Sonntag, 7.6.09 (München) und Montag, 8.6.09 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Es beginnt wie immer, dieses Mal allerdings ohne das flaue Gefühl, zu viel Gepäck dabei zu haben. Hoffentlich haben wir nichts schwer Wiegendes vergessen.
Der Start verzögert sich wegen eines Unwetters über München. Gerade vorgestern ist ein Airbus gleichen Typs über dem Südatlantik vermutlich wegen eines Unwetters abgestürzt. Deshalb beschwert sich auch niemand, dass es noch nicht los geht.
Der anschließende Flug ist problemlos und nach einem kurzen Intermezzo bei Anettes Verwandten muss nur noch der Bus zum Leben erweckt werden. Er erwacht kurz vor vier am Nachmittag und wenig später rollt Wolfgang in der Arebbusch Lodge ein, unserem fast schon traditionellen Startpunkt.
Dienstag, 9.6.09 bis Samstag, 13.6.09 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Es geht ganz gut vorwärts mit den Reparaturen. Der Riss in der Stoßdämpferaufhängung ist fachmännisch geschweißt und der Anlasser tut’s auch wieder. Bei dessen Zerlegung hatte sich am Samstag Nachmittag gezeigt, dass ein spezielles Teil ausgetauscht werden musste. In Deutschland hätte alles bis Montag liegen bleiben müssen. Nicht so in Windhoek. In einen Laden gegangen, 40 Eurocent auf den Tisch des Hauses gelegt und das Teil eingebaut. Fertig.
Sonntag, 14.6.09 bis Dienstag, 16.6.09 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Eigentlich wollte Anette heute hinterher geflogen kommen, doch ein Krankheitsfall in der Familie macht einen Strich durch die Rechnung. Umbuchung auf nächste Woche. Somit muss Wolfgang am Montag Morgen nicht um 6 Uhr aufstehen, um zum Flughafen zu fahren, sondern kann sich statt dessen um den gerissenen Längsträger kümmern. Insofern hat die verlorene Woche auch etwas Positives.
Am Dienstag Abend ist alles gerichtet, genauer: lochpunktgeschweißt, wie es der deutsche TÜV vorschreibt, denn irgendwann wird ja mal wieder das strenge Auge der Graukittel auf unseren Bus fallen.
Mittwoch, 17.6.09 bis Sonntag, 21.6.09 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Die hinteren Radlager und die Bremsen müssten mal wieder erneuert werden. Warum nicht sofort machen? Zeit wäre ja. Und die reicht auch noch für hundert weitere Kleinigkeiten.
Montag, 22.6.09 bis Freitag, 26.6.09 (Arebbusch Lodge, Windhoek): Anette ist mit einer Woche Verspätung schließlich doch in Windhoek gelandet.
Die folgenden Tage sind damit ausgefüllt, aus der chaotischen Ansammlung von Werkzeugen, Ersatzteilen, Gepäck und Dreck wieder ein bewohnbares Auto zu machen.
Es klappt. Schon nach einem Tag ist der Bus nicht wieder zu erkennen, nach zweien ist die Schmutzwäsche sauber, nach dreien alles eingeräumt und nach vieren sind die Tanks und Vorräte aufgefüllt.
Samstag, 27.6.09 (Ombo Restcamp, Okahandja): Ehe wir die letzten Dinge erledigt und uns verabschiedet haben, ist es schon später Nachmittag. Weit kommen wir zwar nicht mehr, aber es ist ein schönes Gefühl, endlich das gleichmäßige Brummen im Heck zu hören und zu wissen, dass es jetzt los geht.
Im Dunkeln kommen wir im Ombo Restcamp an, zwar nur 100 km hinter Windhoek, aber Welten entfernt von der Arbeit der letzten Wochen.
Sonntag, 28.6.09 (Roys Camp, Grootfontein): Heute wollen wir bis nach Rundu kommen, das sind gut 600 km. Wenn alles glatt läuft, sollten wir das schaffen.
Es läuft alles glatt, technisch gesehen, doch schon nach 400 km kriegen wir lange Augen. Wir sind die Fahrerei wohl noch nicht gewohnt und beschließen, für heute Schluss zu machen. Roys Camp kommt uns dazu gerade recht, denn es hat auch ein Restaurant.
Danach liegen wir ziemlich schnell in der Waagerechten.
Montag, 29.6.09 (Bum Hill Community Camp, Kongola): Es ist morgens einfach noch zu kalt, um mit Genuss draußen zu frühstücken. Da wir heute ein paar Kilometer vor uns haben, sind wir früh auf den Beinen und früh auf der Straße. Futter gibt’s erst, wenn die Sonne höher steht, nämlich an einem schönen Rastplatz mit Tisch und Stühlen Und Heizung von oben. Das finden wir erst um 11, es ist also eher ein Brunch.
Am frühen Nachmittag geht es über die Okavango-Brücke. Jetzt sind wir im Caprivi-Streifen, der mit seinen 350 x 30 km wohl den verrücktesten Wurmfortsatz eines Staates darstellt. Ein Erbe deutscher Kolonialpolitik.
Die Straße ist, wie immer, hervorragend und auf großen Verkehrszeichen wird eindringlich vor Elefanten gewarnt. Ha ha, von wegen Elefanten.
Doch plötzlich kreischt Anette “E-e-e-e-e-l-e-...”. Vollbremsung. Der Graue mustert uns und wir ihn. Kräftiges Kopfschütteln seinerseits, 20 m Rückwärtsgang unsererseits. Er hat verstanden, dass wir verstanden haben, dass er der Boss ist und trottet Äste kauend und hoch zufrieden über die Straße.
Fängt gut an.
Leider nicht für einen unserer Reifen, denn der wirkt plötzlich etwas luftlos.
Kurz darauf rollen wir im letzten Büchsenlicht in ein sog. Community Camp. Das sind Übernachtungsplätze, die von den Dörfern erreichtet und betrieben werden, meist mit Anschub aus der Entwicklungshilfe.
Dieser Platz liegt direkt am Kwando-River und ist sehr schön angelegt. Wir haben eine eigene Plattform auf Stelzen, von der aus man die breite Überschwemmungsebene überblicken kann. Vor kurzem hat der Fluss seinen höchsten jemals gemessenen Wasserstand gehabt. Nilpferde und Krokodile wird’s gefreut haben.
Strom gibt es nicht, doch die Dusche bietet heißes Wasser aus einem Solar-Wärmetauscher! Während man das Wasser genießt, kann man den Blick über die weite Schwemmebene schweifen lassen. Die Toilette bietet das gleiche Panorama.
Die Nacht ist ziemlich ruhig, nur manchmal unterbrochen vom tiefen Gegrummel der Nilpferde.
Afrika!
Dienstag, 30.6.09 (No Name Camp, Livingstone): Eigentlich wäre die Stelzenplattform ideal zum Frühstücken. Sie liegt jedoch noch im Schatten. Wir ziehen den Bus vor.
Zwei Stunden später sind wir in Katima Mulilo, der Caprivi-Hauptstadt.
Bei der Reparatur des Reifens stellt sich heraus, dass er komplett hinüber ist. Die Seitenwand ist innerlich gebrochen. Offensichtlich haben wir den Plattfuß nicht schnell genug bemerkt. Doch es gibt Ersatz, wenn auch ziemlich teuer. In Tansania oder Uganda dürften die Preise nicht besser werden. Also her damit.
Noch schnell die letzten Dinge einkaufen und die Tanks bis an die Halskrause füllen. Vor einem halben Jahr hat Benzin in Zambia mehr als das Doppelte wie hier gekostet. Bei 160 Litern, die wir an Bord haben, lohnt sich das.
Dann auf in den Kampf an der Grenze. Zambia ist nicht nur teuer, sondern es dauert auch ziemlich lange. Erste Schlange: 2 Visa, 100 US$. Zweite Schlange: Eintragung des Fahrers in das große Grenzbuch. Kostet nichts. Dritte Schlange: Carnet de Passage abstempeln lassen, damit wir keinen Zoll für das Auto bezahlen müssen. Kostet auch nix. Vierte Schlange, mit Sitzplatz: Carbon-Tax, eine kreative Idee der afrikanischen Finanzminister, um neben der hohen Benzinsteuer noch ein paar Nebeneinkünfte zu haben. 100.000 Kwacha, rund 15 Euro. Fünfte Schlange: Road-Tax, Straßenbenutzungsgebühr. Noch eine Finanzministeridee. 20 US$ nach längerer Verhandlung. Jetzt werden wir wie ein zweisitziger Pickup behandelt und nicht wie ein erheblich teurerer Minibus. Sechste Schlange, wieder mit Sitzplatz: County-Levy, eine Provinzsteuer. Die Provinzfürsten haben von den Finanzministern gelernt. 75 Rand, rund 7 Euro. Siebente und letzte Schlange: Haftpflichtversicherung. 56 US$ für drei Monate. Wenn wir Glück haben, dann können wir sie für die nächsten Länder gültig schreiben lassen.
Kaum sind eineinhalb Stunden vergangen, ist man fertig. Und um rund 160 Euro leichter. Der Ehrlichkeit halber muss man aber auch erwähnen, dass die Beamten immer korrekt und sehr freundlich waren. Aber die vielen Formulare dauern halt ...
Es sind noch 200 km bis Livingstone. Wir erinnern uns dunkel, dass es vor der Stadt ein Camp gab, vielleicht schaffen wir es noch bei Lichte bis dahin. Leider wissen wir weder, wo es war, noch wie es heißt, aber es war irgend etwas Deutsches dran. Aber was?
Hinter einem Hügel wissen wir es wieder: es steht ein Trabbi vorm Eingang.
Wir sind die einzigen Camping-Gäste. Es ist schon ziemlich kalt, wir sind ziemlich hungrig und haben ziemlich wenig Lust zu kochen. Doch wozu gibt es hier eine “German Bar and Grill”?
Da Stromsperre ist, kocht der Chef auf dem offenen Feuer. Er kommt aus Sachsen und hat die Lodge vor ein paar Jahren aufgemacht. Da es hierzulande keine Heizungen gibt, stellt man uns einen großen Eimer mit glühender Holzkohle hinter den Barhocker. Und vorne dampft ein Schnitzel mit Bratkartoffeln. Was will man mehr?
Der Trabbi vor der Tür hat eine besondere Geschichte. Mit dem ist man vor einigen Jahren dieselbe Route gefahren, die vor 100 Jahren das erste Auto von Ost- nach Südwestafrika genommen hat. Damals hat ein deutscher Offizier, Paul Graetz, mit einem speziell für ihn gebauten Auto das Kunststück fertig gebracht, von der einen deutschen Kolonialhauptstadt, Dar Es Salam, zur anderen, Windhoek, durchzukommen. Ohne Straßen, ohne Tankstellen, ohne Handy, ohne GPS. Es hat viele Monate gedauert und muss ein ziemliches Abenteuer gewesen sein. Heute geht das alles offensichtlich auch in einem Trabbi. Es lebe der Fortschritt!
Mittwoch, 1.7.09 (No Name Camp, Livingstone): Eigentlich wollten wir heute weiter an die Victoriafälle, doch unser Motor hat seit kurzem einen übermäßigen Durst - fast 16 Liter auf 100 km. Den müssen wir ihm erst einmal abgewöhnen. Die ganze Zündanlage wäre in Kürze ohnehin zur Überholung fällig gewesen, also ziehen wir das gleich hier durch. Neue Kerzen und Unterbrecher, Verteiler zerlegt, Luftfilter neu und alles penibel eingestellt. Fertig. Um es vorwegzunehmen: danach lag der Verbrauch wieder bei moderaten 11 Litern. Eine Diätkur kann so einfach sein.
Ansonsten ist heute ein ganz normaler Putz- und Flicktag, den wir abends an der Bar, natürlich mit glühender Holzkohle im Rücken, ausklingen lassen.
Donnerstag, 2.7.09 (Camp Waterfront, Livingstone): Zunächst brauchen wir Geld. Die Frage ist nur: Geldwechsler oder Bank? Alle sagen, die Geldwechsler hätten die besseren Kurse, doch bei uns ist es genau umgekehrt. Bei der Bank geht’s schnell, ist sicherer und wir bekommen deutlich mehr. Rein in die Bank mit 300 Euro, raus mit 2 Millionen. Leider nur Kwacha.
Die nächste Herausforderung: wir wollen die Haftpflicht-Versicherung, die wir für Zambia abgeschlossen haben, auch für die Nachbarländer gültig schreiben lassen. Dafür gibt es hier so etwas Ähnliches wie die Grüne Karte in Europa, nur in gelb. Wir finden das Büro auf Anhieb und es geht völlig unafrikanisch schnell und unkompliziert.
In Livingstone gibt es einen großen Spar-Supermarkt, sogar wie bei uns mit dem grünen Tannenbaum als Logo, obwohl den wahrscheinlich kaum ein Afrikaner als solchen erkennt. Leider ist die Auswahl zur Zeit ziemlich dürftig.
Auf dem Parkplatz machen wir das Geschäft unseres Lebens. Aus der Bank sind wir vorhin nur als Millionäre herausgekommen, auf dem Parkplatz werden wir zu Trillionären. Ein paar Jungs bieten uns die größten Banknoten der Welt an: 100 000 000 000 000 Dollar. Nein, keine selbstgedruckten, sondern ganz offizielle Zahlungsmittel. Leider nur in Zimbabwe. Der wirkliche Wert: Nullkommaüberhauptnix. Fast täglich hat man neue Nullen angehängt, solange, bis man vor wenigen Monaten die Währung komplett abgeschafft hat. Jetzt hat Zimbabwe kein eigenes Geld mehr und man zahlt in Dollar, Euro, Rand oder was auch immer. Mugabe hat den absoluten Inflations-Weltrekord geschafft, mehrere Millionen Prozent pro Jahr. Aber selbst das bringt ihn nicht zur Strecke.
Das eigentliche Geschäft machen die Jungs auf dem Parkplatz, denn wir legen ihnen für völlig wertlose 300 Trillionen Zim-Dollar echte 7 Euro hin. Aber das ist’s uns allemal wert.
Die Lodge an den Victoriafällen ist ziemlich voll mit Reisegruppen. Häufig junge Britinnen, die mit umgebauten Lkws durch Afrika zockeln, Overlander genannt und bei allen, die nicht jeden Abend Volldampf-Party brauchen, wenig beliebt. Doch die aufziehende Kälte sorgt für einen friedlichen Ausgang des Abends. Das haben wir schon ganz anders erlebt.
Wir kommen mit einem sehr netten älteren Herrn ins Gespräch, der, wie sich später herausstellt, der Sicherheitschef der Lodge ist. Er fragt uns nach dem woher und wohin und als er das Auto anschaut, will er nicht begreifen, dass das Ding schon 31 Jahre alt ist. Immer wieder fragt er ungläubig nach. 31 months? No, 31 years! Really years? Yes, years! Erst als wir ihm die Papiere zeigen, glaubt er es uns. 31 Jahre und noch fahrbar passt für ihn einfach nicht zusammen. Er hätte uns eher abgenommen, dass wir beide über 100 wären.
Im Laufe des Abends unterhalten wir uns noch über viele interessante Themen mit ihm, doch er kommt immer wieder mal auf das Auto zurück und schüttelt den Kopf.
Patrick, so heißt er, ist in einem kleinen Dorf aufgewachsen und weiß nicht, wie alt er ist, weil es damals noch keine schriftlichen Dokumente gab. Er schätzt, dass er zwischen 1942 und 44 geboren wurde. Er ist als einziger aus dem Dorf zur Schule gegangen, war lange Polizist und wurde, wie alle Beamten, mit 55 in Rente geschickt. In diesem Fall mit ungefähr 55. Da die Rente eher mittelprächtig ist, arbeitet er jetzt in der Lodge.
Es ist ein sehr interessanter Abend, weil uns Patrick viele politische und wirtschaftliche Probleme Zambias erläutern kann. Und außerdem ist er ein wirklich angenehmer Gesprächspartner.
Freitag, 3.7.09 (Moorings Farm, Monze): Heute wollen wir unter die größte Dusche der Welt. Zur Zeit führt der Zambesi Hochwasser, das an den Victoria-Fällen 100 m tief in eine Schlucht stürzt und zerstäubt wird. Auf gut eineinhalb Kilometern Breite. Vollbad garantiert.
Wir haben die Fälle schon als staubtrockene riesige Felswand mit Zelten an der Fallkante erlebt, doch jetzt gibt es nur noch eine einzige große Gischt. Zwar hat Zambia nur den kleineren Teil, der größere liegt in Zimbabwe, doch man kann nirgendwo mehr als 100 m weit schauen, alles andere verschwindet im Wassernebel.
Wir klettern hinunter an den sog. Boiling Pot, wo das Wasser unterhalb der Fälle durch eine enge Schlucht schießt. Normalerweise hat man von da einen majestätischen Blick auf den Wasservorhang, doch wir sehen vor lauter Gischt nichts mehr.
Vom Boiling Pot schaut man herauf zu der berühmten Eisenbrücke über die Zambesi-Schlucht. Plötzlich lassen sich ein paar Adrenalin-Junkies von der Brücke fallen. Bungee-Jumping, 100 m tief bis kurz über’m Wasser. Wer’s mag.
Es sieht jedenfalls auch von unten sehr spektakulär aus.
Die wahre Dusche kommt aber erst, als wir über die schmale Knife-Edge-Brücke laufen. Sie verbindet eine Felsnase mit dem “Festland”. Man könnte sich Regencapes mieten, doch das ist was für Weicheier.
Nach 10 m ist man patschnass, hat aber noch 50 m vor sich. Irgendwann ist der Regen egal, man versucht nur noch, die Kamera unter der Plastiktüte trocken zu halten. Das scheint nur bedingt gelungen zu sein, wie die letzten Bilder erahnen lassen.
Leider wärmt die Sonne nicht so, wie man es jetzt brauchen könnte. Vielleicht wäre ein Regencape ...
Auf dem Rückweg nehmen wir Patrick noch nach Livingstone mit und gehen dann auf die Landstraße nach Lusaka. Vor sechs Monaten waren die ersten 80 km in üblem Zustand. Um die Straße in Ruhe neu bauen zu können, hat man den Verkehr einfach über eine ausgeleierte Matschpiste durch den Busch geschickt. Jetzt ist der Matsch zwar abgetrocknet, ist aber inzwischen zu feinem Mehl zermahlen. Also alle Fenster und die Lüftung zu und durch. Danach wartet eine um so bessere Asphaltstraße auf uns.
In der Abenddämmerung laufen wir auf der Moorings Farm ein. Ein sehr schönes Camp, zwar überraschend voll, unter anderem von amerikanischen Studenten, doch auf dem Rasen ist noch genügend Platz.
Wir dürfen unser Fleisch auf einen bereits glühenden Grill packen und wir genießen unser erstes Braai in diesem Jahr (so nennt man hier das Grillen am offenen Feuer).
In der Nacht werden wir plötzlich unsanft geweckt. Der Bus wackelt, laute Stimmen von draußen, Blitzlichter. Erst nach und nach kriegen wir mit, dass sich einige der Studentinnen gegenseitig mit unserem Bus fotografieren. Sie denken wohl, wir schlafen in einem der Zelte. Ein kurzer Ordnungsruf belehrt sie eines Besseren und es ist wieder Ruhe.
Samstag, 4.7.09 (Pioneers Camp, Lusaka): Mittags landen wir endlich in Lusaka. Auf dem Parkplatz vorm Supermarkt steht an einem Landrover ”Cape Town - Dortmund” dran. Anette kommt mit den Leuten ins Gespräch. Das Pärchen hat in Südafrika gearbeitet und ist jetzt auf dem Landwege zurück nach Europa. Über die Ostroute durch Äthiopien, die wir in ein paar Jahren ebenfalls nehmen wollen.
Wir treffen sie am Abend auf dem Camp wieder. Wie viele Geländewagenfahrer berichten sie uns als erstes, wie abenteuerlich welche Strecken waren, wie hoch der Schlamm und wie tief das Wasser gewesen ist. Das scheint wohl ziemlich wichtig zu sein.
Sonntag, 5.7.09 (bei Walter, Ngwerere): Die beiden Landrover-Fahrer haben einen mobilen Internetanschluss dabei und bieten Anette an, über den mit ihrer Mutter zu telefonieren. Das geht ziemlich gut und wir werden uns wohl mal um so etwas kümmern müssen, denn es kostet nur einen Bruchteil der hier ansonsten extrem hohen Telefongebühren.
Mittags treffen wir bei Walter in Ngwerere ein. Walter ist Schweizer, produziert Wurstwaren und hatte uns vor einigen Monaten auf der Straße in Lusaka angehalten und zu sich eingeladen. Er ist einigermaßen überrascht, aber nach einer Schrecksekunde erkennt er uns. Wir stellen uns wie beim letzen Mal hoch über den Fischteichen auf eine Wiese und sind faul.
Montag, 6.7.09 (Forest Inn, Mkushi): Am Vormittag baut Wolfgang von einem der VW-Bus-Wracks, die bei Walter auf der Farm herumliegen, eine Schutzplatte am Unterboden aus. Genau die fehlt uns nämlich noch, dann sind wir von unten her fast komplett geschützt. Der Ausbau ist Minutensache, denn das Wrack liegt auf dem Kopf. Zum Einbauen wird Wolfgang wohl mal einen Tag unterm Auto verbringen müssen.
Zum Abschied gibt uns Walter noch ein paar Scheiben von seinem gestern frisch gemachten Presssack mit, dann geht es auf die Piste und zurück zur Hauptstraße.
Knapp 300 km und sieben Polizeikontrollen später rollen wir im Forest Inn ein. Ein sehr schön angelegtes Camp, grün und weitläufig. Wir sind die einzigen Gäste, doch man erwartet noch eine Schulklasse.
Die Polizeikontrollen waren übrigens alle ausnehmend freundlich, meistens nur “Welcome in Zambia!” oder “Nice car!” oder “Have a safe trip!”.
Da es noch früh am Abend ist, beschließen wir, zum ersten Mal in diesem Jahr ein richtiges eigenes Feuerchen zu machen und ein Stück Fleisch darauf zu legen. Als Anette an der Rezeption nach Fleisch fragt, bekommt sie zwei Steaks und zwei Würste und als sie bezahlen will, heißt es nur “... ist schon ok, wir haben so viel davon”?!?
Kurz darauf trifft die angekündigte Schulklasse ein. Sie haben für eine Woche einen Arbeitseinsatz in einer Mission und einem Krankenhaus in Nordzambia gehabt und sind jetzt auf dem Wege zurück nach Johannesburg. Vier Tage lang täglich 12 Stunden Fahrt! Ein Klassenausflug sieht anders aus.
Aber sie scheinen alle gut drauf zu sein und haben ihren Spaß. Und sind glücklich, dass wir genau die richtigen Steckdosen dabei haben, mit denen sie ihre Handys und Kameras aufladen können. Schüler ohne Handy, das muss grausam sein, egal ob in Afrika oder Europa.
Dienstag, 7.7.09 (Forest Inn, Mkushi): Die armen Kerle sind heute Nacht schon um 3:30 geweckt worden, haben alles zusammengepackt und sind eine Stunde später abgefahren. Mucksmäuschenstill, wir haben so gut wie nichts gehört.
Nach dem Frühstück beschließen wir, hier noch einen Tag zu bleiben. Nicht nur, weil es hier wirklich nett ist, sondern auch, weil wir die Schutzplatte, die wir zur Zeit auf dem Dachgepäckträger liegen haben, einbauen wollen, bevor wir auf die tansanischen Pisten kommen.
Die Befestigung ist einigermaßen kompliziert und man braucht sehr lange und spindeldürre Finger, um die Schrauben und Muttern an die richtige Stelle zu bekommen. Irgendwann klappt es dann, doch da ist die Sonne schon unter gegangen. Die Kriecherei unterm Auto geht ganz schön auf die Knochen.
Während Anette die Wäsche macht, kocht sie gleich noch eine Möhren-Kartoffel-Suppe. Very lecker! Genau das Richtige, wenn man so richtig geschafft ist, denn um Suppe zu essen, muss man ja nur einen Arm heben.
Mittwoch, 8.7.09 (Kapishya Hot Springs): Heute werden Kilometer gemacht. Wir brechen kurz nach 10 auf und landen am Nachmittag in Mpika, der einzigen größeren Stadt hier oben. Die Straße wird allmählich echt zambisch: abwechselnd ein gutes Stück und dann eine Kollektion tiefer Schlaglöcher. Natürlich sind die Löcher immer unten im Tal, wenn man mit Schwung den nächsten Berg hinauf will. Doch das schöne an den Schlaglöchern ist, dass sie sich meistens rechtzeitig ankündigen, entweder ist der Asphalt plötzlich voller Bremsspuren oder es haben sich Pisten rechts und links der Straße gebildet oder der Gegenverkehr fährt in Schlangenlinien. Trotz dieser Vorwarnungen ist es zwar immer noch nervig, doch wir schaffen immerhin einen Schnitt von 60.
70 km hinter Mpika soll Shiva Ngandu liegen, ein altes englisches Herrenhaus, zu dem auch ein sehr schönes Camp an heißen Quellen gehört.
Die Sonne geht unter und nach 80 km haben wir immer noch keinen Hinweis auf Shiva Ngandu gefunden. Wir drehen und fahren 10 km zurück, denn da ging eine breite Piste ab, vielleicht haben wir da ein Schild übersehen.
Nein, an der Abzweigung steht nichts, doch wir biegen trotzdem ab, denn hier muss es ja irgendwo sein. Es geht durch kleine Dörfchen, in denen uns die Leute etwas verwundert anschauen. Wenn wir hier richtig wären, müssten sie aber Autos gewohnt sein. Ernste Zweifel kommen auf und wir fragen drei junge Frauen nach Shiva Ngandu. Dazu könnten sie nichts sagen, wir sollten doch mal den Chief fragen. Der steht zufällig am Wege, ist ein sehr netter älterer Herr und erklärt uns ganz präzise, dass wir hier völlig falsch sind. Statt dessen müssen wir zurück zum Asphalt und genau eine Kurve hinter die Stelle fahren, an der wir gedreht haben. Grrrrr.
Da steht auch ein großes Schild und nach zwei Kilometern ein Schlagbaum. Der Wärter bestätigt uns, dass wir hier richtig wären und dass sie auch ein Camp hätten, doch es wären noch 30 km zu fahren. Inzwischen ist es stockdunkel.
Die schmale Piste führt immer mal an Lagerfeuern vorbei, die Gegend scheint also besiedelt zu sein. Zuweilen stehen Rinderherden auf dem Weg und die Radfahrer steigen immer fluchtartig ab und schieben ihr Rad von der Piste, wenn sie uns kommen sehen. Autofahrer haben hier einen schlechten Ruf. Wohl zu recht.
Bei Nacht über afrikanische Feldwege zu fahren, gehört nicht zu den ganz großen Freuden. Obwohl wir es vor uns taghell ausleuchten können, bleibt etwas Bedrohliches und Unheimliches. Wenn wir nicht wüssten, dass wir hier richtig sind, wären wir schon lange umgedreht oder hätten im Busch ein ruhiges Plätzchen gesucht.
Nach einer Stunde stehen wir vor der Lodge. Es dauert seine Zeit, ehe wir jemanden finden. Doch dann sind wir plötzlich zu Hause. Nette Leute, eine kleine Bar und ein Restaurant mit den typischen Blecheimern mit Holzkohle auf dem Boden.
Zum Camp müssen wir 300 m weiter fahren. In der Einfahrt zum Platz übersieht Wolfgang ein größeres Loch auf dem Weg. Das wäre an sich noch nichts Schlimmes, es hätte halt einen Hopser gegeben, doch hinter dem Loch freut sich ein stabiler Felsbrocken auf den Zweikampf mit unserer Bodenplatte. Die Platte verliert. Es ist nicht die neue von gestern, sondern eine richtig dicke aus 4 mm Stahlblech, die den ganzen Vorderwagen schützt. Sie verformt sich so stark, dass fast alle Befestigungspunkte abreißen. Am Ende baumelt sie nur noch an zwei Schrauben.
Den genauen Schaden werden wir erst morgen begutachten können. Es sieht jedenfalls nach viel Arbeit aus.
Auf dem Weg zum Restaurant wartet ein besonderer Höhepunkt auf uns: ein Balanceakt über eine lange Mauer mit losen Steinen durch die heißen Quellen. Im Schein einer sehr müden Taschenlampe.
Trotzdem genießen wir noch ein nettes Abendessen und ein paar interessante Gespräche mit Mark, dem Besitzer. Sein Großvater, Stewart Gore-Browne, kam zufällig vor 100 Jahren in diese Gegend und meinte, er müsse hier einen richtigen englischen Herrensitz errichten. Ein paar Jahre später hat er es tatsächlich getan und ließ alles, was nicht vor Ort hergestellt werden konnte, aus England heranschaffen, über Hunderte von Kilometern mit Trägern und auf kleinen Booten. Die Reise dauerte viele Monate, doch schließlich waren die 75 Zimmer gefüllt mit allem, was in englischen Herrensitzen halt so herumsteht. Seine “Mansion” werden wir uns morgen oder übermorgen mal anschauen.
Gore-Browne hat nicht nur den Herrensitz gebaut, sondern hier auch einen für damalige Verhältnisse futuristischen “Kleinstaat” errichtet mit modernen Gebäuden und guter Ausbildung für die Angestellten. Als er starb, war er der bis jetzt einzige Weiße, der sowohl in England wie auch in Afrika hoch geehrt wurde und hier sogar ein Staatsbegräbnis bekommen hat.
Seine Kinder, die Eltern von Mark, sind hierzulande nicht minder berühmt. Sie haben quasi im Alleingang den North-Luangwa-Nationalpark geschaffen und dafür einen hohen Preis bezahlt: sie wurden 1992 von Wilderern ermordet.
Donnerstag, 9.7.09 (Kapishya Hot Springs): Nach dem Frühstück geht es unters Auto. Hatten wir ja lange nicht mehr.
Nach dem Abbau der Reste ist eines klar: wir hatten extrem viel Glück. Wenn sich die Stahlplatte nicht geopfert hätte, wäre der Felsen genau auf das Lenkgetriebe getroffen und hätte es sicher ganz sicher ko geschlagen. In Zambia ein Getriebe für einen Linkslenker aufzutreiben, ist aussichtslos. Auch Walters VW-Bus-Wracks haben die falsche Lenkung drin. Da wäre nur Einfliegen aus Deutschland möglich gewesen.
Das originale Schutzblech von VW, das wir ebenfalls noch drin hatten, hat es wie Papier zusammengefaltet. Über das hat sich der Felsen totgelacht.
Weitere Schäden scheint es nicht gegeben zu haben. Reicht ja auch.
Die Stahlplatte wird mit dem ganz dicken Hammer wieder grob in Form gebracht. Und dann fängt ein langwieriges Spiel an. Unters Auto kriechen und die 12 kg an ihren Platz wuchten, um festzustellen, was noch verbogen ist. Dann alles wieder raus und biegen, bohren, feilen, schleifen.
Am Nachmittag bringt uns der Platzwächter die abgerissenen Köpfe der Schrauben. Jede kann mindestens eine halbe Tonne tragen, da müssen unterm Auto ganz ordentliche Kräfte gewütet haben.
Bei Einbruch der Dunkelheit reicht’s. Das Schwierigste ist zwar geschafft, doch ein paar Stündchen wird es wohl noch dauern.
Freitag, 10.7.09 (Kapishya Hot Springs): Wir bleiben heute noch hier, um den Flurschaden endgültig zu beheben. Leider muss ein Halter geschweißt werden, doch das kann später passieren, es geht erst einmal ohne ihn.
Neben uns lässt sich ein Holländer aus Südafrika nieder. Marius, ein sehr netter älterer Herr, war früher Richter, lebt heute in Südafrika und reist viel herum. Er kommt gerade aus der Gegend, in die wir fahren wollen und umgekehrt. Wir stellen schnell fest, dass wir eine gemeinsame Wellenlänge haben und verquatschen den halben Tag. Und auch den Abend im Restaurant und an der Bar.
Samstag, 11.7.09 (Kings Highway Camp): Am Vormittag wollen Marius und wir das alte englische Herrenhaus, quasi die Keimzelle für alles hier Entstandene, anschauen.
Es ist wirklich bizarr, dies alles mitten im Busch weit weg von der nächsten Stadt zu sehen. Inzwischen hat man die Hälfte des Gebäudes dem Verfall preisgegeben, doch der Rest ist in vorzeigbarem Zustand. Einige Zimmer sind vom Enkel des Gründers bewohnt, doch der größte Teil ist mehr oder weniger ein Museum. Eigentlich schade, dass hier so wenige Besucher herkommen.
Der Gründer ist auf einem Berg bestattet, von dem aus man einen majestätischen Rundblick hat. Ein Platz, der sonst nur den Häuptlingen vorbehalten ist.
Wir verabschieden uns von Marius und stellen auf der Rückfahrt zur Asphaltstraße fest, dass wir neulich Nacht durch eine ganz liebliche und fruchtbare Landschaft gefahren sind.
An einer Verkehrskontrolle fragt uns doch tatsächlich ein Polizist, ob wir die Quittung der Provinzsteuer, die wir 1000 km weiter südlich bezahlen mussten, noch hätten. Das war vermutlich der Versuch, sich ein kleines Taschengeld zu verdienen. Aber nicht mit uns! Ganz weit unten zwischen den alten Papieren fanden wir das abgerissene Zettelchen mit dem richtigen Stempel. Der Polizist wirkte nicht besonders glücklich.
Am Abend sind wir im Kings-Highway-Camp, 60 km vor der Grenze nach Tanzania. Das Camp wurde uns empfohlen und macht einen recht guten und neuen Eindruck. Im Dorf davor bekommen wir sogar noch ein wenig Brot.
Sonntag, 12.7.09 (Utengule Coffee Lodge, Mbeya): An sich wollten wir auf jeden Fall vermeiden, am Wochenende über die Grenze zu fahren, weil da alle Banken geschlossen haben. Doch jetzt sind wir ganz dankbar, weil der ansonsten von Lkws verstopfte Grenzübergang relativ leer ist.
Einheimische hatten uns geraten, einen “Schlepper” für die Grenzformalitäten zu nehmen, sonst würde es Stunden dauern, eher man die Prozedur durchlaufen hätte.
Kaum haben wir an der Grenze angehalten, steht eine Traube von Leuten um uns herum. Schlepper, Geldwechsler, Versicherungsmakler. Alle schreien laut auf uns ein, jeder hat das beste Angebot für uns. Da hilft nur, ganz cool und erfahren zu tun, alle Angebote höflich, aber bestimmt abzulehnen und schnellen Schrittes in die Immigration zu entfliehen. Denn das ist immer die erste Anlaufstelle und von der aus kann man sich dann weiter durchfragen.
Auf dem Weg zum Zoll hängt die Traube wieder an Wolfgangs Hacken, beginnt aber langsam zu begreifen, dass diesmal kein Geschäft winkt.
Nach 25 Minuten sind alle zambischen Stationen durchlaufen und wir dürfen über die Grenze rollen. Hier der gleiche Zirkus noch einmal. Nein, wir brauchen keine Hilfe und wissen wie’s geht (gelogen!). Nein, wir brauchen kein tanzanisches Geld (gelogen!). Nein, wir brauchen keine Versicherung (nicht gelogen!).
125 US$ ärmer und 40 Minuten später öffnet sich der letzte Schlagbaum. Ging doch recht flott.
Gleich an der ersten Kreuzung verfahren wir uns, landen aber schließlich auf der richtigen Straße. In einer Stunde Entfernung wartet die N’Gamba Coffee Lodge auf uns. Oder besser umgekehrt. Denn wir finden weder ein Schild, noch kann uns der Polizist an der Straßenkontrolle weiterhelfen. Schade, es hatte sich in unserem Reiseführer sehr interessant angehört.
Kurz vor Mbeya taucht ein Hinweis auf die Utengule Coffee Lodge auf. Nehmen wir halt die. Später erfahren wir, dass die andere Lodge nicht nur keine Schilder hat, sondern auch nicht mehr existiert.
Utengule ist eine große Kaffeefarm mit einer angeschlossenen Lodge und einem sehr schönen Restaurant hoch über dem afrikanischen Grabenbruch. Selbst eine Führung durch die Kaffeeproduktion können wir bekommen. Prima, hier bleiben wir. Bis hier her sind wir ja fast nur gefahren oder haben gereinigt und repariert. Also fängt der Urlaub eigentlich erst heute richtig an, bei einem guten Abendessen im Restaurant.
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