öffnen der Schlösser steht unser Bus da, wie wir ihn reingestellt haben. Nein, nicht ganz. Eine der Batterien ist mausetot und auch die andere röchelt nur noch kläglich. Kurz darauf steht schon ein Gabelstapler als Stromspender bereit. Um 9 Uhr brabbelt der Motor. Leider nässt er ein wenig. Die Benzinpumpe hält nicht ganz dicht, was sich aber seltsamerweise nach ein paar Minuten wieder legt. Nach Erledigung der Formalitäten und einem großen Dankeschön an die Spedition für eine wirklich hervorragende Organisation geht es Richtung Kikambala in das Edelweiss-Camp, das Zuhause und die Werkstatt für die nächsten Wochen. Gleich an der ersten Kreuzung verhungert der Motor und lässt sich natürlich nicht mehr starten. Doch es sind sofort ein paar starke Jungs zur Stelle, die dem Wagen einen Schubs geben. Die 33 km bis Kikambala ziehen sich, denn es ist samstägliche Rush-Hour. Glücklicherweise hat auch kein Polizist Interesse an unserem Auto, denn das fährt im Augenblick ohne Versicherung. Die Wagen vor und hinter uns werden aus der Schlange heraus gewunken, unserer nicht. Danke Leute. Halb 1 Uhr geht der Motor vor der Werkstatt im Edelweiss aus. Das war der letzte Muckser für die nächsten zwei Wochen. Mindestens. Jetzt ist Reparieren angesagt, im Schatten eines ausladenden Frangipani-Baumes, der ständig seine großen Blüten aufs Auto rieseln lässt. Das sieht wirklich dekorativ aus und erinnert irgendwie an die Flower-Power-Zeit, in der das Auto gebaut wurde. Sonntag, 11.4.10 bis Freitag, 23.4.10 (Edelweiss, Kikambala): Die Reparatur geht ganz erheblich langsamer voran als geplant. Das hat einerseits mit der Regenzeit zu tun, die stunden- oder auch tageweise jedes Arbeiten am und im Auto unmöglich macht. Andererseits lässt bei Temperaturen von 30°C die Dynamik arg zu wünschen übrig, zumal die Luftfeuchtigkeit kaum unter 90% sinkt. Alle paar Minuten muss man sich den Schweiß abwischen, weil ja nichts mehr verdunsten kann. Hinzu kommt, dass die geplanten Reparaturen erst einmal warten müssen, weil sich der Kühlschrank-kompressor dazwischen gedrängelt hat. Er ist mal wieder inkontinent und kann das Gas nicht halten. Also müssen einige Möbel raus, um an den Kerl heranzukommen. Der Austausch der Kompressordichtungen gestaltet sich als echtes Abenteuer. Bei einem Inder, der offensichtlich die einzige Vakuumpumpe Mombasas besitzt, müssen wir auf dem Fußboden des Durchganges zu seiner Hinterhofwerkstatt den Kompressor zusammen bauen. Die Beleuchtung eines Handydisplays dient als Taschenlampe. Die Luft ist zum Schneiden und immer wieder müssen andere Leute über uns hinüber steigen. Doch nach einer Stunde haben wir es geschafft. Das Ding scheint wieder dicht zu sein. In einer anderen Werkstatt kommt noch neues Kühlgas hinein und dann produziert der Kompressor tatsächlich Kälte. Jetzt dauert es noch einen Tag, um ihn wieder ordentlich in den Bus einzubauen, dann kann sich Wolfgang den anderen Reparaturen widmen. Mit fast einer Woche Verspätung. Ein bisschen was geht in der verbleibenden Zeit bis zu Anettes Landung dann doch noch. Die Stoßstangen haben wieder Gummileisten, der Fahrzeugboden ist besser geschützt als je zuvor, neue Schmutzfänger sind dran und viele andere Kleinigkeiten kriegen ein Häkchen. Samstag, 24.4.10 (Edelweiss, Kikambala): Anette ist gestern abend endlich aus München weggekommen und landet heute morgen 4:30 Uhr in Mombasa. Alles klappt bestens. Wolfgang ist mit dem Geländewagen des Edelweiss’ zum Flughafen gekommen, da unser Bus noch nicht läuft. Um 7 Uhr sind wir rechtzeitig zum Frühstück zurück in Kikambala. Anette wird es in den nächsten Tagen langsam angehen lassen, denn ihre letzten Wochen hatten es in sich und die Gewöhnung an das hiesige Klima braucht ihre Zeit. Hedi und Ulli haben uns angeboten, in einem der Chalets zu schlafen. Wir nehmen mit großem Dank an, denn das ist nicht nur luftiger und kühler, sondern vor allem auch geräumiger. Wir wissen nämlich nicht mehr, wohin mit all’ unserem Zeug. Man muss, insbesondere bei Bekleidung, immer daran denken, intensiv zu lüften, denn sonst sind sie in kürzester Zeit verschimmelt. Selbst die hölzernen Armlehnen der Klappstühle waren nach zwei Wochen schon komplett mit Schimmel überzogen. Sonntag, 25.4.10 bis Dienstag 18.5.10 (Edelweiss, Kikambala): An sich wollten wir in spätestens einer Woche nach Uganda aufbrechen, doch entweder ist es zu nass oder zu feucht oder zu heiß oder der Swimmingpool ist einfach zu verlockend. Zu allem Überfluss haut sich Wolfgang mit einem großen Gummihammer auf den linken Zeigefinger, so dass Dank dieses Handicaps schwerere Arbeiten erst einmal ausgeschlossen sind. Der Knochen hat zwar keinen Schaden genommen, doch der Fingernagel ist hin. Und weil es so schön ist: ein Insektenstich entzündet sich und nach kurzer Zeit hat Wolfgang ein halbes Dutzend Eiterbeulen an den Füßen. Leider heilt es bei diesem Klima nur sehr schlecht. Schließlich muss sich sogar eine Ärztin im Krankenhaus drum kümmern. Die Folge: Pillen gegen Allergie, Penicillin gegen was auch immer und eine Salbe von außen für den Großangriff auf die Eiterbeulen. Die Pillen sind abgezählt und alles ist fein säuberlich von Hand beschriftet. “For Wolfgang” steht drauf. Wenn schon keine körperliche Arbeit, dann geht wenigstens etwas am Computer. An langen Abenden mit Hedi und Ulli reift allmählich die Vorstellung von einer Website für das Edelweiss. Und tatsächlich, Anfang Mai haben wir erfolgreich die schweizerische und die deutsche Domain gekauft, die Mail-Adressen eingerichtet, die Website getextet und bebildert und schließlich ins Netz hochgeladen. Unter www.edelweiss-kikambala.de kann man jetzt sehen, wo wir seit fünf Wochen stecken. Ein paar handwerkliche Dinge am Bus können auch noch erledigt werden. Einige unschöne Risse am Fahrwerk sind geschweißt, der Dachgepäckträger ist renoviert (... und Schuld am Verlust eines Fingernagels), wir überwachen unseren Reifendruck ab sofort elektronisch (... mal sehen, ob es weniger Reifenschäden bringt, denn letztes Jahr hatten wir zwei Totalverluste, weil wir die Plattfüße nicht schnell genug bemerkt haben) und überhaupt sind wir elektronisch voll aufgerüstet mit Navi und ähnlichem Spielzeug. Wir können in Minutenschnelle ausrechnen lassen, wie weit es auf dem Landwege bis nach München ist. Jetzt müssen wir nur noch herausfinden, warum man das alles wissen sollte. Übrigens: von Kenia nach München sind es genau 9388 km. Rechts herum ums Mittelmeer! Windhoek ist mit 4000 km deutlich näher. Und wer zu Fuß gehen möchte: in 14 Wochen und 8 Stunden ist man da, wenn man stramm marschiert! Und die Löwen in den Nationalparks freundlicherweise wegschauen, denn das Navi ist gnadenlos und nimmt den kürzesten Weg, auch quer durch Nationalparks. Neben dem Edelweiss hat sich ein reicher Araber eine Moschee gebaut. Leider hat das Geld nicht mehr für einen ausgebildeten Muezzin gereicht. Denn an manchen Tagen sind offensichtlich seine Kinder oder Verwandte dran. Alle bemühen sich verzweifelt, den Ton zu halten, doch es will einfach nicht klappen. Entweder sie sind im Stimmbruch oder die Batterien sind leer. Speziell beim Nachmittagsgebet stimmen auch die Hunde aus der Nachbarschaft mit ein. Aber man gewöhnt sich an fast alles. Mittwoch, 19.5.10 (Red Elephant Lodge, Voi): Heute wollen wir es endlich wahr machen. Losfahren! An sich waren nur zwei oder drei Wochen geplant, doch inzwischen sind es schon fast sechs. Um 11 Uhr ist alles gepackt, der Motor läuft, wir haben uns von Hedi und Ulli, dem Personal und (Anette) von den Hunden verabschiedet. Es ist noch ein etwas unsicheres Gefühl und wir müssen uns erst wieder an alles gewöhnen, doch es macht zunehmend Spaß. Schließlich lassen wir Mombasa und die Feuchtigkeit hinter uns. Afrika hat endlich angefangen. Unsere neue Elektronik-Vollausstattung ist im ersten Härtetest. Die Reifendruck-Überwachung funktioniert einwandfrei. Die junge Dame aus dem Navigationsgerät plappert fröhlich vor sich hin und erklärt uns, was wir zwar ohnehin wissen, aber gern aus ihrem Munde noch einmal hören. Doch das Ding fängt an, Spaß zu machen. Jetzt müssen wir nur noch lernen, richtig damit umzugehen. Mehr zufällig sehen wir neben der Straße ein Schild zum Tsavo East Nationalpark vorbei huschen. Hätte uns Steffi (so heißt die junge Dame aus dem Navi) nicht darauf hinweisen können, dass jetzt der Nationalpark beginnt und wir hinein fahren könnten? Da werden wir wohl noch mal mit ihr reden müssen. Am Eingang gibt es ein kleines Durcheinander, weil man den Eintritt nur am Haupteingang bezahlen kann, hier am Nebeneingang dürfen sie kein Geld nehmen. Nach einem kurzen Telefonat mit der Zentrale dürfen wir ohne zu bezahlen hineinfahren, müssen aber der jungen Dame am Tor versprechen, dass wir das beim Rausfahren nachholen. Wir versprechen es. Überhaupt fällt uns auf, dass die Leute hier ausgesprochen freundlich und hilfsbereit sind. Wir fühlen uns willkommen. Was wir von Steffi nicht gerade behaupten können. Ihre Akkus sind fast leer und immer, wenn wir sie ans Bordnetz anschließen, verweigert sie den Dienst und bleibt stumm. Alle Überredungsversuche scheitern. Also doch noch mal in die Bedienungsanleitung schauen? Während wir etwas ratlos mitten auf der Piste stehen, kommen unsere ersten Elefanten diesen Jahres vorbei. Doch im Augenblick gibt’s Wichtigeres. Plötzlich meldet sich Steffi wieder. Warum, wissen wir nicht. Die Elefanten sind leider schon weg. Die recht gute Piste führt durch eine weite grüne Ebene. Der Regen des letzten Monats hat hier Wunder bewirkt. Vor einem halben Jahr war das alles noch eine trostlose staubige Ödnis mit nur noch ganz wenigen Tieren. Jetzt sind es viel mehr, doch man kann sie im hohen Gras nicht sehen. Als wir das Tal des Voi-River erreichen, ändert sich das schlagartig. Große Gruppen von Elefanten hauen sich die Bäuche voll. Und alle anderen auch. Für sie ist es ein Paradies und sie genießen es. Schon in einem Monat wird hier wieder der Staub regieren und die Elefanten werden statt Gras nur noch Blätter und Äste und schließlich Rinde mit Dornen fressen. Und sehnsüchtig auf den nächsten Regen warten. Doch jetzt ist erst einmal Fettlebe angesagt. Am Ausgang zahlen wir brav unseren Obolus von 80 Euro und dürfen morgen noch mal in den Park, denn die Tickets gelten 24 Stunden. Gleich hinter dem Ausgang liegt die Red Elephant Lodge. Steffi will uns partout mitten durch den Stacheldrahtzaun lotsen. Lesen kann sie also nicht, denn es hängt doch ein großes Schild dran, dass der neue Eingang 500m weiter liegt. Wir zeigen es ihr. In der Lodge sind wir die einzigen Gäste. Hier geht es erst in zwei Monaten wieder los. Wir genießen unsere erste Nacht im eigenen Bett und mit der Geräuschkulisse Afrikas. Ohne Muezzin morgens um halb fünf. Donnerstag, 20.5.10 (Red Elephant Lodge, Voi): Gestern war es warm und sonnig, heute bleibt der Himmel düster. Wir verzichten darauf, wie geplant früh aufzustehen und treffen erst um neun im Park ein. Es sind nach wie vor viele hundert Elefanten, denen das Gras in der Flussniederung schmeckt. Und daneben auch den Giraffen, Wasserböcken, Hippos, Zebras und Gazellen. Auch die seltenen Giraffenantilopen lassen sich nicht stören. Nur die tiefhängenden Wolken trüben das Bild. Zum Frühstück steuern wir einen Picknickplatz an. Leider bemerkt Wolfgang erst zu spät, dass der Weg zu den Tischen mit spitzen Dornen übersät ist. Vor der Weiterfahrt müssen wir mit einer Zange die Stacheln aus den Reifen ziehen. Auf den folgenden Kilometern genießen wir den Luxus des Reifendruck-Kontrollsystems. Ein schneller Blick auf eine Anzeige anstatt giraffenartiger Verrenkungen aus den Fenstern, um schwächelnde Hinterreifen zu erkennen. Dieses mal hat uns der Park besser gefallen als beim letzten Besuch in der Trockenzeit. Damals waren die staubroten Elefanten beeindruckend, diesmal der ganze Park. Gegen drei Uhr sind wir wieder zurück im Red Elephant. Wir werden heute nicht mehr weiterfahren und statt dessen noch ein paar Rumpelecken in unserem Bus aufräumen. Und die durchbrechende Sonne im extra für uns gereinigten Swimmingpool genießen. Freitag, 21.5.10 (Chyulu Campsite, Tsavo West Nationalpark): Auch heute wird es nichts mit dem frühen Aufstehen. Das Wetter ist mies und es nieselt. Wir brechen erst gegen zehn Uhr auf. Zum Tsavo West Nationalpark, der im Gegensatz zu seinem östlichen Bruder ziemlich bergig sein soll. Unterwegs machen wir noch einen kurzen Halt an der Eisenbahnbrücke über den Tsavo-River. Hier und entlang des anschließenden Schienenstrangs haben beim Bau vor gut 100 Jahren zwei Löwen begriffen, dass Menschen leicht jagdbares Wild sind. Mehr als 100 Leute sollen den “Maneaters of Tsavo” zum Opfer gefallen sein, was den beiden letztlich zwar das Leben kostete, sie durch das Buch und dessen kürzliche Hollywood-Verfilmung aber unsterblich machte. Auf der anderen Flussseite liegt der Tsavo West Nationalpark. Leider ist hier wieder nur ein Nebeneingang, der kein Geld kassieren darf, doch auch hier bekommen wir eine Ausnahmegenehmigung und müssen ebenfalls versprechen, am Ausgang zu bezahlen. Warum Kenia so ein kompliziertes Bezahlsystem in den Nationalparks eingeführt hat, ist uns schleierhaft. Aber die Firma, die das ganze dazu nötige Computerzeugs verkauft hat, wird es sicher wissen. Auf einer schmalen Piste piepst irgend ein elektronisches Gerät ziemlich aufdringlich. Unsere Reifendruck-Überwachung! Sie meldet sich, weil ein Reifen Luft verliert. Und tatsächlich, links vorn pfeift es ganz kräftig. Wir haben dank der Frühwarnung noch genügend Zeit, an einer Wegekreuzung einen guten Platz zum Radwechsel zu finden. So stehen wir weder den Tieren noch anderen Fahrzeugen im Wege. Ohne das elektronische Spielzeug hätten wir da wechseln müssen, wo der Reifen endgültig die Luft verloren hätte, egal, ob es dort gerade sehr steil, eng oder kurvig gewesen wäre. Ein angenehmer Seiteneffekt, an den wir noch gar nicht gedacht hatten. Der Regen hat die Pisten nicht gerade besser gemacht und auch die ständigen Berg- und Talfahrten erlauben kein zügiges Vorankommen. Die Tierwelt hält sich vornehm zurück und auch andere Fahrzeuge sind kaum unterwegs, was auf den zuweilen sehr schmalen Pisten ganz angenehm ist. Im Park hat man ein größeres Gebiet abgetrennt und hier die in Kenia schon fast ausgestorbenen Spitzmaulnashörner unter besondere Bewachung gestellt. Inzwischen hat sich der Bestand wieder auf mehrere Dutzend Tiere erholt. Die hätten wir uns zwar gern angeschaut, aber: Besuch nur von 16 bis 18 Uhr. Und zwei Stunden wollen wir nicht im Regen auf eine Audienz warten. Ein paar Kilometer weiter klettern wir auf einen Ausguck über einem Lavafeld. Die schwarze Fläche ist nur an wenigen Stellen von Pflanzen besiedelt, obwohl der Ausbruch schon mehrere hundert Jahre her ist. Hier oben ist man wohl auch vor Tieren mit langen Zähnen sicher, denn die spitzen Lavabrocken machen selbst mit Schuhen keinen Spaß. Zehn Kilometer weiter erreichen wir die Mzima-Springs. Eine üppig sprudelnde Quelle, in dieser meist staubigen und trockenen Landschaft sehr ungewöhnlich. Für Kenianer eine Sensation, für Europäer weniger. Die Quelle füllt zwei kleine glasklare malerische Seen, umstanden von Palmen und Fieberbäumen, mit Zebras und Giraffen an den Ufern, Hippos, Krokodilen und Fischen im Wasser. Wirklich schön anzuschauen. Auf dem Weg sitzen Paviane und Meerkatzen und lassen sich von den Zweibeinern nicht stören. In einem der Seen hat man eine große Eisentonne mit Fenstern halb versenkt, so dass man hinunterklettern und unter die Wasseroberfläche schauen kann. Wir hatten auf ein paar Hippos Aug’ in Aug’ gehofft, doch es sind nur Barben zu sehen. Dennoch, die Idee mit dem Unterwassertank ist nicht schlecht. So ganz allmählich müssen wir unser Camp ansteuern, denn um 18 Uhr wird dicht gemacht. Wir wollen heute im Nationalpark übernachten, denn hier gibt es, anders als im Tsavo East, keine Camps direkt vor den Toren. Steffi geleitet uns, nachdem sie uns heute einige Male im Zickzack durch den Busch schicken wollte, auf dem kürzesten Weg zum Ziel. Manche Pisten im Park sind in der Karte des Navigationsgerätes als “Off Road” gekennzeichnet, und die vermeidet Steffi, wo immer sie kann. Wir nicht und das ist oftmals erheblich kürzer. Zu unserer Überraschung liegt das Camp zwar im Park, aber außerhalb der Zufahrtskontrolle. Doch der junge Mann an der Sperre lässt uns auch ohne Bezahlung raus, weil er ja weiß, dass wir ehrliche Menschen sind und morgen wieder zurück kommen werden. Außerdem ist er heute bestimmt schon der fünfte, der unser Auto kaufen will, wenn wir es mal nicht mehr brauchen. Unsere (Standard-)Antwort: wenn wir ein zweites hätten, würde er es bekommen. Auf dem Weg zum Camp hält uns ein Junge an und sagt, er sei der “King of the Campground”. Wenn wir ihn mitnehmen, zeigt er uns, wo wir über Nacht stehen können. Machen wir doch glatt. Der Platz ist sehr ordentlich. Eine große Wiese mit einigen Schattendächern und Grillplätzen, Duschen und Toiletten. Und zwei Geländewagen mit Deutschen, die auf dem Weg zur Fußballweltmeisterschaft in Südafrika sind. Sie sind erst kurz vor Wolfgang in Deutschland aufgebrochen und in diesen sechs Wochen auf dem Landwege hierher gefahren. Gerast, muss man wohl eher sagen. In drei oder vier Wochen wollen sie schon in Südafrika sein. Eines der Fahrzeuge ist inzwischen ziemlich lädiert. Rahmenbruch! Der hintere Teil des Wagens hängt bedenklich herunter. Doch ab jetzt können sie ja auf Asphalt bleiben, da wird es wohl gehen. Von den Deutschen erfahren noch etwas ziemlich Unangenehmes. Das Camp ist von Wanzen verseucht. Sie springen einen an, egal, wo man steht und geht. Wir sammeln sie zwar regelmäßig von den Hosenbeinen ab, gehen aber davon aus, dass wir nicht alle erwischen. Besonders gern beißen sie sich auf der Haut fest. Sie sind ziemlich stabil, doch einem kräftigen Druck zwischen zwei Fingernägeln sind sie nicht gewachsen. Hoffentlich übertragen sie keine unschönen Souvenirs. Obwohl der Tag wolkenmäßig eher durchwachsen war, haben wir am Abend freie Sicht auf die Milchstraße. Zur Zeit kann man von hier, 300 km unterm Äquator, sowohl den Großen Wagen als auch das Kreuz des Südens sehr gut erkennen. Lediglich der eigentliche Polarstern und sein fiktives südliches Pendant verschwinden im Dunst des Horizonts. Samstag, 22.5.10 (Camp Jungle Junction, Nairobi): Zwar haben wir abends unsere Bekleidung sorgfältig nach Wanzen abgesucht, aber natürlich sind uns ein paar durchgerutscht. Ab jetzt werden wir wohl einige Tage lang darauf achten müssen, den Plagegeistern den Garaus zu machen. Wir können uns ja darauf verlassen, dass wir sie über kurz oder lang am Körper wiederfinden. So wie das halbe Dutzend heute Nacht. Von den Wanzen einmal abgesehen, laufen uns heute nicht all zu viele Tiere über den Weg. Außer einem seltsamen Besucher am Frühstückstisch. Um 12 Uhr sind wir aus dem Park draußen. Tsavo West war nicht ganz so spannend wie Ost, was sicher auch ein bisschen am Wetter lag. Jetzt sind es noch gut 250 km bis Nairobi. Auf feinem Asphalt. Wir überholen so viele Autos wie wohl nie wieder dieses Jahr. Unzählige große Mercedes-Trucks sind schwer beladen unterwegs mit allem, was Kenia, Uganda und Zaire brauchen. Nairobi liegt 1800 m hoch und an den Steigungen sind sie leichte Beute für uns. Rechtzeitig zum Feierabendverkehr erreichen wir die Stadt und eine Stunde später die Jungle Junction, wo sich alles trifft, was durch Ostafrika mit einem Motor unterwegs ist. Bei Chris Handschuh, dem Besitzer, muss man einfach vorbei schauen. Kaum rollen wir durch das Tor, wird klar, dass auch viele andere so gedacht haben. Eine ganze Reihe von riesigen Campern, na ja, rollenden Einfamilienhäusern, die locker 10 Tonnen auf die Räder bringen, stehen herum. Chis erzählt außerdem, dass sie in den vergangenen Wochen einen wahren Ansturm von Gruppen hatten, die zum Fußball nach Südafrika wollten. Dummerweise hat es zur gleichen Zeit wie aus Eimern geschüttet und alles stand 10 cm hoch unter Wasser bzw. Schlamm. Gut, dass wir nicht eher aus Mombasa aufgebrochen sind. Viele Leute stellen hier ihr Auto unter, wenn sie in Europa sind. Mehr als zwei Dutzend Fahrzeuge werden es wohl sein, manche extrem ausgerüstete Monstertrucks, denen kein Gelände zu schwierig ist. Einige Millionen Euro stehen hier wohl rum. Dagegen wirkt unsere Blechdose wie eine Hundehütte. Andererseits kommt unser Auto für drei Euro in die Nationalparks, die Zwei-Zimmer-Küche-Bad-Laster müssen an die 100 bezahlen. Zwischen all den Riesen stehen auch zwei kleinere Fahrzeuge, ein Landcruiser aus München und ein neuerer VW-Bus aus Hamburg. Bei dem VW-Bus hat der Motor gebrannt und hat alles, was aus Kunststoff oder Gummi ist, verschmort. Glücklicherweise hat der Treibstoff kein Feuer gefangen. Die Jungs sind seit zwei Wochen am Reparieren und erwarten in den nächsten Tagen eine größere Lieferung von Ersatzteilen aus Deutschland. Sie sind auf dem Landwege hierher gefahren und haben wohl schon einige heftige Abenteuer gesucht. Und gefunden. Einer von ihnen schreibt für die Auto-Bild und da müssen schon ein paar Revolvergeschichten dabei sein, das erwarten die Leser einfach. Der weitere Verlauf des Abends ist wenig erfreulich. Wir schauen in einem Restaurant zu, wie Bayern München im Champions-League-Finale gegen Mailand rasiert wird. Sonntag, 23. bis Montag, 24.5.10 (Camp Jungle Junction, Nairobi): Das Wetter hat ein Einsehen mit uns und die Sonne lacht. Schließlich ist heute Pfingsten (was wir eher zufällig erfahren). Genau die richtige Zeit, um den Wagen nach den ersten 800 km durchzuchecken und neu einzustellen. Am Montag ist hier kein Feiertag mehr und wir schaffen es, eine “Yellow Card” zu bekommen. Das ist die Grüne Versicherungskarte Afrikas, mit der unsere kenianische Haftpflicht-Versicherung auch in den Nachbarländern gültig ist. Und der kaputte Reifen tut es auch wieder. Jetzt werden wir morgen noch die Website ins Netz bringen, dann können wir aus Nairobi aufbrechen. Richtung Westen. Zunächst ins Kinderheim nach Kisumu und dann werden wir weiter sehen.
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