Montag, 3.8.09 (Massai Campsite, Arusha): Beim Frühstück kommen wir mit zwei Berlinern ins Gespräch, die ebenfalls mit dem eigenen Auto unterwegs sind. Sie sind genau wie wir aus Ngorongoro und Serengeti abgehauen, weil sie die Preise unverschämt fanden. Wir bekommen einige Tipps zu Kenia und Uganda und können uns mit Tipps zum Süden des Kontinents revanchieren.
Dann geht es an unser Problemkind. Warum verhungert der Motor an der kleinsten Steigung? Gestern Nacht haben wir schon vermutet, dass er nicht genug Benzin bekommt. Heute Vormittag wird auch klar, warum. Der Benzinfilter ist bis oben hin voll mit Dreck, da kamen nur noch Tröpfchen durch. Glücklicherweise entpuppt sich der Dreck als Sand und nicht als Rost aus dem Tank. Da haben wir wohl beim Zapfen die letzte Pfütze von ganz unten bekommen.
Ein Ersatzfilter ist schnell eingebaut.
Während Anette im Supermarkt wieder mal ordentlich einkauft, fährt Wolfgang zum Tanken. Hier in Arusha soll es bleifrei geben, aber wo? Am Stadtrand wird er fündig.
Auf dem Weg zurück zum Supermarkt geht dann gar nichts mehr. Verkehrsunfall auf der Hauptachse durch die Stadt. Alles steht und die Taxi- und Kleinbusfahrer werden zunehmend nervös. Vermutlich machen ihnen ihre Fahrgäste Feuer. Inzwischen sind alle Spuren hoffnungslos verstopft. Die Polizisten stehen unbeteiligt am Straßenrand und warten ab, wie sich das Spiel entwickelt.
Der erste Kleinbus versucht, auf der Stelle zu drehen. Laut hupend drückt er sich zentimeterweise durch den Gegenverkehr auf den Bürgersteig der anderen Seite. Die frei gewordene Lücke nutzt gleich der nächste und da wir ja auch einen Kleinbus fahren, hängt sich Wolfgang einfach dran. Laut hupend bleibt er eng auf Tuchfühlung und tatsächlich kann der ganze Kleinbus-Konvoi nach einer halben Stunde Gedrängel über Bürgersteige und Gegenfahrbahnen in eine kleine Gasse abbiegen. Quer durch das Armenviertel geht es im weiten Bogen um den Unfall herum. Die Taxis fahren schon wieder ihre Rennen aus und es staubt gewaltig. Nur wenn die Wege all zu buckelig werden, müssen sie auf die Bremse, sonst fliegen ihnen die Fahrgäste wegen der defekten Stoßdämpfer durchs Dach. Das ist Wolfgangs Chance, denn wir haben ja Stoßdämpfer, und er kann etliche überholen. Laut hupend und mit dem Daumen nach oben, was lachend auf die gleiche Weise beantwortet wird.
Mit einer Stunde Verspätung trifft Wolfgang dann endlich am Supermarkt ein. Unsere Kompressorfanfare ist wieder ordentlich frei geblasen und viel lauter als zuvor. Und er muss sich wieder einen normalen Fahrstil angewöhnen.
Zum Abendessen tun wir uns mit den Berlinern zusammen und machen ein gemütliches Feuerchen.
Dienstag, 4.8.09 (Massai Campsite, Arusha): Wir haben bis jetzt fast 6000 km hinter uns, ein Drittel davon auf Piste. Das hat seine Spuren am Auto hinterlassen, jetzt ist ein Rundum-Service fällig.
Der Lenkungsdämpfer ist am Ende, doch ein neuer liegt auf dem Dach. Auch der Vergaser hat schon bessere Zeiten gesehen, ihm macht der Staub ziemlich zu schaffen. Beim Einbau läuft ziemlich viel Benzin aus. Ein Blick auf den Feuerlöscher sagt, dass wir jetzt sehr vorsichtig sein sollten. Er ist nämlich völlig druck- und nutzlos.
Dann noch Bremsen, Radlager und alles, was quietscht und klemmt, dann reicht’s für heute.
Mittwoch, 5.8.09 (Massai Campsite, Arusha): Jetzt haben wir endgültig beschlossen, wie wir nach Uganda fahren wollen. Nicht auf dem kürzesten Weg durch die Serengeti, sondern auf dem längsten über Kenia. Das spart uns nicht nur viele hundert Kilometer Piste, sondern auch 340 US$ an Transitgebühren. Der längere Weg ist fast komplett asphaltiert.
Auf einer Testfahrt wird schnell klar, dass der verstopfte Benzinfilter die Quelle des Übels war. An Steigungen, an denen wir vor einigen Tagen noch jämmerlich gescheitert sind, haben wir heute keine Mühe mehr.
Wir kaufen gleich noch zwei Ersatzfilter, denn dann fliegt der Filter vorm Reservetank auch gleich heraus.
Beim Einbau erweisen sich die neuen Benzinfilter als Fehlproduktion und große Mengen Benzin laufen aus dem Leck in den Innenraum. Es stinkt erbärmlich. Noch ein Grund mehr, unseren Feuerlöscher in Nairobi wieder zum Leben zu erwecken. Und ebenfalls ein Grund, heute nicht mehr zu kochen, sondern ins Restaurant zu gehen.
Donnerstag, 6.8.09 (Jungle Junction, Nairobi): Irgendwie kommen wir heute schwer in Gang. Dabei warten noch 300 km und der Grenzübergang nach Kenia auf uns.
Kurz nach Mittag sind wir endlich auf der Straße. Straße ist vielleicht ein wenig zu viel gesagt, denn wir müssen allein über 60 km mit einer Baupiste vorlieb nehmen. Der um den Mount Meru herum pfeifende Wind bläst uns dicke Staubwolken entgegen, so dass wir streckenweise wie im Nebel fahren.
Die Grenze ist problemlos, sofern es einem gelingt, die vielen Schlepper und Versicherungsvertreter erfolgreich abzuschütteln. Uns fällt allerdings auf, das die Abfertigung auf der kenianischen Seite ausnehmend freundlich und nett ist. Nicht, dass die Tanzanier unfreundlich wären, doch die Kenianer geben uns das Gefühl, wirklich willkommen zu sein.
Eine alte Frau, die von Auto zu Auto läuft und Glasperlenschmuck verkauft, schenkt Anette einen Ring, damit sich Anette an sie erinnert, wenn wir das nächste mal hier durchkommen (und dann hoffentlich etwas kaufen). Nichts Besonderes, aber überraschend, denn in letzter Zeit waren wir nur noch Give-me-Gesten gewohnt.
Kenia erscheint uns deutlich grüner als Tanzania und die Straßenkontrollen sind erheblich häufiger. Auf den 180 km bis Nairobi zählen wir sieben, alle korrekt und höflich.
Erst lange nach Einbruch der Dunkelheit treffen wir in Nairobi ein. Die letzten Kilometer waren furchtbar. Extrem schlechte Buckelpiste, viel Staub, viel Gegenverkehr, überall Leute auf der Fahrbahn. Und dann geht es von einer Sekunde zur anderen auf einer sechsspurigen Schnellstraße in die City. Die erste richtig große Stadt seit Johannesburg vor einigen Jahren.
Wir finden sehr schnell das Stadtviertel, in dem das Jungle Junction Camp liegen soll. Es ist der Treffpunkt aller Fernreisenden in Kenia. Doch so sehr wir auch kreuz und quer suchen, wir finden kein Hinweisschild. Mehrfach machen wir in Slums kehrt und entdecken schließlich zumindest den richtigen Straßennamen. Doch keinen Eingang. Erst als wir zum zweiten Mal an einem dunklen Tor vorbei rollen, ruft ein Einheimischer “Jungle Junction?” und zeigt auf den Eingang.
Dann wird uns aufgemacht und wir sind endlich da. Es ist schon nach 22 Uhr und alles schläft bereits. Kurz darauf wir auch.
Freitag, 7.8.09 (Jungle Junction, Nairobi): Beim Frühstück kommt der Besitzer vorbei. Christian ist Deutscher und schon seit vielen Jahren hier. Er betreibt unter anderem eine Motorradwerkstatt, in der irgendwann wohl jeder Motorradfahrer, der zwischen Kapstadt und Kairo unterwegs ist, aufkreuzt. Und auch viele Autoreisende lassen hier ihr Auto stehen, wenn sie nach Europa zurück fliegen. Leider hat er keine Container auf seinem Gelände, sonst wäre das für uns eine echte Alternative zu Mombasa, denn von hier kann man schnell mit dem Linienbus runter zur Küste.
Chris weiß natürlich, wo wir unseren Feuerlöscher nachladen lassen können, wo es eine gute Werkstatt für den Ölwechsel gibt und wo ein Shopping-Center ist. Der Feuerlöscher klappt heute zwar nicht mehr, sondern erst morgen, doch alles andere erledigen wir erfolgreich.
Auf dem Platz sind außer uns noch ein Dutzend Fahrzeuge und Motorräder aus aller Herren Länder. Deutschland, Holland, Frankreich, Großbritannien, Südafrika, Spanien, Schweiz. Es ist wirklich ein buntes Völkchen, von sehr sehr jung bis älter als wir, von Motorrad mit Zelt bis High-Tech-Luxus-Wohn-Lkw, von Greenhorn bis Alles-auf-der-Welt-schon-erlebt. Im Aufenthaltsraum, in der Küche oder abends beim Barbecue kommen wir mit vielen von Ihnen ins Gespräch. Unter anderem mit einer netten Familie aus dem Schwäbischen, die einerseits hier in Kenia Urlaub macht und andererseits am Ende der Reise ihre Töchter für fünf Monate als freiwillige Helfer in ein Kinderheim in Kisumu, der drittgrößten Stadt Kenias, bringt.
Auch zwei Motorradfahrer, die gerade aus Kairo durchgekommen sind, versorgen uns mit guten Informationen, so unter anderem über den Massai Mara Nationalpark, die nördliche Fortsetzung der Serengeti.
Samstag, 8.8.09 (Jungle Junction, Nairobi): Der Feuerlöscher-Service hat am Samstag-Vormittag geöffnet, vielleicht haben wir ja Glück.
Wir müssen quer durch die noch ziemlich verschlafene Stadt und finden das Geschäft auf Anhieb. Da wir noch vor Ladenöffnung da sind, kommen wir gleich als erste dran. Zunächst heißt es, dass sie keinen Adapter für unser System hätten, doch dann lassen sie einen Fachmann drauf schauen und der entscheidet, dass es doch geht. Wir sollen in einer Stunde wieder kommen.
Während wir noch warten, kommt auf der Straße unser Auto vorbei. Ein gelber Camper unseres Modells, sogar in richtig gutem Zustand. Da er nur ein paar hundert Meter weiter anhält, wetzt Wolfgang hinterher und fragt den Fahrer, wo er denn Ersatzteile für sein Auto bekäme. Der Besitzer ist Holländer, lebt hier als Missionar (was sonst?) und kennt sich nicht nur technisch gut aus, sondern auch die einschlägigen Geschäfte. Das bestsortierte Ersatzteilgeschäft ist gleich hier um die Ecke, natürlich ein Inder (was sonst?).
Tatsächlich ist der Laden gut sortiert und nach ein bisschen Messen und Suchen haben wir ein neues Kupplungsseil. Lenkungsdämpfer gibt es leider nicht und hintere Stoßdämpfer werden in Gold aufgewogen. Jedenfalls wollen sie für ein paar nicht verstärkte schon über 100 Euro haben, verstärkte müssten sie erst besorgen. Na, dann eben nicht.
Unser Feuerlöscher ist in der Zwischenzeit auch wieder löschbereit. Irgendwie ist es eine schreckliche Vorstellung, löschen zu wollen und dann festzustellen, dass der Löscher nur noch pfffft macht.
Sonntag, 9.8.09 (Jungle Junction, Nairobi): Heute schaffen wir es endlich, unsere Website hochzuladen. Die Verbindung ist extrem schnell, so dass wir gar nicht glauben wollen, dass die Übertragung schon fertig ist. Ist sie aber, denn Nairobi ist ja eine richtige Stadt.
Montag, 10.8.09 (Crocodile Camp, Massai Mara): Genug von Nairobi. Es ist uns zu wolkig, zu kühl und es hat zu wenig Tiere. Massai Mara wartet. Zum Nationalpark sind es von Nairobi aus gut 200 km, das meiste davon auf Asphalt. Also eine Übung für den Nachmittag.
Wir fahren ewig durch ärmliche Vororte. Je weiter wir vom Zentrum wegkommen, desto ärmlicher werden sie. Später erfahren wir, dass wir den größten Slum Afrikas und den zweitgrößten der Welt mit mehreren Millionen Einwohnern durchquert haben. Die Schattenseite des Großstadthochglanzes.
An einer Kreuzung übersehen wir eine abgehende Straße (die wir hätten nehmen sollen) und merken es erst nach einer halben Stunde! Mit Navigationssystem wäre das nicht passiert, doch so haben wir noch einen sehr schönen Ausblick runter in den Ostafrikanischen Graben genießen können.
Der Asphalt reicht weiter als gedacht, so dass es am Ende nur 50 km auf Schotter sind und wir rechtzeitig den Eingang des Nationalparks erreichen. Von hier sind wir nach einer Stunde wieder draußen, an einem anderen Ausgang, hinter dem ein nettes Camp liegen soll. Da die Eintrittsgebühren für 24 Stunden gelten, können wir auf das heutige Ticket morgen wieder in den Park fahren.
Die Preise in der Massai Mara sind vergleichbar zur Serengeti. Dort 140 US$, hier knapp 130. Doch der Gegenwert in der Massai Mara ist deutlich höher. Die Pisten sind gepflegt, man fährt nicht in einer riesigen Staubwolke, es sind weit weniger Fahrzeuge unterwegs und wir kommen uns nicht vor wie eine Nummer in einem Safari-Industriebetrieb, der nur die Gewinnmaximierung im Auge hat.
Unser Camp liegt direkt hinter dem Ausgang und wir haben einen sehr schönen Blick über einen kleinen Fluss in den Nationalpark. Am abendlichen Lagerfeuer genießen wir nicht nur einen schönen Sonnenuntergang, sondern auch ein gutes Stück Fleisch, dass wir aus Nairobi mitgebracht haben, und eine phantastische afrikanische Geräuschkulisse. Kein Vergleich zur Serengeti. Dort mussten wir auf einem vollen Parkplatz übernachten, es gab kein Wasser und folglich weder Duschen noch Toiletten. Hier wird extra für uns das Duschwasser angeheizt, wir bekommen Feuerholz gebracht und brauchen es nicht einmal selber anzünden. Selbst kühle Getränke sind zu bekommen. Sie werden in Ermangelung elektrischen Stroms mit feuchtem Toilettenpapier umwickelt und zum Kühlen in den Wind gestellt. Einfach nur guter Service. Zu einem Fünftel des Preises in der Serengeti.
Morgen werden wir dann mal sehen, wie’s mit dem Tierleben aussieht.
Dienstag, 11.8.09 (Crocodile Camp, Massai Mara): Wir sind relativ früh raus, jedenfalls früh für unsere Verhältnisse. Ohne Frühstück, denn dazu werden wir einen schönen Platz im Nationalpark suchen.
In der Massai Mara ist etwas erlaubt, was wir sonst nur als absolut verboten kennen: abseits der Pisten zu fahren. Überall muss man dafür hohe Strafen bezahlen, hier bleibt einem manchmal nichts anderes übrig, da die offiziellen Pisten nur einen kleinen Teil des Parks abdecken. Im Laufe der Zeit haben sich auf diese Weise zahlreiche Pfade kreuz und quer gebildet. Nach jeder Regenzeit sind ein paar weggespült oder zugeschüttet und neue werden gespurt. Langfristig ist das ganz gewiss keine gute Idee, denn die Touristenautos fahren gnadenlos überall hin und zerstören so Stück für Stück die Vegetation. Langfristig wird man auch hier dafür sorgen müssen, dass die Fahrzeuge sich an gegebene Wege halten. Es muss wirklich nicht sein, dass wegen einem Löwen dreißig Autos querfeldein fahren.
Die wilde Fahrerei hat noch einen anderen unangenehmen Seiteneffekt. Jede Wegekarte ist schon bei Drucklegung Makulatur. Man muss permanent Kilometerzähler und Kompass im Auge behalten, um nicht irgendwo verloren zu gehen.
Wir wollen uns heute das Gebiet östlich des Mara-Flusses anschauen, abends zu unserem Camp zurück, und morgen auf die Westseite, Transmara genannt, und dort abends aus dem Park heraus.
Wir tasten uns immer entlang des Talek, eines kleinen Flüsschens, dessen Wasser für üppiges Grün am Ufer sorgt. Es ist eine wirklich schöne Landschaft, links die endlosen gelben Hügel, in denen fein verteilt Gnus, Zebras und Gazellen drapiert sind, rechts der dichte grüne Uferbewuchs mit Vögeln und vielen Kleintieren. Und im Wasser natürlich Krokodile und Nilpferde.
Es macht Spaß, hier herumzufahren.
Hinter einer Furt sehen wir die ersten größeren Gnu-Herden. Hunderte von Tieren, die sich nicht davon stören lassen, dass wir neben ihnen Kaffee kochen und unser Frühstück genießen. Mit freiem Blick auf Giraffen, Eland-Antilopen, Warzenschweine und natürlich Gnus und Zebras. Das sind die Augenblicke, die uns in Erinnerung bleiben werden.
Bei der Weiterfahrt treffen wir auf immer mehr Gnu-Herden, Tausende von Tieren. Je genauer wir hinschauen, desto mehr werden es. Sie machen einen gelassenen und entspannten Eindruck, offensichtlich gibt es hier nur wenige Räuber und auch die wenigen Touristenautos sind nicht wirklich störend.
Eine Zeit lang fahren wir in größerem Abstand hinter einem Geländewagen her. Dann hält er an und wartet aus uns. Wir nahmen zunächst an, der Fahrer will uns etwas zeigen oder einen Tipp geben (was wir sehr oft erlebt haben), doch hier steigt ein kurzbehoster kniebestrumpfter blasser Weißer mit Lederhut aus und näselt mit gekräuselter Oberlippe auf britisch, dass diese Piste zu einem privaten Camp führe. Na und? Wir haben damit kein Problem. Er aber schon! Wir bedanken uns höflich für den freundlichen Hinweis und machen kehrt. Wahrscheinlich hat er seinen Gästen hinten im Auto gerade erklärt, wie gefährlich es hier sei und dass man selbst für den Weg auf die Toilette einen bewaffneten Führer bräuchte. Und dann kommen wir des Wegs, ohne Guide, ohne Bewaffnung, ohne Probleme, das ist schon ärgerlich.
Üblicherweise sind die Fahrer hier schwarz, sehr freundlich, gut informiert und hilfsbereit. Zuweilen im Gegensatz zu ihren Fahrgästen, die manchmal geschafft und staubig in ihren Sitzen hängen.
Hinter einem Waldstück stoßen wir auf eine große freie Wiese. Sooo frei ist sie nun auch wieder nicht. Sie steht voller Gnus, die uns leicht überrascht anschauen. Hinter der ersten Herde taucht die zweite auf und dann immer mehr Tiere. Egal, wo wir hinschauen, aus jeder Richtung gucken uns Gnus an. Wenn wir näher kommen, geht eine Gasse auf, die sich hinter uns langsam wieder schließt.
Vorhin fanden wir ein paar hundert schon viel, jetzt stehen Tausende vor uns und grunzen uns freundlich an. Es ist wirklich beeindruckend.
Am Nachmittag erreichen wir den Mara, der hier als kleines Flüsschen kein wirkliches Hindernis für die Gnus darstellt. Mit den darin wartenden Krokodilen sieht die Sache schon anders aus, doch die Gnus machen weit und breit keinerlei Anstalten, durch den Fluss zu gehen. Warum sollten sie auch, es gibt auf beiden Seiten genug Futter für alle. Die Krokodile müssen wohl noch ein bisschen warten, sie sind in dieser Zeit ohnehin überfressen.
Der Rückweg zum Ausgang gestaltet sich nicht ganz so einfach. Da es hier ja kein festes Wegenetz gibt, müssen wir uns über die nächsten 20 km mit dem Kompass durchschlagen. Grobe Richtung Nord-Nord-Ost. An jeder Weggabelung wird neu gepeilt, welche Richtung denn wohl die bessere sei. Manche Wege sind richtig breite Autobahnen, andere nur zwei schmale Spuren im hohen Gras. Bei der Fahrt über die weiten gelben Hügel begegnen uns immer wieder kleine Herden von Antilopen, auch ein paar Giraffen sind dabei und sogar Elefanten. Es ist eine ausgesprochen schöne Fahrt.
Nach einer Stunde treffen wir auf den Grenzfluss, an dem auch unser Camp liegt. Kurz darauf brennt das Lagerfeuer und wir lassen einen schönen Tag angemessen ausklingen. Ein richtig roter Sonnenuntergang, ein paar kalte Getränke, etwas zum Grillen und vor uns das Panorama der Massai Mara. Braucht man mehr?
Mittwoch, 12.8.09 (Massai Mara Viewpoint Campsite): Nach dem Frühstück brechen wir zur Westseite des Mara auf. Dort sollen riesige Herden von Gnus stehen, größer als alle, die wir bis jetzt gesehen haben. Dazu müssen wir den ganzen Weg, den wir gestern Nachmittag gekommen sind, wieder zurück und am Ende eine Passage durch einen trockenen Nebenfluss des Mara finden. Danach führt eine breite Piste zur einzigen Brücke über den Mara.
Auf dem Weg dorthin kommt uns plötzlich ein Traktor mit Anhänger entgegen. Auf dem Hänger liegen zwei große Weidenkörbe. Bei näherem Hinschauen stellen sich die Körbe als Gondeln von Heißluftballonen heraus. Hier kann man für viel Geld einen Flug über die Steppe mit anschließendem Champagnerfrühstück buchen. Es ist sicher ein toller Blick von da oben, zumal man ja nicht lange nach Tieren suchen muss.
Bei der Weiterfahrt sehen wir sogar eine Herde Elefanten über die Hügel ziehen. Ein für uns überraschender Anblick mitten in der endlosen gelben Weite.
Nach zwei Stunden sind wir endlich an dem gesuchten Flüsschen angelangt, durch das wir irgendwie hindurch müssen, wenn wir zur Mara-Brücke wollen. Die einzige Passage, die wir finden, ist ziemlich schmal und steinig und wir können sie nicht bis zur anderen Seite überblicken. Normalerweise würden wir die Strecke zu Fuß erkunden und könnten dann beurteilen, ob es geht oder nicht. Doch das verbietet sich hier wegen gewisser Tiere, die zwar mit Gnus vollgefressen sind, doch man weiß ja nie ...
Nachdem wir zwanzig Meter in die Passage hineingefahren sind, können wir die Ausfahrt auf der anderen Seite erkennen. Da haben wir keine Chance, hoch zu kommen. Extrem steil und felsig. Das geht nur mit Geländewagen und Berggang. Also alles wieder zurück. Doch das ist leichter gedacht als gemacht. Unser Auto steht ziemlich schräg und wir müssen über eine Felskante wieder zurück. Mit den Hinterrädern kommen wir zwar hoch, doch wenn die Vorderräder über die Felsen sollen, drehen die Hinterräder durch. Wir versuchen es unzählige Male, sowohl mit Schwung als auch mit Gefühl, aber wir bleiben immer wieder hängen. Es stinkt ziemlich nach verbranntem Gummi und auch die Kupplung fängt allmählich an zu qualmen. Außerdem haben wir schon zwei von unseren Schmutzfängern an den Felsen abgerissen. Und sind noch keinen Zentimeter voran gekommen.
Aussteigen ist jetzt auch kein Problem mehr, denn das Aufheulen des Motors hätte jeden Löwen in die Flucht geschlagen. Unsere Seilwinde wäre hier die ideale Lösung, doch wir können sie nirgends befestigen. Kein stabiler Baum und kein großer Felsen hinter uns.
Die Lösung naht in Form eines Geländewagens. Er kommt im Kriechgang von der anderen Seite zu uns herunter. Der Fahrer ist sicher, dass wir mit kräftigem Schieben da wieder heraus kommen. Wir sind skeptisch. Nach ein paar Versuchen sieht er ein, dass man zwei Tonnen nicht so einfach den Berg hinaufschiebt.
Wenn es mit Schieben nicht geht, dann geht es vielleicht mit Ziehen. Er bugsiert sein Auto an unserem vorbei durchs Gebüsch und hängt unser Abschleppseil an den Haken. Seine 200 und unsere 50 PS schaffen es nach ein paar Anläufen, über die Felsen zu kommen. Uff! Ohne fremde Hilfe hätten wir hier sicher noch eine Weile fest gesessen. Danke vielmals.
Seine beiden Fahrgäste sind die ganze Zeit über nicht ausgestiegen und haben uns nur etwas befremdlich bei der Arbeit zugeschaut. Und fotografiert. Zu Hause können sie dann berichten, dass sie uns im afrikanischen Busch vor dem Löwenfraß gerettet haben.
Der Fahrer erzählt uns noch, dass es ein paar Kilometer flussaufwärts eine bessere Passage gäbe. Denn wenn wir hier nicht durchkommen, kommen wir nicht zur Brücke und damit nicht auf die Westseite des Flusses, wo der Ausgang Richtung Uganda liegt. Alle alternativen Routen sind mit großen Umwegen verbunden.
Wir folgen jeder Spur, die Richtung Flüsschen führt, um zu sehen, ob wir da durchkommen. Nach mehrmaligem Umkehren haben wir es bis Mittag dann doch geschafft. Aus geplanten zwei Stunden ist ein halber Tag geworden.
Die andere Seite belohnt uns gleich mit zwei Geparden, die im Gebüsch dösen. Ein Stück weiter liegt ein vollgefressener Löwe ganz unmajestätisch auf dem Rücken, weil der Bauch einfach zu dick ist. Wir hätten ihn ja übersehen, aber hier in der Nähe der Hauptpiste muss man nur nach Fahrzeugansammlungen Ausschau halten, dafür gibt es immer einen Grund.
Jenseits der Mara-Brücke rollen wir auf einer guten Piste nach Norden. Dort sollen die wirklich großen Gnu-Herden stehen. Kaum biegen wir von der Hauptpiste ab, stehen wir mitten drin im Gewimmel. Gnus, wohin man auch schaut. Nicht nur Hunderte oder Tausende, sondern vermutlich Hunderttausende. Offensichtlich waren sie unten am Fluss zum Saufen oder sind sogar hindurchgewatet. Bei diesen Massen macht es auch nichts, wenn dabei ein paar in den Mägen der Krokodile landen. Das einzelne Gnu wird das wohl etwas anders sehen.
Rechtzeitig vor Sonnenuntergang fahren wir raus. Der Massai Mara Nationalpark hat uns sehr gut gefallen, nicht nur wegen der Tiere, sondern auch, weil wir das Gefühl haben, dass hier mit dem Geld, was wir bezahlen, etwas Vernünftiges gemacht wird.
Nachdem wir uns nach dem Verlassen des Parks noch einmal ordentlich verfahren haben, finden wir schließlich die richtige Piste. Aber kein Camp, so etwas scheint es hier nicht zu geben. Bleibt also nur, irgendwo im Busch zu übernachten. Auf der Suche nach einem ruhigen Eckchen sehen wir plötzlich einen großen Mercedes-Camper auf einer Wiese neben einem Dorf stehen. Ein extrem ungewöhnlicher Anblick hierzulande. Beim Näherkommen erkennen wir ein Rosenheimer Kennzeichen. Und tatsächlich sitzt ein Pärchen aus Rosenheim drinnen, die schon seit vielen Jahren zwischen hier und Namibia herumfahren. Seltsamerweise sind wir ihnen noch nie begegnet, obwohl uns ihr Auto sicher sofort aufgefallen wäre.
Donnerstag, 13.8.09 (Kinderheim, Kisumu): So überraschend, wie die Rosenheimer aufgetaucht sind, sind sie wieder weg. Wir sehen sie unten in der Massai Mara zu den Gnus fahren.
Eigentlich wollten wir da ja auch noch mal hin, denn unser Ticket gilt noch bis 9:00 Uhr. Doch wir haben wahrlich genug Gnus gesehen und verzichten darauf, die noch fehlende Million persönlich zu begrüßen. Statt dessen genießen wir ein Frühstück mit phantastischer Aussicht. Unten aus der Ebene schallt das Grunzkonzert der Gnus zu uns herauf, die Dorfbewohner schauen uns beim Essen zu und wir schauen dem Dorfleben zu, beides in höflicher Distanz.
Ein prüfender Blick ums und unters Auto bringt ein paar Öltropfen am linken hinteren Stoßdämpfer zum Vorschein. Kündigt sich da etwas an? Den rechten mussten wir ja bereits in der Serengeti austauschen, jetzt haben wir keinen mehr in Reserve.
Die weitere Piste ist zwar ausgewaschen, aber ganz gut zu befahren. An einer Gabelung sind wir unschlüssig, welchen Weg wir nehmen sollen. Da hält neben uns ein Geländewagen und der Fahrer signalisiert uns, dass rechts herum die bessere Alternative sei.
Ist sie auch, denn 30 km und gut eine Stunde später fängt ganz unerwartet Asphalt an. Sogar richtig feiner.
In der ersten größeren Stadt, Kisii, verfransen wir uns gewaltig. Es ist Markttag und es sind Massen von Menschen auf den Beinen. Nachdem wir uns durch den Markt im Schritttempo durchgearbeitet haben, stellen wir fest, dass sich die Straße in die falsche Richtung wendet. Das Ganze also wieder zurück, um nach einer anderen Ausfallstraße zu suchen. Wir finden eine, die in die richtige Richtung geht, doch an einer Tankstelle erfahren wir, dass es hier auch nicht weiter führt und wir statt dessen noch einmal durch den Markt müssen. Danach käme die richtige Abzweigung. Na ja, inzwischen sind wir auf dem Markt ja schon alte Bekannte.
Die weitere Strecke ist unspektakulär und am Nachmittag rollen wir in Kisumu ein. Die Stadt hat rund eine halbe Million Einwohner. Wir brauchen frisches Geld, zur Sicherheit neue Stoßdämpfer für hinten und noch ein paar Kleinigkeiten. Wenn das alles erledigt ist, wollen wir auf ein Camp in einem Waldschutzgebiet, 70 Kilometer hinter Kisumu.
Nach ein wenig Suchen finden wir die richtige Bank und deren Spielautomat schüttet wie gewünscht ein paar Scheinchen aus. Zudem gibt uns die junge Dame, bei der wir unsere Parkgebühren bezahlen, einen guten Tipp zu den Autoersatzteilen.
Wir finden auf Anhieb das Geschäft von einem Inder. Sein Großvater hat es in den fünfziger Jahren gegründet und aus dieser Zeit und später seien noch viele Teile da. Er geht mit Wolfgang ins Lager und dort gibt es tatsächlich einige Regale mit VW-Ersatzteilen. An der Dicke der Staubschicht kann man das Alter erahnen. Viele Kartons muss man erst einmal abschütteln, ehe sie etwas von ihrem Inhalt verraten. Der Inder weiß nicht, was alles wo in seinem Lager herumliegt, Wolfgang solle doch einfach die Regale durchschauen und herausnehmen, was er braucht.
Nach ein paar Minuten sieht Wolfgang aus wie das Lager. Mit Taschenlampe und Bandmaß bewaffnet stöbert er die Fächer durch und wird ein paar Male fündig. Bremsbeläge, Auspuffschellen, Lenkungsdämpfer, doch leider keine passenden Stoßdämpfer.
Wenn keine für den Bus zu finden sind, dann passen vielleicht andere? Dutzende von Kartons werden geöffnet, aber irgend etwas ist immer falsch. Zu lang, zu kurz, falsche Befestigung. Dann kommen zwei für den alten Peugeot 504 zum Vorschein, deren Länge genau richtig wäre, auch die Befestigung könnte man passend umbauen. Der 504 ist ein Zeitgenosse unseres Busses und war damals das Arbeitspferd in den französisch sprechenden Ländern Afrikas.
Leider sind die Dämpfer erheblich dicker und stabiler als unsere und es lässt sich nicht einwandfrei klären, ob der Bus genug Platz für die Dinger hat. Was tun? Mitnehmen und unter Umständen viel Arbeit beim Anpassen haben oder woanders weiter suchen?
Wir werden in Kisumu wohl kein zweites Geschäft wie dieses finden. Also sacken wir alles ein und müssen nur noch eine Werkstatt finden, die die richtigen Werkzeuge zum Umbau hat.
Außerdem erzählt uns der Inder, dass es in Kisumu einen Campingplatz gäbe und wir deshalb nicht noch die 70 km in den Urwald fahren müssten. Sehr gut, denn falls wir noch weitere Teile brauchen, müssen wir nicht so weit zurück fahren.
Die besagte Lodge liegt am Ufer des Victoria-Sees, ein paar Kilometer außerhalb der Stadt. Wir fahren die Piste mehrmals rauf und runter, doch wir finden sie nicht. Auch wiederholtes Nachfragen bringt uns nicht weiter. Etwas ratlos überlegen wir, doch noch in den Urwald zu fahren, denn in Kürze wird die Sonne untergehen. Da bemerken wir, dass in dem Geländewagen hinter uns heftig gewunken und gestikuliert wird. Es ist die schwäbische Familie, die wir schon in Nairobi getroffen haben. Sie sind auf dem Wege zum Abendessen in genau der Lodge, die wir suchen!
Wir folgen ihnen und stellen fest, dass wir schon ein par Mal daran vorbei gefahren sind. Lesen müsste man können!
Vom Manager der Lodge erfahren wir, dass die Campingmöglichkeit schon lange nicht mehr existiert, doch wir könnten auf dem Parkplatz übernachten und die Sanitäranlagen der Lodge mitbenutzen. Nicht gerade unsere Traumvorstellung, aber besser als zwei Stunden durch die Nacht zu gondeln.
Die Familie ist mit zwei Bekannten aus Kisumu unterwegs, Freddie und Selima. Er ist Deutscher, sie ist Kenianerin und zusammen betreiben hier ein privates Kinderheim. In diesem Heim wollen die Töchter der Familie für ein paar Monate arbeiten und heute ist das Abschiedsessen für die Eltern.
Freddie und Selima bieten uns an, auf ihrem Gelände zu übernachten. Wir nehmen gerne an, denn das ist sicherlich die schönere Alternative als der Parkplatz der Lodge.
Wir schließen uns ihrem Besuch des Restaurants der Lodge an. Auf diese Weise genießen wir noch ein nettes Essen beim Sonnenuntergang über dem Victoria-See.
Nach dem Essen fahren wir zehn Kilometer ins Kinderheim. Es liegt 500 m höher als die Stadt und es ist angenehm kühl. Die Umgebung ist, soweit wir das bei Nacht erkennen können, ziemlich grün.
Wir sitzen mit Freddie und Selima noch eine längere Zeit zusammen und erfahren viel Interessantes, aber auch Erschreckendes über Kenia.
Bis vor einem halben Jahr hat es in Kisumu noch blutige Auseinandersetzungen zwischen den beiden größten kenianischen Volksstämmen, den hier ansässigen Luo und den Kikuyu aus dem Großraum Nairobi-Kilimandjaro, gegeben. Jeder war sicher, dass der andere bei den Wahlen betrogen hat. Marodierende Luo-Banden sind durch die Slums von Kisumu gezogen und haben Kikuyu vertrieben oder ermordet, viele Gebäude niedergebrannt und geplündert. Kurz darauf haben Kikuyu das Gleiche mit den Luo gemacht. Kenia stand kurz vor dem Kollaps und hätte ohne weiteres in dasselbe Chaos stürzen können wie in den neunziger Jahren Ruanda. Jetzt wird Kenia von einer wackeligen Koalition der beiden verfeindeten Parteien geführt und die Machtbalance ist alles andere als stabil. Die Lunte am Pulverfass glimmt noch.
Internationale Untersuchungskommissionen haben versucht, die Drahtzieher auf beiden Seiten ausfindig zu machen, um sie vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu bringen. Noch sind die Ergebnisse geheim, doch in Kenia wird befürchtet, dass ranghohe aktive Politiker dabei sind, die sich einer Verhandlung durch erneutes Anstacheln eines Bürgerkrieges entziehen könnten. Das alles sind keine guten Aussichten für das Land.
Am Kinderheim von Freddie und Selima steht so etwas wie “Childrens Restauration Center”. In der Spitze werden hier bis zu 60 Kinder aller Altersklassen betreut. Viele von Ihnen Halb- und Vollwaisen von der Straße, mit teilweise schlimmen Lebenserfahrungen. Hier haben sie, zumindest vorübergehend, eine neue Heimat gefunden. Das Heim wird von einem gemeinnützigen Verein in Deutschland finanziell unterstützt, doch die beiden haben auch einen großen Teil ihrer Eigenmittel eingesetzt. Und vor allem sehr viel persönliches Engagement. Ganz anders als bei vielen professionellen Hilfsorganisationen, deren Mitarbeiter uns oft wie Spesenritter vorkommen.
Heute war schon ein ganz besonders verrückter Tag. Ein Tag voller Zufälle und am Ende viel Nachdenklichkeit.
Freitag, 14.8.09 (de Brazza Camp, Kakamega Forest): Schon früh am Morgen hören wir es hinterm Auto leise tuscheln. Die Kinder haben unser Auto entdeckt. Wir verstehen nicht, was sie flüstern, nur so viel: “Tuschel tuschel Germany tuschel tuschel Left Hand Drive”.
Nach dem Frühstück wollten wir eigentlich in den Kakamega Forest aufbrechen. Doch der kann noch ein bisschen warten, denn zuerst muss Anette den Kindern unser Haus zeigen und wäscht dann mit ihnen mit viel Wasser und mit noch mehr Händen den Dreck vom Bus. Während dessen geht Wolfgang mit David, der mal Ingenieur werden will, an den Umbau der gestern erstandenen Stoßdämpfer. Die beiden neuen Peugeot-Dämpfer müssen mit Teilen aus zwei alten VW-Dämpfern aufgerüstet und dann eingebaut werden. Es klappt wie am Schnürchen. Obwohl die neuen ja deutlich dicker sind, passen sie millimetergenau.
Anette hat inzwischen einige der Lebensgeschichten der Kinder erfahren. Die meisten sind Waisen oder Weggeworfene. So bezeichnet man hier Kinder, die weder von ihren Müttern noch von deren Familien gewollt und deshalb einfach ausgesetzt werden. Sie bekommen von den Findern einen traditionellen Namenszusatz. “Ich heiße Paula, die Weggeworfene!”. Kann man sich ein größeres Stigma vorstellen?
Solche Fälle gibt es zu Tausenden. Wenn sie viel Glück haben, landen sie in einem der Kinderheime, wenn nicht, in der Mülltonne. Es ist deprimierend zu erfahren, dass es keine wirkliche Lösung des Problems gibt. Die Mütter können kaum für sich selber sorgen oder haben Aids und sich aufgegeben, der kenianische Staat ist hoffnungslos überfordert, Verhütung wird kaum betrieben und die Zahl der Straßenkinder wächst und wächst. Sie werden vom täglichen Überlebenskampf erzogen und kennen statt Puppen und Bauklötzen nur Gewalt, Bettelei, Demütigung und Unterordnung. Hier werden Kindern Lebenserfahrungen zugemutet, die wir selbst als Erwachsene nicht machen müssen. Und sobald sie 15 oder 20 sind, wenn sie denn überhaupt so alt werden, sorgen sie für Nachschub an Weggeworfenen.
Ein Erfolg versprechender Weg, diese Spirale zu durchbrechen, scheint zu sein, den Kindern eine gute Ausbildung zu verschaffen. Damit können sie eines Tages auf eigenen Beinen stehen und selber entscheiden, welches Leben sie führen wollen. Und hoffentlich sorgen sie dafür, dass nicht noch mehr Wegwerfmenschen produziert werden
Ein Teil der Heimkinder wohnt auf dem Gelände, einige werden in Familien in der Umgebung betreut. Die Einbindung der Kinder in intakte Familien unter Beibehaltung der Unterstützung durch das Heim ist generell der bessere Weg.
Sie gehen, sofern sie alt genug sind, in die öffentlichen Schulen. Dort liegt die Klassenstärke schon mal bei 80 bis 100 Kindern, bei überforderten und unterbezahlten Lehrern. Sie erhalten deshalb im Heim noch einen zusätzlichen Förderunterricht.
Es ist in Kenia nicht unüblich, dass die Eltern von Schülern auf eigene Kosten Lehrer einstellen, da das öffentliche Schulsystem das, was es leisten soll, einfach nicht leistet oder leisten kann. Freddie und Selima haben deshalb in der Nähe des Heims ein größeres Gelände gepachtet, auf dem sie eine Schule einrichten möchten. Gebäude sind zum Teil schon vorhanden, müssen aber noch umgebaut werden. Als Zielvorstellung sollen hier alle Kinder des Heims und vielleicht noch weitere einen vernünftigen Schulunterricht bekommen.
Wir entscheiden uns, einen Lehrer, der auch noch weitere anleiten kann, zu finanzieren. Das kostet weniger als ein Tiefgaragenstellplatz in München und trägt vielleicht dazu bei, dass ein paar Menschen weniger weggeworfen werden.
Als wir uns verabschieden, sind wir immer noch hin und her gerissen zwischen den deprimierenden Lebensgeschichten und der Fröhlichkeit der Kinder. Der Kleinste, ein Weggeworfener, hängt an Anettes Beinen und will sie nicht wieder loslassen.
Ein paar Kilometer später passieren wir, ohne das wir es bemerken, den Äquator. Wir waren wohl im Kopfe noch zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt.
Am Kakamega Forest betreibt ein Dorf einen kleinen einfachen Campingplatz. Wir sind die einzigen Gäste. Zum ersten Mal in diesem Jahr regnet es. Wir verschwinden ziemlich schnell im Bus.
Samstag, 15.8.09 (de Brazza Camp, Kakamega Forest): Eigentlich sollte heute ein schlichter Putz- und Flicktag sein, doch schon zum Frühstück treffen immer mehr Leute auf dem Platz ein. Wir erfahren, dass in Kürze ein Politiker, der sich um einen frei gewordenen Parlamentssitz bewirbt, vorbei kommt und den Leuten erklären will, warum sie ihn wählen sollen.
In der Zwischenzeit dienen wir als Unterhaltungsprogramm. Aufmerksam wird aus der Distanz studiert, was wir da so machen und was es alles in dem komischen Haus auf Rädern gibt.
Schon nach drei Stunden kommen zwei Autos mit Leuten. Doch der erwartete Politiker ist nicht dabei, er hatte Wichtigeres zu tun. Trotzdem werden ein paar Reden geschwungen. Ab und zu sieht man, wie einer aus dem Tross des Politikers ein paar Leute zur Seite nimmt, in seine Tasche greift und jedem einen Geldschein in die Hand drückt. Hier haben die politischen Argumente ein paar Nullen. Fast wie bei uns. Oder werden bei uns die Nullen Politiker? Man weiß es nicht so genau.
Jedenfalls kommt die afrikanische Art der Wahlgeschenke ganz unmittelbar beim Wähler an und er kann auf einfache Weise entscheiden, welchem Politiker er am meisten wert ist.
Als wir etwas genauer auf die Wahlplakate schauen, stellen wir fest, dass er ohnehin von der falschen Partei kommt. Hier wird ziemlich streng nach Stammeszugehörigkeit gewählt und er hat einfach die falschen Eltern. Die Scheinchen hätte er sich wohl sparen können. Man sagte uns jedoch, er hätte genug davon.
Kurz darauf ist der Spuk vorbei und wir haben den Platz wieder für uns allein. Na ja, nicht ganz, denn ab und zu hört man es hinter der Hecke wispern, dann sitzen da ein paar Kinder des Dorfes und schauen zu, was die Musungus so machen. Und die machen jetzt tatsächlich Putz- und Flicktag. Wir müssen den Staub aus Wäsche und Wohnung kriegen und auch das Auto hat ein paar Blessuren zu kurieren. Damit wir selber nicht zu kurz kommen, versorgt uns ein Junge aus dem Dorf mit Milch, Eiern und Getränken.
Am späten Nachmittag trübt es sich ein, wie fast jeden Tag. Gerade noch rechtzeitig rollen wir unsere große Markise aus, dann fängt es an zu regnen. Nicht schlimm oder gar tropisch, wie man es hier erwarten könnte, sondern spärlich und ausdauernd bis spät in die Nacht.
Sonntag, 16.8.09 (Rock Classic Hotel, Tororo): Im Kakamega-Forest gibt es keine größeren Raubtiere, man kann also auch zu Fuß im Wald herumlaufen. Wir tun das auch ausgiebig. Es gibt hier viele kleine Wanderwege durch den Urwald. Sie sind sogar beschildert, so dass man sich nicht einmal verlaufen kann.
Oben in den Bäumen toben schwarz-weiße Colobus-Affen herum. Man hört Vögel und Insekten und es riecht feucht und modrig. Insgesamt laufen wir fast zehn Kilometer im Wald herum. Eine ganz neue Erfahrung für uns, denn bisher mussten wir uns ja zwangsweise immer im Auto bewegen.
Am Nachmittag brechen wir zur Grenze nach Uganda auf. Wir haben die Hoffnung, dass heute, am Sonntag, nicht so viele Lkws unterwegs sind und deshalb die Grenzabfertigung nicht ganz so lange dauert.
Um fünf sind wir da. Schon einige Kilometer vor der Grenze beginnt die Schlange der wartenden Laster. Die Fahrer scheinen sich auf einen längeren Aufenthalt eingerichtet zu haben. Wir rollen einfach daran vorbei, drängeln ab und zu den Gegenverkehr zur Seite oder, wenn der Gegner größer als wir ist, verdrücken uns zwischen die Lkws.
Die üblichen Schlepper und Geldwechsler warten schon auf uns. Doch ihre Geschäftsaussichten sind heute trübe.
Nach 25 Minuten ist die Kenia-Seite erledigt. Vielleicht haben wir ja Glück und schaffen auch noch die Uganda-Seite, denn hier ist angeblich um 18 Uhr Dienstschluss. Wenn’s nichts wird, schlafen wir halt an der Grenze. Es wäre ja nicht das erste Mal.
Zu unserer Überraschung arbeiten sie viel länger und wir werden selbstverständlich noch abgefertigt. Die Beamten sind ausgesprochen höflich, es wird viel gelacht und es ist überhaupt kein Problem, dass wir ohne fertige Papiere über die Grenze fahren, um in einem staubigen Dorf aus einem Geldautomaten lokale Währung ziehen. Ohne den Tipp von den Grenzern wären wir nie auf die Idee gekommen, dass es hier so etwas wie eine funktionierende Bank gäbe. Barclays Bank!
Nach Bezahlen der Visa und der Straßenbenutzungsgebühr haben wir alle Stempel und Formulare beisammen und dürfen fahren.
Eine Stunde später kommen wir an einem Hotel vorbei, von dem wir gelesen haben, dass man dort auch campen könne. Leider hat die Dame an der Rezeption davon noch nichts gehört. Trotzdem kein Problem. Wir dürfen auf einer großen Wiese stehen und die Duschen eines nicht belegten Zimmers benutzen. Ein Wachmann wird in unserer Nähe platziert. Wir sind sicher wie in Abrahams Schoß und genießen das Abendessen im Restaurant.
Uganda fängt gut an. Mal sehen, was uns noch erwartet.
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