20.2.2011, Melkbosstrand (Südafrika)
Boomslangalarm!
Im Baum über uns sitzt also tatsächlich eine Schlange. Zum Frühstück! Schön getarnt und gelbgrün. Eine Boomslang. Unser Nachbar sagt, es wäre die größte, die er je gesehen hätte. Und er hätte viele gesehen, schließlich lebe er auf einer Farm. Sie wäre giftig, doch man bräuchte nach einem Biss nicht ins Krankenhaus zu fahren. Das Thema hätte sich sowieso schon nach wenigen Minuten erledigt.
Ups!
Er hat sich bereits mit einem eisernen Feuerhaken und einem Besen bewaffnet und will sie aus dem Baum schütteln, um ihr am Boden den Garaus zu machen. Doch die Schlange flüchtet nach oben. Immer größere und höhere Äste werden geschüttelt und Teile krachen nach unten. Nur die Schlange nicht, denn die huscht mit unglaublicher Geschwindigkeit von einem Ast zum anderen und ist für kurze Zeit sogar völlig verschwunden. Was uns gar nicht gut gefällt.
Dann entdecken wir sie auf dem Nachbarbaum und die Aktionen beginnen von neuem. Genauso erfolglos wie bisher.
Durch den Lärm kommt Leben in die noch sonntagsmorgenmüde Umgebung. Die telefonisch gerufene Verstärkung rückt an. Der Manager vom Camp, professionell ausgestattet mit einem Schlangenstock, und ein Nachbar mit einem dicken Knüppel in der Hand. Und auch ein Beil liegt bereit.
Der Besen fliegt hoch in den Baum, um die Schlange zu vertreiben. Und bleibt oben hängen. Ein anderer Nachbar nimmt den eisernen Feuerhaken und wirft ihn ebenfalls in den Baum. Kaum ist das Ding in der Luft, fällt ihm siedend heiß ein, dass auf der anderen Seite des Baumes Autos, Wohnwagen und vor allem Leute stehen (wir vorsichtshalber nicht).
Freundlicherweise bleibt auch der Haken in den Ästen hängen und uns die Schlagzeile “Schlangenjäger von Feuerhaken erschlagen” erspart.
Die ersten zwei Waffen wären also aus dem Verkehr gezogen. Bleiben noch Knüppel und Beil (wir sind sehr dankbar, dass die nicht geworfen werden!) und der Schlangenstock. Das ist ein langes Rohr mit einer Schlaufe oben, die man zuziehen kann. Voraussetzung: die Schlange ist so nett und steckt den Kopf in die Schlinge. Tut sie aber nicht, denn sie hängt vier Meter hoch im Baum und Mann und Stock sind zusammen nur drei Meter hoch.
Es sieht schlecht aus. Für die Jäger. Doch der Manager hat noch Trumpfkarten. Über Funk ruft er die Special Forces heran. Kurz darauf kommt ein Auto, zwei Leute und ein Junge steigen aus. Zunächst ein älterer Mann, der zitternd eine Luftpistole in der Hand hält. Ob das Zittern vom Alter oder von der Vorfreude auf die Ballerei kommt, wissen wir nicht. Jedenfalls fuchtelt er mit der Waffe ganz grob in Richtung Schlange herum und drückt immer wieder mal ab. Nach jedem Schuss reicht ihm der Junge eine neue Kugel.
Er metzelt erfolgreich einige Blätter aus dem Baum. Das Risiko für die Schlange ist überschaubar. Wir stellen uns immer schön hinter den Schützen, doch wir fürchten um unser Frühstück.
Nach Einsicht in die Aussichtslosigkeit seines Bemühens geht der Kampfauftrag an den zweiten Mann. Ein ebenfalls älterer Mann, noch nicht zitternd, dafür mit einem Gewehr mit Zielfernrohr ausgerüstet.
Mit schmalen Augen sondiert der die Lage. So etwa könnte das auch bei Großwildjägern aussehen. Nach langem Abwägen geht er unter den Baum, legt das Gewehr an den Stamm an, visiert durch das Fernrohr und schießt. Und schießt. Und schießt. Wir haben keine Angst um uns oder ums Auto, er schießt ja nach oben. Für die Schlange sieht die Lage schlechter aus. Sie liegt nur etwa einen Meter vor seiner Gewehrmündung. Nach einem Dutzend Schüssen hält er inne. Dann dreht er sich langsam zu uns um und nickt ganz leicht, sich seines Triumphes bewusst.
Der Alte mit der Luftpistole will der Schlange den Rest geben und fuchtelt schon wieder freudig mit dem Lauf herum. Doch man kann ihn überreden, den Baum zu verschonen.
Tatsächlich hat die Schlange ein unschönes Loch an der dicksten Stelle. Wieso die anderen Kugeln bei gerade mal einem Meter Entfernung die Schlange verfehlt haben, bleibt uns schleierhaft. Mit Zielfernrohr! Wahrscheinlich hat unser Meisterschütze zehn Mal durch das gleiche Loch geschossen.
Jedenfalls versucht die Schlange, auf den Boden zu kommen und zu fliehen. Das war ihr Fehler! Mit dem Schlangenstock kann der Manager sie angeln, dann ein Schlag mit dem Beil und die Geschichte ist zu Ende.
Der Manager hebt mit verhaltenem Triumph die nunmehr kopflose Schlange hoch (sie war mal 1,30 m lang, ein ziemlich stattliches Exemplar) und marschiert von dannen. Die Waffen werden eingesammelt und es ist wieder Sonntagmorgen. Unser Nachbar wäscht weiter ab und wir frühstücken.
Es bleibt die Frage, ob das Ganze nicht auch weniger martialisch über die Bühne hätte gehen können? Die Ballerei war schon hart an der Schmerzgrenze. Hätte man einen vernünftig langen Schlangenstock gehabt und jemanden, der damit umgehen kann, dann wären nur ein Behälter und eine Fahrt in das nahegelegene Naturschutzgebiet nötig gewesen. Denn die Boomslang ist an sich sehr scheu und meidet normalerweise die Nähe des Menschen.
So richtig Lust auf Frühstück haben wir nicht mehr.
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