Tagebuch 4

Liebe Freunde,

lang, lang ist’s her, seit wir aus Kenia zurückgeflogen sind. Doch irgendwie gab’s in der ganzen Zeit andere Dinge zu erledigen, so dass die Website immer wieder verschoben wurde. Inzwischen steht die nächste Runde durch Afrika an, so dass es nun endlich sein musste. Gut, dass wir uns damals so viele Notizen gemacht hatten.

Schöne Grüße mit dem Versprechen, in Zukunft pünktlicher zu sein

Anette und Wolfgang

Tagebuch   17.8. bis 13.9.2009

Montag, 17.8.09 (Kampala Backpackers, Kampala):  Wir wollen heute ins gut 200 km entfernte Kampala aufbrechen, in der Hoffnung, dort irgend etwas mit den Gorillas organisieren zu können. Sollte das nicht klappen, dann gibt es noch genügend andere schöne Ecken in Uganda.

Wenn auf Verkehrsschildern vor Tieren gewarnt wird (Achtung, Elefanten von rechts!), dann kann man ja fast sicher sein, dass man keine sieht. Meistens jedenfalls. Das ist hier ganz anderes. Kaum wird vor Affen gewarnt, sitzen sie schon zahlreich neben der Straße und lassen sich von den Autos nicht stören. Hier in einem Urwaldrest ist ihr letztes Refugium, denn ringsum wird intensiv Landwirtschaft betrieben. Zuckerrohr, Mais, Reis, Tee. Die Gegend ist äußerst fruchtbar. Da bleibt nur wenig Platz für die Natur. Doch trotz der dichten Bewirtschaftung sieht es keineswegs eintönig aus. Viele Hügel und Berge, meistens kleine terrassierte Felder, dazwischen immer wieder Dörfchen. Alles sattgrün in jeder Schattierung, der Boden rot. Die Idylle wird nur getrübt, wenn man weiß, dass hier bis vor kurzem noch richtiger Urwald stand.

Andererseits: wo ist eigentlich unser Urwald in Deutschland geblieben, den die Römer noch als undurchdringlich gefürchtet haben? Wir haben ihn vor langer Zeit brandgerodet und durch Äcker und Industriewälder ersetzt. Und heute? Wir nennen es “Kultur”landschaft und die ganze Welt findet sie malerisch. Das Wehklagen über den vernichteten Urwald gilt wohl immer nur bei anderen.db_DSC05693

Am Mittag stehen wir an der Wiege des Nils. Große Flüsse werden normalerweise als kleine Rinnsale geboren. Deshalb konnten wir vor Jahren ‘mal den Zambesi mit einem Fuß aufstauen. Doch der Nil ist anders, er ist von Anfang an mächtig. Er entwässert den Victoria-See und heißt natürlich Victoria-Nil (es gibt viele Nile in Afrika). Er wird auf den nächsten 5000 km noch ein paar Mal seinen Namen ändern, ehe er in Ägypten das Mittelmeer erreicht. In einigen Jahren, wenn wir Richtung Kairo aufbrechen, werden wir ihm folgen.

An der “Source of the Nile” gibt es eine schöne Lodge mit prächtigem Garten am Nilufer.. Ein schöner Platz zum Übernachten, doch heute reicht es nur zu einem leckeren Mittagessen mit Aussicht. Die Gorillas warten, bzw. deren Verwaltung.

Dank des ausgiebigen Mittagessens geraten wir genau in den Feierabendstau von Kampala, Ugandas Hauptstadt. Leider ist die Umgehungsstraße noch im Bau. Es ist das pure Chaos. Nichts geht mehr, die Autos blockieren sich gegenseitig und wir stecken für eineinhalb Stunden in einer dicken Qualmwolke. Abgastests für Autos gibt es hier nicht, andernfalls wäre die Stadt fast autofrei. Besonders die Lkws qualmen wie alte Dampflokomotiven. Leider muss man sich ganz dicht an den Auspuff des Vordermanns hängen, sonst drängeln sich alle anderen dazwischen. Autofahren ist hier noch ein ehrlicher Kampf Mann gegen Mann. Die Waffen: lautes Hupen und den Gegner auf keinen Fall ansehen (aber aus dem Augenwinkel ganz genau beobachten, was er tut, und notfalls bremsen und verlieren). Gegen die Matatus, dass sind Kleinbusse unserer Größe, die das öffentliche Verkehrsmittel schlechthin sind, haben wir natürlich nicht den Hauch einer Chance. Die Fahrer müssen ihren Fahrgästen ja auch etwas bieten. Offiziell passen vierzehn Leute plus Fahrer und Schaffner ins Auto, zuweilen wird aber auch das Doppelte hinein gepresst . Da kann man verstehen, dass uns die Polizisten bei Straßenkontrollen nicht glauben wollen, dass unser Bus nur für zwei Personen gemacht ist. Welch eine Platzverschwendung!

Bei Einbruch der Dunkelheit landen wir im Garten einer Herberge für Rucksackreisende. Laut, staubig, voll. In Kampala gibt es nichts Besseres. Für eine Nacht wird es gehen. Wenn wir morgen die Gorillafrage geklärt haben, werden wir schnell wieder verschwinden. Vor der Rush-Hour!

Dienstag, 18.8.09 (Ziwa Rhino Sanctuary, bei Masindi):  Kampala ist extrem hügelig. Eigentlich ganz schön, wenn der stinkende Verkehr nicht wäre.

Wir sind gleich am Morgen bei der Uganda Wildlife Authority. Hier werden die Tickets für den Besuch der Gorillas ausgestellt. Sie sind extrem begehrt und extrem knapp, also extrem teuer. Pro Person kostet der Spaß 500 US$.

Es gibt weltweit nur noch rund 600 Gorillas, je eine Hälfte lebt in Uganda und in Zaire. Die Gorillas streifen in Familien von 10 bis 30 Tieren durch die letzten verbliebenen (und geschützten) Urwaldgebiete, die sich alle im Grenzgebiet zwischen Zaire, Uganda und Ruanda befinden. Einige wenige dieser Familien sind an die Anwesenheit von Menschen gewöhnt und dürfen von Touristen besucht werden. Um das Verhalten und die Gesundheit der Tiere nicht all zu sehr zu beeinträchtigen, lässt die Wildschutzbehörde täglich pro Gorillafamilie nur eine einzige Besuchergruppe zu. Bis zu acht Leute für eine Stunde, selbstverständlich nur in Begleitung von Wildhütern.

Nachdem der Beamte uns das alles sehr freundlich und ausführlich erklärt hat, kommt es zur entscheidenden Frage. Gibt’s denn überhaupt noch Tickets? Er wiegt den Kopf und geht an seinen Rechner. Wann wir denn die Gorillas besuchen wollten? Na, am liebsten Anfang nächster Woche. Mmmmh, da hätte er noch Restplätze bei zwei verschiedenen Familien am kommenden Montag und Dienstag.

Bingo!!!

Er beschreibt uns, wo die beiden Gorillafamilien leben und wie wir dort hinkommen. Die eine ist nur über eine sehr schlechte und matschige Urwaldpiste zu erreichen, die andere über eine längere schmale Bergpiste. Wir entscheiden uns für die letztere, legen 1000 US$ auf den Tisch des Hauses und haben zwei Besuchstickets für den nächsten Montag bei Familie Nshongi in der Tasche (die Gorillas haben tatsächlich Vor- und Zunamen).

Wir haben nicht ernsthaft damit gerechnet, dass das tatsächlich klappt, denn unterwegs haben wir mehrfach Leute getroffen, die erfolglos waren. Manche hatten dafür sogar 600 oder 700 US$ auf dem Schwarzmarkt hingelegt. Auch wir haben ja keine Garantie, dass wir die Tiere tatsächlich zu Gesicht bekommen, denn manchmal verstecken sie sich so tief im Urwald, dass man sie innerhalb eines Tagesmarsches nicht erreichen kann. Doch dann bekommen wir fairer Weise die Hälfte unseres Geldes zurück.

Wir müssen uns am kommenden Sonntagnachmittag im Bwindi Impenetrable Nationalpark dicht am Länderdreieck Uganda-Zaire-Ruanda melden. “Impenetrable”, weil es offensichtlich ein undurchdringlicher Urwald ist. Bis dort sind es knapp 500 km auf meist recht guter Straße. Wir haben also noch fünf Tage Zeit und es gibt in Uganda etliche attraktive Nationalparks. Aber welchen nehmen wir?

Wir entscheiden uns, zunächst in den Murchison Falls Nationalpark zu fahren. Der soll landschaftlich sehr ansprechend sein und zudem stürzt sich dort der Nil durch eine enge Schlucht. Von da wollen wir am Albert-See und am Ruwenzori-Gebirge entlang in die vielleicht schönste Ecke Ugandas zu den Gorillas.

Bevor wir aus Kampala aufbrechen, brauchen wir noch einen ordentlichen Supermarkt, denn in den nächsten Tagen werden wir nur noch kleine Dorflädchen finden.

An einer großen Kreuzung wenden wir. Das gefällt einem Polizisten gar nicht gut. Er bläst sich mit seiner Trillerpfeife die Lunge aus dem Leib, doch wir ignorieren ihn einfach. Im Rückspiegel sehen wir, wie er ein Motorradtaxi anhält und hinter uns her kommt. Wir lassen unsere 50 PS richtig jubeln und biegen auf den Parkplatz des Supermarktes ab. Kaum sind wir aus dem Auto, kommt er schon angehechelt. Wir tun ganz dumm. Na klar hätten wir ihn trillern hören, doch wir dachten, er wolle uns nur grüßen (!). So etwas würde uns öfters passieren. Und außerdem hätte vor uns ein anderes Auto ebenfalls gewendet, es wäre also gar nicht verboten. Der Parkplatzwächter raunzt uns zu, dass es nur um Schmiergeld geht.

Nicht mit uns! Wir diskutieren die Sache immer wieder rauf und runter und bleiben ganz beharrlich dabei, dass das Wenden an der Kreuzung nicht verboten wäre. Das zahlt sich aus, denn wir texten ihn so lange zu, bis er entnervt aufgibt. Nach unserem freundlichen Dankeschön marschiert er brav zurück an seine Kreuzung.

Uff.

Noch mal tanken und Reifen flicken lassen, dann brechen wir nach Norden auf. Leider müssen wir die Großbaustelle der Umgehungsstraße kreuzen und uns deshalb einen eigenen Weg über die Dörfer suchen. Nach einer Stunde kommen uns erste Zweifel, ob wir noch auf dem richtigen Weg sind, denn die Sonne steht penetrant hinter uns und nicht rechts, wo sie hingehört. Das erste Dorf mit einem Namen macht uns klar, dass wir auf die völlig falsche Straße geraten sind. Anstatt nach Kampala zurück zu fahren und die richtige Ausfallstraße zu suchen, entscheiden wir uns, einfach querfeldein über die Feldwege Richtung Nordosten zu fahren. Nach zehn oder zwanzig Kilometern sollten wir auf die richtige Straße treffen.

Die Wege sind ziemlich schmal und ausgewaschen, doch solange wir immer wieder mal Spuren von Autoreifen erkennen, wird es wohl weiter gehen. An jeder Kreuzung befragen wir den Kompass nach dem nordöstlichsten Weg. Ein paar Mal helfen uns Dorfbewohner weiter und einmal fährt sogar ein Kleinbustaxi für einige Kilometer voraus. Als wir abbiegen müssen, kriegen wir genau erklärt, wie wir weiter fahren müssen. Doch wir haben wohl etwas falsch verstanden und landen plötzlich in einem Steinbruch!

Überall sitzen einzelne Leute oder ganze Familien auf dem Boden. Sie schauen erstaunt zu uns herüber. Alle haben einen Hammer in der Hand. Ohne den Blick von uns zu wenden nehmen sie einen Stein von einem Haufen, hauen mit dem Hammer drauf und machen Krümel draus, die auf einen zweiten Haufen fliegen. Die Männer zertrümmern große Steine zu mittleren, die Frauen mittlere zu kleinen und die Kinder kleine zu ganz kleinen. Die Leute sehen ganz apathisch aus und machen ohne jegliche Regung immer wieder die gleiche Handbewegung. Wie Sträflinge. Oder wie in Charlie Chaplins “Moderne Zeiten”. So wird also der Splitt für den Straßenbau hergestellt. Handmade.db_DSC05700

Auf der Weiterfahrt liegt ein breites sumpfiges Tal im Wege. Nachdem wir es drei Mal auf immer wieder neuen Wegen durchquert haben, landen wir schließlich auf der richtigen Straße. Doch auch die wird gerade ausgebaut. Die Erbauer wollen nicht, dass man auf der neuen Straße schnell fährt, denn dort liegt noch viel von dem - handgeklopften - Rollsplitt. In Europa würde man ein Tempo-30-Schild aufstellen und die Autofahrer würden den Fuß ein klein wenig vom Gaspedal nehmen. Vielleicht.

Hier sieht die Sache völlig anders aus. Verkehrsschilder werden nur beachtet, wenn eine Polizist daneben steht, db_DSC05702am besten mit sichtbarer Waffe oder Funkgerät, jedenfalls mehr als eine Trillerpfeife. In Ermangelung von Sheriffs verzichtet man komplett auf das Aufstellen der Schilder und legt statt dessen Bodenwellen quer über die Fahrbahn. Wer mehr als 20 km/h fährt, bricht sich die Achsen. Da man aber nach der Bodenwelle wieder schnell fahren könnte, kommt nach 20 m die nächste. So geht das über viele Kilometer. Autofahren wie Schluckauf. Nach der hundertsten Welle hat man sich daran gewöhnt und alle hoppeln gleichmäßig langsam vor sich hin. Kein bewaffnetes Verkehrsschild hätte das je erreicht.

Eigentlich wollten wir bis Masindi, der nächsten größeren Stadt, fahren, doch dazu sind wir schon zu spät dran. Deshalb landen wir am Abend auf dem Camp des Ziwa Nashorn Schutzgebietes. Eine sehr schöne grüne Anlage mit einem ordentlichen Restaurant. Hier leben die einzigen Nashörner Ugandas. Nach dem völligen Aussterben hat man wieder ein halbes Dutzend Tiere angesiedelt. Sie werden rund um die Uhr bewacht und man kann sie mit Rangerbegleitung zu Fuß besuchen. Das werden wir morgen Vormittag mal machen.

Die Nacht verbringen wir bestens bewacht hinter einem Elektrozaun, der uns vor den Nashörnern schützt.

Mittwoch, 19.8.09 (Campsite Murchinson Falls Nationalpark):  Der Zaun hat funktioniert. Schade eigentlich, denn wir hätten ganz gern mal ein Nashorn neben dem Bus gehabt.

Als wir mit den Rangern zu den Tieren aufbrechen wollen, gesellt sich noch ein Australier zu uns. Wir hatten ihn schon mal vor vielen Wochen am Natronsee in Tanzania getroffen.db_DSC05735db_DSC05732

Die Nashörner sind leicht zu finden, da sie ja Tag und Nacht bewacht werden und wir über Funk die Position bekommen. Es ist ein komisches Gefühl, ihnen ohne schützendes Autoblech gegenüber zu stehen. Zwar gelten Breitmaulnashörner als ausgesprochen friedlich, doch wer weiß, was die Zweitonner gerade aushecken. Die Ranger sind ja nicht ohne Grund bewaffnet.

db_DSC05754Uns passiert jedenfalls nichts und wir brechen wohlbehalten mittags zum 100 km entfernten Murchison Falls Nationalpark auf, anfangs noch auf gutem Asphalt und dann noch ein paar Stunden auf einer schmalen Piste durch den immer dichter werdenden Wald. Hin und wieder laufen uns Antilopen und Affen über den Weg db_DSC05776und die ersten Tsetse-Fliegen hängen an den Fensterscheiben. Und an uns. Mistviecher!

Auf einer Lichtung sehen wir einen Büffel, der immer wieder komplett in einem Matschloch untertaucht. Er will sich mit der Pampe vor Insekten schützen. Bio-Autan sozusagen.

Andererseits verdankt der Nationalpark seine Entstehung den Tsetse-Fliegen, denn sie haben schon vor langer Zeit die Einwohner von hier vertrieben und so dafür gesorgt, dass die Landschaft nicht zersiedelt wurde. Inzwischen übertragen sie wohl auch keine Schlafkrankheit mehr, so die Ranger, sondern sind nur noch lästige Quälgeister.

Unser Übernachtungsplatz liegt direkt an den Murchison Falls mit Blick auf den Nil. Ziemlich einsam, mit minimalsten sanitären Einrichtungen. Loch in Erde als Toilette und Eimer mit Wasser als Dusche. Doch es gibt genug Holz für ein tierchenvertreibendes Lagerfeuer.

Donnerstag, 20.8.09 (Red Chilli Campsite, Murchinson Falls Nationalpark):  Nach dem Frühstück fahren wir runter zum Wasserfall. Hier wehrt sich der Nil lautstark dagegen,db_DSC05790 in eine sechs Meter breite Schlucht gezwängt zu werden. Unter gewaltigem Donner schießt er an die 50 m abwärts, um dann wieder zu alter Breite und Gelassenheit auseinander zu fließen.

Eigentlich müssten die Murchison Fälle ganz anders heißen. Der Victoria Nil kommt aus dem Victoria See und müsste natürlich über die Victoria Fälle fließen. Doch der Name war schon für den Zambezi verbraucht.

Auf einem ziemlich anstrengenden Fußmarsch klettern wir zu einem Aussichtspunkt am Unterlauf. Selbst hier, einen Kilometer entfernt, hört man noch das Grollen des Wassers.

Als wir wieder beim Parkplatz sind, eröffnet uns einer der Wärter, dass wir für den Fußweg zum Aussichtspunkt 10 US$ pro Person bezahlen müssen. Wir weigern uns konsequent. Entweder sie teilen uns das vorher mit oder es gibt keinen Penny. Erst später merken wir, dass wir ein viel besseres Argument gehabt hätten, denn die 10 US$ gelten für geführte Wanderungen. Keine Führung, keine Kohle. Aber man kann es ja mal versuchen ...

Man muss zu deren Ehrenrettung sagen, dass solche Versuche, Geld einzutreiben, zumindest in den Nationalparks extrem selten sind.

Nach einer Stunde Fahrt sind wir im Red Chilli Camp. Das hat ebenfalls einen schönen Blick auf den Nil, bietet ordentliche Duschen und Toiletten, hat ein nettes Restaurant und kostet erheblich weniger als das letzte Camp. Der Grund für den Preisunterschied: das an den Fällen war staatlich, Red Chilli ist privat. Dafür standen wir letzte Nacht ganz alleine im Urwald, hier ist’s dagegen ziemlich voll.

Wir hatten schon gestern eine Bootsfahrt auf dem Unterlauf des Nils zu den Murchison Fällen reserviert. 14 Uhr soll es losgehen. Als wir das an der Rezeption des Camps erzählen, schaut man uns ungläubig an. Es sei doch schon Viertel vor drei.

Wir nehmen die Beine in die Hand und rennen runter zum Anleger. Kein Boot weit und breit. Im Büro erfahren wir, dass heute sowieso kein Boot gefahren ist, weil es kaputt ist. Außerdem stellen wir fest, dass wir seit Tagen nach der falschen Uhrzeit leben, denn wir hatten sie an der Grenze fälschlicherweise eine Stunde zurückgestellt. Aber was ist in Afrika schon eine Stunde ...

Die Leute versuchen, uns in einem vor zehn Minuten losgefahrenen Boot der Konkurrenz unter zu bringen. Hektische Telefonate, ein kleines Motorboot bringt uns auf die andere Nilseite, doch kurz bevor wir das Ausflugsboot erreichen, müssen wir umdrehen. Die anderen wollen nicht. Na, dann behalten wir unser Geld eben.

Als Alternative bietet man uns eine “Sunset Cruise” an. Ok, wir werden pünktlich am Anleger sein.

Sind wir auch, aber weit und breit kein Boot und keine Leute zu sehen. Nach einer Stunde reicht’s uns und wir genießen den Sonnenuntergang im Restaurant des Camps.

Freitag, 21.8.09 (Busingiro Forest Camp):  Beim vierten Anlauf klappt die Bootsfahrt über den Nil db_DSC05827endlich. Zwar nicht mit einem Ausflugsdampfer, sondern mit der Fähre zum anderen Ufer. Sie legt überpünktlich zum Sonnenaufgang ab. Die Farben sind fast noch schöner als beim gestrigen Sonnenuntergang, selbst die treibenden Sahnehäubchen sind im Morgenlicht malerisch. Ob sie von einer Papierfabrik stammen oder natürlichen Ursprungs sind, konnten wir nicht erfahren.

Nach ein paar Kilometern sind wir im Nordteil des Nationalparks. Die Landschaft ist völligdb_DSC05836 anders als im Süden. Kein Wald mehr, sondern offene Steppe. Und natürlich viel mehr Tiere.

Leider stecken wir mitten in einem Konvoi mit anderen Fahrzeugen und müssen zwangsweise an jeder Antilope und jedem Termitenhügel anhalten. Doch schließlich gelingt es uns, auf eine Nebenpiste abzubiegen. Die Wege sind schmal und manchmal sandig und des öfteren müssen wir durch Wasser fahren, denn es hat kürzlich geregnet. Es ist ja auch alles grün.db_DSC05847

Hier ist Elefantenland, denn es gibt genug Futter und Wasser. Hinter jeder Kurve muss man damit rechnen, dass ein paar von ihnen im Wege stehen. Oder sogar ein paar mehr.

Zum Frühstück suchen wir uns ein schönes Plätzchen auf einer freien Fläche. Am Horizont die Berge des Kongos, davor der Nil, der inzwischen Albert Nil heißt, weil er den Albert See entwässert. 100 km weiter erreicht er den Sudan und ist ab dann der Weiße Nil.

Ein paar mutige Fischer ziehen ihre Netze durchs Wasser, obwohl hier reichlich Nilpferde leben. Hier tragen die Tiere ihren Namen zum ersten Mal zu Recht. Jedenfalls die erste Silbe, Pferde sind’s wohl eher nicht.

Wir kreuzen den ganzen Vormittag durch den Nationalpark und genießen die Tiere, die Ruhe und die Abgeschiedenheit. In der ganzen Zeit treffen wir auf vier oder fünf Fahrzeuge, kein Vergleich mit der Serengeti. Einer von den Fahrern erzählt uns von einem größeren Löwenrudel, das neben der Piste liegen soll, ein paar Kilometer entfernt von uns. Wir suchen vergebens, doch auch ohne Löwen gefällt uns die Tierwelt im Park sehr gut.

Leider bleiben wir in einer sandigen Flussniederung stecken und können uns nur mit Sandblechen und viel Schaufeln und Schieben wieder befreien. Auf so etwas hatten wir überhaupt keine Lust, zumal die Umgebung ziemlich unübersichtlich ist. Doch das ist das einzige unangenehme Erlebnis. Selbst die Tsetse-Fliegen halten sich erfreulich zurück.

Um wegen ein paar Stunden nicht noch einen weiteren Tag bezahlen zu müssen, wollen wir den Park bis 16:20 Uhr verlassen haben. Es warten noch 800 km bis zu den Gorillas auf uns, wir müssen uns also noch heute auf die Socken machen, um das bis übermorgen zu schaffen.

Wir haben heute morgen dem Fährmann Bescheid gesagt, dass wir um 14 Uhr wieder zurück sind. Bis zur Fähre sind es 40 Kilometer, das sollte in den verbleibenden zwei Stunden zu schaffen sein.

Entlang des Nils treffen wir immer wieder mal auf kleine Elefantengrüppchen, doch die meisten trollen sich recht bald. Nur einer nicht. Der Kerl bleibt beharrlich auf der Piste stehen und denkt gar nicht daran, Platz zu machen. Wir überlegen, auf einer Uferwiese um ihn herum zu fahren, doch wir haben Angst, dass wir im weichen Untergrund stecken bleiben. Und der Herr mit den großen Zähnen wird uns sicher nicht heraushelfen.

Wir warten. Und warten. Und er frisst.

Nach einer halben Stunde geht er ein bisschen zur Seite und wir huschen schnell vorbei. Wenn wir uns jetzt beeilen, könnten wir die Fähre noch kriegen.

Der Weg wird verdammt sandig. Viel zu sandig! An einem Hang stecken wir dann endgültig fest. Bergauf geht gar nichts mehr und auch rückwärts kommen wir trotz des Einsatzes von Wagenheber und Sandblechen nur meterweise raus. Eigentlich macht der Sand gar keinen so schlechten Eindruck, doch wir brechen immer wieder ein und sitzen mit der Karosserie auf. Buddeln ist angesagt. Wir haben hier zwar noch keine Löwen gesehen, doch es gibt sie. Also möglichst viel Krach machen und gut aufpassen.

Wir lassen viel Luft aus den Reifen, damit wir eine größere Aufstandsfläche bekommen. Und es funktioniert! Nach einer ziemlich anstrengenden halben Stunde stehen wir wieder auf festem Boden. Die Reifen lassen wir zunächst einmal, wie sie sind, denn wer weiß, was noch auf uns wartet.

Wir werden nicht mehr den direkten Weg zur Fähre nehmen, sondern einen anderen längeren. Der ist zwar weniger sandig, hat dafür aber viele große Wasserlöcher und führt zum Teil durch Wald, in dem hoffentlich keine Elefanten mehr auf uns warten.

Es geht alles gut (ok, einmal sind wir noch stecken geblieben, ein VW-Bus ist ja kein Geländewagen) und die schlappen Reifen halten ohne Wehwehchen durch. Da die Fähre nur alle zwei Stunden geht, haben wir allerdings keine Chance mehr, den Park rechtzeitig zu verlassen und werden noch mal 110 US$ hinlegen müssen.

Kurz nach 15 Uhr sind wir schließlich an der Fähre. Der Fährmann fragt uns: “Wo wart ihr denn 14 Uhr? Ich dachte schon, euch sei ‘was Ernstes passiert?”. Nachdem wir ihm erklärt haben, was udb_DSC05856ans aufgehalten hat, meint er, wir sollten doch schon mal aufs Schiff fahren.

Während wir unsere Luftpumpe auspacken, um die Reifen wieder auf normalen Druck zu bringen, wird plötzlich der Motor der Fähre angelassen und der Kahn legt ab. Nur mit uns. Der Fährmann grinst uns an und meint “Jetzt schafft ihr es noch, rechtzeitig zum Ausgang zu kommen!”

Das ist Kundenfreundlichkeit! Die zweite Überraschung kommt, als wir die Fähre bezahlen wollen. Die Rückfahrt ist kostenlos, vom wohlverdienten Trinkgeld mal abgesehen.

Und noch eine Überraschung wartet, als wir die Nationalparkgebühren für den heutigen Tag bezahlen wollen. Wir hatten, weil wir nicht wussten, wie es uns gefällt, nur bis gestern um 14:20 Uhr gebucht. Doch anstatt der erwarteten 110 US$ wollen sie nur 60 haben. Das Auto ist ab dem zweiten Tag umsonst!

Die letzten 30 km bis zum Ausgang sind problemlos und wir sind genau fünf Minuten vor der Zeit durch die Kontrolle. Perfekte Planung! Oder Glück!

Keine fünf Kilometer später macht es Pffft und ein Reifen ist platt. Eine Spätfolge des niedrigen Luftdruckes.

Wir wollen heute noch so weit wie möglich kommen, denn von den 800 km bis zu den Gorillas ist nur die Hälfte asphaltiert. Unter zwanzig Stunden Fahrzeit ist da nichts zu machen. Aber nur, wenn die Piste gut ist.

Und sie ist gut. Entlang des Albert-Sees ist sie sogar frisch planiert. Immer wieder sehen wir Schilder zu nummerierten Dörfern. Kachinga 3 oder so. Erst später begreifen wir, dass das Flüchtlingslager sind, von denen man allerdings außer den Schildern nichts sieht. Wir sind hier mitten drin im Spannungsgebiet zwischen Hutu und Tutsi und ihren Alliierten. Neben Ruanda, Burundi und Zaire/Kongo hat ja auch Uganda in dem Spiel kräftig mitgemischt. Und mischt immer noch, denn die Konflikte können jederzeit wieder ausbrechen.

Von den Flüchtlingslagern mal abgesehen ist es eine recht malerische und vor allem fruchtbare db_DSC05872Gegend mit schönen Ausblicken über den See. Auffällig sind die gigantischen Hörner der Ankole-Rinder. Eigentlich eher Geweihe.

Wir wissen noch nicht, wo wir heute schlafen. Bei Sonnenuntergang müssen wir uns entscheiden. Entweder fahren wir weiter auf der Hauptpiste, um im Dunkeln in Hoima, der nächsten größeren Stadt, anzukommen. Dort soll es eine Lodge geben, von der wir aber nicht wissen, wo sie genau liegt und ob sie etwas taugt. Oder wir biegen ein paar Kilometer auf eine Nebenpiste ab. Dort soll in einem Waldschutzgebiet ein Camp existieren. Beides klingt nicht sehr überzeugend, aber mehr gibt es nicht. Bliebe nur, sich für die Nacht ins Dickicht zu drücken.

Wir entscheiden uns für das näher liegende Camp und fahren ein paar Kilometer auf einer Nebenstrecke, doch es ist weit und breit kein Hinweis zu sehen. Es dämmert schon, was die Suche im Wald nicht einfacher macht. Vielleicht kommt’s hinter dem nächsten Hügel. Wenn da immer noch nichts ist, dann drehen wir endgültig um! Diesen Entschluss fassen wir mindestens fünf Mal - und fahren doch weiter. Als wir wirklich endgültig aufgeben und umdrehen wollen, steht plötzlich ein Schild im Wald: Busingiro Camp Site.db_DSC05877

Es entpuppt sich als richtig nettes Plätzchen. Offensichtlich vor ein paar Jahren mit Entwicklungshilfegeldern gebaut. Sogar elektrisches Licht gibt es, von einer Solaranlage gespeist. Leider liegt das Camp ziemlich weit abseits, so dass sich außer uns niemand hierher verirrt hat.

Nachdem es dunkel geworden ist, hören wir schaurige Geräusche aus dem Wald, fast wie das Geschrei in Horrorfilmen. Der Wächter des Camps erklärt uns, dass das Buschbabys seien. Faustgroße niedliche Nachtäffchen mit großen Kulleraugen. Man glaubt gar nicht, dass die so furchtbaren Krach machen können. Angeblich heißen sie Bushbabys, weil sie nachts wie weinende Kinder schreien. Für uns klingt es eher wie verprügelte.

Samstag, 22.8.09 (Kluges Guest Farm, Fort Portal):  Die Bushbabys haben irgendwann Ruhe gegeben und es war eine angenehme Nacht.

Morgens zum Frühstück kommt die Tagschicht der Affen zu Besuch. Eigentlich ist der Urwald viel zu schade, um nur in ihm zu übernachten. Sie bieten hier geführte Wanderungen durch das Schutzgebiet an, das wäre sicher interessant. Doch uns fehlt die Zeit. Wenn wir heute nicht bis ins 250 km entfernte Fort Portal kommen, können wir die Gorillas abschreiben. Und die 1000 US$ dazu.

Wir haben sehr widersprüchliche Aussagen über die Piste nach Fort Portal gehört. Von “kein Problem” bis zu “unpassierbar, wenn es nass wird”. Wir hoffen einfach auf Trockenheit.

In Hoima wollen wir unseren platten Reifen von gestern flicken lassen. Wir fragen überall herum, doch es gibt keinen Reifendienst. Nur einen Handwerker, der seine Flickutensilien auf dem Erdboden neben der Tankstelle ausgebreitet hat. Keine Maschine, alles reine Handarbeit mit einfachsten Werkzeugen.

Die kommenden 200 Kilometer sind zu schwierig, um sie mit nur einem Reservereifen anzugehen, also riskieren wir die Reparatur.

Wir schauen mit Unwohlsein zu, als er das Rad auf den Boden legt und eine alte Lkw-Achse mit voller Wucht auf die Reifenflanke sausen lässt. Immer ein paar Millimeter neben die Felge. Wenn er sie trifft, können wir sie vergessen.

Er trifft sie nicht, ganz im Gegenteil. Seine Schläge sitzen präzise und nach kurzer Zeit ist der Schlauch draußen. In einer Pfütze vom letzten Regen taucht er den Schlauch unter und findet das Loch. Mit einem Stein wird der Bereich um das Loch aufgeraut. Dann schneidet er mit einem zum Messer umfunktionierten Blechstreifen einen passenden Flicken aus einem alten Schlauch und raut ihn ebenfalls auf. Nachdem die Klebeflächen mit Gummilösung eingestrichen und angetrocknet sind, wird das Ganze zusammengepappt und kräftig angedrückt. Fertig. Nur mit dem Aufblasen des Reifens auf 3 bar tut er sich schwer, das macht seine Luftpumpe nicht mit. Ist jedoch kein Problem, wir haben ja eine eigene.

Es war wirklich beeindruckend, was der Junge mit aller schlichtesten Mitteln gezaubert hat. Hand-Werk vom Feinsten für 5000 Shilling, keine 2 Euro. Um es vorweg zu nehmen: der Reifen hat einwandfrei funktioniert, als wir ihn ein paar Wochen später tatsächlich brauchten.

Nach einigen Anläufen finden wir endlich die richtige Piste nach Fort Portal. Sie ist nicht mehr ganz so gut wie bisher und auch das Wetter macht uns zunehmend Sorgen. Die Wolken werden dunkler.

Kurz bevor es zu regnen anfängt, haben wir noch ein Jubiläum. Unser Bus hat jetzt eine Viertel Million Kilometer runter. Bei 200.000 hat Anette ihm wenigstens noch ein Glas Rotwein über die Windschutzscheibe gegossen. Für so etwas haben wir heute keine Zeit.

Der Regen wird heftiger und die Piste deftiger. Immer schön in der Mitte bleiben, damit wir nicht im seitlichen Graben landen. Schwierig wird es nur, wenn Lkws entgegen kommen, denn für die wird es gefährlich, wenn sie zu weit an die Seite fahren. Glücklicherweise ist nicht viel Verkehr.

Bald darauf wissen wir auch, warum. Ein Laster ist an einem Hang nicht hoch gekommen und beim Zurückrollen seitlich in die Böschung gerutscht. Inzwischen ist er aus dem Schlamm schon wieder raus und blockiert die Piste. Der Fahrer wickelt Seile um die Reifen, quasi als Ersatz für Schneeketten. Andere Leute hacken den weichen Matsch von der Piste, damit die Lkw-Reifen auf festen Grund kommen.

Das halbe Dorf steht herum und wartet gespannt, was passiert. Wir auch.

Ein Pkw schafft es, mit viel Schwung seitlich am Laster vorbei zu kommen. Die durchdrehenden Räder werfen den Schlamm hoch. Leider steht Wolfgang im Wege. Die rostroten Schlammspritzer gehen auch nach mehreren Wäschen nicht mehr aus der Kleidung.

Wir denken darüber nach, unsere Schneeketten aufzuziehen und es ebenfalls zu probieren. Doch ehe wir uns entscheiden, signalisiert uns der Lkw-Fahrer, dass er einen neuen Anlauf nehmen will. Alles zur Seite und Daumen drücken!

Und tatsächlich. Unter dem Applaus der Zuschauer kommt er mit durchdrehenden Rädern bis oben auf den Hang. Klasse gemacht!

Jetzt ist freie Fahrt für uns. Auch ohne Schneeketten ist es kein Problem, denn bergab muss man ja nur aufpassen, dass man nicht ins Rutschen kommt und in der Mitte der Piste bleibt.db_DSC05897

Ein paar Kilometer weiter haben wir das gleiche Spiel noch einmal. Diesmal ist es ein Bus, der von seinen Passagieren geschoben werden muss. Nach wenigen Minuten ist die Sache auch hier erledigt.

Dann wird der Matsch immer weicher. Die Ursache: Ein Grader, also ein Fahrzeug, was die Piste wie eine Planierraupe glatt hobelt, arbeitet vor uns. Wenn es trocken ist, dann hat der Grader kaum eine Chance, den betonharten Schlamm zu bearbeiten. Deshalb macht er es lieber jetzt, wenn das Zeug aufgeweicht ist. Wir haben ziemliche Schwierigkeiten, den Bus auf dem weichen Untergrund in Bewegung zu halten. Wir schlingern hin und her wie betrunken. Glücklicherweise gibt es fast keinen Gegenverkehr.

Nach einer Stunde ist auch das geschafft und zum Sonnenuntergang sind wir endlich wieder auf Asphalt. Für die 200 Kilometer seit heute Morgen haben wir zwölf Stunden gebraucht. Ohne Pause.

In Fort Portal erfahren wir von einem Tankwart, wie wir am besten zu Kluges Guestfarm kommen. Sie liegt 20 km außerhalb des Ortes und soll laut unseren Unterlagen ein kleines Paradies sein.

Eine Stunde später sind wir da. Es ist 21:30 Uhr und schon seit drei Stunden dunkel. Von dem kleinen Paradies können wir nur erkennen, dass es eine sehr gepflegte Anlage mit viel Grün ist. Und mit heißen Duschen, die extra für uns angeheizt werden.

Sonntag, 23.8.09 (Katholische Kirche, Rubugiri):  Die Nacht ist kurz. Um fünf klingelt der Wecker und kurz darauf läuft der Motor. Gestern sind wir im Dunkeln gekommen, heute fahren wir im Dunkeln weiter. Wie das hier wohl bei Tageslicht aussieht? Wir werden auf dem Rückweg noch mal vorbeischauen.db_DSC05902a

Heute Nachmittag müssen wir bei den Gorillas sein. 400 km, überwiegend Asphalt.

Kurz nach sieben stehen wir auf dem Äquator - das Bett auf der Südhalbkugel, den Küchenschrank auf der Nordhalbkugel - und frühstücken erst einmal. Heute Morgen war es uns noch zu kalt und zu dunkel.

db_DSC05906Die Straße nach Süden geht mitten durch den Queen Elizabeth Nationalpark. Von dem haben wir viel Gutes gehört und werden ihm später einen Besuch abstatten. Der Empfang ist jedenfalls nicht schlecht, wir sehen schon von der db_DSC05905Straße aus viele Tiere und ein merkwürdiges Verkehrsschild.

Kurz darauf steht tatsächlich ein Elefant vor uns auf der Straße und blockiert den Verkehr. Er lässt sich viel Zeit und keiner traut sich an ihm vorbei. Als er sich dann doch ein wenig zur Seite trollt, gibt der Lkw Gas, um schnell an ihm vorbei zu huschen. Der hinter ihm wartende schwer bepackter Radfahrer sieht seine Chance und tritt mit hechelnder Zunge wie ein Irrer in die Pedale, um im Windschatten des Lkws ebenfalls durchzuschlüpfen. Er schafft es. In den übrigen Nationalparks dürfen sich Menschen aus Sicherheitsgründen nur in geschlossenen Blechdosen bewegen und hier tummeln sich sogar Radfahrer zwischen den Tieren. Gibt’s hier ein besonderes Abkommen mit den Löwen?

Dann biegen wir für gut 40 km auf eine kleine Piste ein. Auf Asphalt wäre die Strecke drei Mal so lang. An einer Kreuzung im Busch wissen wir nicht weiter. Ein vorbei kommender Junge zeigt uns die richtige Strecke und fragt uns beim Verabschieden, ob wir zufällig Bananen bräuchten. Er wäre gerade auf dem Weg zum Markt, um sie zu verkaufen. Mmmh, warum eigentlich nicht? Für eine will er drei Eurocent haben. Wir kaufen ihm einfach alle dreißig ab, er ist glücklich über das gute Geschäft und wir genießen auf der Weiterfahrt sehr leckere Bananen.

Mitten drin beginnt überraschend eine nagelneue breite Asphaltstraße. Wir fliegen förmlich drüber. Und müssen im nächsten Dorf voll in die Eisen treten. Damit die Autofahrer nicht übermütig werden, hat man große Betonschwellen quer über die Straße gebaut. Mehr als Fußgängergeschwindigkeit ist nicht drin. Hier braucht’s keine Radarüberwachung.

An einer Straßenkontrolle fragen uns die Polizisten, wo wir denn hin wollen. “Zu den Gorillas”. Sie sind mächtig Stolz darauf , dass Leute von weit her kommen, um ihre Gorillas anzuschauen.

Die Straße ist die Hauptachse nach Zaire und Ruanda. Viele schwere Sattelschlepper, manche in äußerst fragwürdigem Zustand, transportieren alles, was gebraucht wird. Treibstoff, Lebensmittel, Leute. Um den Verkehr zu bewältigen, wird die Straße durchgängig verbreitert und asphaltiert. Über viele Kilometer müssen wir uns die Piste mit den Baumaschinen teilen. Streckenweise ist sie schon perfekt, es fehlt nur noch der letzte Asphalt, und zuweilen hoffen wir, nicht im frisch planierten weichen Untergrund stecken zu bleiben.

Nach langem Suchen entdecken wir ein Hinweisschild zum Bwindi Nationalpark. Ein Einheimischer bestätigt uns, dass das die neue Piste wäre. Und er weiß auch gleich, zu welcher Gorillafamilie wir wollen, das Thema ist hier in aller Munde.

Die Piste ist sehr schmal und wickelt sich ziemlich kühn an den Berghängen entlang. Bei Gegenverkehr wird es brenzlig und es empfiehlt sich, vor den Kehren kurz zu hupen. Glücklicherweise fahren wir meist auf der Bergseite. Aber wir müssen ja auch wieder zurück!db_DSC06041

Es geht permanent rauf und runter, immer zwischen 1500 und 2500 m Höhe, mit gigantischen Ausblicken, wenn man über die Kuppen kommt. Eine phantastische Landschaft. Bilderbuch!

Der Boden scheint sehr fruchtbar zu sein, denn die Hänge werden bis oben hin beackert. Teilweise sind sie so steil, dass die Leute Erdbeeren im Stehen pflücken könnten. Tun sie aber nicht, weil es hier keine Erdbeeren gibt.

Als wir schon gar nicht mehr damit gerechnet haben, taucht an einer Wegegabelung ein Schild auf: “Rushaga Tracking Area 1,5 km”. Na, genau da wollen wir doch hin. Jetzt ist es 16:30 Uhr. Wir haben esdb_DSC06039 also doch noch rechtzeitig geschafft.

Zu früh gefreut! Die Piste ist erst kürzlich von einer Raupe breiter geschoben worden und deshalb sehr buckelig und steinig. Das wäre an sich kein Problem, doch es ist so steil, dass wir am Hang stecken bleiben. Mit viel Schwung wäre es wohl gegangen, doch wie wollen wir hier Schwung holen?

Wie lassen uns bis an die Gabelung zurückrollen. Hier hat sich inzwischen eine größere Menschenmenge versammelt und schaut uns interessiert zu. Wir wissen gar nicht, wo die alle her kommen, denn wir können an der Kreuzung nur ein paar Hütten entdecken. Die meisten Leute haben feinen Zwirn an, vielleicht waren sie gerade in der Kirche, es ist ja Sonntag.

Sie erzählen uns, dass es nur für ein paar hundert Meter so steil sei und danach völlig problemlos. Wir sollten es einfach noch mal versuchen, es würde schon klappen.

Also gut. Ein bisschen Anlauf nehmen und dann das Gaspedal aufs Bodenblech. Es beginnt ganz flott und wir kommen ein gutes Stück bergauf. Doch nicht weit genug. Alles wieder zurück.

Wir beratschlagen mit den Leuten, ob es noch andere Pisten gibt. Nein, entweder hier hoch oder gar nicht. Sie bieten uns an, den Bus hoch zu schieben. Rein von der Anzahl der Menschen wäre das kein Problem, doch wie wollen die alle hinten an unserem Auto anpacken? Mehr als ein Dutzend Leute hat da ja keinen Platz. Und dann noch im Sonntagsstaat! Wir sind für so etwas zu schwer und der Boden ist zu schlecht. Zudem müssten wir die ganze Zeit die Kupplung schleifen lassen. Aber das würde die vermutlich nicht ohne Beschwerden schaffen, da wir sie in der Massai Mara schon mal arg rangenommen haben.

Eine Möglichkeit wäre, den Wagen hier stehen zu lassen und die kurze Strecke zum Gorillacamp zu Fuß zu gehen, denn wir sollen uns ja noch heute dort melden. Doch die Einheimischen meinen, dass das gar nicht nötig sei. Es würde völlig reichen, wenn wir morgen früh gegen 7:30 Uhr dort wären.

Und wo kann man hier übernachten? In Rubugiri, dem nächsten Ort, wäre eine neues Camp, dort sollten wir es doch einmal versuchen. Sie schreiben uns den Namen des Managers auf, nach dem sollen wir fragen.

Ein paar Kilometer weiter suchen wir die Dorfstraße nach dem Camp ab. Nichts zu finden. Auch mehrfaches Nachfragen bringt uns nicht weiter. Bis wir dann bei der dritten Durchfahrt ein kleines verstecktes Schildchen sehen. Also doch.

Ein junger Mann begrüßt uns und führt Wolfgang herum. “Da ist die Toilette, da das Restaurant, dort können Zelte stehen”. Aber da, wo der junge Mann freudestrahlend hin zeigt, da ist dichter Busch. Und Bauschutt. Das alles soll hier mal stehen, doch zur Zeit ist der Bau noch in den allerersten Anfängen.

Kurz darauf kommt der Manager angewetzt. Er hatte uns schon im Dorf herum irren gesehen. Er bedauert zutiefst, dass wir einige Monate zu früh da seien, aber er hätte eine Lösung für uns. Wir sollen ihm folgen.

Er rennt im Laufschritt einen kleinen Weg hoch und kurz darauf stehen wir vor der katholischen Kirche.

db_DSC06034Father Gervais begrüßt uns (nein, nicht der von Danone!) und bietet uns an, vor seinem Gästehaus zu stehen. Außerdem könnte er uns mit seinem Geländewagen morgen zu den Gorillas fahren.

Der Ausblick ist sehr schön. Vor uns das Dorf und gleich dahinter die steilen Hänge mit den Äckern. Fließendes Wasser gibt es zur Zeit nicht, weil irgend etwas defekt ist, doch man stellt uns ein paar Eimer Wasser in Dusche und Toilette. Wird auch gehen.

Während Anette sich um etwas Essbares kümmert, geht Wolfgang auf db_DSC05913die db_DSC05926Wiese unter unserem Standplatz, um einige Fotos zu machen. Ein paar Kinder aus dem Dorf gesellen sich zu ihm und sind ganz begeistert, als er ihnen im Display der Kamera die Bilder zeigt (Digitaltechnik sei Dank). Natürlich wollen sie mit aufs Foto und sind immer wieder ganz aus dem Häuschen, wenn sie sich auf den Bildern wiedererkennen.

Sie kommen neugierig mit zurück zum Bus. Wir wollen jetzt zwar essen, aber so richtig wohl ist’s uns bei dem Gedanken nicht, jetzt vor vollen Tellern zu sitzen und nicht zu wissen, ob die Kinder Hunger haben oder nicht. Da Anette mehr als genug gekocht hat, packt sie kurzerhand eine große Portion Spaghetti mit Tomatensoße auf einen Teller und noch eine Schüssel Salat dazu und gibt es den Kindern. Sie gucken uns kurz ungläubig an und dann geht’s los. Innerhalb von Minuten ist der Teller ratzeputz leer. Spaghetti zu essen, sind sie nicht gewohnt, wie man an ihren T-Shirts sieht.

Inzwischen hat uns ein Junge aus dem Dorf mit ein paar Lebensmitteln versorgt, vor allem Brot und gekochte Eier, die wir morgen in den Urwald mitnehmen wollen.

Wir sind ganz schön geschafft. 11 Stunden Fahrt. 350 Kilometer. Viel durchgefragt. Am Hang stecken geblieben. Camp gefunden. Es reicht.

Montag, 24.8.09 (Arcadia Cottages, Lake Bunyoni):  Um 6 Uhr sind wir draußen und um 7 fährt uns der Pfarrer zu den Gorillas. Die Fahrt dauert etwas länger als geplant, weil er immer wieder anhalten muss, um mit den Leuten am Straßenrand etwas zu bereden. Er scheint jeden zu kennen. Trotzdem sind wir rechtzeitig im Gorillacamp. Hier wird uns Father Gervais heute Abend auch wieder abholen.

Von den maximal acht Leuten, die pro Tag eine Erlaubnis bekommen, sitzen zwei schon da. Zwei Junge Frauen aus England und Australien. Heute sind wir nur zu sechst. Die noch fehlenden beiden sind aus Versehen zu einem anderen Camp gebracht worden und zur Zeit im Tiefflug auf dem Weg zu uns.

Als sie schließlich eintreffen, sind sie fix und fertig, weil sie den letzten Kilometer zu Fuß gerannt sind (das Buschtaxi kam den Hang auch nicht herauf). Zudem müssen sie natürlich auch noch unser Gefrozzele ertragen. Doch die beiden Briten nehmen’s mit Humor.

Dann werden wir von John, unserem Guide, instruiert. Keine Garantie, die Gorillas zu Gesicht zu bekommen ... kann ein zehnstündiger Marsch sein ... Urwald ist extrem dicht ... Pfade häufig sehr steil und matschig ... Lebensmittel für den ganzen Tag ... Regenbekleidung ... Insektenschutz ... mindestens zwei Liter Wasser pro Person ... bei Bedarf Träger anheuern ... nicht näher als sieben Meter an die Tiere ran, da sonst Infektionsgefahr (für die Gorillas) ... nur noch leise sprechen ... niemals in die Augen sehen ... wenn sie angreifen: auf den Boden ducken ... ... ...

John erzählt uns hundert Dinge und beantwortet geduldig all’ unsere Fragen. Er und seine Leute sind wirklich gut informiert und machen einen sehr professionellen Eindruck. Sie bleiben keine Antwort schuldig.

Die Nshongi-Familie, die wir (be)suchen werden, besteht aus rund 30 Tieren und ist damit die größte im Lande (in der Welt?). In ihr leben im Gegensatz zu normalen Familien gleich drei Silberrücken. Wenn der Ober-Silberrücken in Pension geht (sprich: von einem Jüngeren weggemobt wird), wird sich die Gruppe nach einem kurzen Kampf um die Oberhoheit wohl teilen.

Gorillas haben keinen festen Standort, sondern ziehen ständig umher, je nachdem, wie das Nahrungsangebot ausfällt. Deshalb kann man auch nicht vorhersagen, wo sie sich befinden. Jeden Morgen werden zwei Tracker, also Spurenleser, da hin geschickt, wo die Tiere gestern Abend waren. Vor Ort sind sie durch ihre morgendlichen Rufe leicht auszumachen.

Die Gorillas sind tagsüber immer unter Beobachtung, nicht nur, damit die Touristen sie finden können, sondern auch, um sie vor Wilderern zu schützen. Denn die für Besucher zugänglichen Familien sind in gewisser Weise an Menschen gewöhnt und deshalb für Wilderer eine leichtere Beute.

Nachdem alle Fragen erschöpfend beantwortet sind, brechen wir auf. Vorweg ein Spurenleser mit Machete, dann John, dann wir sechs und hinter uns zwei weitere Leute, einer mit Machete und einer mit Gewehr. So etwa müssen die Expeditionen der ersten Weißen durch den afrikanischen Urwald ausgesehen haben. Nur haben wir keine Tropenhelme auf.

Sofort empfängt uns ein lautes Gekreische, Gezirpe und ab und zu ein dunkles Gebrüll. Breitwandkino in Stereo.

Wir marschieren steil bergauf. Doch nach zwei Minuten ist alles vorbei!

Ein Gorilla hängt vor uns am Baum! Ja, nach wirklich nur zwei Minuten. Er hängt da und schaut uns mit großen Kulleraugen an. John sagt, so nah am Camp wären sie noch nie gewesen. Und im übrigen sei sein Spitzname Lucky John. Breites Grinsen, er hat es natürlich schon vorher von den Trackern gewusst.

Wir verstecken unser Marschgepäck im Gebüsch und der Mann mit der Flinte bewacht es db_DSC05932gegen plündernde Tiere. Wir klettern näher an die Gorillas ran. Sie lassen sich von uns nicht stören. Wir sehen einige Kinder und ein paar Schwarzrücken, also die Halbstarken. Es ist unglaublich, welche Muskelberge da in den Bäumen hängen.

Jedes Tier hat, wie es sich für eine Familie gehört, einen Namen und die Einheimischen können sie auch unterscheiden. Sagen sie jedenfalls.

db_DSC05938db_DSC05955Besonders begeistert uns die knuddelige Niedlichkeit der Gorillakinder. Eigentlich möchte man sie streicheln, doch sie sind zu weit weg. Glücklicherweise! Denn Gorillamamas würden da ein Wörtchen mitreden wollen.

So nach und nach bekommen wir die Hälfte der Familie zu Gesicht, nur die alten Herren, die Silberrücken, halten sich versteckt. John gibt uns ein Zeichen, ihm zu folgen. Mit der Machete schlagen wir uns einen Weg hangabwärts, um db_DSC05997die db_DSC05973Familie herum. Wir laufen nicht mehr auf festem Boden, sondern auf einer dicken elastischen Pflanzenschicht. Manchmal geht es nur auf allen vieren weiter. Manchmal müssen wir uns gegenseitig hochziehen.

Nach einigen Minuten sehen wir den ersten Silberrücken. Er schaut nicht sehr begeistert hinter einem Baum hervor, scheint wohl ein Morgenmuffel zu sein. Er verschwindet im dichten Gestrüpp. Nach kurzer Zeit taucht der zweite auf, scheinbar db_DSC06006kein Morgenmuffel, denn plötzlich kommt er mit ein paar schnellen Schritten auf uns zugelaufen und trommelt mit den Fäusten auf seine Brust. King Kong lebt! Ehe wir es richtig realisiert haben und uns, wie gelernt, ducken wollen, ist es auch schon wieder vorbei. Einer der Leute hat ihm irgend etwas Unverständliches zugerufen, das scheint ihn besänftigt zu haben. Vielleicht hat er auch nur gesagt: ”Junge, gib’ mal kurz den King Kong, die Leute haben dafür bezahlt”. Jedenfalls war es genau das dumpfe Gebrüll, was wir seit unserer Ankunft immer wieder mal gehört haben.

Wir krabbeln kreuz und quer durchs Grünzeug, um ein bisschen näher an die Tiere heranzukommen. Die meisten hängen irgendwo in den Bäumen und frühstücken. Hier ein paar Blätter, dort eine Frucht. John erzählt uns, dass sie nur ganz bestimmte Pflanzen fressen. Wenn die rar werden, ziehen sie weiter. Im übrigen wäre es großes Glück (schon wieder!), dass wir sie beim Frühstück anträfen. Da wäre wenigstens ein bisschen Leben in der Gruppe. Den Rest des Tages hängen sie nämlich nur dösend herum.db_DSC06026

Nach einer Stunde brechen wir wieder auf. Müssen aufbrechen, unsere Audienz ist beendet. Zwei Minuten später sind wir wieder an unserem Ausgangspunkt. Eigentlich wollten wir hier erst wieder heute Abend eintreffen. Verschwitzt, schmutzig, hungrig, müde. Nichts dergleichen.

Auch wenn eine längere Wanderung durch den Urwald sicher spannend gewesen wäre, insbesondere mit gut informierten Guides wie unseren, so sind wir doch ganz froh, dass es uns die Gorillas einfach gemacht haben. Insbesondere Anette ist froh darüber, denn im Urwald könnten ja auch Spinnen leben. Rein theoretisch ...

Es war jedenfalls, trotz des vermiedenen Marsches, ein ganz besonderes Erlebnis. Völlig anders als unser Besuch bei den Schimpansen, auch vom Preis her. Man muss sich immer wieder vor Augen halten, dass die Gorillas ohne das Geld der Besucher vermutlich schon lange ausgerottet worden wären. Der enorme Siedlungsdruck, die Armut der Bevölkerung und die immer wieder aufflammenden Kriege hätten ihnen längst den Garaus gemacht. So gesehen sind unsere 1000 $ für den Besuch bei unseren Verwandten gut angelegtes Geld.

John erzählt uns noch, dass sie hier in einem Monat hohen Besuch bekämen. Präsident Museveni wird die Station offiziell einweihen. Bis dann wird wohl auch die Piste besser sein. Alles andere, wie wir selbst erlebt haben, funktioniert schon bestens.

Der Gewinn von einem halben Tag hat einen gravierenden Nachteil. Father Gervais weiß nichts davon. Er wird uns folglich auch noch nicht abholen. Glücklicherweise bietet uns der Fahrer der beiden Mädchen an, uns bis nach Rubugiri mitzunehmen.

11:30 Uhr sind wir zurück, zur großen Überraschung von Father Gervais. Wir beschließen, einem Tipp, den wir hier im Dorf bekommen haben, zu folgen. Man hat uns einen Besuch des Lake Bunyoni wärmstens ans Herz gelegt. Er liegt nur wenig abseits unserer Route, hart am Länderdreieck Ruanda/Zaire/Uganda.

Also los.

Die Piste zurück zur Hauptstraße ist immer noch schmal und atemberaubend, doch dieses Mal fahren wir auf der Hangseite. Und sind dankbar für unsere Kompressorfanfare.

Wir kommen über einen Bergkamm und plötzlich liegt tief unter uns der See, malerisch zwischen steilen und vollständig bewachsenen Hängen. Der See ist sehr zerklüftet und hat viele kleine Inseln. Als Gemälde wäre es eine kitschige Übertreibung des Künstlers. Uns erinnert dies alles ein bisschen an Guilin, die chinesische Bilderbuchlandschaft schlechthin.

Wegen der steilen Hänge hat man hier von jeder Stelle aus einen unverbaubaren Seeblick, weil der Vordermann schon ein Hochhaus bräuchte, um die Aussicht ernsthaft zu stören.

Die steilen Hänge haben aber auch einen gravierenden Nachteil, jedenfalls für uns. Es findet sich kaum ein größeres waagerechtes Plätzchen zum Übernachten. Wir fragen uns in mehreren Lodges durch, doch man kann uns bestenfalls eine Übernachtung auf einem staubigen Parkplatz anbieten. Danadb_DSC06076ch steht uns heute aber nicht der Sinn.

Ein Einheimischer gibt uns den Tipp, es oben auf dem Bergkamm einmal zu probieren. Dort hätte man zwar nur Chalets, dafür aber einen malerischen Parkplatz und ein gutes Restaurant.

Und so ist es. Unvergleichlicher Ausblick, alles grün und sehr gepflegt, freundliche Leute.

Dienstag, 25.8.09 (Ishasha River Camp, Queen Elizabeth Nationalpark):  Wir lassen es gemütlich angehen, wie es sich für diesen Ausblick gehört. Wir wollen erst heute Mittag in den Queen Elizabeth Nationalpark aufbrechen.

Vorher müssen wir uns allerdings ein wenig um unser Auto kümmern. Einer der vorderen Stoßdämpfer macht Krawall und außerdem hat der Matsch der letzten Tage deutliche Spuren hinterlassen, bis oben aufs Dach.

db_DSC06071aDie Angestellten der Lodge bieten uns an, unseren Bus zu waschen. Sooo schlimm sieht er ja auch nicht aus, trotzdem eine gute Idee. Sie schleppen in großen Kanistern reichlich Wasser an, versetzen es mit Waschpulver und seifen unser Auto von oben bis unten ein. Als alles wieder abgewaschen ist, steht da plötzlich ein richtiges gelbes Auto vor uns.

Das Stoßdämpferproblem erweist sich als nicht so gravierend. Eine Gummibuchse hatte sich zerlegt, doch wir hatten nach der Umbauaktion im Kinderheim noch passende Teile übrig. Glück gehabt.

Andere Gäste der Lodge gaben uns die Empfehlung, das Ishasha-Camp im Nationalpark anzusteuern. Da in der Nähe hätten sie häufiger Löwen auf Bäumen gesehen. Die 200 km bis dahin sind zur Hälfte asphaltiert, es sollte also bis zum Abend zu schaffen sein.

An einem Hang kommt uns plötzlich ein VW-Bus aus Rosenheim entgegen. Der erste Tourist mit eigenem Auto in Uganda. Vollbremsung. Wir tauschen uns über alles Mögliche aus und stellen dabei fest, dass wir in gut einer Woche auf dem gleichen Camp in Mombasa sein werden, um von dort nach Hause zu fliegen.

Ein paar Kilometer später kommen wir in eine Polizeikontrolle und werden mit der Frage empfangen “Na, wie war es bei den Gorillas?” Die kannten uns noch vom Hinweg.

Danach begegnen wir niemandem mehr, jedenfalls nicht bis zum Ende der Asphaltstraße. Dort verirren wir uns dann in einem Gewirr von kleinen Wegen und sind ratlos, welche Piste wir nehmen sollen. Wir fragen einen älteren Mann nach dem Weg. Er denkt kurz nach und sagt uns dann, dass das sehr kompliziert zu beschreiben sei, doch er könnte ja mit seinem Auto ein Stück vorausfahren, wenn wir ein paar Minuten warten wollten. Wir wollen. Das Auto entpuppt sich als ausgewachsener LKW.

Nach zehn Kilometern und etlichen unbeschilderten Abzweigungen hält er an, beschreibt uns noch den weiteren Weg und wünscht uns gute Fahrt. Wir sind baff.

Es wird dunkel und wir haben noch ein ganzes Stück vor uns. Jetzt ist es schwierig, die Orientierung zu behalten. Zwar gibt es nach wie vor keine Hinweisschilder, doch bei Helligkeit konnte man wenigstens sehen, in welche Richtung die Piste weitergeht. In Kihihi (schöner Name!) fragen wir noch mal und beschließen, einfach nur noch stur nach Westen zu fahren. Auf welcher Piste auch immer. Notfalls schlafen wir am Wegesrand.

Im Westen liegt sowohl der Nationalpark als auch der Kongo/Zaire. Beides hat hoffentlich einen Zaun, ansonsten wachen wir morgen früh im Nachbarland auf.

Einige einsame Kilometer später kommt uns in der stockdunklen Nacht ein Geländewagen entgegen und hält neben uns. Der Fahrer ist eigentlich auch auf dem Weg nach Westen, doch ein umgestürzter LKW versperrt die Piste. Kein Durchkommen, sagt er, statt dessen will er es auf einer anderen Piste versuchen.

Wir entscheiden uns, bis zum Lkw zu fahren und wollen dort notfalls übernachten. Wir haben ja mit Truckern gute Erfahrungen gemacht.

Im Scheinwerferlicht taucht wenig später eine vermummte Gestalt auf. Was wir als angenehme Temperatur empfinden, ist für die Einheimischen knackekalt. Daneben liegt der Lkw auf der Seite, oben geht die Seitentür auf und ein verschlafener Fahrer klettert heraus. Die Leute erzählen uns, was passiert ist. Der Lkw ist schwer beladen und mit den Rädern in eine der tief ausgewaschenen Rillen gerutscht und umgestürzt. Jetzt müssen sie ein paar Tage auf ein Ersatzfahrzeug warten, dann alles von Hand umladen und den Laster wieder auf die Beine ziehen. Na, viel Vergnügen.

Wir schauen uns zusammen mit den Einheimischen die Strecke mit der Taschenlampe genauer an. Die Furchen sind ziemlich übel, doch mit unserer schmaleren Spur haben wir eine Chance, uns an einer flacheren Stelle durchzumogeln. Außerdem haben wir alles dabei, um uns im Notfall wieder heraus zu buddeln. Starke Helfer sind ja auch in der Nähe.

Also los, Motor an und alle Lichter. Wir kippen zwar ein paar Mal kräftig zur Seite, doch es klappt. Gut, dass wir noch eine richtige Stoßstange und keine Plastikdeko haben.

Weiter nach Westen wird die Landschaft zunehmend flacher und der aufgehende Mond gibt ein bisschen Orientierungslicht. Schließlich erreichen wir die Hauptpiste, die entlang der Grenze von Nord nach Süd führt. Wir sind also doch nicht in Zaire gelandet, aber bereits im Queen Elizabeth Nationalpark. Bald darauf finden wir auch einen Hinweis auf das Ishasha-Camp. Die Zufahrt ist nicht ganz so einfach, denn hier versperrt uns ein Schlagbaum den Weg.

Keine Mensch weit und breit. Glauben wir, denn während wir noch überlegen, wie wir den Schlagbaum umgehen können, kommt jemand aus dem Dunklen und begrüßt uns. Er beschreibt uns den Weg zum Camp (es sind noch zehn Kilometer) und öffnet den Schlagbaum. Den Eintritt sollen wir bezahlen, wenn wir wieder zurück kommen.

Wir gehen auf unsere erste Nachtfahrt in einem Nationalpark in diesem Jahr, doch die Ausbeute ist mager. Nichts, außer ein paar verstörten Gazellen.

Das Camp ist auch schon ziemlich verschlafen. Ein Angestellter schickt uns zu einer großen Wiese. Außer uns steht dort noch ein Geländewagen, dessen Fahrer uns zeigt, wo Toiletten, Duschen und Wasser zu finden sind. Und er weist uns darauf hin, dass hier Nilpferde und andere Schwergewichte frei durchs Camp laufen.

Na, hoffentlich!

Unser Lagerfeuer fällt recht bescheiden aus, denn wir sind rechtschaffen müde. War doch anstrengender als geplant.

Mittwoch, 26.8.09 (Kluges Guest Farm, Fort Portal):  Nilpferde haben wir heute Nacht zwar nicht gesehen, dafür haben uns die Hyänen in den Schlaf gesungen.

Wir brechen früh auf, um vielleicht ein paar Baumlöwen zu finden. Es gibt nur ganz wenige Ecken in Afrika, wo die Löwen auf die absonderliche Idee gekommen sind, wie ihre Todfeinde, die Leoparden, auf die Bäume zu klettern und dort oben zu dösen. Die Gründe dafür liegen im Dunkeln, möglicherweise sind die Tsetse-Fliegen daran Schuld oder es ist die kühlere Luft dort oben.

Nach einer Stunde vergeblichen kreuz und quer Fahrens geben wir auf. Im Camp heuern wir einen Führer an, der uns die Bäume zeigen soll, auf denen die Löwen wachsen. Auf Anhieb findet er die richtigen Bäume, aber keine Löwen. Statt dessen viele andere Vertreter des afrikanischen Tierlebens, besonders zahlreich die fliegen Nervensägen. Unser Guide erzählt uns, dass Büffel das Lieblingsfutter der Tsetse-Fliegen sei. Jetzt verstehen wir um so besser, warum wir in der letzten Woche einen Büffel gesehen haben, der im Matsch untertauchte.

Auch ohne Baumlöwen ist es eine sehr schöne Fahrt. Zu guter Letzt sehen wir dann doch noch einen Löwen, einen halben Kilometer weit weg und ganz ordinär auf dem Boden unterwegs.

Kurz nach neun Uhr machen wir uns auf die Piste in den Nordteil des Parks. Hier kann man auf einem breiten Verbindungskanal zwischen zwei Seen die Tiere vom Boot aus beobachten. Die gut 100 km bis dahin ziehen sich trotz ordentlicher Piste ziemlich langweilig hin. Es sind kaum Tiere unterwegs, ganz anders, als wir das aus den übrigen Nationalparks kennen. Vielleicht haben die zahlreichen Bürgerkriege die Tiere ängstlich gemacht. Oder sie sind schlicht aufgegessen worden.

Im Headquarters angekommen, haben wir Glück. Nach wenigen Minuten legt ein Boot ab. Voll mit Touristen. Ein zweites ist ebenso voll. Unter so vielen schnatternden Weißen zu sein, sind wir gar nicht mehr gewohnt. Wir haben es auch nicht vermisst.

Die Fahrt ist phantastisch. Das Boot geht so dicht ans Ufer ran, dass man die badenden Elefanten aus nächster Nähe beobachten kann. Und db_DSC06169nicht db_DSC06141nudb_DSC06108r diedb_DSC06134. Büffel und Nilpferde dicht an dicht nebeneinander. Antilopen, Krokodile, viele Vögel. Hier herrscht wirklich pralles Tierleben. Wir sind froh, diesen Abstecher noch gemacht haben, zumal es für uns eine ganz seltene Erfahrung ist, chauffiert zu werden. Nicht hinter jedem Busch einen unfreundlichen Elefanten zu vermuten, nicht auf die Piste und den Gegenverkehr achten zu müssen, nicht auf komische Geräusche des Autos. Genuss pur.

Um 17 Uhr sitzen wir wieder im eigenen Auto. Entweder wir übernachten hier zwischen den vielen Touristen oder wir fahren noch 100 km weiter auf Kluges Guestfarm, die wir bis jetzt nur im Dunkeln kennen. Wir entscheiden uns für letzteres.

db_DSC06194Auf dem Weg dahin machen wir noch einen Abstecher durch das Kratergebiet des Nationalparks. Hier haben sich auf einer relativ kleinen Fläche eine Vielzahl von Vulkankratern gebildet. Manche voll Wasser, die meisten mit grünen Wiesen drin. Eine wunderschöne Landschaft, durch die nur wenige schmale und steinige Pisten führen. Völlig einsam, wir treffen in dieser Stunde niemanden. Und erinnert es sehr an Island.

Am Ausgang aus dem Nationalpark hat man wohl nicht damit gerechnet, dass noch jemand über die Kraterpiste kommt. Der Schlagbaum ist schon geschlossen und das Büro verlassen, beides jedoch kein ernsthaftes Hindernis.

Am Äquator wird es dunkel, doch die Straße ist gut.

Als wir bei Kluges einrollen, ist es schon nach neun Uhr. Restaurant und Büro sind bereits geschlossen. Also fahren wir gleich runter auf die Camp-Wiese, wir kennen den Weg ja. Kurz darauf sind wir im Bett verschwunden.

In letzter Zeit hatten wir ziemlich viele Nachtfahrten. Egal, ob geplant oder ungeplant, es ist in jedem Fall nichts, was wir mögen. In Zukunft werden wir wieder mehr auf die Uhrzeit achten.

Donnerstag, 27.8.09 (Kingfisher Lodge, Jinja):  Morgens kommt Herr Kluge vorbei. Wir sind gestern vermisst worden, erzählt er. Der Nachtwächter hätte uns durch das Tor fahren sehen und er behauptete, dass das Auto nicht wieder heraus gefahren sei. Man hat zunächst nach uns gesucht, um zu sehen, ob wir Hilfe brauchen, dann aber angenommen, dass der Wärter wohl nicht ganz richtig hingeschaut hätte. Auf die Idee, auf dem Camp nachzuschauen, ist man gar nicht gekommen, denn da ist ja selten jemand.

Heute jedoch ist es “überfüllt”, außer uns noch ein schweizer Pärchen mit einem Geländewagen. Doch das sind irgendwie komische Leute. Nicken nur kurz mit dem Kopf und sagen keinen Mucks.

Ganz anders Herr Kluge. Er ist vor vielen Jahren hierher ausgewandert und hat zusammen mit seiner Frau ein kleines Paradies geschaffen. Viel Natur, Blumen, Wälder, Affen und viele andere Tiere. Und natürlich Swimmingpool und Restaurant. Ein idealer Ausgangpunkt, um die Umgebung zu erforschen. Hier werden wir noch mal herkommen. Schon allein, um das am Horizont thronende Ruwenzori-Gebirge zu besuchen (das Weltnaturerbe mit den Riesenpflanzen im Nebel!).

Um zehn Uhr brechen wir Richtung Mombasa auf. Noch 1.500 km, alles Asphalt. In knapp einer Woche wollen wir dort sein. Da wartet das Flugzeug auf Anette und eine Woche später auf Wolfgang.

Beim Tanken im nächsten Ort werden wir schon wieder gefragt: “Na, wie war’s bei den Gorillas?” Wir sollten nur noch auf Tankstellen tanken, wo wir schon mal waren. Man fühlt sich gleich wie zu Hause.

Wir rollen ziemlich zügig auf feinstem Asphalt. So einen Geschwindigkeitsrausch bei db_DSC06223Tempo 80 hatten wir lange nicht mehr.

Mit uns rasen unzählige Laster mit Rindern, im Nebenjob Taxis, gen Kampala. Die Stadt hat Hunger.

Vielleicht sollten wir doch ein bisschen besser planen, denn wir sind schon wieder ausgerechnet zu Beginn der Rushhour an der Stadtgrenze. Auf dem Hinweg haben wir eineinhalb Stunden bis in die Innenstadt gebraucht und uns im Qualm fast eine Raucherlunge geholt.

Heute sieht es viel besser aus. Nach 20 Minuten sind wir drinnen und steuern das nächste Einkaufszentrum an. Kurz darauf lassen wir die Stadt schon wieder hinter uns. Hat perfekt geklappt.

Da es in Kampala nur ein ziemlich unschönes Camp gibt, wollen wir heute Abend an der “Nilquelle” in Jinja sein. Die Kingfisher-Lodge kennen wir ja schon vom Hinweg. Das Essen und die Atmosphäre waren gut, mal sehen, wie man dort übernachtet.

Wir kommen sehr gut vorwärts. Zu gut! Denn plötzlich steht ein Herr mit Kelle vor uns und winkt uns heraus. Wir sind beim Überholen über die durchgezogene Mittellinie gefahren, stellt er mit mahnendem Blick fest. Da hilft kein Leugnen, er hat ja recht. Wir geben unsere Missetat ohne Ausrede zu. Wenn wir schon mal so schön zügig rollen, dann kann uns ein Schleicher auch nicht aufhalten. Das sagen wir allerdings nicht. Er geht kurz in sich. Wir vermuten, er kalkuliert unsere Buße. Doch dann hebt er den Zeigefinger und bittet uns, in Zukunft mehr auf die Regeln zu achten. Es gäbe hier zu viele verrückte Autofahrer und zu viele Unfälle. Wir bedanken uns artig für den Hinweis. Wahrscheinlich hat er mehr bewirkt, als wenn er uns zu einer saftigen Strafe verdonnert hätte. Wir halten uns jedenfalls ab jetzt an die Regeln. Aber es war schon schön, mit unserem Auto mal zu schnell zu sein.

Kurz darauf hält uns zwar kein Polizist an, sondern ein querstehender Bus. Er hat sich mit einem Motorrad angelegt. Und offensichtlich gewonnen. Der Motorradfahrer liegt unter einer Decke neben der Straße, ein Krankenwagen braucht nicht mehr zu kommen. Noch ein Grund, den Hinweis des Polizisten ernst zu nehmen.

Wieder kurze Zeit später bleibt der Verkehr fast stehen, die Leute rennen über die Straße und schauen einen Hang hinunter. Im Vorbeirollen sehen wir, dass ein Auto von der Straße abgekommen ist, sich überschlagen hat und unten liegen geblieben ist. Gaffer sind ein weltweites Problem. So viele schwere Unfälle wie heute haben wir noch nie gesehen. Das erinnert uns wieder daran, dass flottes Fahren nicht wichtig ist, sondern nur sicheres Ankommen.

Als ob unser Bus ebenfalls darüber nachgedacht hätte, brummt er ab jetzt mit der Vorderachse, sobald wir etwas schneller fahren. Es ist wie eine leichte Fußmassage, nimmt aber mit jedem Kilometer an Deutlichkeit zu. Direkt unterm Fahrer ist es am heftigsten, vermutlich also eines der Radlager.

Wir haben wenig Lust, uns bei einbrechender Dunkelheit am Straßenrand um das Problem zu kümmern. Statt dessen fahren wir lieber vorsichtig weiter bis zur Lodge. Wir wollen sowieso einen Ruhetag einlegen, um Wäsche zu waschen und ein paar Sachen in Ordnung zu bringen, da können wir das gleich mit erledigen.

Freitag, 28.8.09 (Kingfisher Lodge, Jinja):  Gestern Abend konnten wir es zwar nicht mehr genießen, doch zum Frühstück um so mehr: wir schauen aus einem Park auf den Victoriasee und den Ursprung des Nils. Allerdings sollte man den Blick nicht in die Gegenrichtung lenken. Hinter uns scheint der Müllhaufen der Lodge zu sein. Camper sind hier wohl nicht die bevorzugte Zielgruppe.

Als der Manager später vorbei kommt und uns fragt, ob wir zufrieden seien, loben wir natürlich seinen Park und seine Aussicht und fragen ihn dann, warum er annimmt, dass Camper gern neben Müllhalden übernachten würden.

Eine Stunde später rücken seine Mitarbeiter an und schaufeln den Müllberg auf Karren. Am Nachmittag ist alles sauber. Sogar elektrischen Strom bekommen wir!

Inzwischen ist auch unser Radlager geheilt. Das alte war tatsächlich am Ende. Auch alle anderen Teile sind überprüft und geschmiert, sogar saubere Bekleidung haben wir wieder. Wir können den Abend in aller Ruhe im Restaurant genießen.

Heute keinen Kilometer gefahren. Und vor allem keine Nachtfahrt!

Samstag, 29.8.09 (Jungle Junction, Nairobi):  Es wird ein langer Ritt. Bis Nairobi sind es 600 Kilometer. Dazwischen liegt die Grenze von Uganda nach Kenia.

Kurz nach Sonnenaufgang läuft der Motor!

Auf dem Hinweg haben wir weit über eine Stunde für die Grenze gebraucht, diesmal ist es nur die Hälfte. Inzwischen wissen wir, welche Schlangen die richtigen sind und was man in welcher Reihenfolge erledigen muss.

An sich hatten wir schwer damit gerechnet, dass wir auf der Keniaseite etliche Dollar als Straßenbenutzungsgebühr hinlegen müssen. Andere Reisende hatten uns die abenteuerlichsten Geschichten erzählt, teilweise ging es um mehrere Hundert Dollar. Doch von uns will niemand Geld haben. Ganz im Gegenteil, die nette Dame vom Zoll begrüßt uns fast wie alte Bekannte.

In Kenia wird die Straße deutlich schlechter. Sehr tief ausgefahrene Spuren von den Lkws, so dass wir zwischen den Rillen balancieren müssen, um nicht aufzusetzen. Doch offensichtlich wird die Straße gerade runderneuert, denn wir dürfen über viele Kilometer nebenan auf einer buckeligen Baupiste ordentlich Staub aufwirbeln.

Trotzdem, wir kommen recht gut vorwärts, bis es bei voller Fahrt auf Asphalt mal wieder Pffft macht. Plattfuß! An sich kein großes Problem, doch danach haben wir keinen guten Reservereifen mehr. Und ohne Reserve müssen wir wohl oder übel in Nakuru flicken lassen.

Beim Abziehen des Reifens wird klar, dass Wolfgang zu spät gebremst hat. Der Schlauch ist in zwei Teile zerrissen und wir müssen mit einem nicht ganz passenden Ersatzschlauch vorlieb nehmen. Beim Aufpumpen zeigt sich das nächste Problem. Die Decke beult sich an der Seite aus, als hätte man ein Osterei drunter versteckt. Also auch hinüber. Glücklicherweise schleppen wir seit Namibia eine Ersatzdecke auf dem Dach mit und herum. Ob wir am Samstagnachmittag in Nakuru die richtige Reifengröße hätten auftreiben können?

Beim Sonnenuntergang liegt der größte Slum Afrika fast malerisch vor uns. Rotes Licht und blauer Rauch verdecken gnädig des Elend. Es sollen hier mehrere Millionen Menschen leben.

Hinter dem Slum schließt sich fast unvermittelt ein gutes Wohnviertel an, mit fast europäischen Shoppingmalls und Internet-Cafes. Und mit der “Dschungelkreuzung”, unserem Camp. Hier schließt sich der Kreis, denn vor drei Wochen sind wir von hier aufgebrochen. Es waren drei wirklich intensive Wochen, die intensivsten seit Jahren. Das merkt man besonders deutlich, wenn man alles zusammenschreibt. Viele Überraschungen, viele Improvisationen, viele Zufälle, viele kritische Momente. Und viele schöne Erinnerungen.

Sonntag, 30.8.09 (Jungle Junction, Nairobi):  Heute ist Ruhetag. Na ja, fast. Unsere Website wird fertig und die Wäsche ebenfalls. Vier volle Maschinen! Und wir haben uns lange mit einem frustrierten Ostdeutschen unterhalten. Er war aus Deutschland geflohen, weil er mit dem Leben nach der Wende nicht mehr zurecht kam (vielleicht vor der Wende auch nicht?). Er hatte angenommen, dass man ihn in Kenia mit offenen Armen empfangen würde. Seine Illusion: wer in Europa scheitert, ist immer noch gut genug für Afrika. Denkste! Auch hier muss man für sein Geld arbeiten. Hart arbeiten.

Montag, 31.8.09 (Red Elefant Lodge, Voi):  Wir haben noch gut 500 km bis Mombasa. Anette fliegt am kommenden Sonntag zurück nach Deutschland. Wir haben also noch Zeit, einen Zwischenstop auf halbem Wege im Tsavo-Nationalpark einzulegen.

Nachdem wir unsere elektronische Post und die letzten Einkäufe erledigt haben, machen wir uns ausgerechnet zur mittäglichen Rush-Hour auf den Weg nach Süden. Die Polizisten an den Kreuzungen führen einen verzweifelten Kampf. Wenn sie nicht einen Stock mit einer Metallspitze hätten, mit dem sie manchmal auf die Motorhaube allzu aggressiver Autos hauen, müssten sie kapitulieren. Boxkampf auf Rädern. Wer zuckt hat verloren.

Wir zucken regelmäßig zurück, doch nach einer Stunde Abgaskur sind wir endlich draußen. Dann folgt eine sehr schöne breite Asphaltstraße mit Unmengen von großen Lkws, meistens dicken Mercedes-Sattelschleppern. Über den Hafen von Mombasa wird nicht nur Kenia, sondern ganz Ostafrika an den Weltverkehr angeschlossen. So viele Autos wie heute haben wir seit Jahren nicht mehr überholt. Und dabei keine einzige durchgezogene Linie überfahren!

Die Straße führt über viele Kilometer durch den Tsavo-Nationalpark. Doch dank des Verkehrs machen sich Tiere ziemlich rar.

Am Abend, pünktlich zum Sonnenuntergang, treffen wir in Voi am Eingang zum östlichen Tsavo-Nationalpark ein. Die Lodge heißt Red-Elephant-Lodge. Warum, werden wir morgen erfahren. Sie macht jedenfalls einen sehr angenehmen und gepflegten Eindruck und auch das Personal ist erstklassig. Wir sind die einzigen Gäste, deshalb ist das Restaurant leider geschlossen.

Direkt hinter der Lodge beginnt der Nationalpark. Doch ein Zaun ist ja keine wirklich sichere Sache, deshalb schauen am Abend und in der Nacht regelmäßig Wächter, die hier Askaris heißen, bei uns vorbei. Zwei mit Speeren bewaffnete Massai. Inwieweit sie ein wirklicher Schutz sind oder nur eine folkloristische Deko, können wir nicht entscheiden. Jedenfalls fühlen wir uns gut beschützt.

Wir sind noch nicht sicher, ob wir morgen in den Nationalpark fahren sollen oder weiter nach Mombasa. Wir werden wohl noch Mal mit den Leuten von der Lodge reden, vielleicht können die uns einen Tipp geben.

Dienstag, 1.9.09 (Red Elefant Lodge, Voi):  Nach dem Frühstück unterhalten wir uns mit dem Lodge-Manager. Er gibt uns die dringende Empfehlung, einen Abstecher in den Park zu machen. Also los.

db_DSC06277Am Eingang hängen blanke Drähte von einem Querbalken bis knapp über die Fahrbahn. Sie stehen unter Strom und sollen die Tiere daran hindern, in das Dorf zu gelangen. Uns ist nicht sehr wohl, als wir da hindurch fahren, doch weder bleibt unser Dachträger dran hängen, noch kriegen wir einen gewischt. Bild 6277

Der Empfang im Park ist furios. Während Wolfgang bezahlt und Anette die Scheiben db_DSC06284am Auto sauber macht, klauen die Affen unser Brot und einige Muffins aus dem Auto. Das ist doch kein Affenbrot!

Schon nach ein paar Kilometern auf einer der breiten Pisten wird klar, warum die Lodge “Red Elephant” heißt. Hier sind die Elefanten tatsächlich rot. Sie sind über und über in tiefroten Staub gehüllt, gegen die Sonne und gegen Insekten. Es sieht ganz unwirklich aus. Als Gemälde wäre es Kitsch.

Im Park sind nur sehr wenige Autos unterwegs, so dass wir die meiste Zeit ganz allein sind. Teilweise ist das Buschwerk so dicht, dass wir sehr vorsichtig fahren müssen, weil hinter der nächsten Kurve entweder ein anderes Auto oder ein Elefant stehen könnte. Wir treffen auf beides, aber vor allem wegen Letzterem ist uns nicht ganz wohl.

db_DSC06294Das Nahrungsangebot für die Pflanzenfresser ist zur Zeit extrem spärlich. Es gibt kaum Grün und die Flüsse sind fast alle ausgetrocknet. Um trotzdem bei Kräften zu bleiben, ziehen die Elefanten die Rinde der Bäume und Sträucher ab. Da sind zwar auch nicht viele Nährstoffe drin, aber es füllt den Magen. Da dies die meisten Pflanzen aber nicht besonders lieben, wehren sie sich mit nadelscharfen Dornen. Nach dem verlorenen Kampf ist der Boden zentimeterdick mit den spitzen Resten übersät. Und die Pisten führen zuweilen mitten durchs Schlachtfeld!

In einer Matschkuhle suhlt sich das letzte Nilpferd. Wenn weiterhin der Regen ausbleibt, wird es entweder vertrocknen oder den langen und gefährlichen Marsch flussabwärts zum einzigen ganzjährigen Gewässer antreten müssen. Drei Monate später erfahren wir, dass hier eine der schlimmsten Dürren Ostafrikas zahllose Opfer fordert, auch unter den Menschen.

Trotz der Trockenheit ist es eine beeindruckende Landschaft. Pures afrikanisches Klischee.db_DSC06300

Mitten durch die ausgedörrte Landschaft fließt der Tsavo. Allerdings bildet er kaum grüne Zonen entlang des Flusses, sondern die Steppe geht unvermittelt in die braune Brühe über. Trotz reichlich Wasser also auch hier kein angenehmer Lebensraum für Tiere. Aber immerhin haben wir das seltene Schauspiel eines Wasserfalls in der Steppe.

Neben den zu erwartenden Tieren, also Elefanten, Büffeln, Giraffen und Zebras, laufen uns viele Antilopen über den Weg. Ungewöhnlich viele Dikdiks (afrikanische Bambis mit großen Kulleraugen) und db_DSC06320ein paar Tiere, die wir noch nie gesehen haben: Giraffengazellen. Sie sehen wirklich aus wie eine Mischung aus den beiden Namensgebern. Was man ja nicht immer behaupten kann, bei Ameisenlöwen zum Beispiel.

Der lange Hals hat den gleichen Zweck wie bei Giraffen, sie kommen db_DSC06336da hin, wo die anderen nicht hin kommen.

Der rote Boden ist bestens geeignet, Wellblech von der allerfeinsten Sorte zu bilden. Über viele Kilometer wackelt das Auto leise vor sich hin, sofern man sehr langsam fährt. Ab 30 Stundenkilometern wird’s furchtbar.

Nach dem dornenreichen Weg kollabiert einer der Reifen, lässt sich aber mit ein bisschen Druckbeatmung überreden, noch bis zum Camp durchzuhalten.

Das Restaurant hat heute zwar geöffnet, aber nicht viele Gäste. Eigentlich keine, außer uns. Es ist sicher keine ganz gute Idee, einzige Kunden eines Restaurants zu sein. Man muss lange warten, ehe die Küche funktioniert und die Auswahl ist eher spärlich. Aber egal, wir hatten heute keine Lust, selber zu kochen.

Mittwoch, 2.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Die letzten 200 km. In Mombasa wollen wir ‘mal vorfühlen, wie es mit einem Container zum Unterstellen des Busses aussieht, denn wir kommen ohnehin am Hafen vorbei.

Kurz vor Mittag erreichen wir die Stadt und landen auch gleich den Hafen. Überall sind Container gestapelt, da wird doch wohl einer für uns dabei sein. Bei einer Firma mit besonders hohen Stapeln fragt Wolfgang sich durch. Es ist etwas mühselig, denn die drohende Mittagszeit lenkt die Dynamik der Mitarbeiter in eine ganz andere Richtung. Schließlich erbarmt sich ein Manager, wir unterhalten uns nett, doch dann gesteht er, dass sie gar keine Container vermieten. Nur verkaufen. Wir könnten ja einen mitnehmen.

Er nennt uns eine Spedition in der Nähe. Deren Name kommt uns bekannt vor, wir haben ihn vorhin neben der Straße gelesen. Interfreight.

Immerhin haben wir jetzt ein Gefühl für die Mietpreise, denn wir haben erfahren, dass sich die Firmen die Container gegenseitig für 150 US$ im Monat verleihen. Dann müssen wir wohl mit dem Doppelten rechnen.

Auf zu Interfreight. Es ist zwar Mittag, aber der Manager hat Zeit. Sie seien eigentlich eine Kaffeespedition, doch zuweilen machen sie auch andere Dinge (z.B. Feuerwehrautos importieren, wie man zur Zeit sehen kann). Wahrscheinlich können sie uns auch einen Container vermieten, doch dazu müssten wir in der Zentrale nachfragen.

Er beschreibt den Weg in die Innenstadt, doch Wolfgang begreift gar nichts. Wir waren ja noch nie da. Außerdem haben wir weder eine Karte, noch kennt der Manager die Straßennamen. Doch wozu haben wir einen Laptop mit Google-Earth (das wird nicht jeder kennen, ist eine gigantische Satellitenbilder-Datenbank, mit der man in jeder beliebigen Höhe über jeden Punkt der Welt fliegen kann). Auch über Mombasa. Zwar braucht man dazu normalerweise einen schnellen Internetanschluss, doch wir haben uns schon in Deutschland die Luftbilder von den wichtigsten Städten herunter geladen.

Die Leute von der Spedition sind schwer beeindruckt und finden sich in ihrer Stadt sofort zurecht. Doch genau über der Zentrale der Spedition liegt eine große Regenwolke. Also war’s doch nichts. Wenigstens wissen wir jetzt, in welchem Viertel wir suchen müssen.

Wir finden die Spedition auf Anhieb. Da Mittagszeit ist, sind die Büros wie ausgestorben. Wir schildern der Empfangsdame unsere Frage, sie schiebt die Unterlippe vor und senkt die Mundwinkel. So etwas hätten sie noch nie gemacht. Zufällig sieht sie draußen auf dem Parkplatz ihren Chef nach seinem Fahrer suchen und ruft ihn herbei.

Wir schildern ihm unser Problem und seine Augen kriegen etwas Wehmütiges. Ach ja, mit so einem Auto wäre er früher auch durch Afrika gefahren. Er ist Schweizer, lebt schon sehr lange hier und ist der Chef der Spedition. Er lässt seinen Fahrer weiter Mittagsschläfchen machen und wir unterhalten uns über Gott und die Welt. Schließlich sagt er: “Mit dem Container finden wir auch eine Lösung!” und bittet seinen Abteilungsleiter, die Details mit uns zu klären. Für monatlich 150 US$ bietet er uns Container, Stellplatz und Bewachung an. Wir schlagen ein und suchen gar nicht erst nach Alternativen. Es ist zwar nicht gerade billig, doch die Spedition macht einen sehr ordentlichen und Vertrauen erweckenden Eindruck.

Wir haben angenommen, dass uns das Containerthema ein paar Tage beschäftigen wird, denn von Europa aus haben wir nichts zu Stande gebracht. Jetzt ist nach drei Stunden alles erledigt.

Anette hat in unserem Reiseführer etwas von einem von Behinderten geführten Betrieb mit Werkstätten und Restaurant gelesen. Das liegt genau in unserer Richtung und wir haben ohnehin Hunger.

Die Anlage hört auf den schönen Namen “Bolongololo“ und ist offensichtlich auf touristische Serienfertigung ausgelegt, vor allem beim Essen. Zwei Drittel der Speisekarte sind nur Platzhalter, so dass wir schließlich nichts mehr auswählen, sondern fragen, was denn da wäre. Immerhin reicht es für einen Imbiss.

Vermutlich muss jede Reisegruppe einmal während des Urlaubs dort gewesen sein, bevorzugt kurz vor der Rückreise. Da sind zwei Würmchen wie wir kaum attraktiv. Immerhin kommen wir beim Essen in den Genuss einer Tanzvorführung, weil eine große Zahl von Teilnehmern eines Kongresses hierher gebracht wurde. Ansonsten wendet sich das Essen und das Warenangebot eher an den unkritischen Urlaubskonsumenten, der vor dem Rückflug noch schnell das restliche Geld los werden möchte.

Irgendwie haben wir bei dem Betrieb ein ungutes Gefühl. Das Mitleid mit den Behinderten wird sehr aggressiv vermarktet und wir sind nicht sicher, ob das tatsächlich mehr als eine Verkaufsmasche ist.

Unser Camp für die nächsten Tage liegt noch 15 km weiter stadtauswärts in einem Dorf an der Küste. Leider übersehen wir die kleine Stichstraße und müssen uns wieder einmal durchfragen. Mehr zufällig sehen wir schließlich das kleine Schild an der Wand. “Edelweiss”

Der Name ist kein Zufall. Hedi, die Besitzerin, kommt aus der Schweiz und wollte als Rentnerin noch einmal ‘was ganz Neues anfangen. Ulli ist aus dem Rheinland nach Kenia ausgewandert und die beiden haben eine wunderschöne Lodge mit viel Grün, einigen Chalets, einem sehr schönen Swimmingpool und einem großen Platz für Camper aufgebaut. Gut bewacht von drei Hunden! Hier kann man es ein paar Tage gut aushalten. Wir fühlen uns vom ersten Augenblick an wohl bei den beiden.

Donnerstag, 3.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Die letzten Tage waren aufregend genug, heute ist das Gegenteil am Swimmingpool angesagt. Und abends sitzen wir mit Hedi und Ulli am Grill.

Freitag, 4.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Die beiden müssen für ihre Angestellten und Gäste Großeinkauf auf dem Gemüsemarkt machen. Wir fahren mit.

Der Markt ist riesig. In den Hallen und vor allem auf den Freiflächen wimmelt es von Menschen und Möhren. Oder Kunden und Kürbissen. Obst und Gemüse jeder Art.

Am Eingang werden wir von zahlreichen wild gestikulierenden jungen Männern umringt und Hedi wählt zwei als Träger aus. Offensichtlich will sie größere Mengen einkaufen. Ulli wird am Auto warten, um die Sachen in Empfang zu nehmen.

db_DSC06379Es ist extrem chaotisch. Scheinbar. Überall rufen Leute, liegen Früchte kreuz und quer, hasten Träger. Doch es funktioniert. Die Leute sind laut und fröhlich und wir “Musungus” werden fast wie alte Freunde begrüßt. Hedi steuert zielsicher die richtigen Stände an und kauft mal 20 kg Möhren, dann 30 kg Kartoffeln, Melonen, db_DSC06367Salat, Bohnen. Es gibt hier alles, was aus Pflanzen gemacht wird.

Bei größeren Mengen wird grundsätzlich gehandelt. Hart, aber nicht verbissen. Da viele der Händler keine Schule besucht haben, hilft ein Handy beim Rechnen. Die beherrschen die Grundrechenarten und den Kunden wird einfach nur die Anzeige hingehalten.

db_DSC06390Immer, wenn einer der Träger voll beladen ist, wird er zum Auto zurück geschickt. Manche Säcke sind so schwer, dass wir sie kaum noch anheben können.

Nach diesem beeindruckenden Gemüsemarkt folgt noch ein Besuch in einem dieser hypermodernen Supermärkte. Kein Unterschied zu Europa. db_DSC06384Die Frauen findet man bei Lebensmitteln und Bekleidung, die Männer im Baumarkt.

Auf dem Rückweg ist der Geländewagen voll bis unters Dach. Aber es gibt noch vollere Fahrzeuge.

Als Nachmittagsbeschäftigung beginnen wir damit, unseren Bus durchzuchecken und die Koffer zu packen, denn Anette wird übermorgen das Weite suchen. Dann folgt eine Woche Nachsitzen für Wolfgang.

Samstag, 5.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Da wir ohnehin unsere Flüge rückbestätigen müssen, fahren wir zum Flughafen. Auch um sicher zu sein, dass wir uns morgen früh auf dem Weg dorthin nicht verfransen.

Auf dem Rückfahrt landen wir in einem Schnitzerdorf. Hier kann man den unzähligen Handwerkern über die Schultern schauen. Und natürlich das Ergebnis ihres Tuns erwerben.

Wir sind in Kauflaune. Wie das halt so ist, kurz vor dem Rückflug.

Sonntag, 6.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Um sechs Uhr klingelt der Wecker, um sieben läuft der Motor. Wir kommen trotz morgendlichem Verkehrschaos gut durch und Anette pünktlich in die Luft.

Ab jetzt ist Autoreparatur angesagt. Das beginnt schon auf der Rückfahrt vom Flughafen. Es ist zwar Sonntag, doch selbstverständlich haben die Werkstätten offen und wir kurz darauf wieder geschlossene Löcher in zwei Reifen.

Montag, 7.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Nach einer gründlichen Autowäsche von oben und unten geht es heute an die Stoßstangen. Die müssen dringend gebügelt werden, der häufige Bodenkontakt ist nicht spurlos an ihnen vorüber gegangen. Sie wehren sich zwar gegen Faltenlosigkeit, haben Hammer und Schraubstock auf Dauer aber nichts entgegenzusetzen. Dann kommt noch eine neue Fassade drüber und am Abend hängt die erste der beiden im Baum zum Trocknen.

Die unangenehmste Erkenntnis des Tages: unser Bus ist endgültig einer zahlenmäßig weit überlegenen Besatzungsmacht in die Hände gefallen. Egal, was man hoch hebt, überall sitzen Ameisen darunter. Kaum hat man sie entdeckt, flitzen sie ins nächste Versteck. Mehr als ein halbes Dutzend erwischt man selten.

Wenn es mit Gewalt nicht geht, dann eben mit List und Tücke. Ameisen reagieren bei Erdbeben fast wie Menschen: schnell raus ins Freie. Unser Erdbebensimulator (vulgo: Faust auf Karosserie) ist ziemlich erfolgreich. Sie kommen überall aus den Ritzen und ehe sie den Trick durchschaut haben, sind sie platt. Diejenigen, die schlechte Erfahrungen mit dem Beben gemacht haben, können ihr Wissen nicht mehr weitergeben und die anderen fallen nach zehn Minuten wieder drauf rein.

Ob es nun wirklich die Erdbebenangst ist oder nur schlichte Neugier, wir wissen es letztlich nicht.

Dienstag, 8.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Beim Abbauen der hinteren Stoßstange fällt auf, dass die Gummileiste nur noch aus alter Anhänglichkeit dran ist. Sämtliche Befestigungen sind der braunen Pest zum Opfer gefallen. Da werden wir im Organhandel wohl nach Ersatz fahnden müssen.

Die hintere Stoßstange ist zwar nicht so verbeult wie die vordere, dafür hat sie der Dauersteinschlag der Hinterräder zermürbt. Außerdem haben die zurückprallenden Geschosse unsere Karosserie von hinten großflächig mit Akne überzogen. Hier muss die Lackierpistole ran. Doch das macht ja keinen Sinn, wenn es nach 100 km wieder genau so aussieht wie vorher. Es sei denn, wir hindern die Steinchen an ihrem unwürdigen Spiel.

Der Nachmittag geht damit drauf, ein paar Alubleche zurecht zu schneiden und zu biegen, die das Fahrzeug im Bereich der Stoßstange von unten dicht machen. Jetzt wird der Steinschlag ohne Widerstand nach hinten hinaus geleitet (wo hoffentlich kein anderes Fahrzeug zu dicht auffährt).

Während der Montage der Bleche muss Wolfgang unterm Auto liegen. Plötzlich ein leises Geräusch hinter seinem Kopf. Er dreht sich um und schaut Nase an Nase in die Augen des jüngsten Hundes. Anetttäää! Doch er hat die Situation ganz heldenhaft selber bereinigt.

Mittwoch, 9.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Heute wird nichts geschraubt, sondern der kenianischen Rechtspflege bei selbiger zugeschaut. Wolfgang hat die Möglichkeit, mit jemandem nach Mombasa zu einer Zeugenaussage vor Gericht mitzufahren. Wir brechen relativ früh auf, damit wir trotz morgendlicher Rush-Hour nicht zu spät kommen.

Rush-Hour heißt: jeder haut jeden, unser Reptiliengehirn übernimmt die Regie. Egal, wo sich eine freie Stelle ergibt, man muss sofort hereinstoßen, wenn man vorankommen will. Während wir überholen und uns gerade 10 cm Vorsprung erkämpft haben, macht es “Pling” und nichts geht mehr. Wir verlieren das Rennen auf unwürdige Weise, denn das Schaltseil ist gerissen. Kein Gang geht mehr rein. Mit vereinten Kräften schieben wir den Geländewagen an die Seite, bauen eine Verkleidung ab und haben das Problem in der Hand. Schnelle Reparatur ausgeschlossen.

Es bleibt nur die Suche nach einem Matatu, einem Sammeltaxi. Wir haben Glück und finden eines, das hier seine Fahrt in die Stadt beginnt. Die beiden Plätze vorn neben dem Fahrer sind die besten. Für einen halben Euro dürfen wir auf den nächsten 15 km dem Meister beim hinterlistigen Wettkampf zuschauen. Rechts über holen, links überholen, abdrängeln, ausbremsen, abkürzen durch den Straßengraben, Fußgänger zur Seite hupen. Das volle Programm. Nach ein paar Minuten haben wir den Zeitverlust durch die Panne längst wett gemacht und genießen das Schauspiel. Auch ein kurzer Stopp durch einen Polizisten hält uns nicht auf. Er moniert, dass wir statt der erlaubten 14 Leute knapp 20 drin hätten. Doch die kleine Meinungsverschiedenheit wird durch einen freundlichen Händedruck aus db_DSC064051der Welt geschafft, während gleichzeitig ein kleines buntes Zettelchen den Besitzer wechselt.

Am Stadtrand steigen wir in ein Tuktuk um. Eine andere Waffe im gleichen Kampf. Viel kleiner, nur für drei Passagiere. Eine Blechdose auf drei Rädern mit einer Hand voll Motor. Doch die Fahrer sind mindestens so wagemutig wie die großen Brüder. Auch Bürgersteige sind kein Tabu, denn die Dinger sind unglaublich wendig. Das Fahren hat viel Ähnlichkeit mit einem Computerspiel.

Wir sind einige Minuten zu früh im Gericht. Es ist weder klar, wo die Verhandlung statt findet, noch, ob sie heute überhaupt eröffnet wird. Man hat wohl Zweifel, ob der Richter Lust hat. Und so scheint es allen anderen Verhandlungen auch zu ergehen.

Lange nach dem offiziellen Sitzungsbeginn sortieren sich die herumstehenden Leute auf die richtigen Säle. Da zum Luftaustausch die meisten Saaltüren offen stehen, kann man immer mal zuschauen, wie das Recht gepflegt wird. Jeder, der hinein oder heraus geht, verbeugt sich kurz mit dem Kopf zum Richter, während draußen vor der Tür die letzten Deals besiegelt werden, oft mit einem freundlichen Händedruck, bei dem erst der eine eine Faust hat, danach der andere.

Als Kulisse dieses Spiels sind die Wände mit großen Antikorruptionsplakaten dekoriert.

Unsere Verhandlung wird nach kurzem Durcheinander vertagt. Mit dem Tuktuk klappern wir noch ein paar Geschäfte auf der Suche nach neuen Schmutzfängergummis für unseren Bus ab. Wir werden fündig und lassen uns gleich weiter bis zum Auto bringen.

Wir haben ja gerichtsübliche Bekleidung an und können uns deshalb nicht einfach mal unters Auto legen, um das gerissene Schaltseil zu reparieren. Auch aus Ermangelung eines neuen. Doch es gelingt uns, den dritten Gang fest einzulegen. Wir können also die 10 km zur Lodge zurück fahren. Immer schön gemütlich.

Der Nachmittag gehört der hinteren Stoßstange. Die Nacht verbringt sie frisch lackiert in einem Baum hängend.

Donnerstag, 10.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Was lange hängt, wird endlich gut und ist kurz darauf wieder da, wo es hin gehört.

Am Nachmittag steht ein Besuch im Lagerhaus der Spedition an, um zu regeln, wie wir das mit dem Einstellen machen.

Unsere Wahl der Spedition war offensichtlich eine gute, alles macht einen sehr professionellen und gut organisierten Eindruck.

Auf dem Rückweg folgt noch ein kurzer Besuch bei einem indischen Händler, der bis heute neue Raglager für den Bus besorgen wollte. Und tatsächlich, er hat welche aus Nairobi herangeschafft. Ob es nachgemachte Billiglager sind oder ob sie eine ordentliche Qualität haben, lässt sich mit letzter Sicherheit nicht sagen. Der Laden macht jedenfalls einen ordentlichen Eindruck und wenn es überhaupt Lager gibt, dann ohnehin nur beim Inder.

Es ist schon erstaunlich, dass es die Leute immer wieder schaffen, die exotischsten Dinge aufzutreiben. Gewöhnungsbedürftig ist wie bei fast allen Indern, dass der Bereich, in den die Kunden kommen, wie ein Knast vergittert ist. Bei größeren Teilen ist es mitunter schwierig, sie durch das Gitter zu fädeln. Der Kunde als potenzieller Halunke. Na ja, die Inder sind ja auch keine Waisenknaben. Aber egal, bei ihnen funktioniert das Business wenigstens.

In der Lodge sind jetzt auch die beiden Rosenheimer eingetroffen, die wir in der Nähe der Gorillas kennen gelernt hatten. Sie wollen versuchen, von Mombasa nach Südost-Asien zu verschiffen. Wir haben den Eindruck, sie sind vorwiegend nach Afrika gekommen, weil sie das Leben in Europa satt hatten. Keine so tolle Voraussetzung. Sie erzählen vor allem von den Dingen, die bei ihnen unterwegs schief gegangen sind. Und sie haben wirklich viel zu erzählen. Ob sie ihren Teil zu den vielen Problemen beigetragen haben? Wer weiß.

Sie sind ihrer Linie treu geblieben, denn Monate später erfahren wir, dass es noch erhebliche Schwierigkeiten mit dem Auto und den Behörden gab, ehe sie Kenia Richtung Asien verlassen konnten.

Freitag, 11.9.09 (Edelweiss, Kikambala):  Noch einen Ölwechsel gemacht, damit der Motor nicht mit ranzigem Öl im Container schläft. Und noch etwas Wichtiges: Dudu-Dust gekauft. Dudus sind die Bestien, die seit längerem das Regiment in unserem Auto übernehmen wollen. Und Dudu-Dust ist Ameisenmordpulver, klingt aber freundlicher. Das kommt im Container auf den Boden rund um die Räder und soll sie überzeugen, sich während unserer Abwesenheit fern zu halten.

Samstag, 12.9.09 und Sonntag, 13.9.09 (Container bei Interfreight, Mombasa):  Heute gilt’s: Koffer packen und Bus in den Container bringen.

Die erste Überraschung kommt nach dem Frühstück. Das Gepäck wiegt gerade mal 35 kg, deutlich weniger, als erlaubt wäre. Das ist uns in all’ den 15 Jahren noch nie passiert!

Nachdem sich Wolfgang bei Einbruch der Dunkelheit von Hedi und Ulli verabschiedet hat, geht es direkt ins 30 km entfernte Lagerhaus. Da die zweite Überraschung: alles ist wie versprochen vorbereitet: Container, Leute, Papiere, Rampe.

Perfekt!

Der Platz ist gut beleuchtet und bewacht und jeder Lkw-Fahrer, der seinen Kaffee-Laster abstellt, kommt auf ein Schwätzchen bei dem “Musungu” mit dem komischen Auto vorbei. Sozusagen von Trucker zu Trucker.

Es müssen noch ein paar Kleinigkeiten zur Reparatur in Deutschland abgebaut werden. Dann folgt noch ein letzter Check des Fahrzeugs von unten. Und die dritte Überraschung des Tages. Die Stoßdämpferaufhängung, die wir in Windhoek hatten schweißen lassen, ist wieder gerissen. An der selben Stelle. Da sind wir wohl doch zu heftig über eine Bodenwelle geflogen.

Weit nach Mitternacht rollt der Bus endlich in den Container und eine Stunde später ist er drinnen gefesselt wir seinerzeit Gulliver. Da der Container zum Lagern in die Höhe gestapelt wird, ist dasdb_DSC06481 nötig, damit der Bus nicht gegen die Containerwände schaukelt.

Es ist noch Zeit für eine Mütze voll Schlaf, ehe um sechs Uhr der Manager auftaucht, um den Container offiziell zu versiegeln. Nach dem letzten Papierkrieg wartet schon die Taxe zum nahe gelegenen Flughafen. Der Taxifahrer meint offensichtlich, das Geschäft seines Lebens machen zu können und verlangt mal schnell den dreifachen Preis. Kurz darauf folgt Überraschung Nummer vier. Wolfgang wird mit einem Kaffeelaster der Spedition zum Flughafen gefahren. Der Taxifahrer hat lieber gar nichts verdient, als auf den normalen - und bei Musungus sowieso überhöhten - Preis einzusteigen.

Im Lkw durch den Berufsverkehr ist nicht schlecht. Hier gilt ja: wer den größten hat, gewinnt. Unerwartet schwierig wird es erst, als der Lkw-Fahrer nicht weiß, wie man das mit den typischen Flughafen-Parkplätzen macht. Karte ziehen, Schranke auf, usw. So etwas hatte er noch nie gesehen. Ist aber kein wirkliches Problem und kurz darauf geht er mit einem fürstlichen Trinkgeld auf die Rückfahrt. Danke vielmals.

Die Maschine geht pünktlich raus und ist randvoll. Beim Start gibt es ein kurzes Unwohlsein, weil hier vor wenigen Jahren Islamisten versucht hatten, mit einer Rakete ein Flugzeug vom Himmel zu holen. Sie haben damals glücklicherweise vorbei geschossen. Heute wird vermutlich besser bewacht.

Die nächsten Stunden bis München waren problemlos und gar nicht spannend.

11.000 km in 3 Monaten. Ein paar Pannen, aber nichts Wesentliches. Viele Zufälle, viele schöne Erlebnisse. Der Motor ist laut Anzeige gut 300 Stunden gelaufen, das macht einen Schnitt von 35 km/h. So wenig war es noch nie.

Speziell unsere Zeit Uganda war ungewöhnlich intensiv und abwechslungsreich, im höchst positiven Sinne. Fast jeden Tag gab es unerwartete Ereignisse oder Schwierigkeiten, die aber alle zu angenehmen Lösungen führten.

Dieser erste Besuch war sicher nicht unser letzter.