Donnerstag, 2.2.06 (Maun) Endlich schaffen wir es, unsere Homepage im Internet zu aktualisieren. Wir haben in den letzten Tagen etliche Anläufe gemacht, doch entweder es hat eine Ewigkeit gedauert oder es ist fehlerhaft übertragen werden. Und auch jetzt sind alle Umlaute als chinesische Zeichen dargestellt. Es liest sich grausam, aber vielleicht liegt das an den Rechnereinstellungen des Internet-Cafés. Hoffen wir das Beste.
Die Begründung, warum das Internet zur Zeit so elend langsam ist, fanden wir zunächst etwas sonderbar: "Es hat zu viel geregnet". Bei längerem Nachdenken macht es allerdings Sinn. Einige Telefonmasten sind weggespült worden, deshalb sind die verbliebenen Leitungen überlastet.
Ein nochmaliger Besuch bei der Nationalparkverwaltung stellt sich als reine Zeitverschwendung heraus. Wir wollten ein paar Informationen zur Befahrbarkeit der Pisten haben. „Wir haben keine Funkverbindung". „Haben Sie denn eine Verbindung zur Zentrale in der Hauptstadt?". „Weiß ich nicht". „Könnten Sie es mal probieren?". Schlurf, schlurf, zum Funkgerät. „Die wissen auch nichts". „Haben die denn von dort eine Verbindung in die Zentralkalahari?". „Ja". „Könnten sie die denn nicht mal bitten, dort nachzufragen ...?" Oh, Mann, deutsche Beamte sind Hektiker dagegen. Schließlich eröffnet sie uns, dass die Pisten wohl schon noch da wären und auch einen Zustand hätten. Aber welchen, das müssen wir wohl selber 'rausfinden.
Wir fragen im Ort herum, doch es ist nichts weiter in Erfahrung zu bringen. Keiner war da, keiner fährt hin. Schließlich landen wir wieder im Internet-Café im Sedia-Hotel. Die wissen zwar auch nichts, doch der Fahrer des Geländefahrzeugs, das vor der Tür steht, könne vielleicht etwas wissen. Shylock heißt er und er sei gerade beim Duschen. Also warten wir. Und tatsächlich, nach ein paar Minuten kommt ein freundlicher Schwarzer. Er ist Reiseleiter und Fahrer und erwartet in ein paar Tagen Gäste, mit denen er eventuell in die Zentralkalahari fahren will. Die anderen Nationalparks sind ja alle gesperrt. Genaueres über die Wasserlage weiß er auch nicht, doch vielleicht könne uns die Nationalparkverwaltung .... Doch dann winkt er schnell ab, er kennt den Club. Wir fachsimpeln noch ein Weilchen und wünschen uns gegenseitig viel Erfolg. Es scheint so, als wäre die Zentral-Kalahari ein unbekanntes Land und wir die Entdecker. Schöne Aussichten.
Freitag, 3.2.06 (Maun) Endlich 'raus aus Maun, der ewige Regen geht uns auf den Geist. Es ist zwar schon nach 16 Uhr, doch wir haben ja gute Straßen vor uns. Außer den letzten 40 km von der neuen Hauptstraße in den Park, die werden entweder matschig oder staubig sein, doch vorher schlagen wir uns irgendwo in die Büsche und fahren morgen früh weiter.
Kaum haben wir die Stadt verlassen, wird das Wetter besser, sogar blauer Himmel kommt. Wir hätten schon vor Tagen abhauen sollen!
Der Asphalt ist gut, aber die Straße ist besch... Im wörtlichen Sinne. Die Rinder haben ganze Arbeit geleistet.
Es wird schneller dunkel als geplant, oder wir sind zu langsam, so dass wir 100 km vor unserem eigentlichen Ziel in ein Camp abbiegen. Zur Xwaraga-Lodge (wer erfindet solche Namen?). In unseren Unterlagen steht, dass der tiefsandige Weg dorthin nur mit Allrad befahrbar sei. Doch es sollte dank der Regenzeit kein Problem sein.
Nach sieben sandigen Kilometern stehen wir vor einem großen verschlossenen Gatter. Keiner da. Als wir es selber aufmachen wollen, kriegt Wolfgang einen elektrischen Schlag, der sich gewaschen hat. Uiuiui. Mit elektrischen Zäunen ist nicht zu spaßen, aber die sollen ja auch Elefanten abhalten.
Kurz darauf kommt ein atemloser Angestellter angewetzt und erklärt uns, na was wohl, dass wir die einzigen Gäste seien, seit vier Wochen. Ein wunderschönes Camp, sehr großzügig angelegt, Duschen und Swimmingpool. Alles gut in Schuss und für uns alleine.
Beiläufig erfahren wir, dass oft Löwen und Elefanten ins Camp kommen. Der elektrische Zaun ist nicht, wie wir annahmen, zu unserem Schutz da, sondern er soll verhindern, dass die Wildtiere ins benachbarte Weideland eindringen. Wie nett. Also abends zur Sicherheit ein sehr sehr ordentliches Lagerfeuer.
Es kommt aber (leider?) nichts vorbeigelaufen, so dass wir einen ungestörten Abend am Lagerfeuer haben.
Samstag, 4.2.06 (Central Kalahari) Nach dem Frühstück bei gutem Wetter Aufbruch zur Central Kalahari Game Reserve. Die Piste war beim letzten Mal extrem staubig, so dass wir uns sogar einige Male festgefahren haben. Doch der Regen hat gute Dienste geleistet. Manchmal auch zu viel des Guten, wie wir später bemerken. Denn es kommt ein Wasserloch nach dem anderen. An sich nichts Schlimmes, doch sie werden größer. Und schlammiger.
Plötzlich fährt ein vergittertes Polizeiauto hinter uns her und hupt. Zunächst zuckt man unwillkürlich zusammen (Was will der?), doch dann wird klar, dass man uns nur bittet, kurz von der Piste runter zu fahren und den Wagen vorbei zu lassen. Aber wie? Wir kommen aus der tiefen Spur nicht raus, ohne stecken zu bleiben. Wieder hupen. Geht immer noch nicht. Einige Kilometer muss er sich gedulden, dann kommt eine breitere Stelle. Er grüßt freundlich und zieht davon. Wen will die Polizei hier mitten im Busch einfangen? Kriminelle Löwen?
Am Eingang zum Reservat steht ein nagelneues bombastisches Empfangsgebäude. Früher war hier nur ein schlichtes Gatter. Doch alles ist menschenleer. Sind wir wieder die einzigen? Auch nach längerem Warten und Hupen rührt sich nichts. Wir beschließen, 9 km weiter zum alten Eingang zu fahren. Da liegt ein kleines Dorf, wo wir hoffentlich jemanden finden, der uns sagen kann, was hier los ist.
So ist es auch. Der Wildhüter erzählt uns, dass sie in Kürze in die neuen Gebäude umziehen, doch zur Zeit geht alles drunter und drüber. Außerdem wären wir die ersten Besucher seit drei Wochen. Na Mahlzeit, da werden die Pisten, die hier ohnehin sehr schmal sind, ziemlich zugewachsen sein.
Die Vorstellung, in einem Gebiet, so groß wie Dänemark, die einzigen zu sein, ist schon ein wenig seltsam (ersatzweise: so groß wie Niedersachsen oder fast so groß wie Bayern ;-). Bei Problemen muss man sich selber helfen, egal, ob Auto oder eigene Gesundheit. Zwar würde man uns nach ein paar Tagen vermutlich suchen, denn wir sind ja im dicken Buch am Eingang eingetragen, doch wo sollen sie uns suchen? Dänemark ist groß.
Wir beschließen, keine Probleme zu haben.
Die Piste ist wider Erwarten gut. Auf den 40 km bis zur ersten Wegegabelung haben wir keine Wahlmöglichkeit, da müssen wir durch, danach können wir zur Not umdrehen und auf Alternativen ausweichen. Die weichen Sandfelder lassen sich hervorragend fahren. An etlichen Schlammlöchern müssen wir einen Weg drum herum oder mitten durch suchen. Glücklicherweise hat Wolfgang vor einigen Tagen unser Beil gewetzt, denn armdicke Bäumchen mochten wir dann doch nicht mit der Stoßstange umschubsen. Wir haben uns auch wieder daran gewöhnt, vor jedem Aussteigen erst einmal die nähere Umgebung abzusuchen, wer weiß, was sich da alles versteckt.
Da es an der Hauptkreuzung schon später Nachmittag ist, entscheiden wir uns, nicht mehr groß herumzufahren, sondern anstatt Löwen lieber einen Übernachtungsplatz zu suchen. Wir nehmen einen, den wir vor ein paar Jahren schon einmal hatten. Auf einer Düne unter Bäumen gelegen, mit Blick auf eine weite Grasebene.
Die Zufahrt auf die Düne ist ziemlich zugewachsen und wir sind nicht sicher, ob das eine gute Wahl war. Doch als wir oben sind, fallen uns die Augen aus dem Kopf. Mitten in der Wildnis steht eine neue Dusche. Und daneben eine Toilette. Sehr schön aus Holz gebaut, natürlich oben offen und ohne Türen. Zwar kein fließendes Wasser, aber picobello sauber. Beim letzten Besuch war hier nichts außer den Resten früherer Lagerfeuer.
Die Dusche ist ein Blecheimer mit einem Duschkopf unten dran, an einem Galgen aufgehängt. Zum Füllen lässt man das Ding an einem Seil herunter. Funktioniert prima. Doch trotz der 30°C draußen ist kaltes Wasser immer noch verdammt kalt. Wir genießen es trotzdem. Auch den obligaten Sundowner und das große Lagerfeuer. Out-of-Africa-Feeling in der Wildnis von Dänemark.
Sonntag, 5.2.06 (Central Kalahari) Die Pfanne, über die wir schauen, heißt Sunday-Pan. Weil heut' Sonntag ist. Leider haben die Tiere sonntags Ruhetag. Nichts lässt sich blicken, wirklich gar nichts, trotz Feldstecher.
Auch auf der Weiterfahrt wird's nicht ertragreicher. Nur grün, so weit das Auge reicht. Manchmal können wir nur schwer erkennen, wo die Piste weitergeht und beschließen deshalb, aus dieser Gegend zu verschwinden, denn hier werden wir wegen des hohen Grases und der Büsche nichts sehen. Zumal es auch keinen Spaß macht, ständig durch einen schmalen Tunnel im Grünzeug zu fahren.
Erst am Nachmittag sind wir raus aus der Enge und zurück im sog. Deception-Valley, im Tal der Täuschungen. Es ist allerdings keine Täuschung, als wir eine große Antilopenherde vor uns sehen. Alle schauen in die gleiche Richtung, aber nicht zu uns. Da muss also was sein. Und richtig. Wir sehen gerade noch, wie ein Gepard hinter einigen Springböcken her rennt, sie aber nicht erwischt.
Wir tun etwas, was man hier eigentlich nicht tun darf. Wir fahren ein paar hundert Meter querfeldein, um näher ran zu kommen.
Direkt neben dem Geparden rennen zwei Schakale und ärgern ihn. Na, die trauen sich was. Doch offensichtlich wissen sie genau, dass der Gepard völlig aus der Puste ist. Sein Versuch, einen der Schakale zu packen, bleibt deshalb auch erfolglos.
Obwohl wir quasi alleine in Dänemark sind, sehen wir plötzlich auf der anderen Seite der Ebene die Lichter von zwei Fahrzeugen. Schnell wieder zurück auf die Piste und so tun als hätten wir sie gar nicht verlassen.
Falscher Alarm. Als der Fahrer des ersten Geländewagens aussteigt, gibt's ein großes Hallo. Shylock aus Maun mit den beiden Touristen, die eigentlich ins Okavango-Delta wollten. „Eventually we all made it" meint er. So isses.
Als wir uns in Maun unterhielten, wussten wir beide noch nicht, ob die Kalahari überhaupt passierbar ist. Jetzt wissen wir's und wir können ihm zudem noch sagen, dass sich die Gegend, wo wir bisher waren, nicht lohnt, sofern man Tiere sehen will.
Wir beschließen, einen gemeinsamen Platz für die Nacht zu suchen. Seine Gäste sind, wie könnte es anders sein, aus Deutschland und erleben so etwas zum ersten Mal. An sich sollte es eine viel größere Gruppe sein, doch bis auf die beiden sind alle abgesprungen. Trotzdem sind sie noch mit drei Reiseführern und zwei Fahrzeugen unterwegs. Für ganze zwei Gäste.
Als sie ihre Zelte aufbauen, hört man aus der Ferne das dumpfe Gebrüll von Löwen. Die Frau aus Deutschland fühlte sich erkennbar unwohl und die Vorstellung, heute Nacht von den Löwen nur durch eine dünne Stoffbahn getrennt zu sein, ist nicht ihre Sache. Da können Shylock und wir noch so sehr beteuern, dass sie nichts zu befürchten habe. Sie ist dann auch relativ schnell im Bett. Für die erste Nacht im Busch war das sicher mehr Aufregung als genug.
Montag, 6.2.06 (Central Kalahari) Shylock und seine Gäste sind schon bei Tagesanbruch los. Uns zieht's noch nicht aus dem Bett, denn das Wetter ist eher öde.
Die Löwen von gestern Abend scheinen näher gekommen zu sein, jedenfalls erfahren wir das von den beiden hier gebliebenen Reiseleitern. Na, vielleicht haben wir ja Glück.
Wir haben. Zwei stattliche Löwenmännchen laufen vor uns über die Piste. Leider können wir sie nur ein Stück verfolgen, da das Buschwerk viel zu dicht ist.
Ein paar Kilometer weiter hampelt ein Strauß ganz merkwürdig herum und hockt sich schließlich ins Gras. In der Nähe steht ein Weibchen, das er damit wohl beeindrucken will. Ob das klappt?
Und wieder ein Stück weiter sitzt eine größere Gruppe Frankoline auf der Piste. Das sind hühnergroße Vögel, die normalerweise auffliegen, wenn man näher kommt. Doch diese rennen einfach vor uns her, immer auf der Piste lang und machen überhaupt keine Anzeichen zu fliegen. So geht das einige hundert Meter. Dann fällt uns auf, dass sie für Frankoline verdammt lange Beine haben. Sonderbar!
Schließlich dämmert's uns. Das sind gar keine Frankoline, sondern Straußenkinder. Und die Verrenkungen des Männchens waren kein Balztanz, sondern er hat den sterbenden Schwan gemimt, um uns von seinen Kindern abzulenken. Wir haben eine Familientragödie angerichtet. Glücklicherweise gabelt sich die Piste. Wir biegen ab, drehen und warten, bis die Brut wieder zurück gerannt kommt. Dann jagen wir sie so lange vor uns her, bis wir in der Nähe der Eltern sind. Leider hat es unterwegs Schwund gegeben, doch die abhanden gekommenen Kleinen können sich gut im Gras verstecken, bis Straußens sie wieder eingefangen haben. Sorry.
Der Rückweg zum Eingang hat's in sich, denn der Regen der letzten Stunden hat die Piste völlig aufgeweicht. Die ersten Kilometer zieht sie einen Hang herauf. Das Wasser hat die Fahrspuren zu tiefen Rinnen im klebrigen Schlamm werden lassen. Plötzlich hängen wir mit dem linken Vorderrad und dem rechten Hinterrad in derselben Rinne fest. Wir stehen schräg auf der Piste und können machen, was wir wollen, wir kommen nicht mehr raus. Das Einzige, was geht, ist Gasgeben und Räder durchdrehen lassen. Und dann rutscht das quer stehende Auto tatsächlich seitwärts den Berg herauf. Ganz langsam zwar, doch wir kommen vorwärts. Anette lacht sich schlapp. Es ist ein komisches Gefühl, wenn man durch das Seitenfenster nach vorn schauen muss.
Der Rest des Weges gestaltet sich problemlos, unsere frei gehackten Spuren vom Hinweg sind noch gut zu erkennen.
Diesmal ist das Dorf vollständig verlassen. Das Büro steht offen, wir können uns an Fax- und Funkgeräten bedienen. Niemand da. Inzwischen sind die Ranger offensichtlich in die neuen Gebäude umgezogen. Und tatsächlich, dort werden wir schon erwartet. Man zeigt uns stolz das neue Office und kassiert die noch ausstehenden Gebühren für den zweiten Tag. Stolze 55 Euro für 24 Stunden. Früher war das mal relativ teuer, verglichen mit den Nachbarländern. Heute haben fast alle nachgezogen. Andererseits: das ist es alle Mal wert.
Der Ranger gibt uns noch den Tipp, für den Rückweg zur Asphaltstraße eine andere Piste zu nehmen. Die ist zwar fast 100 km lang, gegenüber 40 km auf der anderen, doch deutlich besser, weil sandig. Weder Wasser noch Schlamm. Zudem würden wir uns 80 km besch... Asphalt sparen.
Tatsächlich sind wir früher als geplant in Maun. Die Piste war einwandfrei, wenn auch ziemlich langweilig, denn sie ging die ganze Zeit direkt neben einem Veterinärzaun entlang. Solche Zäune ziehen sich über tausende von Kilometern durch Botswana. Sie sollen verhindern, dass sich Tierkrankheiten übers ganze Land ausbreiten und Botswanas Rinderzucht gefährden. Deshalb sind sie auch immer doppelt im Abstand von 10 m, damit sich die Tiere über den Zaun hinweg nicht beschnuppern und anstecken können. An jeder Piste, die durch den Zaun führt, steht selbstverständlich ein Posten und fragt, ob man Frischfleisch dabei habe. Manchmal wollen sie auch ins Auto oder sogar in den Kühlschrank schauen und ganz selten mussten wir durch eine Desinfektionsbrühe fahren. Und noch seltener wurde unser Auto mit Gift ausgesprüht.
In Maun angekommen müssen wir noch unsere Reserven auffüllen und unbedingt ein Foto von einer perversen Versicherungsreklame machen. Da wird damit geworben, dass das Leben dank der Zahlungen dieser Versicherung mit 65 Jahren so richtig beginnen kann (Bild). Um das zu erleben, muss der durchschnittliche Botswaner sein eigener Enkel sein. Denn nach gut 30 Jahren ist hier ein Durchschnittsleben zu Ende. Aids. Auf Deutschland übertragen hieße das: "Rente mit 160".
Da es noch früh ist, wollen wir noch ein Stück weiter in Richtung Namibia fahren, dann haben wir morgen nicht mehr so viele Kilometer. Ghanzi, das nächste Städtchen, ist 300 km entfernt, dazwischen ist nichts, kein Dorf, keine Tankstelle, nur ein Veterinärzaun.
Unterwegs haben wir ein ganz besonderes Jubiläum. 100.000 km seit 1993! In 12 Ländern zwischen Kapstadt und Kilimandjaro. Davon knapp ein Drittel abseits fester Straßen, was unweigerlich seine Spuren am Fahrzeug hinterlassen hat. Etliche Radlager, Federn, Antriebswellen, vier Sätze Reifen, viele abgerüttelte oder weggebrochene Teile mussten dran glauben. Auch ein Motor und ein Getriebe. Von 60 Plattfüßen ganz zu schweigen. Aber wir sind nie liegen geblieben und abgeschleppt worden. Wir konnten uns immer in die nächste Stadt retten, teilweise zwar humpelnd oder mit stotterndem Motor, aber immer aus eigener Kraft. Toi, toi, toi.
Die nächste Veterinärkontrolle entpuppt sich als ordinäre Verkehrskontrolle. Papiere, Blinker, Beleuchtung, Hupe. Beim Hupen verzieht der Polizist gequält das Gesicht. Alle beide Hupen sind schwer im Stimmbruch. Man hört nur noch den Kompressor arbeiten und ein klägliches Wimmern des Horns. Unser Hinweis auf die schlammigen Pisten reicht aus, um ihn gnädig zu stimmen. Ein ermahnender Blick und wir dürfen fahren. Ab jetzt hoffen wir auf einen deftigen Regenguss, der uns das Auto von unten wieder sauber wäscht.
Er bleibt leider aus. Erst als wir von der Asphaltstraße zur Tautona-Lodge bei Ghanzi abbiegen, gibt's wieder Seen auf der Piste. An der Rezeption erfahren wir, dass es vor ein paar Stunden einen gewaltigen Regen gegeben hat, doch das Camp läge auf einer Düne, da stünde nur wenig Wasser. Außerdem wären wir, wir kennen es schon, die einzigen Gäste.
Dienstag, 7.2.06 (Ghanzi-Harnas) Wir kommen rechtzeitig weg und sind 5 Stunden später bereits an der Grenze zu Namibia. Unsere Tanks sind bis an den Eichstrich voll, nicht nur, weil Benzin in Botswana billiger ist, sondern vor allem, weil wir für längere Zeit keine Tankstelle mehr sehen werden. Doch 160 Liter sollten reichen. Wir wollen zunächst zur Harnas-Farm, um dort ein paar Tage bei gutem Essen und vielen Tieren zu verbringen. Danach werden wir immer am Rande der dünn besiedelten Kalahari entlang quer durch Namibia zum Etosha-Nationalpark zu fahren.
200 km weiter und wieder um einige Kilo Schlamm schwerer stehen wir am Farmtor. Der Wachmann ist verwundert, denn, wie sollte es anders sein, Gäste wären keine da. Doch dafür hätten sie gestern einen heftigen Regen gehabt, innerhalb weniger Stunden 100 mm. Auf den 10 km bis zum Farmhaus stellen wir fest, dass das meiste davon noch da ist. Manchmal können wir über hunderte von Metern nur hoffen, dass unter dem Wasser noch die Piste ist und wir nicht aus Versehen in ein Flussbett abgebogen sind.
Kurz vor sieben Uhr sind wir am Farmhaus, werden nett empfangen, treffen Leute wieder, die wir noch vom letzten Mal kannten, und haben ansonsten das Camp für uns alleine. Mit all' den Tieren, wegen denen man hierher kommt. Ein störrisches Zebra besucht uns, überall rennen Schildkröten herum und neben uns brüllen die Löwen. Hinter dem Zaun!
Mittwoch, 8.2.06 (Harnas) Heute wollen wir den Motor nicht hören. Doch putzen und flicken hält uns den ganzen Tag auf Trab. Es zeigt sich, dass das Wasser gestern ganze Arbeit geleistet hat. Ein großer Teil des Schlammes unterm Auto ist rausgespült. Wenn wir nicht so zaghaft gefahren wären, wäre es noch sauberer geworden.
Donnerstag, 9.2.06 (Harnas) Es gibt zwei Fütterungstouren für die Wildtiere der Farm, vormittags und nachmittags. Wir wollen heute beide mitmachen. Ein Tierpfleger fährt mit uns im Geländewagen mehrere Stunden kreuz und quer über die Farm. Hinten dran ein Anhänger, auf dem das Futter liegt. Ganze Pferdebeine für die Löwen, große Fleischbrocken für Leoparden und Geparden, eine Ziege für die Wildhunde, Obst und Hundefutter für die Kleintiere.
Auch wenn wir dies alles schon mal gesehen haben, es ist immer wieder beeindruckend zu sehen, wenn sich Raubtiere um die Beute balgen.
Während wir den Löwen das Futter über den Zaun werfen, machen die Webervögel und Stare auf einem Baum mächtig Lärm . Dann sehen wir, dass sich eine ziemlich lange grüne Schlange (vermutlich keine Grüne Mamba, sondern eine Baumschlange) ihren Nestern nähert. Zu unserer Überraschung attackieren die Stare die Schlange. Mutig, mutig. Unser Fahrer wollte es auch nicht glauben, denn die Schlange ist ja nicht ungefährlich. Das überraschende Ende: der Schlange wird es zu bunt, sie lässt sich vom Baum fallen und verschwindet.
Auf dem Rückweg schauen wir noch bei Kiki, Aischa und Aiko vorbei. Die drei Geparden, die wir vor drei Jahren noch als kleine Schmusekätzchen auf dem Arm hatten, sind jetzt ansehnliche Damen geworden, die sicher nicht mehr mit uns spielen wollen. Und umgekehrt, denn sie können ihre Krallen nicht einziehen.
Über die Mittagszeit meinen zwei Kätzchen (ganz normale, ohne Streifen, Flecken oder Mähnen), auf unserem Bett im Bus ein Nickerchen halten zu müssen. Sie vor die Tür zu setzen, bringen wir nicht übers Herz. Zudem opfert Anette eine Tüte Kartoffelchips (na, die werden Durst haben). Auch ein paar Stückchen Wurst und Fleisch wechseln den Besitzer.
Nachmittags schauen wir uns Zion an, den wenige Wochen alten Löwen. Er wächst im Farmhaus auf, weil er seiner Mutter weggenommen werden musste. Ältere Männchen hatten bereits seine beiden Brüder umgebracht. Jetzt wird er von einer Dackelhündin und einem Labrador erzogen. Es ist ein Bild für die Götter, wenn die drei miteinander balgen. Zuweilen müssen auch unsere Hosenbeine als Kratz- und Kletterbaum herhalten. Seltsam ist, dass ausgerechnet die Dackelhündin die Mutterrolle übernimmt, doch es funktioniert. Zion ist schon jetzt fast doppelt so groß wie sie und in ein paar Jahren würde er sie vermutlich als zweites Frühstück zu sich nehmen. Doch Löwen, die zusammen mit Hunden aufwachsen, werden angeblich recht zahm.
Freitag, 10.2.06 (Harnas-Etosha) Nach zwei Tagen ohne Fahren wollen wir heute nach Etosha aufbrechen. Am schnellsten wäre die Straße runter nach Windhoek und dann nach Norden in die Etosha-Pfanne. Doch sicher auch die langweiligste. Wir wollen deshalb die abgelegene Piste quer durch das Land nehmen, diese Gegend kennen wir noch nicht.
Die Piste ist recht gut, von ein paar Matschlöchern einmal abgesehen. Es gibt auf den nächsten 300 km zwei kleine ärmliche Orte und ansonsten nur einsame Farmen. Wer hier geboren wird, hat kaum eine Chance. Schulen gibt es nur wenige, Arbeit kaum. Obwohl zur Zeit alles satt grün ist: drei Viertel des Jahres ist dies eine trockene, staubige und sehr dünn besiedelte Gegend.
Wieder zurück auf der B1, der Hauptverkehrsachse durch Namibia, besorgt Anette in Otjiwarongo Lebensmittel für die nächsten Tage. Auch Brot und Kuchen aus einer deutschen Bäckerei! In der Stadt leben ohnehin viele Deutsche, erkennbar an den Straßennamen und der Reklame.
Während Wolfgang im Auto vor dem Supermarkt wartet, zeigt ein junger Mann auf unser vorderes Nummernschild. Es wäre halb abgefallen. So eine Bemerkung wird natürlich ignoriert, denn es ist ein beliebter Trick, um Leute aus dem Auto zu locken und dann mit einem schnellen Griff die Wertsachen zu klauen.
Sicherheitshalber schaut Anette später noch mal nach dem Nummernschild. Und tatsächlich, es ist halb ab. Schraube verloren. Da waren wir wohl zu misstrauisch.
Kurz nach sieben sind wir am Eingang zum Etosha-Nationalpark. Zu spät, um noch 'reinzufahren, doch das wussten wir schon vorher. 100 m vom Tor stellen wir uns etwas abseits der Straße in den Busch und haben eine ruhige Nacht.
Samstag, 11.2.06 (Etosha) Gleich morgens nach Sonnenaufgang fahren wir rein. Der Park ist, man hätte es ahnen können, grün bis zum Horizont. „Etosha" heißt auf Ovambo „Land des trockenen Wassers". Hier ist nichts trocken.
Das übliche Etosha-Empfangskomitee aus Zebras, Gnus, Springböcken, Impalas, Giraffen und Elefanten bleibt aus. Völlig. Wir sehen nichts.
Zwei Stunden, etliche Kilometer und einige Wasserlöcher später, sind wir nach wie vor begeistert von der Landschaft. Auch wenn es ausschaut wie ein englischer Park, hier gehören viiiiiel mehr Tiere rein. Selbst ein ausgiebiges Frühstück an einem der normalerweise übervölkerten Wasserlöcher bringt nichts. Ein jämmerlicher Vogel und ab und zu mal ein paar Vierbeiner in der Ferne. Offensichtlich hatten die Motorradfahrer, die wir vor ein paar Tagen trafen, doch recht „... da ist eh nichts zu sehen.
In Okaukuejo, einem der drei Camps im Park, stellen wir fest, dass wir ausnahmsweise mal nicht die Einzigen sind. Außer uns noch zehn Autos.
Am späten Nachmittag fahren wir nach Norden raus. Hier wachsen nicht so viele Bäume, allerdings sind auch hier viele Pisten wegen des Wassers gesperrt. Zu sehen ist genauso viel wie im Süden. Das Ganze ist deshalb kaum mehr als ein Samstagsnachmittags-Ausflug ins Grüne.
Zurück im Camp lernen wir unsere Nachbarn kennen, drei junge Männer aus Deutschland, die zum ersten Mal in Namibia sind. Sie sind ausgesprochen gut informiert, obwohl sie nur zwei Wochen Zeit haben. Es wird ein netter Abend ums Feuer. Jetzt, wo wir eigentlich keine Tiere mehr brauchen, kommen sie. Schakale auf der Suche nach Essbarem. Dutzende im Laufe des Abends, die wir mit Steinen vertreiben müssen. Auch landen unsere Lebensmittelreste konsequent im Feuer, denn die Mülltonnen werden selbstverständlich nachts ausgeleert.
Sonntag, 12.2.06 (Etosha) In einem Buch haben wir gelesen, dass in der Regenzeit die meisten Tiere nach Nordosten wandern. Also tun wir das auch.
Das nächste Camp ist 70 km entfernt und hat ein sehr schönes Wasserloch, an dem wir schon viel erlebt haben. Natürlich waren wir die einzigen Besucher. Leider auch die einzigen Lebewesen. Die Landschaft ist wie ausgestorben.
Noch mal 70 km weiter liegt das dritte Camp im Nationalpark. Namutoni, ein altes deutsches Fort. Hier sollten dann endlich ein paar Viecher zu finden sein. An Wasserlöcher zu fahren, erweist sich als ziemlich sinnlos, denn erstens stehen die Pisten dorthin oft unter Wasser und zweitens gibt es für die Tiere ja keinen Grund, ein Wasserloch zu besuchen. Wasser ist überall.
Ins Camp kommt man nur durch einen Nebeneingang, der Haupteingang ist unterspült. Wir erfahren, dass 50km nördlich einige Elefantenherden stehen sollen. Also los. Gute Piste. Gutes Auto. Gib Gas.
Entweder wir sind zu blöd oder zu blind. Wir sehen jedenfalls nichts.
Nach 50 km tauchen plötzlich ein Gebäude und ein Aussichtsturm am Horizont auf, wo eigentlich nichts sein dürfte. Als wir dort sind, stellen wir fest, dass der Etosha-Nationalpark seit kurzem noch einen dritten Ausgang hat. Für uns könnte dieser Ausgang interessant sein, wenn wir mal hoch nach Angola fahren.
Es ist wohl der einsamste Platz auf der Welt. Der Wächter sitzt auf einem Campingstuhl in der Abendsonne mitten auf der Piste, ringsum nur Gras soweit das Auge reicht und er hört im Radio ein Fußballspiel in der hiesigen Buschmannsprache, denn es schnalzt und klickt wie der Teufel. Es ist uns unbegreiflich, wie die Leute solche Töne in einer derartigen Geschwindigkeit herausbekommen.
Er erzählt uns, dass heute immerhin schon ein Fahrzeug vorbeigekommen wäre. Auch einen Elefantenbullen hätte er in der Nähe gesehen. Wir geben die Hoffnung nicht auf, finden ihn jedoch nicht.
Auf dem Rückweg laufen zwei Pisten für 20 km parallel. Wir entscheiden uns für die kleinere der beiden. Und tatsächlich. Kurz bevor die beiden Pisten wieder ineinander münden, steht ein alter Elefantenbulle vor uns, die Zähne schon ziemlich abgeschabt. Er ist deutlich sichtbar in der Musth, also auf der Suche nach einem Weibchen und deshalb auch recht aggressiv. Er lässt uns nicht vorbei. Ganz im Gegenteil. Er kommt auf uns zu und macht uns klar, wer hier der Chef ist. Wir haben von Einheimischen gelernt, dass man nur mit der flachen Hand von außen auf die Autotüren schlagen muss, dann machen die Elefanten Platz. Doch wir trauen uns nicht und halten lieber einen Respektsabstand ein.
Ab und zu hebt er den Rüssel und macht die Ohren breit, dann wissen wir, wir müssen wieder ein Stück zurück fahren. Unsere Hoffnung, dass er irgendwann die Piste verlässt, erfüllt sich nicht. Warum sollte er auch durch den Busch laufen, wenn er das Futter vom Weg aus erreichen kann.
Das Unschöne bei Elefantenbeobachtungen ist, dass wir immer hin und her gerissen sind: Motor laufen lassen für einen sicheren Start bei Gefahr oder Motor abstellen und ohne den Motorlärm in Ruhe die Tiere beobachten. Da unser Motor nicht zu den Flüsteraggregaten der Neuzeit gehört, sondern sich kernig zum Dienst meldet, entscheiden wir uns meist für die zweite Alternative - und hoffen auf unseren Anlasser.
Nach einer halben Stunde kriegen wir ein Problem. Exakt 19:37 Uhr (!) bei Sonnenuntergang wird das Tor zum Camp geschlossen. Danach gibt's Ärger, weil der Park nachts den Tieren gehört. Da wir kurz vor der Mündung der beiden Pisten sind, könnten wir das locker schaffen, wenn der Elefant uns vorbei ließe. Tut er aber nicht. Die Alternative: knapp 20 km in die falsche Richtung auf die Hauptpiste und von dort zurück zum Camp. Das ist mehr als doppelt so weit und bei erlaubten 60 km/h beim besten Willen nicht zu schaffen. Da wir nicht wissen, wie lange der Graue uns noch vor sich hertreiben möchte, treten wir den Rückzug an. Lieber ein bisschen feige als einen Stoßzahn in der Tür.
Volldampf voraus, soweit man bei 50 PS und 2,5 Tonnen von so etwas reden kann. An der Einmündung in die Hauptpiste haben wir noch eine knappe halbe Stunde für 40 km. Also Gaspedal aufs Bodenblech!! Die Piste ist breit und geht immer geradeaus und wir fliegen streckenweise mit über 90 über die Wellen. So schnell fahren wir nicht einmal auf Asphalt. Jetzt bloß kein Viehzeug von der Seite. Und keine Radarkontrolle.
Zwei Minuten vor der Zeit rollen wir durchs Tor von Namutoni und möchten so etwas bitte nicht noch einmal machen. Eigentlich war es Wahnsinn.
Die drei jungen Männer aus dem letzten Camp sind auch schon da (und mussten ebenfalls rasen). Es wird ein langer Abend.
Montag, 13.2.06 (Etosha) Wir wollen heute Vormittag noch ein wenig im Park herumfahren und am Nachmittag die Farm Hedwigslust (was für ein afrikanischer Name!) besuchen. Die Farm ist, so wurde uns erzählt, eine Art Ausbildungszentrum für Buschleute. Im Gegensatz zu den Owambos, die rund die Hälfte der Bevölkerung Namibias ausmachen, sind die Buschleute eine kleine und von den staatlichen Stellen kaum geförderte Minderheit. Da steckt wohl auch noch dahinter, dass sie als exzellente Fährtenleser zur Zeit des Bürgerkrieges beiden Seiten gedient haben.
Wir fragen an der Rezeption und an der Tankstelle, doch keiner kennt die Farm. Leider haben wir auch keine vernünftige Wegbeschreibung, nur eine Telefonnummer, unter der sich niemand meldet. Wir werden es später noch einmal versuchen.
Gestern hatten wir gesehen, dass eine der Salzsenken im Park, die wir meistens trocken erlebt haben, komplett unter Wasser steht. Es führt eine Piste drum herum, vielleicht gibt's da ja was zu sehen.
Und wie! Kaum sind wir eingebogen, steht eine Herde von 30 Elefanten vor uns. Die großen fressen, die kleinen spielen im Wasser. Schön anzuschauen. Nach einer Viertelstunde ziehen sie sich in den Busch zurück und sind nach ein paar Metern nicht mehr zu sehen.
Die Piste führt am Ende der Salzpfanne auf einem flachen Damm mitten durchs Wasser. Es ist schon ein merkwürdiges Gefühl, rechts und links kilometerweit über Wasser zu schauen, wo sonst nur flimmernder Staub ist.
Auf der Rückfahrt wird Anette wieder ganz hektisch und zeigt auf einen Baum neben der Piste. Ha, zwei Löwinnen. Wir fahren auf 20 m ran, sie sind furchtbar gelangweilt und gähnen. Bei näherem Hinschauen erkennen wir deutlich mehr wedelnde Schwänze als Köpfe. Am Ende zählen wir 9 Löwinnen und ein Männchen, alle fast unsichtbar im Schatten versteckt. Nicht schlecht.
Und überhaupt: heute läuft uns ziemlich viel Frischfleisch über den Weg. Zahlreiche Giraffen, Warzenschweine und Antilopen mit Jungen, drei jagende Hyänen.
Über Mittag fahren wir zum Duschen zurück ins Camp und, weil's so schön war, danach noch mal bei den Löwen vorbei. Sie liegen immer noch faul herum, doch inzwischen sind etliche andere Autos dort. Es sieht ziemlich merkwürdig aus, wenn ein halbes Dutzend Autos rings um ein paar Löwen steht und jede Bewegung beobachtet wird.
Irgendwann ist es ihnen zu bunt und sie setzen sich, einer nach dem anderen, in Bewegung. Erst kommen sie raus auf die Piste, doch dann entscheiden sie sich, im Hinterland auf die Jagd zu gehen. Denn mit den vielen Autos im Schlepptau wird jede schwerhörige Antilope auf sie aufmerksam.
Am späten Nachmittag verlassen wir Etosha. Obwohl uns schon vorher klar war, dass im hohen Gras nicht viele Tiere zu sehen sein werden, so war es am Ende doch recht ordentlich. Und Etosha mal unter Wasser zu sehen, das erlebt man auch nicht alle Tage.
An der Hauptstraße stehen große Hinweisschilder zu einer Farm „Sachsenheim", die gleichzeitig auch Lodge und Camp ist. Das ignorieren wir (zunächst), denn wir wollen ja nach Hedwigslust bzw. Ombili, wie es auch genannt wird. In der Hoffnung, einen Wegweiser an der Straße zu finden, fahren wir nach Norden. Es regnet in Strömen (ja ja, so wollten wir es haben, aber nicht bei Nacht) und kommen nach gut 20 km an eine Polizeikontrolle. Unter einem großen trockenen Dach schildern wir dem Polizisten, wo wir hinwollen. Er schüttelt den Kopf; hier wären wir völlig falsch. Immerhin, er kennt Ombili.
Wir müssen 10 km zurück und dann sind's noch 20 km auf einer Piste.
Der Regen wird extrem, selbst bei schnellstem Scheibenwischer bleibt es Blindflug. Zu allem Überfluss fängt der Motor auch noch an zu stottern. Benzin ist alle!. Links ran und alle Scheinwerfer an, damit wir gesehen werden.
Wie kommt beim Wolkenbruch das Benzin vom Dach in den Tank? Abwarten, bis es weniger regnet, ist zu riskant, denn die Lkws machen ja auch Blindflug. Von der Straße runter zu fahren, geht auch nicht. Unter Fluchen zieht sich Wolfgang Regenzeug an. Eine Mischung aus Regenwasser und Benzin kommt in den Tank. Gut, dass wir keinen hochgezüchteten Motor haben, der Wasser im Benzin übel nimmt.
Das Regenzeug erweist sich als sinnlose Dekoration. Wolfgang ist patschnass. Immerhin läuft der Motor wieder und wir biegen in die beschriebene Piste ab. Doch das ist Mist. Wir sehen nichts mehr, wissen nicht, ob wir wirklich richtig sind und haben auch keine Lust, nachts im Matsch stecken zu bleiben. Also zurück. Nach Sachsenheim. Klingt doch irgendwie nach Heimat, zumal auf deren Reklameschild steht: „Kommen Sie als Fremder, gehen Sie als Freund". In Deutsch.
Als wir am Farmhaus ankommen, ist alles dunkel und sieht sehr verlassen aus. Mit voller Christbaumbeleuchtung warten wir ein paar Minuten. Und siehe da, aus dem Dunkeln kommt ein Schwarzer. Wir haben ihn tatsächlich erst gesehen, als er uns ansprach. Er erklärt uns, dass das Camp selbstverständlich geöffnet sei - und wir seien, na was wohl, die einzigen Gäste.
Der Regen hat nachgelassen und wir können schemenhaft erkennen, dass wir in einer ziemlich großen Anlage gelandet sind. Schöne Chalets und Hütten, Swimmingpool, Restaurant, hervorragende sanitäre Anlagen, überall Blumen. Nur mieses Wetter.
Nachdem wir uns einen Platz gesucht haben, kommt eine Taschenlampe näher. „Hallo, ich bin Gerd". Der Besitzer. Deutsch-Namibianer. Er hätte schon im Bett gelegen, denn der Farmbetrieb geht schon sehr früh am Morgen los.
Die Farm heißt Sachsenheim, weil seine Familie Sachse heißt und zudem damals aus Sachsen ausgewandert sei. Auch noch aus Halle. Zufall?
Ombili kennt er selbstverständlich. Es ist tatsächlich an der Piste, auf der wir vorhin umgekehrt sind, doch dort gibt es kein Camp, so dass das Umkehren vernünftig war. Außerdem wäre Ombili eine sehr sinnvolle und unterstützungswürdige Institution.
Dienstag, 14.2.06 (Ombili) Das Camp, was wir gestern Abend mehr geahnt als gesehen haben, ist tatsächlich sauber und gepflegt. Wahrscheinlich das sauberste im südlichen Afrika. Eigentlich schon richtig unafrikanisch. Die deutschen Wurzeln der Besitzer.
Gerd beschreibt uns den Weg nach Ombili und versorgt uns noch mit ein paar Litern Benzin, denn Tankstellen werden wir auf den nächsten 100 km nicht finden.
Ombili ist schnell erreicht. Wenn wir nicht entsprechende Informationen gehabt hätten, wären wir hier nie abgebogen, denn an der Piste stand in einem alten Autoreifen nur ein schlichtes Hinweisschild "Ombili Primary School".
Dann ein paar Kilometer Matsch, ein Spielplatz, einige einfache Häuser und ein Parkplatz. Die frühere Besitzerin der umliegenden Farm, Frau Mais-Rische, hat einen Teil ihres Geländes an eine Stiftung verschenkt, die auf diesem Land von Spendengeldern eine Grundschule, ein Internat und Werkstätten eingerichtet hat. Hier wird Buschleuten und vor allem deren Kindern all das beigebracht, was sie brauchen, um im heutigen Namibia zu überleben. Ihre angestammte Lebensweise als Jäger und Sammler ist nicht mehr möglich, weil das Land ringsum von Farmen und Siedlungen genutzt wird. Die Buschleute werden als eigenständiges Volk „dank" der so genannten Zivilisation wohl über kurz oder lang aussterben. Doch unser Bedauern darüber hilft ihnen nicht weiter. Da es unmöglich sein wird, das Land wieder zu „entsiedeln" und die Zeit zurückzudrehen, hat sich die Ombili-Stiftung für einen anderen Weg entschieden. Sie will die Buschleute auf das Leben unter den veränderten Gegebenheiten vorbereiten. Das ist eine ganze Menge Arbeit, denn die Buschleute (auch Nama, San, Khoi Khoi genannt) sind Nomaden. Sie kennen weder Vorsorge noch längerfristige Planung, weder Abfall noch Schulen. Warum auch? Wenn es nichts mehr zu jagen und sammeln gab, sind sie halt weiter gezogen. Deshalb sind ihnen auch Ackerbau und dauerhafte Behausungen fremd. Beides allerdings unverzichtbar im Namibia von heute.
Das kleine Dorf, die Schule und das Internat werden nach unserem Eindruck sehr streng und diszipliniert geführt. Es ist vermutlich auch nicht anders möglich, denn Jahrhunderte alte Traditionen müssen innerhalb weniger Jahre (oder Generationen?) regelrecht „entlernt" werden. So sehr wir das auch bedauern.
Doch es ist irgendwie nett, wenn eine Gruppe von Zwergerln im Gänsemarsch, die Lehrerin vorweg, zum Spielplatz marschiert. Oder wenn alle im Klassenraum im Kreis auf dem Boden sitzen und singen. Auch der akkurat geschriebene Plan an der Wand im Internat, der pingelig regelt, wer wann für was verantwortlich ist, macht deutscher Ordnungsliebe alle Ehre. Schon wieder was Unafrikanisches.
David, der uns alles gezeigt hat, ist eine der Stützen von Ombili. Er weiß allerdings auch, dass die ganze Arbeit umsonst war, wenn man es nicht noch viele Jahre durchhält. Damit es weiter geht, fließen zahlreiche Gelder aus Deutschland. Und auch einiges von uns, denn wir konnten ihren Handarbeiten nicht widerstehen und haben uns reichlich eingedeckt. Außerdem hatten wir viel gebrauchte Kleidung aus Deutschland dabei, die wir größtenteils hier gelassen haben.
Das war sicher nicht unser letzter Besuch.
Auf nach Windhoek. 500 km bester Asphalt. Keine Piste, kein Sand, kein Schlamm und hoffentlich viel schwerer Landregen, denn irgendwie müssen wir den Dreck unterm Auto ja wieder wegkriegen. Gestern war's noch nicht nass genug. Oder wir waren zu langsam.
Doch heute gibt's nichts aufs Dach. Wir befürchten schon, in Windhoek mit einem Schlauch unterm Auto herumkriechen zu müssen.
Noch etwas anderes macht uns wirklich Sorge. Wir hören ein deutliches Knarren von der Hinterachse. Nicht schlimm, aber es wird allmählich lauter. Ein genauerer Blick zeigt, dass eine der Antriebswellen hinüber ist. Die Abdichtung ist weggerissen, Schlamm und Wasser sind in die Lager eingedrungen. Totalschaden. Wir hoffen, noch bis Windhoek durchzukommen, obwohl das Knarren mit jedem Kilometer penetranter wird.
Zu allem Übel geraten wir in eine Verkehrskontrolle. Papiere, Blinklicht, Scheibenwischer! Und es kommt, wie es kommen muss. Bitte hupen! Der Polizist verdreht die Augen, unser heiseres Gekrächze sei doch keine Hupe. Wir sollen Strafe zahlen. Mein an sich untauglicher Verteidigungsversuch, dass das Auto ja in Deutschland zugelassen sei und schon 30 Jahre alt sei und damals die Hupen gar nicht lauter waren und in Deutschland Hupen sowieso nicht lauter sein dürfen und und und ... erweist sich schließlich doch als erfolgreich. Wir dürfen fahren und lassen einen kopfschüttelnden Polizisten zurück, der jetzt ein völlig schräges Bild von deutschen Qualitätshupen hat.
Egal. Hauptsache wir kommen heute noch nach Windhoek.
Hindernis 1: Die Antriebswelle meldet sich so hartnäckig, dass wir bei Sonnenuntergang kapitulieren. Rechts ran zum Welle wechseln. Erst alles unten sauber machen, 12 Schrauben lösen, Welle und Lager tauschen und bei Taschenlampenlicht wieder zusammenbauen. Nach eineinhalb Stunden geht's weiter. Vorher kam noch ein Namibianer vorbei und fragte, ob er uns helfen könne. Ist doch nett.
Hindernis 2: Noch 'ne Polizeikontrolle. Dieselbe Story wieder versuchen? Doch der Polizist will gar nichts vom Fahrer wissen, der sitzt ja auch auf der falschen Seite. Er plaudert ein wenig mit Anette, wünscht ihr noch „Happy Valentines Day, Maam!", das war's. Auch nett.
Halb 11 Uhr nachts laufen wir schließlich in Windhoek ein. Der Wachmann am Camp fragt uns noch nicht einmal nach unserer Zufahrtsgenehmigung. Er erkennt uns von weitem und macht gleich die Schranke hoch. Schon wieder nett.
Das war's also für dieses Jahr. Gut 6500 km, das ist angesichts der riesigen Entfernungen nicht viel. Dafür gab's viel Wasser von oben und unten, eine Landschaft, wie wir sie so noch nie gesehen haben (die meisten Einheimischen ebenfalls nicht) und viele angenehme Begebenheiten, viel Einsamkeit und keine Abenteuer. So soll's sein.
Mittwoch, 15.2.06 (Windhoek) Wir melden uns erst einmal bei Baptis zurück und werden die nächsten beiden Tage nutzen, die letzten Sachen einzukaufen, den Bus zum Abstellen fertig zu machen und unsere Koffer zu packen. Dies alles kennen wir schon zum x-ten Male und es geht deshalb ziemlich flott von der Hand.
Das einzige, was ein bisschen lästig ist, ist der harte Dreck am Auto. Der muss runter. Obenrum geht das ganz gut, weil uns die Werkstatt der Spedition, bei der unser Container steht, einen Dampfstrahler leiht. Doch mit dem Riesending kommt man nicht unters Auto. Jedenfalls nicht richtig. Also bleibt nur, mit dem Wasserschlauch unters Auto zu kriechen und Stück für Stück den Schlamm aus den Ritzen herauszuspülen. Eine schöne Sauerei, doch bei über 30 °C ist es kein wirkliches Problem, klatschnass zu sein.
Donnerstag, 16.2.06 (Windhoek) Weiter in unserer Checkliste. Es müssen noch alle defekten Teile und Geräte ausgebaut und ordentlich verpackt werden. Wir wollen ja unsere Koffer voll kriegen.
Die Nacht verbringen wir ein letztes Mal im Bus. Er steht schon im Container. Wobei “Nacht” nach mehr klingt, als es wirklich ist. Wir sind erst weit nach Mitternacht fertig und um fünf klingelt schon wieder der Wecker.
Freitag, 17.2.06 (Windhoek-München) Noch die letzten Kleinigkeiten erledigen, damit der Bus ein Jahr unbeschadet überstehen kann. Alles abschließen und weg.
Das Taxi zum Flughafen, was wir gestern bestellt hatten, ist superpünktlich, was man von der LTU nicht behaupten kann. Mit knapp einer Stunde Verspätung hebt der Vogel ab. Wir hängen ziemlich in den Seilen. Glücklicherweise geht's dieses Mal direkt nach München, keine Rundreise über Düsseldorf wie auf dem Hinweg.
Als wir wieder am Boden sind und die Kontrollen hinter uns haben, steht Robert schon mit dem großen BMW bereit. Wie immer findet er unsere Hautfarbe gänzlich unangemessen.
Der Alltag hat uns wieder. Das miese Wetter auch.
|