Tagebuch 3

Tagebuch   3.2. bis 18.2.2005

Donnerstag, 3.2.05    Die Nacht war sehr angenehm kühl und ruhig. Wegen Internet-Cafe, Einkaufen und Tanken kommen wir erst relativ spät in die Strümpfe.

Den Tag wollen wir im Hluhluwe-Nationalpark verbringen, endlich die Massen an Elefanten, Löwen und Geparden sehen, die wir bisher vergeblich gesucht haben. Andererseits ist der Park mehr für seine Nashörner bekannt. Doch wir sehen weder das eine noch das andere, zunächst jedenfalls.

Es ist heiß, 40°C. Es gibt einige schöne Picknickplätze, wo man das Auto verlassen darf und im Schatten den einen oder anderen kalten Liter zu sich nimmt.

db_Img00139a30Und: wir sehen einen Elefanten. Nur einen und das auch nur weit weg, doch es gibt sie also noch. Leider werden es nicht mehr. Auch ohne Elefanten ist es eine sehr schöne Gegend. Von den Bergen hat man einen phantastischen Weitblick, große Kudus laufen uns über den Weg, Giraffen drehen ihre Hälse nach uns (die Viecher sind unheimlich neugierig, wenn man im Kreis um sie herum fahren würde, db_Img00142a30würden sie sich den Hals 'rausschrauben). Und schließlich finden wir auch die ersten Nashörner. Noch ein Stück weg, doch ganz majestätisch. Eines hat sich gerade im Matsch gewälzt und schabt sich an einem Baumstumpf genussvoll den Dreck ab.

Auf dem Rückweg laufen sie uns dann reihenweise über die Piste, insgesamt sicher mehr als ein Dutzend. Und nicht nur die dicken behäbigen Breitmäuler, sondern auch die kleineren, aber sehr viel aggressiveren Spitzmäuler. Immer gut im Auge behalten. Ein Ranger hatte uns mal erzählt, sie würden auf alles losgehen, was sich bewegt, auch Autos, doch man hätte gute Chancen, ungeschoren davonzukommen, denn sie sehen sehr schlecht und laufen meistens an ihrem Ziel vorbei.

Da wir kein Camp im Nationalpark finden und auch nicht im Busch übernachten wollen, weil wir heute unbedingt eine Dusche brauchen, fahren wir die 30 km in die Lodge von gestern zurück. Wir sind immer noch die einzigen Gäste.

Freitag, 4.2.05    Heute wird's ein reiner Fahrttag. Quer durch Kwa Zulu Natal, eine der wärmsten und fruchtbarsten, aber auch der bergigsten Ecken Südafrikas, durch so seltsame Ortsnamen wie Frau und Herrn Schmidt (Ladysmith und Harrismith). Am Anfang haben wir tropische Küste, dann geht's nach oben in ein schottisch anmutendes Hochland mit Wäldern aus Eukalyptusstangen (Bäume kann man die Dinger kaum nennen, extrem lang und dünn und nur oben ein paar Fusseln dran) und Zuckerrohr. Und einigem Wohlstand. Das wird in knapp 1500m durch das norddeutsche Flachland abgelöst, Wiesen und Rinderweiden und flach bis zum Horizont. Dann kriechen wir über einen fast 2000 m hohen Pass und sind fast an der Grenze nach Lesotho.

Nach einem guten Essen in einem Steakrestaurant stellen wir uns am Abend auf einen kleinen Seitenweg neben der Hauptstraße. Wir wollen uns gerade für die Nacht einrichten, da kommt ein Polizeiauto mit Blaulicht zu uns rübergefahren. Ich mache helles Licht im Auto an, um bei den Polizisten keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Einer kommt rüber und fragt uns, ob wir hier übernachten wollen. "Yes. Is it safe here?". "Sometimes". Also nicht. Die Polizisten zeigen uns noch den Weg zu einem Truckstop und wir verbringen eine sehr ruhige und sichere Nacht zwischen den dicken Lkws. Außerdem ist es ziemlich kalt, morgens nur 16°C.

Samstag, 5.2.05    Kurz nach 7 Uhr läuft schon der Motor!

Wenn wir mehr Zeit hätten, würden wir noch 'mal nach Lesotho reinschauen. Aber eins geht nur: Lesotho oder Kapstadt. Anette will lieber nach Kapstadt und der Fahrer eigentlich auch.

Inzwischen ist unsere Hupe wieder zum Leben erwacht. Wir hatten Sie in Moçambique ertränkt. Auf den Fernstraßen Südafrikas sind Hupe und Lichthupe unerlässlich. Nicht zum Warnen, sondern zum Bedanken. Die Straßen sind zweispurig mit einem breiten Standstreifen. Langsamere Fahrzeuge gehen kurz auf diesen Rand und lassen schnellere vorbei. Die bedanken sich mit Hupe oder Warnblinkanlage und der Überholte bedankt sich fürs Bedanken. Letzteres war immer unsere Rolle.

Mittags sind wir in Bloemfontein, der "dritten" Hauptstadt Südafrikas. Hier sitzt das höchste Gericht. Es ist eine hübsche Stadt, doch leider gibt es keinen ordentlichen Campground. Dafür aber McDonald's (musste 'mal sein) und riesige Supermärkte. Wir wollen 200 km weiter an einen See fahren und decken uns mit Lebensmitteln ein.

Am Gariep-Staudamm gibt's ein perfektes Camp am Ufer des Oranje. Für afrikanische Verhältnisse extrem sauber. Auch für deutsche.

Der Wasserspiegel ist verdammt weit unten. Wenn es in den nächsten Wochen nicht noch heftig regnet, ist der Wassermangel in einem halben Jahr vorprogrammiert.

Sonntag, 6.2.05    Heute wird nicht gefahren, sondern wir, unsere schmutzige Wäsche und unser nicht minder schmutziges Auto brauchen einen Tag Pflege und am Abend ein sehr schönes Lagerfeuer mit einem sehr schönen Stück Fleisch drauf.

Zudem haben wir einen Trauerfall zu beklagen. Unser langjähriger (und niemals richtig funktionierender) Dosenöffner hat uns endgültig verlassen. In Richtung Mülltonne. Statt dessen hat Wolfgang die Dosen mit dem Beil aufgemacht. Gut, dass uns niemand dabei gesehen hat.

Montag, 7.2.05    Wir wollen 400 km weiter in den Karoo-Nationalpark. Die Gegend hat viel Ähnlichkeit mit Arizona. Viele Tafelberge, sehr trocken und heiß, fast kein Grün. Es ist alles bester Asphalt, also no Problem, dachten wir. Doch wir haben wieder einmal einen Gegenwind, der sich gewaschen hat. Es ist ohnehin immer Gegenwind, wenn wir fahren!!! Über weite Strecken müssen wir in den dritten Gang zurückschalten.

Am Nachmittag wird's dann richtig heiß. Gut 40°C, da macht selbst der Fahrtwind durch das offene Fenster keinen Spaß mehr. Man hält sich ja auch keinen Fön zur Abkühlung ins Gesicht.

Wir kommen durch Han(n)over. Halfway-City. Ein Dorf, das sich rühmt, auf halbem Wege zwischen Johannesburg und Kapstadt zu liegen. Kein Vergleich mit unserer alten Heimat.

In Beaufort West, einer Kleinstadt am Rande der Karoo, lassen wir endlich unser Auto waschen. Der Dreck aus Moçambique muss runter. Und dann kauft Anette zwei Bierkrüge, weil sie meint, nur so dürfe man in Afrika Radler trinken. Oh Mann!

Am späten Nachmittag erreichen wir den Nationalpark. Mitten drin in der Ödnis landet man in einem kleinen Paradies, eines der schönsten Camps, die wir dieses Jahr hatten. Schattige Plätze, sattes Gras, das von großen Schildkröten kurz gehalten wird, viele zutrauliche Vögel, Mangusten, grüne Meerkatzen (weder grün noch Katzen, sondern kleine Äffchen), ein Wiedehopf stochert im Rasen nach Würmern, Schwalben gehen im Tiefflug über den Swimmingpool, um ein paar Tropfen Wasser zu erhaschen. Jawohl, Swimmingpool. Luxusleben in der Steppe.

Dienstag, 8.2.05    Die Dame an der Rezeption hatte uns gestern schon gesagt, dass es nach einigen Tagen mit 40°C meistens ein paar schwere Regentage gibt. Heute ist's tatsächlich ziemlich bewölkt und die Temperatur ist sehr angenehm. Nass wird es nicht, glücklicherweise.

Die Tierwelt im Nationalpark außerhalb des Camps ist nicht gerade prickelnd, es ist einfach zu trocken. Wenn man Vogelkundler wäre, dann sähe das schon anders aus. Immerhin finden wir einige Antilopen, Warzenschweine, Strauße (oder Sträuße?). Doch die Landschaft mit den schroffen Tafelbergen ist beeindruckend. Fast wie in den Wildwest-Filmen.

Nach einem mittäglichen Picknick machen wir uns auf den Weg nach Kapstadt. Als der Wagen plötzlich heftig nach links zieht, ist der nächste Reifenwechsel angesagt. Zwei Pannen nach 5000 km, das geht ja noch.

Abends landen wir wieder auf einem Truckstop, diesmal einer von der besseren Sorte, gut zwei Stunden vor Kapstadt. Der Platz ist gut bewacht und die Toiletten picobello sauber, doch die Nacht ist alles andere als ruhig. Zuviel Verkehr, ist ja die Hauptachse zwischen Kapstadt und Johannesburg.

Mittwoch, 9.2.05    Wir kommen früh weg, fahren auf einen knapp 1000 m hohen Pass und frühstücken bei herrlichem Sonnenschein mit Blick über die Weinberge hin zum Tafelberg und nach Kapstadt. Den Ausblick gibt's in keinem Hotel.

Weiter unten im Tal in Paarl wollen wir uns Nederburg, eines der bekannteren Weingüter, anschauen. Doch leider gibt's geführte Touren nur für geschlossene Gruppen. Und Weine probieren kann man nur bis 17 Uhr. Wenn wir nachmittags bei diesen Temperaturen ein paar Weine probiert haben, dann kommen wir vom Parkplatz nicht mehr 'runter.

Doch bei KWV, der Konkurrenz, haben wir Erfolg. Zwar ist das Trinken dort auch schon am Nachmittag zu Ende, doch sie bieten geführte Touren an. Das nehmen wir uns vor, wenn wir in ein paar Tagen Richtung Windhoek aufbrechen.

In Kapstadt angekommen, zieht es uns an den Hafen. Erst wenn man sich in Erinnerung ruft, wie diese Gegend vor elf Jahren ausgesehen hat, dann ahnt man, wie sehr sich die Stadt verändert hat. Gigantisch! Nicht nur die Dinge, die im weitesten Sinne mit dem Tourismus zu tun haben, sind neu, sondern auch etliche Wohn- und Geschäftsviertel. Nicht alle schön, doch auch nicht so hässlich wie in anderen boomenden Städten. Selbst in den eher ärmlichen Gegenden und Slums wie den Cape Flats wird gebaut wie der Teufel.

db_Img0017230Doch hier am Hafen sind solche Dinge weit weg, wir sitzen in einem Cafe, gucken anderen Leuten zu und lassen es uns gut gehen. Im Hafen rülpsen die Seerobben, die Shosholooza, Südafrikas Nationalstolz und eine der Herausforderer-Yachten für den Americas-Cup (die Deutsche Telekom ist Sponsor) fährt zum Üben raus und der Tafelberg hat sein berühmtes Tischtuch drauf. Ansonsten strahlend blaues Fruchtsalat-mit-Eiscreme-Wetter.

Zum Sonnenuntergang fahren wir entlang der Steilküste auf dem Chapman's-Peak-Drive. Der Blick auf den Atlantik ist grandios, doch der Wind pfeift uns derart um die Ohren, dass wir auf den Sundowner verzichten. Auch auf der anderen Seite der Kap-Halbinsel ist es nicht besser und wir befürchten eine ziemlich unruhige Nacht, denn das Auto wird auch auf dem Camp durchgeschüttelt wie auf einer schlechten Piste.

Irgendwann macht der Wind schlapp und die Nacht wird ganz kommod.

Donnerstag, 10.2.05    Auf zum Kap der Guten Hoffnung. Herrlichstes Wetter. Am frühen Vormittag sind noch relativ wenige Besucher da, doch gegen Mittag kommen die Heerscharen. Busse über Busse, wir kommen kaum noch vom Parkplatz runter. Schön und einsam wird's erst, wenn man sich auf einem der vielen felsigen Pfade ein Stück entfernt.

db_Img0017030Auf dem Rückweg schauen wir noch kurz bei den Pinguinen in Boulders vorbei. Für das Städtchen sind sie die einmalige Chance, ein paar Touristen anzulocken. Inzwischen gibt's vermutlich mehr Hinweisschilder als Tiere. Wir können ein halbes Dutzend Tierchen auf einem kleinen Felsen vor der Küste ausmachen, die anderen sind wohl auf Achse.

Wir wollen dieses Jahr endlich mal nach Robben-Island. Das ist die Gefängnisinsel in der Kapstädter Bucht, auf der Nelson Mandela sein halbes Leben verbracht hat. Oder verbringen musste. Die letzte Fähre geht um drei. Wir stellen zu spät fest, dass es zum Hafen noch ein ziemlich weiter Weg ist. Also Bleifuß, der Motor gibt sein Äußerstes. Wir wussten gar nicht, dass 50 PS soooo munter sein können. Aber warum kapituliert er immer bei Gegenwind?

Aber es reicht nicht. Wir sind fünf Minuten zu spät. Dann eben beim nächsten Besuch. Statt dessen treiben wir uns noch bis zum Abend am Hafen herum. Es gibt so unendlich viel zu kaufen hier. Und zu essen. Und zu trinken.

Wir kommen spät in Paarl an. Morgen wollen wir das Weingut besichtigen.

Freitag, 11.2.05    Weingut ist vielleicht nicht das richtige Wort. Weinfabrik passt besser. Hier wird alles gleich in Millionen Litern gemessen. Doch was sie produzieren, scheint recht gut zu sein.

Die Führung ist sogar in deutsch, wir kriegen allerhand zum Probieren (hicks) und viele Erklärungen. Einige der Rotweine sind wirklich lecker und wir bringen es nicht übers Herz, den Rest im Glas, so wie es sich auf einer Weinprobe gehört, wegzuschütten. Bei den härteren Sachen halten wir uns dafür zurück.

Als wir mittags loskommen, kriegen wir von den Damen am Empfang noch mal deutlich nahe gebracht, dass wir bitteschön Bescheid sagen, wenn wir den Bus 'mal verkaufen würden. Wieder mal.

Die Straßen der Stadt sind klebrig. Es ist Weinlese und in den Kurven kullern die Trauben von den Anhängern. So klebriger Straßenbelag wäre sicher etwas für die Formel 1, Bodenhaftung pur.

Unterwegs kriegen wir endlich auch einen neuen Benzinkanister. Vor einigen Wochen war uns einer auf der Tankstelle geplatzt. Schweißen macht wenig Sinn, denn das eingeprägte Datum sagt, dass er über 40 Jahre alt geworden ist.

Wenn wir schon beim Reparieren sind: als wir einen Reifen flicken lassen, verabschiedet sich gleich noch ein zweiter, wie praktisch. Den Schlauch hat's aufgearbeitet. Das sind die Platten Nummer drei und vier. Seltsamerweise alle vorn.

Am Abend landen wir an der Atlantikküste in einem einsamen und sehr windigen Camp. Wir befürchten, dass uns der Wind das Lagerfeuer samt Fleisch wegbläst. Aber nicht mit uns!

Nicht weit weg von hier steht in Saldanha ein großes Stahlwerk. Ich erinnere mich, dass Siemens an dem Ding mit herumgeschraubt hat, Kollegen hatten den Namen erwähnt. Das Erz kommt aus großer Entfernung per Bahn hierher. Man erzählt uns, dass die Züge bis zu zweieinhalb Kilometer lang seien. Am nächsten Tag sehen wir einen, es sieht wirklich unendlich lang aus.

Samstag, 12.2.05    Heute ist ein Kilometertag. Wir wollen möglichst zügig hoch nach Norden ins Länderdreieck Namibia-Südafrika-Botswana, in den Kgalagadi-Nationalpark.

Der Kompressor von unserem Kühlschrank macht seit einigen Tagen nur noch Klappergeräusche, aber er kühlt nicht mehr. Die angenehmste Ursache wäre: er hat Kältemittel verloren, das nur nachgefüllt werden muss. Die unangenehmste: der Kompressor ist im Eimer (es wäre der dritte, seit wir in Afrika sind), also Möbel ausbauen, Kompressor raus und 10 kg mehr Fluggepäck. Die Dinger werden durch die hohen Temperaturen und das Gerüttele auf den Pisten ganz schon rangenommen. Von einem Südafrikaner erfahren wir die Adresse einer Klimagerätewerkstatt im Nachbarort, die angeblich auch am Samstag arbeitet.

Tut sie auch. Mit viel Gefummele und krummen Fingern (an das Ventil kommt man nur durch die Lüftungsschlitze ran) kriegen wir neues Gas reingepumpt. Und er läuft wie geschmiert. Jetzt brauchen wir kein Eis in Plastiktüten mehr zu kaufen und haben trotzdem Butter und kein Öl.

Es geht durch die Küstenberge und dann in die Hochebene, die später in die Kalahari übergeht.

Eigentlich wollten wir im Busch übernachten, doch wir landen im "Vorgarten" eines Hotels, das schon bessere Zeiten gesehen hat. An sich ist das Dörfchen um das Hotel herum öd und trocken, doch es hat vor zwei Wochen kräftig geregnet, jetzt ist es nur noch öd. Leider kommen eine Woche nach dem Regen die frischen Mücken raus. Sie müssen in ihrem kurzen Leben nehmen, was sie kriegen können. Uns zum Beispiel.

Unter unserem Moskitonetz wird es eine sehr angenehme Nacht. Jedenfalls für uns. Die gierigen Biester bleiben hungrig.

Sonntag, 13.2.05    Wir sind schon um 6:30 Uhr aufgestanden und deshalb früh auf Achse. Bis Kgalagadi sind's noch 500 km. Einsame Kilometer. Die Landschaft ist flach wie ein Tisch und sehr trocken, obwohl es ja geregnet hat. Doch mitten drin leben hin und wieder Menschen und Vieh. Bokkies meist, also Ziegen und Schafe. Sonst gibt's hier nichts.

Es kommt, wie es immer kommt. Am Vormittag geht ein kräftiger Wind los, voll von vorn. Wir kommen über längere Strecken wieder nicht aus dem dritten Gang raus. Und warum ist der Wagen in Kapstadt so gerannt? Als der Wind am Nachmittag müde wird, ist es mit knapp 40°C so heiß, dass wir der Motortemperatur zuliebe langsamer fahren.

An der Straße steht auf einem großen Schild, dass Geschwindigkeitstests nur mit besonderer Genehmigung gestattet sind. Hä? Erst später erfahren wir, dass diese Straße von den deutschen Autoherstellern als Hitzeteststrecke genutzt wird. Eine zweispurige schmale Landstraße ohne Randstreifen! Wir geben unser Bestes und schaffen immerhin satte 70 Sachen, hoffen aber, dass uns keiner der Testfahrer mit 250 km/h überholt.

Uns fällt auf, dass ungewöhnlich viele überfahrene Tiere neben der Straße liegen. Meist kleinere, aber auch Springböcke und sogar eine Falbkatze. Sie ist doppelt so groß wie eine Hauskatze. Lebend haben wir sie noch nie gesehen. Ob das alles von den Hitzetestern stammt?

Die letzten 60 km bis zum Park sind zum Abgewöhnen. Hartes Wellblech und spitze Steine. Warum testen die ihre Autos nicht hier, da wären die Tests deutlich schneller zu Ende. Mehr als 30 Stundenkilometer sind für uns auf der Rüttelstrecke nicht drin, sonst fällt das Auto auseinander.

Im Camp treffen wir einen Belgier, der hier häufig herkommt und uns gute Tipps zum Auffinden von Leoparden und Geparden gibt. Nächstes Mal werden wir uns für den Park wieder mehr Zeit nehmen, dieses Mal muss ein Tag leider reichen.

Abends gibt's, wie sollte es anders sein, ein schönes Lagerfeuer, 'was Schönes zum Grillen und 'was schön Kaltes zum Trinken. Es ist vermutlich unser letzter Abend im Busch und das letzte Steak unter der Milchstraße für dieses Jahr. Der Himmel ist tiefschwarz und voller Sterne, ringsum raschelt und zirpt es und nacheinander besuchen uns Buschhörnchen, einige Mungos und Genets (Wildkatzen). Die Mungos und Katzen kommen fast auf Armlänge heran und während diese Zeilen in den Computer kommen, sitzt ein Mungo vor unseren Füßen und beobachtet uns. Es könnte ja was zum Fressen abfallen.

Um die Tierwelt zu vervollständigen: immer wieder knallen große Mistkäfer neben uns auf den Boden. Die können noch schlechter landen als Albatrosse, sie fliegen einfach irgendwo dagegen und fallen runter. Auch andere große Käfer sind keine besseren Flieger, aber eine Delikatesse für die Mungos. Mistkäfer scheinen ihnen nicht zu schmecken. Auch Tausendfüßler nicht (die dicken schwarz glänzenden Zigarren), denn auch sie dürfen unbehelligt weiterkrabbeln.

Anette liegt im Bett und hängt mit dem Kopf aus dem Fenster, um einer Wildkatze beim Käferjagen neben dem Auto zuzuschauen.

Ganz schön was los hier.

Es ist zwar schon nach 22 Uhr, aber immer noch sehr angenehme 27 °C.

Montag, 14.2.05    Schichtwechsel. Zum Frühstück werden die nachtaktiven Tierchen durch tagaktive abgelöst. Anette sammelt eine große Schar von Webervögeln um sich, unter denen sie ein paar Scheiben altes Brot verteilt. Dann gesellen sich einige Eichhörnchen dazu (unser schlaues Buch nennt sie Ockerfußbuschhörnchen), die ihr sogar aus der Hand fressen. Und die letzten Mangusten von der Nachtschicht schauen auch noch mal vorbei.

Nach einem ausgiebigen Frühstück wollen wir nun endlich ein paar Löwen oder Geparden zu Gesicht bekommen. Das nächtliche Tierleben war ja schon recht viel versprechend.

Unser Campnachbar kommt gerade von seiner Morgenpirsch zurück (er bricht immer bei Sonnenaufgang auf, doch dazu hatten wir heute keinen Draht). Er hatte sowohl Löwen als auch Leoparden, gar nicht weit weg vom Camp.

Nach 50 km langsamen Fahrens und intensiven Suchens rechts und links vergeht uns allmählich die Geduld. Es soll wohl dieses Jahr nicht sein. Einige schöne Oryx-Antilopen, etwas Kleingetier, das ist's dann auch.

Am Ende sind wir knapp 200 km umhergefahren. Nix war’s. Das erste löwenlose Jahr. Es ist einfach zu grün, zuweilen sehen die sonst knochentrockenen Täler wie englische Parks aus. Hübsch anzuschauen, aber Afrika findet darin nicht statt. Auch auf der botswanischen Seite soll es auch nicht besser sein.

Wir beschließen, noch am Nachmittag zur Grenze aufzubrechen. Die macht zwar schon um 16 Uhr dicht, aber wir werden uns einfach für die Nacht vor den Schlagbaum stellen, dann schaffen wir morgen noch die 700 km bis Windhoek.

Die Piste hat viel hartes Wellblech, doch für die ersten 30 km können wir auf einen kleinen Feldweg entlang des Grenzzaunes ausweichen. Danach geht's nur noch ziemlich langsam auf der Hauptpiste weiter. Sie wird gerade zu einer richtigen Straße ausgebaut und wird nicht mehr gepflegt. In drei Jahren sollen die 60 km fertig sein.

Die weitere Strecke bis zur Grenze ist noch bescheidener, offensichtlich fährt hier selten jemand lang.

Wir sind froh, als die Schüttelei endlich ein Ende hat und wir am Grenzposten stehen. Nach 4 Stunden haben wir dann doch 140 km geschafft.

Dienstag, 15.2.05    Am nächsten Morgen sieht man kurz nach 8 Uhr eine Staubwolke näher kommen. Die Grenzer kommen angefahren und machen den Schlagbaum auf. Nach einer halben Stunde Papierkrieg sind wir zurück in Namibia und haben tatsächlich zum ersten Mal in diesem Jahr einen Zöllner erlebt, der ins Auto schauen wollte. Reine Neugier, aber immer höflich.

Man muss für den Grenzübertritt Gebühren zahlen, die aber seltsamerweise nicht an der Grenze erhoben werden, sondern in einer Imbissbude 10 km weiter. Wirklich merkwürdig.

Die Piste ist hervorragend, wie eigentlich immer in Namibia. Vielleicht sollte man die Südafrikaner mal hierher bringen, damit sie lernen, wie man Pisten pflegt. In rekordverdächtigen 3 Stunden haben wir die 200 km bis zum Asphalt abgespult.

Unsere Rekordgier kennt keine Grenzen und wir rasen regelrecht nach Windhoek. Kein Gegenwind, mit 38°C keine extreme Hitze, kaum Verkehr, feinster Asphalt. Und als kurz vor Windhoek ein leichter Regenschauer einsetzt, sinkt die Temperatur innerhalb weniger Minuten um 15°C.

Entgegen allen Erwartungen sind wir noch vor Sonnenuntergang in Windhoek. So schnell waren wir noch nie.

Deshalb haben wir auch Zeit, uns bei Elsbeth und Bapti, Anettes Tante und Onkel, zurück zu melden. Ihr erster Spruch: „Au weia, Ihr seid ja Neger!".

Mittwoch, 16.2.05    Die letzten Tage vor der Rückreise sind immer hektisch und arbeitsreich. Was müssen wir noch mit dem Auto machen? Was mitnehmen? Sind noch Karten zu schreiben? Was ist einkaufen?

Anette kümmert sich ums Geldausgeben, Wolfgang um den Bus. Ölwechsel, Hochdruckreinigung von unten, alte Räder drauf und hart aufblasen, Ausbau von allem, was kaputt ist oder mit nach Deutschland kommt, Tank bis zum Stehkragen voll, Batterien raus. Und vor allem Koffer packen.

Donnerstag, 17.2.05    Das Gleiche wie gestern, aber heute müssen wir Auto und Koffer fertig kriegen. Immer wieder kommen uns Regenschauer dazwischen und wir müssen in den Container fliehen. So nach und nach wird der Platz ums Auto richtig schön matschig.

Glücklicherweise hat uns Bapti seinen Bakkie geliehen. Bakkies sind Pick Ups, also Pkws mit Ladefläche und meistens einem Kunststoffdach drüber. So können wir die Koffer trocken halten und bequem zu Bapti bringen. Wir werden heute Nacht bei ihnen schlafen und morgen in aller Herrgottsfrühe an den Flughafen gebracht.

Nach Einbruch der Dunkelheit sind wir endlich fertig. Der Bus ist im Container verzurrt und das Gepäck liegt im Bakkie. Doch kaum sind wir vom Gelände der Spedition herunter gefahren, fällt Wolfgang ein, das er ein Gerät, was umgebaut werden muss, im Auto vergessen hat. Grrrrr.

Da wir die Vorhängeschlösser zum Containerplatz hinter uns zugedrückt hatten und keinen Schlüssel haben, muss Wolfgang über einen Container klettern, um zu unserem eigenen zu kommen. Rauf ging's ganz schnell. Runter noch schneller. Sogar viel schneller als ihm lieb war. Als er sich herunterhangelt will, kippt ein 3m hohes Stahlgerüst mit ihm um. Freiflug durch die Nacht, rückwärts. Es ist unglaublich, wie lange ein oder zwei Flugsekunden dauern können. Harte Landung auf dem Rücken und im nächsten Augenblick Sterne vor den Augen. Das Gerüst fällt auf ihn drauf und zieht ihm einen Scheitel. In solchen Augenblicken hat man tatsächlich den Eindruck, sprühende Sterne zu sehen.

Nachdem er sich aufgerappelt habe, geht’s trotzdem relativ gut. Das Gehirn scheint nicht erschüttert zu sein (...ok, dieser Satz lässt verschiedenste Interpretationen zu). Glück im Unglück: wäre er ein paar Meter weiter vom Container geklettert, wäre er in einem großen Matschloch gelandet. Andererseits war an dieser Stelle das Stahlgerüst richtig befestigt und nicht nur angelehnt.

Egal, das vergessene Gerät ist schnell ausgebaut. Der Rückweg über die Container wird deutlich vorsichtiger. Da es geregnet hatte und meine Haare noch nass waren, lief ihm etwas Wasser über die Stirn. Dachte er. Aber das Wasser hatte Farbe, kräftiges Rot.

Beim Abendessen bei Baptis lief es immer noch. Schwester, bitte den Tupfer! Wolfgang hatte sich eine 2 cm lange Platzwunde eingefangen, die weiter leise vor sich hin blutete. Nähen wäre um diese Uhrzeit schwierig geworden, deshalb Radikalkur. Unter die Dusche, alles sauber gewaschen und die Nacht auf dem Rücken geschlafen.

Freitag, 18.2.05    6 Uhr aufstehen, vorsichtig an den Kopf fassen. Alles bestens!

Das Flugzeug ist fast pünktlich da. Wir auch. Koffergewicht ist kein Problem, da die schweren Autoteile vom Hinflug fehlen. Dafür haben wir ein paar Flaschen Sherry, Brandy und Wein mit.

In den nächstem neun Stunden sind Essen und Dösen angesagt. Und darüber nachdenken, wie schrecklich sich Schnee anfühlt.

Kurz nach dem wir aus dem Flugzeug 'raus sind, klingelt das Handy. Robert landet ein paar Minuten nach uns und Irmtraud holt ihn und uns mit dem großen Auto ab. Perfektes Timing.

Die Idee mit den Flaschen im Koffer wir nur bedingt gut. Den Sherry zerreißt's und alles im Koffer hat ein feines Aroma. Vor allem Anettes Bergschuhe nehmen einen großen Schluck.

In der Wohnung sieht es aus, als wären wir nur 'mal eben für ein paar Stunden weg gewesen. Es ist für unsere Verhältnisse ungewöhnlich ordentlich, doch das werden wir in den nächsten Tagen ändern.

 

Resümee

Wir waren zu dieser Jahreszeit noch nie unten. Es war erheblich grüner als wir erwartet hatten, mit durchschnittlich 33°C aber wohl temperiert. Wir empfanden das als sehr angenehm, denn spätestens bei 25°C am Abend fingen wir an, die wärmeren Pullover 'rauszuholen. Ein wenig genervt hat uns der Regen, der zwar nicht häufig kam, aber immer unpassend. Allerdings stehen wir mit dieser Meinung ganz alleine da. Afrikaner lieben Regen.

Die Länder, in denen wir waren, kannten wir zwar alle schon, doch wir haben einige unbekannte und schöne Ecken gefunden. Die grüne Kalahari. Der raue Süden Moçambiques. Die Traumküste des Indischen Ozeans. Die einsame Karoo. Das unvergleichliche Kapstadt. Dazu die vielen netten Begegnungen mit Menschen. Und mit Tieren, auch wenn letztere dieses Jahr nicht so intensiv wie sonst waren. Viel zu grün. Kein Löwe, zwei Hyänen, ein paar Nilpferde, ein Dutzend Elefanten. Sehr dürftig. Dafür ist uns das Kleingetier um so heftiger um die Füße gewieselt. Mungos, Erdhörnchen, Buschbabies, Schildkröten, Tausendfüßler, Skorpione, Moskitos. Man ist hier nie allein.

Unser Bus hat die 8000 km sehr ordentlich durchgehalten, wenn man von den Anlaufschwierigkeiten mit den Radlagern mal absieht. Doch daran waren wir letztlich selber schuld, hätte Wolfgang halt besser hinschauen sollen. Der Bus ist in Moçambique wie ein Boot durchs Wasser gegangen und hat auch auf schlechten Strecken Haltung bewahrt. Weicher Sand und starker Gegenwind haben zwar die Grenzen aufgezeigt, doch damit konnten wir gut leben.

Bestimmt fünfzig Mal sind wir gefragt worden, ob wir ihn verkaufen wollen, manchmal sehr eindringlich. Aber warum sollten wir? Und was würde ich machen, wenn nichts mehr zu reparieren wäre? Schreckliche Vorstellung.

Unser erster Versuch mit dem Internet war zwar alles andere als perfekt, doch es hat seinen Zweck erfüllt. Inzwischen wissen wir viele Dinge, die man besser nicht machen sollte und haben viel gelernt. Aber es ist nach wie vor spannend, sich vorzustellen, dass das, was man gerade im Busch zusammenschreibt und fotografiert, kurz darauf von allen zu Hause gesehen werden kann. Beim nächsten Mal werden wir auch wissen, wie man unterwegs Mails aus dem Netz herunterlädt. Dann ist's ja fast wie zu Hause. Wollen wir das eigentlich?

Abenteuerlich oder gar gefährlich war's nie, jedenfalls empfanden wir es nicht so, als wir mitten drin waren. In der Rückschau hätten wir auf das eine oder andere durchaus verzichten können. Doch um ehrlich zu sein: ganz ohne wär's auch fad gewesen. Entweder alles oder nichts. Dann lieber alles.

Haben wir Deutschland vermisst? Nö, nicht wirklich. Familie und Freunde ja, aber sonst? Zwar lernt man ein paar Dinge schätzen, wenn sie nicht mehr da sind: unbeschränkt Trinkwasser zu haben, Platz in der Wohnung (8 qm im Bus sind schon arg eng), saubere Duschen und Toiletten. Doch so richtig schwerwiegend ist das alles nicht. Kaum waren wir zurück, hatten wir Entzugserscheinungen. Es ist 40° kälter, keine Milchstraße mehr, kein Lagerfeuer, viel Hektik, falsche Straßenseite beim Autofahren...