28.1.05, Salamanga/Moçambique
"Just a few potholes"...
... hatte der Polizist im Hafen gesagt. Ein paar Schlaglöcher also.
Als wir über die Brücke über den Maputofluß kommen, gibt's erst mal einen Roadblock. So heißen hier die Kontrollstellen der Polizei. Ein Zelt neben der Straße, ein Schild am Straßenrand und fertig. Meist sind die Polizisten ziemlich nett und wundern sich nur über den Fahrer, der auf der falschen Seite sitzt. Wirklich kontrolliert worden sind wir dieses Jahr noch nie. Auch dieses Mal nicht. Als ich den Polizisten frage, welche der Spuren nach Punta do Ouro führt (das ist der Grenzort an der Küste nach Südafrika), zeigt er muffelig in eine Richtung und wir fahren los.
Leider hat unser Kompass seit ein paar Tagen eine Macke und zeigt beliebige Richtungen an. Auch ist das Kreuz des Südens hier im Wald nicht auszumachen. Deshalb müssen wir uns auf den muffeligen Polizisten verlassen. Wenn wir nach 40 km nicht an der Grenze sind, war's halt die falsche Spur.
Es lässt sich gut an, zwar ein paar Wasserlöcher, aber sandig und nicht matschig. Rechts und links dichtes Grün. Wir frotzeln noch "Pass auf, gleich kommt ein Wegweiser zu einem Camp mit Restaurant und kalten Duschen". Kommt natürlich nicht. Nur die Duschen kommen. Nicht für uns, sondern fürs Auto. Die Wasserlöcher werden immer tiefer und länger, sind aber im Untergrund fester Sand. Langsam im ersten Gang durch. Kanaldeckel können hier zwar nicht fehlen, aber wer weiß, was alles in den Löchern rumliegt.
Etliche Male schwappt uns das Wasser trotz langsamer Fahrt über die Scheinwerfer, einige Male sogar bis oben ans Reserverad. Doch mit den beiden Dachscheinwerfern geht's wunderbar. Es macht fast schon Spaß. Rein ins Wasser, hinten wieder raus, kurz bergan, runter ins nächste Loch. Anette klammert sich etwas verbissen am Haltegriff fest und hat Zweifel, ob wir da durchkommen. Sie meinte, sie wäre heute genug Boot gefahren.
Wolfgang hat zwar auch keine Lust, nachts den Bootsführerschein zu machen, aber es ist zu dicht bewachsen, um von der Piste zum Übernachten runter zu kommen. Auf der Piste einfach stehen bleiben geht auch nicht, da die Spur zu schmal ist.
An einem Baum weist ein Schild nach "... ka Madjadjane". Wir können damit zwar nichts anfangen, doch das Schild zeigt auch ein Symbol, dass man im Entferntesten als Zelt interpretieren könnte. Der Weg führt nach wenigen hundert Metern auf eine Lichtung. Wir können im Scheinwerferlicht Hütten erkennen, aber keine Menschen. Schlafen können die noch nicht, denn es ist erst halb neun. Das alles ist offensichtlich unbewohnt, macht aber trotzdem einen gepflegten Eindruck. Im Sand sieht man noch die Spuren des Besens, mit dem der Boden gefegt worden ist. Seltsam das alles.
Wir beschließen, für die Nacht hier zu bleiben.
Wir essen noch eine Kleinigkeit, waschen uns und gehen ins Bett. Es sind immer noch 31°C, doch die Nacht ist eine afrikanische Bilderbuchnacht. Im Wald um uns herum zirpt und piept es unaufhörlich. Wir haben einen gigantischen Sternenhimmel mit einer überdeutlichen Milchstraße. Ab und zu kreischen Vögel oder Affen, es hört sich manchmal wie schreiende Kleinkinder an. Aus der einen Richtung hört man Trommeln, aus der anderen entfernten Gesang. So muss Afrika sein.
Es ist ein wunderbares Gefühl, im Bett zu liegen und zu wissen, dass das ganze saugende und beißende Viehzeugs erfolglos gegen das Moskitonetz anrennt. So ein Netz lernt man in dieser Gegend ganz besonders schätzen, weil hier wirklich viel Flugverkehr ist, nicht nur Malariamücken.
Wir schlafen prima trotz der Wärme.
Am nächsten Morgen erkennen wir, dass wir mitten in einer neuen Anlage stehen.
Nach und nach kommen ein paar Frauen, ein freundliches "Bom Dia". Ein junger Mann spricht ein wenig englisch und erläutert uns, dass das ein Projekt des nahe gelegenen Dorfes ist. Man hat mit ausländischer Hilfe ein paar Hütten für Touristen gebaut, einen Campingplatz angelegt, Duschen und Toiletten dazu, ein kleines Museum gebaut und einen Brunnen gebohrt. Strom gibt es zwar nicht, auch kein Süßwasser, doch es macht alles einen sehr netten Eindruck.
Wir wollen hier einen Tag Pause einlegen. Auf den eigentlichen Zeltplatz können wir zwar nicht, da es keine Zufahrt für Autos gibt, doch man bietet uns an, schnell eine Schneise durch den Wald zu schlagen. Das wollen wir dann doch nicht und bleiben statt dessen lieber auf der zentralen Lichtung. Es sind außer uns ja keine weiteren Gäste da. Für zwei Nächte bezahlen wir knapp vier Euro, die dem Dorf zu Gute kommen. Klingt nach wenig, doch ist für hiesige Verhältnisse 'ne Menge, zumal es praktisch keine anderen Erwerbsmöglichkeiten gibt.
Am Nachmittag kommt eine ältere Frau vorbei und gibt uns ein paar Früchte. Da wir nicht wissen, was man mit denen macht, öffnet sie eine und zeigt uns, was man essen kann. Es sind Bungua (keine Ahnung, was das auf deutsch heißt). Sie sehen aus wie Granatäpfel und schmecken genau wie Mangos, haben aber nur ganz wenig Fruchtfleisch um die Kerne herum. Es sind eher Lutschbonbons mit Mangogeschmack. Aber lecker, angenehm säuerlich.
Das Wetter ist auch bilderbuchmäßig, blau mit ein paar Wölkchen. Nicht so heiß wie gestern. Was braucht man mehr.
Unsere Frotzelei mit dem Camp und dem Restaurant hat sich zwar nicht ganz erfüllt, doch der Platz hier hat etwas Paradiesisches. Nach dem Wasserbad gestern nacht hatten wir das auch verdient.
Es war nicht anzunehmen, dass das Wasser auf der Piste genau an unserem Camp zu Ende sein wird. Doch auf der Weiterfahrt sehen wir, dass der Wasserspiegel während unserer Pause etwas gesunken ist. Wir kommen gut vorwärts.
Doch dann kommt's richtig dicke, aber wirklich richtig. Warum plötzlich wieder soviel Wasser da ist, wissen wir auch nicht. Ein uns entgegenkommender Geländewagen hält an und macht uns klar, dass wir nicht mehr weiterkommen werden. Er hätte das Wasser weit über der Motorhaube gehabt, es wäre mindesten einen Meter tief gewesen. Und mit einem Benzinmotor hätten wir wegen der wasserempfindlichen Zündung ohnehin keine Chance.
Unsere Optionen sind nicht sehr zahlreich. Entweder wir kommen durch diese Strecke durch, dann erreichen wir nach ein paar Stunden Südafrika (und ordentliche Straßen), oder wir drehen um, wühlen uns zurück bis Maputo und fahren von dort zurück nach Südafrika, auf dem selben Weg, den wir gekommen sind. Die zweite Option klingt überhaupt nicht prickelnd, also die erste. Vielleicht hat der Geländewagenfahrer auch ein wenig übertrieben. Außerdem kann man die wirklich großen Löcher ja vorher zu Fuß erkunden. Also versuchen wir's.
Es geht weiter wie bisher. Wasserloch, 50 m Sand, Wasserloch. Man gewöhnt sich dran. Bei dem einen oder anderen watet Wolfgang vorher durch, doch übers Knie reicht die braune Brühe nur sehr selten.
Später begegnet uns eine ganze Gruppe Geländewagen, offensichtlich Südafrikaner, die ihre Autos hier mal richtig rannehmen wollen. Als wir ihnen hinterherschauen, können wir kaum glauben, dass wir diese Strecke vor ein paar Minuten selber gefahren sind. Es sieht wirklich dramatisch aus, wenn ein Auto nach dem anderen ins Wasser eintaucht, 'ne dicke Welle vor sich herschiebt und hinten wieder auftaucht.
Bei einigen Löchern wird's dann aber doch kritisch. Anette zieht zwar noch keine Schwimmweste an, doch sie räumt die wasserempfindlichen Teile nach oben. Na, wenn's denn hilft. Obwohl wir immer gemächlich durchfahren, schwappt uns die Welle einige Male bis auf die Windschutzscheibe. Aber: das Auto hält dicht und der Motor läuft!!!
Irgendwie schaffen wir es, immer genau bei den Löchern vorher durchzuwaten, die völlig unkritisch sind. Die wirklich schlimmen Dinger halten wir immer für harmlos und sind dann mächtig überrascht, wie tief es runter geht.
Als es trockener wird, kommt uns ein Südafrikaner entgegen, der die Strecke wohl kennt, und macht uns klar, dass wir es geschafft haben. Noch ein paar Kilometer trockener Sand, dann wartet nicht nur ein sehr schönes Camp auf uns, sondern auch ein Restaurant und richtige Duschen. Ha, das haben wir uns jetzt auch verdient. Beim Weiterfahren fragt er noch ganz ungläubig, ob wir wirklich die Strecke von Maputo gekommen wären. Mit diesem Auto?
Doch bevor wir uns auf Dusche und Restaurant freuen können, wartet noch ein Stück Arbeit auf uns. Denn wir wühlen uns an einer Steigung noch mal so richtig tief im weichen Sand fest. Diesmal ist's auch nicht mit ein bisschen Schieben getan. Sandbleche, Reifendruck ablassen, Schaufeln, fast das ganze Repertoire.
Nach einer halben Stunde stehen wir tatsächlich in einem sehr schönen Camp, auch das Restaurant ist offen, die Duschen sind sauber und heiß. Das Camp liegt schön schattig an einem wunderschönen Strand mit einer tollen Brandung. Nachdem wir uns von dieser ausgiebig haben durchschütteln lassen, kommen beim Sonnenuntergang ein halbes Dutzend Buschbabies zu Besuch. Nachtäffchen, die von Früchten leben und von unseren Platznachbarn mit einem Teller Obst angelockt wurden. Der Name Buschbabies kommt von ihrem nächtlichen Geschrei, was sich wie das kleiner Kinder anhört. Das waren also die Stimmen, die wir nachts im letzten Camp gehört hatten.
Mit dem Auto hier her zu fahren, war zwar eine arge Schinderei, aber die Belohnung war entsprechend. Offensichtlich ist es sogar ohne ernsthafte Schäden am Fahrzeug abgegangen, wie eine gründliche Inspektion am nächsten Tag zeigt.
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